Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.03.2014, Az. B 1 KR 110/13 B

1. Senat | REWIS RS 2014, 7414

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensmangel - Verletzung des rechtlichen Gehörs - unwirksame Bekanntgabe bzw Zustellung des anberaumten Verhandlungstermins - Zustellungsmangel - Zurückverweisung


Tenor

Auf die Beschwerde des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 3. Juli 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren auf Restkostenerstattung von 1456,56 [X.] für die Versorgung mit Zahnersatz und funktionsanalytischen Maßnahmen bei der [X.] und in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das [X.] hat seine Berufung gegen den in erster Instanz ergangenen klageabweisenden Gerichtsbescheid wegen Versäumung der Berufungsfrist unter Versagung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand verworfen (Urteil vom [X.]).

2

Der Kläger rügt mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im [X.]-Urteil die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

3

II. Die zulässige Beschwerde des [X.] ist begründet.

4

1. Das [X.]-Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]), den der Kläger entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 [X.] bezeichnet. Das [X.] hat den Anspruch des [X.] auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 S 1 Charta der Grundrechte der [X.]päischen Union, Art 6 Abs 1 [X.]päische Menschenrechtskonvention, § 62 [X.]) verletzt. Es hat am [X.] in der Sache entschieden, obwohl der Kläger annehmen durfte, eine instanzbeendende Entscheidung werde jedenfalls an diesem Tage nicht ergehen.

5

Nach § 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 [X.] ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Grundsätzlich bedarf es keines weiteren Vortrags zum "Beruhen" der angegriffenen Entscheidung auf dem Verfahrensfehler, wenn ein Beschwerdeführer behauptet, um sein Recht auf eine mündliche Verhandlung gebracht worden zu sein (vgl [X.]-1500 § 158 [X.] RdNr 4; [X.]-1500 § 160 [X.]3 S 62). Wird einem Beteiligten ein vom Gericht anberaumter Verhandlungstermin nicht mitgeteilt, reicht es wegen der besonderen Wertigkeit der mündlichen Verhandlung als Kernstück des sozialgerichtlichen Verfahrens vielmehr aus, dass eine andere Entscheidung nicht auszuschließen ist, wenn der Betroffene Gelegenheit gehabt hätte, in der mündlichen Verhandlung vorzutragen ([X.] 44, 292, 295 = [X.] 1500 § 124 [X.]; [X.] Beschluss vom [X.] KR 112/09 B - Juris RdNr 5 mwN; [X.] Beschluss vom 18.12.2012 - [X.] [X.]/12 B - Juris RdNr 5). So liegt es hier.

6

Das [X.] hat den Kläger nicht ordnungsgemäß über den für den [X.] anberaumten Verhandlungstermin informiert. Es hat ihm die Terminsbestimmung weder wirksam bekannt gegeben noch zugestellt. Obwohl [X.] und Ladungen bekannt zu geben "sind" (§ 63 Abs 1 S 2 [X.] idF durch Art 1 [X.]6 Sechstes Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes vom 17.08.2001, [X.] 2144), kann das Gericht deren Zustellung auch weiterhin anordnen, wenn es dies für zweckmäßig hält (BT-Drucks 14/5943 [X.] zu [X.]6; [X.], [X.], Stand November 2012, § 63 RdNr 7). Die vom [X.] angeordnete Zustellung durch die Post mit Postzustellungsurkunde erfolgte unwirksam, auch wenn das [X.] dies nicht erkennen konnte. Die ausweislich der [X.] beabsichtigte Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 63 Abs 2 S 1 [X.]; § 181 ZPO) setzt ua voraus, dass der [X.] unter der [X.] tatsächlich eine Wohnung oder einen Geschäftsraum etc hat (vgl [X.] NStZ-RR 1997, 70; [X.] NJW 1992, 224, 225; [X.], [X.], Stand November 2012, Anhang 8 [X.], § 181 ZPO Anm 4 a bb). Daran fehlte es. Der Kläger hat seinen Auszug aus seiner Wohnung in [X.] durch das Übergabeprotokoll vom [X.] überzeugend bewiesen. Es liegt auch nichts dafür vor, dass dieser Zustellungsmangel vor dem [X.] geheilt worden ist (§ 63 Abs 2 S 1 [X.]; § 189 ZPO).

7

Es ist mangels wirksamer Zustellung unerheblich, dass der Kläger seinerseits nicht alles Notwendige getan hat, damit ihn Zustellungen des Gerichts tatsächlich erreichten. So waren [X.] nach den vorgelegten Unterlagen nicht vom Nachsendeauftrag des Kläger umfasst. Ebenso ist es ohne Bedeutung, dass [X.] des [X.] kein Verschulden trifft, weil sie allein anhand der Postzustellungsurkunde nicht erkennen konnten, dass die Zustellung unwirksam war.

8

2. Nach § 160a Abs 5 [X.] kann das [X.] in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverweisen, wenn die Voraussetzungen des § 160 Abs 2 [X.] [X.] vorliegen, was - wie ausgeführt - hier der Fall ist. Der Senat macht von dieser Möglichkeit Gebrauch.

9

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt dem [X.] vorbehalten.

Meta

B 1 KR 110/13 B

04.03.2014

Bundessozialgericht 1. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Stade, 20. Oktober 2010, Az: S 15 KR 188/06, Gerichtsbescheid

§ 62 SGG, § 63 Abs 1 S 2 SGG, § 63 Abs 2 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 181 ZPO, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 04.03.2014, Az. B 1 KR 110/13 B (REWIS RS 2014, 7414)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7414

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