Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2016, Az. IX ZR 149/15

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 4047

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]:[X.]:[X.]:2016:131016UIXZR149.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL

IX ZR 149/15

Verkündet am:

13. Oktober 2016

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. Oktober 2016 durch [X.] [X.], die Richterin [X.], [X.], die Richterin [X.] und den Richter Dr. Schoppmeyer

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 18. Zivilkammer des [X.] vom 2. Juli 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Reihe von mit Wohngebäuden be-bauten Grundstücken in der L.

in B.

. Der Beklagte ist lang-jähriger Mieter einer der Wohnungen in den aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts stammenden Mietshäusern. Mit Schreiben vom 27. Mai 2009 kündigte die Klägerin ihren Mietern an, umfangreiche Sanierungs-
und Energie-einsparungsmaßnahmen
in den Häusern vorzunehmen, mit deren [X.] am 15. September 2009 begonnen werden sollte. Am 4. September 2009 stellte der Beklagte einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Be-weisverfahrens, gerichtet auf Feststellung des Instandsetzungsbedarfs an den 1
-
3
-
Mietshäusern der Klägerin. Zugleich beantragte er den Erlass einer einstweili-gen Verfügung, mit welcher der Klägerin die ab dem 15. September 2009 beab-sichtigten Baumaßnahmen bis zu einer vollständigen Begutachtung durch den zu bestellenden Sachverständigen untersagt werden sollten. Mit Beschluss vom 7. September 2009 untersagte das [X.] weitgehend antragsgemäß den Beginn der Baumaßnahmen.

Am 16. November 2009 legte die Klägerin Widerspruch gegen die vom [X.] erlassene
einstweilige Verfügung ein. Sodann ruhte das Verfahren mit Zustimmung beider Parteien bis zur Wiederaufnahme durch die Klägerin im Februar 2010. Mit Urteil vom 29. April 2010 bestätigte das [X.] den Be-schluss vom 7.
September 2009 nur teilweise. Im nachfolgenden Berufungsver-fahren nahm der Beklagte auf Anregung des [X.] mit Schriftsatz vom 9. August 2010 den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurück. Das vom [X.] abgetrennte selbständige Beweisverfahren lief noch bis zum Februar 2011.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Sie habe die Bauarbeiten wegen der einstweiligen Verfügung in der [X.] vom 15.
September 2009 bis zur Rückgabe der Ausfertigung der einstweiligen [X.] im September 2010 nicht durchführen können. Deshalb verlangt sie Er-satz einer an die Generalübernehmerin erbrachten Schadensersatzleistung in [X.] vier Dachgeschosswohnundie Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom
Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

2
3
-
4
-

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des [X.] Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch gegen den Beklagten, weil sie der Generalübernehmerin keinen pauschalierten Schadensersatz nach § 6 Nr. 1 des Bauvertrages geschuldet habe, denn sie habe die Verzögerung des Baubeginns nicht zu vertreten gehabt. Eine [X.] aus §
642 Abs. 1 [X.] scheide ebenfalls aus. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für eine
angemessene Entschädigung nach dieser Vorschrift nicht vorgetragen. Welche Dispositionen die Generalübernehmerin im Hinblick auf den vereinbarten Baubeginn 15. September 2009 getroffen habe, sei nicht erkennbar. Es könne deshalb offen bleiben, inwiefern der von der Klägerin be-hauptete Schaden auf ein Mitverschulden zurückzuführen sei, weil sie den [X.] am 28. August 2009 in Kenntnis des drohenden Baustopps abgeschlos-sen habe.

Auf einen Schadensersatzanspruch wegen der angefallenen
Zinsen kön-ne sich die Klägerin wegen des Abschlusses der Darlehensverträge erst nach Zustellung der einstweiligen Verfügung nicht berufen. Mögliche [X.] könnten deshalb nicht auf deren Vollziehung zurückzuführen sein. Mit einer Erledigung des einstweiligen Verfügungsverfahrens im November 2009 4
5
6
-
5
-
habe die Klägerin nicht rechnen können, weil sie ihren Widerspruch erst am 16. November 2009
eingelegt habe.

Der [X.] sei nicht dargelegt, denn es sei völlig unklar,
welchen Umfang die Bauarbeiten
gehabt hätten und wann die in dem Haus be-legenen
Wohnungen bezugsfertig geworden wären, wenn das Generalunter-nehmen mit den Arbeiten tatsächlich schon am 15. September 2009 begonnen hätte. Die Klägerin habe darüber hinaus kein taugliches Beweisangebot für
ihre Behauptung gemacht, dass die Wohnungen sofort nach Fertigstellung ohne weiteres hätten vermietet werden können.

II.

Diese Erwägungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nachprü-fung stand. Mit der Begründung des Berufungsurteils kann ein der Klägerin ent-standener kausaler Schaden nicht abgelehnt werden. Das Berufungsgericht hat übersehen, dass ein ersatzfähiger Schaden schon dann gegeben sein kann, wenn die selbstschädigende Handlung des Gläubigers durch den Schädiger herausgefordert ist.

1. Grundlage des von der Klägerin geltend gemachten [X.] ist § 945 ZPO. Diese Vorschrift begründet eine weder Rechtswidrig-keit noch Schuld voraussetzende Risikohaftung des Gläubigers. Wer aus einem noch nicht endgültigen Titel die
Vollstreckung betreibt, soll das Risiko tragen, dass sich sein Vorgehen nachträglich als unberechtigt erweist ([X.], Urteil vom 2.
November 1995 -
IX ZR 141/94, [X.]Z 131, 141, 143; Beschluss vom 22.
Januar 2009 -
I
ZB 115/07, [X.]Z 180, 72 Rn. 16; Urteil vom 10.
Juli 2014
7
8
9
-
6
-
-
I ZR 249/12, [X.], 978 Rn. 14). [X.] ist allerdings nur der aus der Vollziehung der einstweiligen Verfügung verursachte Schaden im Sinne der §§ 249 ff [X.] ([X.], Urteil vom 19.
September 1985 -
III ZR 71/83, [X.]Z 96, 1, 2; vom 1.
April 1993 -
I
ZR 70/91, [X.]Z 122, 172, 179; vom 23. März 2006 -
IX ZR 134/04, [X.], 2557 Rn.
23; vom 20.
Juli 2006 -
IX ZR 94/03, [X.]Z 168, 352 Rn.
19 und 30). Für die Bemessung des Schadens gelten nach [X.] Rechtsprechung die allgemeinen Grundsätze, insbesondere §§ 249 ff [X.] und § 287 ZPO ([X.], Urteil vom 20. Juli 2006 aaO; vom 10. Juli 2014,

aaO Rn.
34). Der Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich den durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung adäquat
kausal verursachten, [X.] oder mittelbaren Schaden einschließlich des infolge des [X.] entgangenen Gewinns des Schuldners ([X.], Urteil vom 20. Juli 2006, aaO Rn. 19).

2. Das Berufungsgericht meint, der Klägerin sei trotz der behaupteten [X.] in dieser Höhe entstanden, denn die Klägerin habe der Generalübernehme-rin pauschalen Schadensersatz wegen Bauverzögerungen nach § 6 Nr. 1 [X.] nicht geschuldet. Nach ihrem Vorbringen habe die Verzögerung auf der einstweiligen Verfügung beruht. Es sei aber weder vorgetragen noch ersichtlich, weshalb die Klägerin dies im Verhältnis zur Generalübernehmerin zu vertreten haben sollte. Soweit die Klägerin sich auf einen Schadensersatzanspruch des Generalübernehmers aus § 642 Abs. 1 [X.] berufe, habe sie zu den Voraus-setzungen für einen solchen Anspruch nicht ausreichend vorgetragen. Diese Schadensbetrachtung widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs.

10
-
7
-

a) Der Zurechnungszusammenhang zwischen einem schädigenden [X.] und dem Schaden bei eigenen selbstschädigenden Handlungen des [X.] bleibt bestehen,
wenn die Handlung durch das [X.] Ereignis herausgefordert wurde oder für sie ein rechtfertigender Anlass im Sinne einer nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen zu [X.] Entschließung bestand (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 1971 -
VI [X.], [X.]Z 57, 25, 29 f; vom 3.
Dezember 1992 -
IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1141; vom 4.
Juli 1994 -
II ZR 126/93, [X.], 126, 127; vom 20.
Oktober 1994 -
IX ZR 116/93, [X.], 449, 451; vom 17. Oktober 2000 -
X
ZR 169/99, NJW 2001, 512, 513; vom 18.
Januar 2007 -
IX ZR 122/04, [X.], 567 Rn.
12; vom 14.
Juni 2012 -
IX [X.], [X.]Z 193,
297 Rn.
44; [X.]/[X.], 7.
Aufl., §
249 Rn. 167 ff; [X.]/[X.], März 2011, §
249 Rn.
64 und 88; [X.]/[X.], Schadensersatz, 3. Aufl., Seite
136 f; für die Anwaltshaftung [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/
Rinkler/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 46). Er fehlt, wenn der Geschädigte selbst in völlig ungewöhnlicher oder unsachgemäßer Weise in den schadensträchtigen Geschehensablauf eingreift und eine weitere Ursache setzt, die den Schaden endgültig herbeiführt ([X.], Urteil vom 14.
März 1985 -
IX ZR 26/84, NJW 1986, 1329, 1331; vom 29. Oktober 1987 -
IX ZR 181/86, NJW 1988, 1143, 1145; vom 19. Mai 1988 -
III ZR 32/87, NJW 1989, 99, 100; vom 10. Oktober 1996 -
IX ZR 294/95, NJW 1997, 250, 253).

b) Von dieser Rechtsprechung weicht das Berufungsgericht ab, indem es in seiner Entscheidung ausschließlich an das Bestehen eines [X.] der
Generalübernehmerin
gegen die Klägerin anknüpft und eine Herausforderung der Klägerin zur Zahlung der 39.330,ie
Generalüber-nehmerin
durch die vom Beklagten erwirkte einstweilige Verfügung nicht in Er-wägung zieht. Unter Beachtung der von Rechtsprechung und Literatur zu einer 11
12
-
8
-
vom Schädiger herausgeforderten Selbstschädigung entwickelten Grundsätze hätte das Berufungsgericht eine [X.]keit der behaupteten Zahlung an die Generalübernehmerin nicht von vornherein verneinen dürfen. Die Klägerin hat unter Beweisantritt vorgetragen, sie habe auf die Zahlungsaufforderung der Generalübernehmerin vom 9. Mai 2012 an diese am 30. Oktober 2012 einen s-schaden der Klägerin. Die Klägerin hat auch ausreichend vorgetragen, der durch die einstweilige Verfügung angeordnete Baustopp habe zu einer [X.] geführt,
aus dem die Generalübernehmerin nach § 6 Nr. 1
des
Bauver-trages
ihren Zahlungsanspruch ableiten könne. Insoweit liegt es nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Bauherr infolge einer Untersagung des Baubeginns Schadensersatzforderungen eines Bauunternehmens ausgesetzt sieht.

Geht man mit der Auslegung des Bauvertrages durch das [X.] hingegen davon aus, dass das Zahlungsbegehren der Generalübernehme-rin unberechtigt gewesen sei, weil sich ein Schadensersatzanspruch nicht aus §
6 Nr.
1 Bauvertrag ergebe
und die Voraussetzungen für einen
Anspruch aus §
642 Abs. 1 [X.] nicht dargetan seien, so musste das Berufungsgericht [X.], ob die Klägerin nach den bei Vornahme der Zahlung erkennbaren Umstän-den von einer Berechtigung der Generalübernehmerin ausgehen und die [X.] an diese als vernünftig und zweckmäßig ansehen durfte. Diese Prüfung ist hier unterblieben.

3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein aus den Darlehensverträ-gen resultierender etwaiger Schaden
in
Form von Bereitstellungszinsen sei nicht auf die Vollziehung der einstweiligen Verfügung zurückzuführen, weil die Darlehensverträge erst nach deren Zustellung abgeschlossen worden seien, 13
14
-
9
-
greift ebenfalls zu kurz. Das Berufungsgericht hätte sich mit den
von der Kläge-rin angegebenen Gründen für den möglicherweise erst nach Vollziehung der einstweiligen Verfügung erfolgten Abschluss der Verträge sachlich
befassen müssen.

a) Als [X.] sind die geltend gemachten Zinsen ersatzfä-hig, wenn zwischen ihrer Entstehung bei der Klägerin und der nach dem [X.] durch die einstweilige Verfügung verursachten Verschiebung der Baumaßnahme ein Zurechnungszusammenhang besteht. Der Klägerin kommt insoweit die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute (vgl. [X.], Urteil vom 20.
Juli 2006 -
IX ZR 94/03, [X.]Z 168, 352 Rn.
25; vom 10. Juli 2014 -
I
ZR 249/12, [X.], 978 Rn. 34).

b) Sollte der Abschluss der Darlehensverträge am 27. Oktober 2009 erst nach Zustellung der einstweiligen Verfügung vom 7.
September 2009 -
deren [X.]punkt die Vorinstanzen nicht eindeutig festgestellt haben
-
erfolgt sein, wä-ren wie bei der Zahlungsverpflichtung gegenüber der Generalübernehmerin die Grundsätze zur Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs bei scha-densursächlichen oder den Schaden vergrößernden Willensentschlüssen des Geschädigten zu beachten. Zu fragen ist danach, ob die Entscheidung der Klä-gerin, trotz des gerichtlich angeordneten Baustopps bis zu einer Begutachtung im Selbständigen Beweisverfahren die in den Darlehensverträgen vorgesehe-nen Verpflichtungen einzugehen, durch das Erwirken des Baustopps herausge-fordert wurde oder als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen zu bewerten ist und ob die Klägerin hiermit ein unverhältnismäßiges Risiko auf sich nahm.

15
16
-
10
-

c) Soweit die Klägerin
als Schadensposition den Ersatz vertraglicher Zin-sen für den zur Finanzierung entstandener Planungskosten abgerufenen [X.] geltend macht, kommt ein Anspruch nicht in Betracht. Diese Zin-sen wären nach den bisherigen Feststellungen auch angefallen, wenn es infol-ge der einstweiligen Verfügung nicht zu einem Baustopp und zu einer Ver-schiebung der Maßnahmen gekommen wäre.

4. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann auch die Ab-lehnung eines [X.]s betreffend die Dachgeschosswohnungen wegen nicht hinreichend konkreter und in sich plausibler Schadensdarstellung keinen Bestand haben. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an die von der Klägerin geschuldeten Ausführungen zu dem [X.] über-spannt. Die Begründung, weil die Finanzierung erst Ende Oktober 2009 verein-bart worden sei, sei unklar, welchen Umfang die schon zum 15.
September 2009 geplanten Arbeiten gehabt hätten,
ist nicht tragfähig. Das [X.] hätte die deshalb von der Klägerin angebotenen Beweise nicht als unge-eignet zurückweisen dürfen.

a) Die Klägerin macht einen [X.] geltend, der eine Form des entgangenen Gewinns im Sinne von § 252 [X.] ist und auf den die dorti-gen Grundsätze Anwendung finden (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 12.
Aufl., §
546a Rn.
99; [X.]/[X.], Oktober 2015, §
546 Rn.
130
ff; [X.]/[X.], [X.], 2014, § 546a Rn. 62). Sie muss die Um-stände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falles die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintrittes ergibt. Liegt eine solche Wahrscheinlichkeit vor, wird widerleglich vermutet, dass der Gewinn gemacht 17
18
19
-
11
-
worden wäre ([X.], Beschluss vom 27. Oktober 2010 -
XII ZR 128/09, [X.] 2010, 343
Rn. 3). Dem [X.] obliegt dann der Beweis, dass er nach dem späteren Verlauf oder aus anderen Gründen dennoch nicht erzielt worden wäre. Dabei dürfen keine zu strengen Anforderungen an die Darlegungs-
und Beweislast des Geschädigten gestellt werden ([X.],
Urteil vom 30.
Mai 2001
-
VIII ZR 70/00 -
NJW-RR 2001, 1542; vom 19. Oktober 2005 -
VIII ZR 392/03,
NJW-RR 2006, 243, 244; Beschluss vom 27. Oktober 2010, aaO).

b) Ein [X.] ist hinreichend dargelegt, wenn nach dem [X.] angesichts des Mietobjektes und der Marktlage üblicher-weise ein neuer Mieter innerhalb einer bestimmten Frist nach Beendigung der Baumaßnahmen gefunden worden wäre. Anknüpfend an das Tatbestands-merkmal der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 252 Satz 2 [X.] hat der Bun-desgerichtshof betont, dass es eine feste Regel für die an die Darlegung zu stellenden Anforderungen nicht gebe, sondern vieles von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls abhänge (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Juli 2010 -
VIII ZR 326/09, [X.], 815 Rn. 4).

Die Klägerin hat zu der Verzögerung des Baubeginns durch die seitens des Beklagten erwirkte ungerechtfertigte einstweilige Verfügung ausreichend vorgetragen. Hinsichtlich der
Dauer der Bauarbeiten hat sie sich auf einen dem Berufungsgericht bekannten Terminplan berufen. Sie hat ferner unter Benen-nung der Verwalterin der von ihr vermieteten Wohnung als Zeugin für die sofor-tige Vermietbarkeit der Wohnungen zu dem verlangten Mietzins Beweis ange-treten. Diesen Vortrag und den dazugehörigen Beweisantritt hätte das [X.] nicht übergehen dürfen.

20
21
-
12
-
III.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-gericht zurückzuweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Das Berufungsgericht wird sich zunächst mit der Frage zu befassen haben, ob der Klägerin durch den aufgrund der einstweiligen Verfügung ergan-genen Baustopp ein Schaden erwachsen ist,
weil auch die selbstschädigende Handlung des Gläubigers, wenn sie durch den Schädiger herausgefordert ist, zu einem ersatzfähigen Schaden führen kann. Sodann wird es unter Berück-sichtigung des übergangenen Vortrags
und der bislang nicht erhobenen [X.] festzustellen haben, ob die Klägerin infolge des Erlasses der einstweiligen Verfügung einen ersatzfähigen [X.] erlitten hat.

2. Sollte das Berufungsgericht danach zur Feststellung eines ersatzfähi-gen Schadens kommen, wird es sich weiter mit der Frage eines [X.] der Klägerin auseinanderzusetzen haben. Insoweit entspricht es der stän-digen Rechtsprechung des [X.], dass sich der nach § 945 ZPO in Anspruch genommene Schuldner auf ein Mitverschulden des Gläubigers nach § 254 Abs. 1 [X.] berufen kann, weil diese Vorschrift auch anzuwenden ist, wenn eine Ersatzpflicht ohne Rücksicht auf Verschulden gesetzlich ange-ordnet ist ([X.], Urteil vom 1.
Dezember 1965 -
Ib [X.], [X.], 192, 193). Dieses mitwirkende Verschulden kann vor allem darin bestehen, dass der Gegner im Arrest-
oder Verfügungsverfahren dem Antragsteller durch sein 22
23
24
25
-
13
-
schuldhaftes Verhalten zur Ausbringung des [X.] oder der Verfügung [X.] gegeben hat ([X.], 118, 122 f; [X.], Urteil vom 1.
Dezember 1965, aaO; vom 16.
Oktober 1973 -
VI [X.], [X.], 1357, 1358; vom 22.
März 1990 -
IX ZR 23/89, NJW 1990, 2689, 2690; vom 23. März 2006
-
IX ZR 134/04, [X.], 2557 Rn.
23 und 25; vom 20.
Juli 2006 -
IX ZR 94/03, [X.]Z 168, 352 Rn.
31). Hierbei geht es um ein Verschulden in eigenen Angelegenheiten, welches in der Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt beste-he, die nach Auffassung des Verkehrs ein ordentlicher und verständiger Kauf-mann hätte anwenden müssen, um sich tunlichst vor Schaden zu bewahren ([X.], Urteil vom 1.
Dezember 1965, aaO). Zu prüfen ist, ob dem Geschädigten ein eigenes Verhalten zur Last zu legen ist, welches den später eingetretenen Schaden -
für ihn erkennbar
-
begünstigt hat und ihm vor allem deshalb auch von dem Schädiger billigerweise entgegengehalten werden kann ([X.], Urteil vom 9.
Mai 1978 -
VI [X.], NJW 1978, 2024, 2025). Insoweit gebietet es der Normzweck des § 945 ZPO, der das Vollstreckungsrisiko aus dem vorläufi-gen Titel und die Gefahr der sachlich-rechtlichen Unbegründetheit seines [X.] dem Gläubiger zuweist, dass erhöhte Anforderungen an die Annahme eines mitwirkenden Verschuldens des Schuldners gestellt werden ([X.], Urteil vom 22.
März 1990, aaO Seite 2690; BeckOK-ZPO/[X.], September 2015, §
945 Rn.
36; [X.], 6. Aufl., § 945 Rn.
15). Ein mitwirkendes Verschulden kann auch bei Unterlassen eines aussichtsreichen Widerspruchs in Betracht kommen ([X.], Urteil vom 23.
März 2006, aaO Rn.
27 mwN; [X.] GRUR 1996, 998, 999 f; BeckOK-ZPO/[X.], aaO Rn.
37; MünchKomm-ZPO/Drescher, 4.
Aufl., § 945 Rn.
26).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze wird sich das [X.] mit der Frage zu befassen haben, ob die Klägerin Anlass zur Erwirkung der einstweiligen Verfügung durch den Beklagten gegeben hat. Dabei wird es 26
-
14
-
insbesondere den Streit um die Sanierungsbedürftigkeit der Wohnhäuser und um den Abschluss der Vereinbarung einer Modernisierungsumlage sowie einer Vereinbarung, vor Beginn der Arbeiten die Begutachtung durch einen Sachver-ständigen abzuwarten, zu würdigen haben. Ferner wird in Rechnung zu stellen sein, dass die Klägerin gegen die ihr nach eigenem Vortrag bereits am 16. Sep-tember 2009 zugestellte einstweilige Verfügung erst am 16. November 2009 Widerspruch eingelegt und später einem Ruhen des Verfahrens zugestimmt und erst am 19. Februar 2010 die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt hat.

Kayser
[X.]
Pape

[X.]
Schoppmeyer

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 22.05.2014 -
226 [X.] -

LG [X.],
Entscheidung vom 02.07.2015 -
18 [X.]/14 -

Meta

IX ZR 149/15

13.10.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.10.2016, Az. IX ZR 149/15 (REWIS RS 2016, 4047)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 4047

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

IX ZR 149/15 (Bundesgerichtshof)

Wohnraummiete: Einstweilige Verfügung auf Antrag des Mieters auf Einstellung von Sanierungsarbeiten während der Durchführung eines …


V ZR 86/22 (Bundesgerichtshof)

WEG: Schadensersatz eines Wohnungseigentümers für ausgesetzten Beschluss


IX ZR 165/07 (Bundesgerichtshof)


IX ZR 134/04 (Bundesgerichtshof)


I ZR 249/12 (Bundesgerichtshof)

Schadensersatzpflicht bei unberechtigter einstweiliger Verfügung: Vollstreckungsdruck durch formlos übermittelte Verbotsverfügung; unfreiwillige Befolgung der Unterlassungsverpflichtung nach …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

IX ZR 149/15

I ZR 249/12

IX ZR 145/11

XII ZR 128/09

VIII ZR 326/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.