Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2015, Az. 4 StR 463/14

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 13317

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
4
StR
463/14

vom
26. März 2015
in der Strafsache
gegen

wegen gewerbsmäßigen [X.] u.a.

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 26.
März 2015, an der teilgenommen haben:
[X.] am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer

als Vorsitzender,

[X.]in
am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
[X.] am Bundesgerichtshof
Cierniak,
[X.],
Bender

als beisitzende [X.],

Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof

als Vertreterin
des
Generalbundesanwalts,

Rechtsanwalt

in der Verhandlung

als Verteidiger,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

-
3
-
1.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des [X.] vom 17.
März 2014 aufgeho-ben, soweit das [X.] eine Entscheidung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] unterlassen hat.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsmittels, an eine andere [X.] des Land-gerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßigen [X.] in 23
Fällen, gewerbsmäßigen Bandendiebstahls in zwei Fällen, [X.] in vier Fällen, Diebstahls in zwei Fällen, gewerbsmäßiger Hehlerei und wegen versuchten Betruges in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die [X.] auf das Unterlassen einer Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] be-schränkte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
1.
Soweit infolge der Beschränkung der Revision von Bedeutung hat das [X.] im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
1
2
-
4
-
Der Angeklagte erlangte

in sechs Fällen als Alleintäter, im Übrigen als Mittäter mit nicht bzw. erfolglos revidierenden Mitangeklagten

durch die abge-urteilten Betrugs-, Diebstahls-
und Hehlereitaten Gegenstände, insbesondere Lastkraftwagen, Pkws und Baumaschinen, im Wert von fast einer Million Euro. Noch während des erstinstanzlichen Verfahrens ordnete das [X.] im Dezember 2013 zur Sicherung der den Verletzten aus den Taten erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche den dinglichen Arrest in das Vermögen des
Ange-klagten in Höhe von 921.803

2.580

Bargeld sowie eine Armbanduhr im Wert von 1.500

Nach den zu seinen persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellun-gen scheiterte der Angeklagte im Jahr 2010 mit dem Versuch, sein vor der [X.] einer mehrjährigen Freiheitsstrafe in der Mobilfunkbranche betriebenes Unternehmen wieder aufzubauen. Seitdem ging er keiner beruflichen Tätigkeit

(UA
S.
99) abgeleistet. Er ist verheiratet, aber mit einer anderen Frau liiert, und verfügt

über das gepfändete Geld sowie die Armbanduhr hinaus

über keine
mindestens 30.000

gemeint sind damit ersichtlich die Gelder, die durch den Verkauf der durch die Taten erlangten Gegenstände vereinnahmt wurden

hat der Angeklagte bis zu seiner Festnahme vollständig ausgegeben, um die Kos-ten seines Lebensunterhalts zu decken bzw. seinen Lebensstandard zu ver-bessern.
2.
Das [X.] hat von der Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] e unbillige Härte im Sinne
des §
73c Abs.
1 S.
1
3
4
5
-
5
-

e-

eine Million Euro würde zu einer weiteren Verschlechterung seiner Situation und insbeson-dere dazu führen, dass er in absehbarer Zeit keinerlei Einkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze für sich behalten dürfte. Dies würde ihm jede Motivation nehmen, nach
seiner Inhaftierung in das legale Erwerbsleben zurückzukehren. [X.] wäre die Anordnung, weil nicht zu erwarten sei, dass der Angeklagte jemals in der Lage sein werde, eine Forderung von knapp einer
Million Euro zu bedienen.
3.
Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, dass Umstände, die die An-wendung von §
73c StGB rechtfertigen könnten, im Urteil nicht festgestellt
seien. Jedenfalls seien hinsichtlich des vorhandenen

nunmehr gepfändeten

Vermögens die Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht gegeben, so dass [X.] hinsichtlich dieses Betrages eine Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] hätte getroffen werden müssen.
II.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
1.
Ob der Tatrichter eine Entscheidung nach §
111i Abs.
2 [X.] trifft, ; vgl. auch [X.]/[X.], [X.], 57.
Aufl., §
111i Rn.
8 mwN) und unterliegt daher nur der eingeschränk-ten revisionsgerichtlichen Überprüfung ([X.], Urteil vom 20.
Februar 2013

5
StR
306/12, [X.]St 58,
152). Auch die nach der Rechtsprechung des [X.] bei der nach §
111i Abs.
2 [X.] zu treffenden Entscheidung 6
7
8
-
6
-
gebotene Berücksichtigung des
§
73c Abs.
1 StGB (dazu [X.], Urteil vom 28.
Oktober 2010

4
StR
215/10, [X.]St 56, 39; Beschlüsse vom 1.
März 2011

4
StR
30/11; vom 8.
August 2013

3
StR
179/13, [X.], 44) ist
Sache des Tatrichters. Daraus folgt aber nicht, dass Auslegung und Anwen-dung (bzw. Nichtanwendung) dieser Vorschriften jeglicher Kontrolle durch das Revisionsgericht entzogen wären; sie unterliegen vielmehr

wie jede andere Gesetzesanwendung auch

der Überprüfung auf Rechtsfehler hin (§
337 Abs.
1 [X.]; vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Februar 2014

1
StR
336/13).
2.
Auf dieser Grundlage kann das Absehen von einer Feststellung ge-mäß §
111i Abs.
2 [X.] durch die [X.] keinen Bestand haben, da das [X.] den Regelungsgehalt des §
73c StGB rechtsfehlerhaft nicht hinrei-chend beachtet hat.
a)
Nach der Rechtsprechung des [X.] ergibt sich aus dem systematzum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in §
73c Abs.
1 Satz
1 StGB einerseits und der [X.] in §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf
der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder Wertersatz-verfalls abgesehen werden kann; denn die tatbestandlichen Voraussetzungen, welche nach Satz
2 der Vorschrift ein Absehen vom Verfall nach [X.] Ermessen ermöglichen, können nicht zugleich einen zwingenden [X.] nach §
73c Abs.
1 Satz
1 StGB bilden. Daher kann das [X.] des Wertes des [X.] im Vermögen des Betroffenen jedenfalls für sich genommen keine unbillige Härte darstellen, sondern unterfällt dem Anwendungsbereich des §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB. Nach dieser Vorschrift kann eine Verfallsanordnung unterbleiben, soweit das [X.] oder dessen 9
10
-
7
-
Wert zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung im Vermögen des Be-troffenen nicht mehr vorhanden sind. Es ist deshalb zunächst festzustellen, was seines noch vorhandenen Vermögens gegenüberzustellen. Wenn hiernach auch ein Gegenwert des [X.]
im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist, kann der Tatrichter von einer Verfallsanordnung absehen (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13.
Februar 2014

1
StR
336/13; vom 26.
Juni 2014

3
StR
83/14; Urteil vom 26.
März 2009

3
StR
579/08, [X.], 86; vgl. auch [X.], Urteil
vom 27.
Oktober 2011

5
StR
14/11, [X.], 92).
Maßgebend für die Ermessensentscheidung nach §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB ist neben der Gesamthöhe des [X.] und den wirtschaftlichen Ver-hältnissen des Betroffenen insbesondere
der Grund, aus welchem das [X.] bzw. dessen Wert sich nicht mehr im Vermögen des Angeklagten befindet. n-dung für Luxus und zum Vergnügen gegen die Anwendung der Härtevorschrift sprechen; andererseits kann ihr Verbrauch in einer Notlage oder zum notwen-digen Lebensunterhalt des Betroffenen und seiner Familie als Argument für
eine positive Ermessensentscheidung dienen ([X.], Beschluss vom 14.
Okto-ber 2014

2
StR
134/14; Urteil vom 18.
September 2013

5
StR
237/13). [X.] darf bei dieser Entscheidung das [X.] nach der [X.] des Angeklagten Berücksichtigung finden (vgl. [X.], Urteile vom 10.
Oktober 2002

4
StR
233/02, [X.]St
48, 40, 41; vom 18.
September 2013

5
StR 237/13, [X.], 462, 463).

im Sinn
des §
73c Abs.
1 Satz
1 StGB setzt dagegen nach ständiger Rechtsprechung eine Situation voraus, nach der die Anordnung des Verfalls das Übermaßverbot verletzen würde, also 11
12
-
8
-

wäre. Die Auswirkungen müssen im konkreten Ein-zelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme ange-strebten Zweck stehen. Es müssen daher besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine zusätzliche Härte verbun-den wäre, die dem Betroffenen auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Verfalls nicht zugemutet werden kann ([X.], Beschluss vom 14.
Oktober 2014

2
StR
134/14). Dabei kann

wie ausgeführt

das Nichtvorhandensein des [X.] bzw. eines Gegenwertes im Vermögen des von der Verfallsanord-nung Betroffenen nach der inneren Systematik des §
73c Abs.
1 StGB für sich genommen regelmäßig keine unbillige Härte begründen ([X.], Beschluss vom 13.
Februar 2014

1
StR
336/13). Auch kann allein das [X.] bei tatsächlich vorhandenen Vermögenswerten ein völliges Absehen von der Verfallsanordnung oder der Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] regel-mäßig nicht rechtfertigen (vgl. [X.], Urteil vom 26.
März 2009

3
StR
579/08, [X.], 86).
b)
Daran gemessen begegnet die Entscheidung des [X.]s, von einer Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] abzusehen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
aa)
Denn die [X.] hat es unterlassen, wie geboten, zunächst die Voraussetzungen des §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB zu prüfen
sowie

falls es [X.] als gegeben erachtet

die Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen. Sie hat vielmehr sogleich rechtsfehlerhaft auf die nachgeordnete Frage des Vorliegens einer
unbilligen Härte im Sinn des §
73c Abs.
1 Satz
1 StGB abgestellt und das Absehen von der Feststellung gemäß §
111i Abs.
2

unbillige Härte im Sinne des §
73c Abs.
1 S.
1 StGB da

99).
13
14
-
9
-
bb)
Hinzu kommt das Folgende:
(1)
Das [X.] hat nicht hinreichend belegt, dass der Angeklagte aus den Straftaten tatsächlich Gegenstände im Wert von fast einer Million Euro erlangt hat. Nach der Rechtsprechung des [X.] ist ein Vermö-genswert aus der Tat erlangt im Sinn
des §
73 Abs.
1 Satz
1 StGB, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des [X.] zugeflossen ist, er an ihm also unmittelbar aus der Tat (tatsächliche, aber nicht notwendig rechtliche) Verfügungsmacht gewonnen und dadurch einen Vermögenszuwachs erzielt hat. Bei mehreren Tätern und/oder Teilnehmern genügt insofern, dass sie zumindest eine fakti-sche bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand erlangt hatten ([X.], Urteil vom 28.
Oktober 2010

4
StR
215/10, [X.]St 56, 39; vgl. ferner Beschlüsse vom 1.
März 2011

4
StR
30/11; vom 9.
Februar 2010

3
StR
17/10, [X.], 390). Hierzu stellt die [X.] zwar fest, dass der Angeklagte sechs der Taten als Alleintäter begangen hat, bei 28 der bei ihm insgesamt abgeurteilten 34
Taten hat es dagegen Mittäterschaft ange-nommen. Ob der Angeklagte in jedem dieser Fälle Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegen

99), hat es dagegen nicht erörtert und liegt nach den getroffenen Feststellungen auch nicht ausnahmslos auf der Hand.
(2)
Soweit das danach [X.] im Vermögen des Angeklagten nicht mehr vorhanden ist (vgl. zu dieser Feststellung [X.], Urteil vom 26.
März 2009

3
StR
579/08, [X.], 86, 87), ist in die Ermessensentscheidung gemäß §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB einzubeziehen, dass es bei einer innerhalb etwa
ea-15
16
17
-
10
-
heliegt, dass diese nur zum notwendigen Lebensunterhalt des Betroffenen ver-wendet wurde. Dies gilt selbst dann, wenn berücksichtigt wird, dass der von seiner Ehefrau getrennt lebende, kinderlose Angeklagte und/oder seine Mittäter die erlangten Gegenstände weit unter Wert veräußert haben und ihm in diesem

68).
(3)
Insbesondere hinsichtlich des

nach Ansicht der [X.] zwar

noch im Vermögen des Angeklagten vorhandenen Wertes des [X.], also des gepfändeten Bargeldes und der Armbanduhr, ist es selbst angesichts der Ausführungen des [X.]s nicht naheliegend, dass eine unbillige Härte im Sinn des §
73c Abs.
1 Satz
1 StGB gegeben ist, dass also auch insofern die Auswirkungen einer Feststellung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen und besondere Umstände vorliegen, auf Grund derer mit der Vollstreckung des Verfalls eine außerhalb des [X.] liegende zusätz-liche Härte verbunden wäre, die dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann.
3.
Dem Senat ist es verwehrt, die gebotene Entscheidung gemäß §
111i Abs.
2 [X.] selbst zu treffen. Selbst wenn

wie hier

naheliegt, dass diese Feststellung zumindest die sichergestellten Vermögenswerte betrifft, darf
das Revisionsgericht insbesondere die gemäß §
73c Abs.
1 Satz
2 StGB dem Tatrichter überantwortete Ausübung des Ermessens nicht durch eigenes Er-messen ersetzen (vgl. [X.], Beschluss vom 22.
Oktober 2013

1
StR
548/13).
18
19
-
11
-
Einer Aufhebung der vom [X.] getroffenen Feststellungen bedarf es nicht; ergänzende

den bisherigen nicht widersprechende

Feststellungen können getroffen werden (vgl. [X.]/[X.], aaO, §
353 Rn.
12, 21).
Mutzbauer
Roggenbuck
Cierniak

Franke
Bender
20

Meta

4 StR 463/14

26.03.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2015, Az. 4 StR 463/14 (REWIS RS 2015, 13317)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 13317

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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