Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.08.2016, Az. X R 35/15

10. Senat | REWIS RS 2016, 7165

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Gegenstand

Sonderausgabenabzug bei Verrechnung erstatteter nur begrenzt abziehbarer Krankenversicherungsbeiträge mit unbegrenzt abziehbaren Krankenversicherungsbeiträgen


Leitsatz

1. NV: Für die Verrechnung erstatteter Beiträge mit in dem Veranlagungszeitraum gezahlten Beiträgen zur Basiskranken-  und Pflegeversicherung kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die Beiträge im Jahr der Zahlung nur begrenzt steuerlich abziehen konnte.

2. NV: Der Rechtsgrund für die Erstattung ist in diesem Zusammenhang ebenfalls unerheblich.

3. NV: An der steuerlichen Behandlung eines Erstattungsüberhangs von Krankenversicherungsbeiträgen hat sich durch das Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung nichts geändert.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des [X.] vom 16. Oktober 2015  3 K 1087/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren 2010 und 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielte in diesen Jahren Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und Renteneinkünfte. Er war bei der [X.] (Krankenkasse) gesetzlich krankenversichert.

2

[X.] erstattete die Krankenkasse dem Kläger für die [X.] und 2009 zu viel gezahlte Beiträge für die [X.] in Höhe von 1.329,64 €. Grund für die Erstattung gemäß § 231 des [X.] ([X.]) war, dass der Kläger aufgrund des Zusammentreffens seiner unterschiedlichen Einkünfte über die Beitragsbemessungsgrenze hinaus zu Beiträgen herangezogen worden war. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) kürzte demzufolge die Aufwendungen des Klägers für die [X.] gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (EStG) um den Erstattungsbetrag in Höhe von 1.329 €, so dass im Rahmen des [X.] zu berücksichtigende Versicherungsbeiträge (Beiträge zur [X.] sowie zur Haftpflichtversicherung) in Höhe von insgesamt 4.612 € verblieben. Die durchzuführende Günstigerprüfung gemäß § 10 Abs. 4a EStG ergab, dass die Ermittlung der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach der Rechtslage 2004 zu einem günstigeren Ergebnis führte. Der ursprüngliche [X.] wurde aus hier nicht streitigen Gründen mit [X.] vom 14. November 2011 geändert, der bestandskräftig wurde.

3

[X.] erstattete die Krankenkasse dem Kläger erneut Beiträge zur [X.], nunmehr für die Jahre 2005 bis 2011. Diese Erstattung beruhte darauf, dass der Kläger während der Ansparphase Beiträge zu einer Direktversicherung zum Teil selbstfinanziert hatte. Da nach dem Beschluss des [X.] ([X.]) vom 28. September 2010  1 BvR 1660/08 (Der Betrieb 2010, 2343) die darauf beruhenden Leistungen der Direktversicherung nicht in vollem Umfang mit Beiträgen zur [X.] belegt werden durften, korrigierte die Krankenkasse die Beitragsberechnungen für die Jahre 2005 bis 2011 und wies eine Erstattung von insgesamt 7.354,08 € für diese Jahre aus.

4

Aufgrund der Heranziehung geringerer beitragspflichtiger Einkünfte wurden die Beitragsbemessungsgrenzen beim Kläger (überwiegend) wieder unterschritten, so dass die Krankenkasse insoweit gegen den Kläger einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.234,71 € hatte. Nach dessen Verrechnung erstattete die Krankenkasse dem Kläger im [X.] einen Betrag in Höhe von 6.124,23 €.

5

Das [X.] berücksichtigte für den Veranlagungszeitraum 2011 zunächst Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 4.076 € und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 591 €, von denen es jedoch einen Erstattungsbetrag in Höhe von 6.119 € --dies entspricht dem Unterschiedsbetrag zwischen den von der Krankenkasse im [X.] zu erstattenden Beiträgen in Höhe von 7.354,08 € und dem Erstattungsanspruch der Krankenkasse in Höhe von 1.234,71 €-- in Abzug brachte. Damit wurden im [X.] keine [X.]sbeiträge berücksichtigt.

6

Aufgrund des im Einkommensteuerbescheid 2011 berechneten [X.] in Höhe von 1.452 € änderte das [X.] den Einkommensteuerbescheid für das [X.] nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ([X.]) und kürzte die dem Grunde nach als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen zur [X.] um die Beitragsrückerstattungen. Da ihm hierbei ein Additionsfehler unterlaufen war, korrigierte das [X.] die Einkommensteuerfestsetzung für 2010 mit [X.] vom 20. Juni 2013 und reduzierte die abziehbaren [X.]sbeiträge nunmehr um Erstattungen in Höhe von 2.781 €.

7

Gegen den Einkommensteuerbescheid für 2011 sowie gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2010 legten die Kläger Einspruch ein. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, die erstatteten Beträge dürften nicht im Jahr ihres Zuflusses, sondern müssten im jeweiligen Beitragsjahr berücksichtigt werden. Während des [X.] teilte das [X.] den Klägern mit, nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) kürze ein [X.] den Sonderausgabenabzug des Jahres der Verausgabung, so dass im Streitfall der [X.] in Höhe von 1.452 €, der bislang in voller Höhe im [X.] berücksichtigt worden sei, anteilig auf die Jahre 2005 bis 2010 zu verteilen sei. Dementsprechend änderte das [X.] den Einkommensteuerbescheid für 2010 und kürzte die dem Grunde nach als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen zur [X.] um Beitragsrückerstattungen in Höhe von 1.624 €. Der Betrag entspricht der Summe aus den im Einkommensteuerbescheid 2010 bereits berücksichtigten Erstattungen in Höhe von 1.329 € und dem für 2010 ermittelten anteiligen [X.] von 295 €. Im Übrigen wies das [X.] die Einsprüche zurück. Auch das Klageverfahren war ohne Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte --E[X.]-- 2016, 283).

8

Zur Begründung ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) und die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 20. Dezember 2013 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 6. Februar 2013 und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 17. Dezember 2013 dergestalt zu ändern, dass die Erstattungszahlungen der Krankenkasse in Höhe von 6.119 € im [X.] sowie in Höhe von 1.329 € im [X.] nicht als verrechenbare Beiträge, sondern als Erstattungsbeträge sonstiger Zahlungen anerkannt werden, so dass ein [X.] im Bereich der Krankenversicherungsbeiträge im [X.] in beantragter und erklärter Höhe von 4.667 € und im [X.] in Höhe von 5.456 € berücksichtigt wird, hilfsweise
das Urteil des [X.] und die Einspruchsentscheidung des [X.] vom 20. Dezember 2013 aufzuheben sowie den Einkommensteuerbescheid 2011 vom 6. Februar 2013 und den Einkommensteuerbescheid 2010 vom 17. Dezember 2013 dergestalt zu ändern, dass der [X.] in Bezug auf die Krankenversicherung im [X.] lediglich um 305,79 € und im [X.] lediglich um 1.181,16 € gekürzt wird.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

Die im [X.] gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung waren mit den rückerstatteten Beträgen für die Jahre 2005 bis 2010 zu verrechnen (unter 1.). Ebenso war die Kürzung der im [X.] gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung um die im [X.] erstatteten Beiträge für die [X.] und 2009 sowie den anteiligen [X.] aus dem [X.] rechtmäßig (unter 2.).

1. Das [X.] konnte die im [X.] geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung um die in diesem Jahr für die Jahre 2005 bis 2010 erstatteten Beiträge kürzen (unter a). Eine Gleichartigkeit der gezahlten und verrechneten Beiträge ist --entgegen der Auffassung der Kläger-- gegeben (unter b). Die Verrechnung der im [X.] gezahlten Beiträge mit den erstatteten Beiträgen, die in den Jahren 2005 bis 2009 nur begrenzt abziehbar waren, widerspricht nicht der Entscheidung des [X.] vom 13. Februar 2008  2 BvL 1/06 ([X.]E 120, 125, unter c).

a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind bestimmte im Einzelnen aufgeführte "Aufwendungen" als Sonderausgaben abziehbar. Aus der Verwendung des Begriffs "Aufwendungen" und aus dem Zweck des § 10 [X.], bestimmte die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen mindernde Privatausgaben vom Ab-zugsverbot des § 12 Nr. 1 [X.] auszunehmen, folgt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass nur solche Ausgaben als Sonderausgaben berücksichtigt werden dürfen, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet ist (vgl. z.B. [X.]surteil vom 28. Mai 1998 [X.], [X.], 521, [X.] 1999, 95, unter [X.], m.w.N.; s. dazu auch [X.]-Beschluss vom 18. Februar 1988  1 BvR 930/86, [X.] --[X.]FR-- 1989, 271, unter 1.b).

aa) Bei den in der Regel jährlich wiederkehrenden Sonderausgaben, wie z.B. den Versicherungsbeiträgen oder der Kirchensteuer, steht häufig die endgültige Belastung im [X.] noch nicht fest, weil dem Steuerpflichtigen nach Ablauf des Veranlagungszeitraums Versicherungsbeiträge oder Kirchensteuern erstattet werden. In diesen Fällen sind nach ständiger BF[X.]-Rechtsprechung und Verwaltungspraxis die erstatteten Beiträge mit den im Jahr der Erstattung gezahlten gleichartigen Sonderausgaben zu verrechnen, so dass nur der Saldo zum Abzug als Sonderausgaben verbleibt (zur Verrechnung von Beitragsrückerstattungen BF[X.]-Urteile vom 20. Februar 1970 VI R 11/68, [X.], 357, [X.] 1970, 314, und in [X.], 521, [X.] 1999, 95, unter [X.]; s. auch [X.] 2015 [X.] 10.1 Abs. 2).

[X.]) Eine solche Verrechnung im [X.] ist jedoch dann nicht möglich, wenn in diesem Veranlagungszeitraum nicht genügend verrechenbare gleichartige Sonderausgaben zur Verfügung stehen, sei es, weil gar keine gleichartigen Sonderausgaben angefallen sind oder weil die erstatteten Sonderausgaben höher sind als die gezahlten gleichartigen Sonderausgaben (vgl. [X.]surteil in [X.], 521, [X.] 1999, 95, unter [X.]). Die Verrechnung der erstatteten mit den gezahlten Sonderausgaben ist bei einem entstandenen [X.] damit im Jahr der Zahlung geboten, weil anderenfalls nicht mehr zu rechtfertigende Steuervorteile einträten (vgl. BF[X.]-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 10/04, BF[X.]E 207, 28, [X.] 2004, 1058, unter [X.]).

Die Konsequenz dieser Ausnahme ist aber nicht, dass hierdurch der Grundsatz der vorrangigen Verrechnung im [X.] durchbrochen würde und die gesamte Erstattung im [X.] mit den dort geleisteten Sonderausgaben zu verrechnen wäre. Vielmehr mindert der [X.] nur dieser-- über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] den Sonderausgabenabzug im [X.] (s. [X.]sentscheidungen in [X.], 521, [X.] 1999, 95, Rz 19, und vom 19. Januar 2010 [X.], BF[X.]/NV 2010, 1250, Rz 5).

[X.]) Das Vorbringen der Kläger, die von ihnen zu viel gezahlten Beiträge seien ohne Rechtsgrund geleistet worden, ist ohne Bedeutung. Für die hier allein entscheidende Rechtsfrage, ob "Aufwendungen" i.S. des § 10 [X.] vorliegen, ist der Rechtsgrund für die Erstattung unerheblich (s. BF[X.]-Urteil in BF[X.]E 207, 28, [X.] 2004, 1058, Rz 13). Auch hat der erkennende [X.] in der vergleichbaren Konstellation, in der Versicherungsbeiträge mangels bestehender Versicherungspflicht erstattet wurden, bereits entschieden, dass die erstatteten Beiträge (zunächst) mit den im Jahr der Erstattung gezahlten Beiträgen zu verrechnen sind ([X.]surteil in [X.], 521, [X.] 1999, 95, Rz 19).

An dieser Rechtsprechung hält der [X.] fest. Die notwendige wirtschaftliche Belastung von als Sonderausgaben abziehbaren Aufwendungen mindert sich wegen einer Erstattung erst in dem Jahr, in dem sie dem Steuerpflichtigen tatsächlich dauerhaft zugeflossen ist. Dabei ist es unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage die Erstattung beruht und/oder ob sie materiell zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist. Entscheidend ist vielmehr, dass die Krankenkasse davon ausgeht, die Erstattung stehe dem Versicherten auch tatsächlich zu (vgl. auch BF[X.]-Urteile vom 26. November 2008 [X.], BF[X.]/NV 2009, 568, Rz 14, und vom 23. Februar 2005 XI R 68/03, BF[X.]/NV 2005, 1304, Rz 13).

b) Voraussetzung für die im [X.] vorzunehmende Verrechnung ist indes, dass es sich um gleichartige Sonderausgaben handelt (aa und [X.]). Die unterschiedlichen steuerlichen Auswirkungen der Sonderausgaben im Zahlungs- und [X.] sind bei der Beurteilung der Gleichartigkeit unbeachtlich (unter [X.] bis ee).

aa) Die im [X.] erstatteten [X.]sbeiträge sind mit den von den Klägern in den Jahren 2005 bis 2010 gezahlten [X.]sbeiträgen gleichartig, soweit sie auf die Basisabsicherung entfallen.

Der erkennende [X.] hat bereits entschieden, dass sich die Gleichartigkeit der Sonderausgaben nach deren Sinn und Zweck sowie der wirtschaftlichen Bedeutung und den Auswirkungen für den Steuerpflichtigen richtet. Bei Versicherungsbeiträgen kommt es dabei auf die Funktion der Versicherung und das abgesicherte Risiko an (Urteil vom 21. Juli 2009 X R 32/07, BF[X.]E 226, 67, [X.] 2010, 38).

Dies zugrunde gelegt, bestehen keine Zweifel, dass im Streitfall die erstatteten mit den gezahlten [X.]sbeiträgen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a [X.] verrechnet werden können. Sie entfallen auf Vertragsleistungen, die --mit Ausnahme der auf das Krankengeld entfallenden Beitragsanteile-- in Art, Umfang und [X.]öhe den Leistungen nach dem [X.] vergleichbar sind (s. hierzu auch Stöcker in [X.]/[X.], § 10 [X.] Rz 596).

[X.]) Das Vorbringen der Kläger, den --nicht geschuldeten-- Beiträgen habe keine Gegenleistung in Form von besseren und erweiterten [X.]sleistungen gegenüber gestanden, so dass sie keine (verrechenbaren) Beiträge, sondern lediglich "beitragsähnliche" oder "sonstige" Zahlungen seien, führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Aspekt, durch die zu Unrecht erhobenen und später erstatteten Beiträge werde der Versicherungsschutz nicht verbessert, ist in diesem Zusammenhang unbeachtlich, wie der [X.] bereits in seinem Urteil in [X.], 521, [X.] 1999, 95 entschieden hat. In dem dortigen Sachverhalt ging es um Sozialversicherungsbeiträge, die einem Gesellschafter-Geschäftsführer mangels Sozialversicherungspflicht erstattet worden waren. Auch diese Beitragserstattungen konnten verrechnet werden, obwohl die zu Unrecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge kein Versicherungsverhältnis begründeten und nicht dazu berechtigten, Sozialversicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen (vgl. z.B. Reiserer/[X.], Betriebs-Berater 1995, 2162, unter [X.]; [X.], Gmb[X.]-StB 1998, 338).

[X.]) Die unterschiedliche steuerliche Entlastung der [X.]sbeiträge in den Jahren 2005 bis 2009 einerseits und im Streitjahr 2011 andererseits führt zu keinem anderen Ergebnis.

(1) Bereits in seinem Urteil in BF[X.]E 226, 67, [X.] 2010, 38 hat der erkennende [X.] bei der Prüfung der Gleichartigkeit der Sonderausgaben die steuerlichen Auswirkungen unberücksichtigt gelassen. In seinem Beschluss in BF[X.]/NV 2010, 1250 hat er explizit ausgeführt, dass die Verrechnung im [X.] nicht davon abhängt, ob sie auch im [X.] möglich gewesen wäre oder wie sich der Sonderausgabenabzug im [X.] ausgewirkt habe. Er hat ausdrücklich die Rechtsansicht abgelehnt, die Verrechnung im [X.] setze umgekehrt eine steuerliche Auswirkung des Sonderausgabenabzugs im [X.] voraus, da dadurch zu Unrecht die Verrechnungsmöglichkeit mit der steuerlichen Auswirkung gleichgesetzt werde ([X.]sbeschluss in BF[X.]/NV 2010, 1250, Rz 7).

(2) Die [X.]srechtsprechung kann demzufolge in bestimmten Fällen dazu führen, dass gezahlte Sonderausgaben sich steuerlich nicht auswirken, obwohl eine tatsächliche und endgültige wirtschaftliche Belastung vorliegt. Andererseits kann in anderen Fällen die vorrangige Verrechnung im [X.] auch bewirken, dass Erstattungen von Sonderausgaben im Ergebnis steuerlich unbeachtlich sind, obwohl die frühere Zahlung der Sonderausgaben zu einer Steuerminderung geführt hat. Daraus hat der [X.] geschlossen, dass die Verrechnungsmethode unter systematischen Gesichtspunkten zu Gunsten und zu Lasten der Steuerpflichtigen belastungsneutral sei (Beschluss in BF[X.]/NV 2010, 1250, Rz 8 ff.). Dieser Grundsatz muss ebenfalls gelten, wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern.

Dabei macht es keinen Unterschied, wenn die Änderung --wie im [X.] darin besteht, dass Sonderausgaben nicht mehr beschränkt, sondern unbeschränkt abziehbar sind oder eine bislang bestehende unbeschränkte Abziehbarkeit beschränkt wird. So kann sich die Berücksichtigung der erstatteten Sonderausgaben im Erstattungs- und nicht im [X.] für den Steuerpflichtigen, wie der Streitfall zeigt, zwar negativ auswirken, wenn ein Teil der Sonderausgaben im [X.] nicht abziehbar war. Andererseits wäre die Verrechnung im [X.] bei einem in diesem Jahr nunmehr gesetzlich eingeschränkten Sonderausgabenabzug für den Steuerpflichtigen positiv.

Die Belastungsneutralität zeigt sich entsprechend auch in den Fällen, in denen Sonderausgaben nachzuzahlen sind und sich die steuerliche Abziehbarkeit zwischenzeitlich geändert hat.

dd) Eine andere Beurteilung ergibt sich nach Auffassung des erkennenden [X.]s auch nicht daraus, dass durch das [X.] [X.] vom 16. Juli 2009 ([X.], 1959) die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen zur Absicherung der Krankheitskosten neu geregelt wurde und die Beiträge für die Basisabsicherung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ab dem Streitjahr 2010 unbegrenzt abziehbar sind, während die Aufwendungen für eine zusätzliche Krankheitsabsicherung nur unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] berücksichtigt werden können (im Ergebnis ebenso [X.], Urteil vom 19. November 2013  13 K 3456/12 E, [X.], 260, unter [X.]; [X.]/[X.]einicke, [X.], 35. Aufl., § 10 Rz 7; a.[X.], Urteil vom 18. Dezember 2013  4 K 139/13, [X.], 832, Rz 25 ff., Revision [X.]; [X.], Urteil vom 6. Februar 2014  10 K 2042/12, [X.], 906, Rz 18, Revision [X.]; wohl auch [X.], Urteil vom 6. Juni 2014  1 K 2873/13 E, [X.], 1789, Rz 27).

(1) Der Gesetzgeber hat erkennbar lediglich den Umfang der Abziehbarkeit der [X.]sbeiträge --den Vorgaben des [X.] in [X.]E 120, 125 folgend-- verbessern, nicht aber die Systematik der Verrechnung von Sonderausgaben verändern wollen. Dies zeigt bereits die Gesetzesbegründung, in der ausdrücklich ausgeführt wird, dass die im Veranlagungszeitraum erstatteten Beiträge für eine existenznotwendige Krankenversorgung die abziehbaren Beiträge minderten, weil insoweit eine Belastung der steuerpflichtigen Person nicht gegeben sei (BTDrucks 16/12254, S. 22).

(2) Dem Gesetzeswortlaut ist ebenfalls nicht zu entnehmen, dass eine Verrechnung von erstatteten Beiträgen, die im [X.] nur beschränkt steuerlich abziehbar waren, mit den nunmehr unbeschränkt berücksichtigungsfähigen Beiträgen zu [X.] ausnahmsweise nicht möglich sein soll. Eine dementsprechende Regelung wäre aber erforderlich gewesen.

(3) [X.], bereits im [X.] Beitragsrückerstattungen mit den gezahlten Beiträgen zu verrechnen, zeigt sich zudem in dem durch das [X.] [X.] geschaffenen Pflichtveranlagungstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 3 [X.], der bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2010 gilt. Durch diese Vorschrift soll sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer keine ungerechtfertigten Vorteile haben, wenn den im Lohnsteuerabzugsverfahren pauschal berücksichtigten Beiträgen für eine Kranken- und gesetzliche Pflegeversicherung keine Aufwendungen in entsprechender [X.]öhe gegenüberstehen. Bei der Einkommensteuerveranlagung werden dann nur die tatsächlichen Versicherungsbeiträge berücksichtigt. Einer der Anwendungsfälle des § 46 Abs. 2 Nr. 3 [X.] sind die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich aufgeführten Beitragsrückerstattungen (BTDrucks 16/12254, S. 27). [X.]ätte der Gesetzgeber die Erstattungen der bis 2009 nur begrenzt abziehbaren [X.]sbeiträge hiervon ausnehmen wollen, hätte es einer ausdrücklichen Gesetzesregelung bedurft. Eine solche fehlt indes.

ee) Die Gleichartigkeit der [X.] und 2010 ist nicht deswegen zu verneinen, weil es der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 10 Abs. 4b [X.] durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 abgelehnt hat, [X.] bei den nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a [X.] anzusetzenden [X.]sbeiträgen mit den nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a [X.] zu berücksichtigenden Beiträgen zu verrechnen, wie dies noch im Gesetzentwurf vorgesehen war (vgl. BTDrucks 17/5125, S. 37).

§ 10 Abs. 4b des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1. November 2011 ([X.], 2131) regelt erstmals gesetzlich die Behandlung von [X.]n bei Sonderausgaben, wobei der Gesetzgeber erkennbar von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Verrechnung der Erstattungen und Zahlungen von gleichartigen Sonderausgaben im Zahlungsveranlagungszeitraum ausgegangen ist (vgl. dazu BTDrucks 17/5125, [X.]; ebenso [X.]/[X.], § 10 [X.] Rz 33). Aus den --teilweise-- neu normierten und auch bei den einzelnen Sonderausgaben unterschiedlichen Rechtsfolgen bei [X.]n, mit denen der durch sie verursachte Aufwand ab 2012 "weitgehend" vermieden werden sollte (BTDrucks 17/5125, S. 37), kann indes nicht geschlossen werden, dass hierdurch die Kriterien zur Prüfung der Gleichartigkeit von Sonderausgaben grundlegend geändert werden sollten.

c) [X.] vom [X.] vorgenommene Verrechnung der [X.] mit den geleisteten Beiträgen steht auch nicht im Widerspruch zu den Aussagen des [X.] in seinem Beschluss in [X.]E 120, 125. Danach ist es mit den Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar, wenn der Sonderausgabenabzug die Beiträge zu einer privaten Krankheitskostenversicherung (Vollversicherung) und einer privaten Pflegepflichtversicherung nicht ausreichend erfasst, die dem Umfang nach erforderlich sind, um dem Steuerpflichtigen und seiner Familie eine sozialhilfegleiche Kranken- und Pflegeversorgung zu gewährleisten.

Das [X.] geht in seiner Entscheidung nicht ausdrücklich auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zur möglichen Verrechnung gleichartiger Sonderausgaben ein, sie wird von ihm vielmehr vorausgesetzt. Diese Rechtsprechung beruht --wie unter [X.] darauf, dass Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug die endgültige wirtschaftliche Belastung des Steuerpflichtigen ist. Dies war vom [X.] auch bereits vorher anerkannt worden (vgl. z.B. Beschluss in [X.]FR 1989, 271, unter 1.b).

Wenn das [X.] unter dieser Prämisse in seinem Beschluss in [X.]E 120, 125 die verfassungsrechtliche Vorgabe macht, ab dem [X.] müssten die Kranken- und Pflegeversicherungskosten steuerlich berücksichtigt werden, die den verfassungsrechtlich gebotenen Basisschutz gewährleisten, können damit nur die Aufwendungen gemeint sein, durch die der Steuerpflichtige tatsächlich wirtschaftlich endgültig belastet ist. Eine solche wirtschaftliche Belastung liegt zunächst zwar in den Beitragszahlungen, sie wird aber um die verrechneten gleichartigen Beitragsrückerstattungen reduziert. Diese tatsächliche Belastung ist --entsprechend den Vorgaben des [X.]-- vollständig steuerlich abziehbar.

2. [X.] gezahlten Beiträge des [X.] zur Kranken- und Pflegeversicherung konnten sowohl um die in diesem Jahr erstatteten Beiträge für die [X.] und 2009 (unter a) als auch um den anteiligen [X.] aus dem [X.] (unter b) gekürzt werden.

a) Zunächst weisen [X.] und [X.] zu Recht darauf hin, dass § 351 Abs. 1 [X.] der von den Klägern begehrten Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 in Bezug auf die in diesem Jahr erstatteten Beiträge für die [X.] und 2009 entgegensteht. Der streitgegenständliche Änderungsbescheid vom 17. Dezember 2013, in dem die als Sonderausgaben abziehbaren Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge um erstattete Beiträge in [X.]öhe von insgesamt 1.624 € (= Erstattung für die [X.] und 2009 von 1.329 € und der auf das [X.] entfallende [X.] von 295 €) gekürzt wurden, änderte den bereits bestandskräftigen Bescheid vom 14. November 2011, durch den die als Sonderausgaben abziehbaren Beiträge bereits um die von der Krankenkasse für die [X.] und 2009 erstatteten Beiträge in [X.]öhe von 1.329 € gemindert worden waren.

Aber selbst wenn ein bestandskräftiger Bescheid nicht vorgelegen hätte, wäre die Verrechnung der im [X.] erstatteten Beiträge aus den unter [X.] dargestellten Gründen nicht zu beanstanden gewesen.

b) Die weitere Minderung der im [X.] gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge um den anteiligen [X.] in [X.]öhe von 295 € ist rechtmäßig. Sie entspricht der ständigen Rechtsprechung des BF[X.], wonach in dem Fall, in dem im Jahr der Erstattung die erstatteten die gezahlten (gleichartigen) Sonderausgaben übersteigen (sog. [X.]), der Sonderausgabenabzug im [X.] über § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] wegen Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses zu korrigieren ist (vgl. Entscheidungen in [X.], 521, [X.] 1999, 95; in BF[X.]E 207, 28, [X.] 2004, 1058; vom 8. September 2004 XI R 28/04, BF[X.]/NV 2005, 321; in BF[X.]/NV 2005, 1304; in BF[X.]/NV 2009, 568; vom 21. Februar 2013 [X.]110/11, BF[X.]/NV 2013, 1060). [X.]ieran hat sich auch durch das [X.] [X.] nichts geändert.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

X R 35/15

03.08.2016

Bundesfinanzhof 10. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Rheinland-Pfalz, 16. Oktober 2015, Az: 3 K 1087/14, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 3 EStG 2009, § 46 Abs 2 Nr 3 EStG 2009, EStG VZ 2010, EStG VZ 2011, BürgEntlG KV, § 175 Abs 1 Nr 2 AO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.08.2016, Az. X R 35/15 (REWIS RS 2016, 7165)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 7165

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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