Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2023, Az. 4 StR 337/22

4. Strafsenat | REWIS RS 2023, 1809

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Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten [X.]wird das Urteil des [X.] vom 13. April 2022, soweit es ihn betrifft,

a) im Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte [X.]der Urkundenfälschung in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug, und des Betruges schuldig ist,

b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen [X.]) (2) bis (7) der Urteilsgründe und über die Gesamtstrafe aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

2. Die Revision des Angeklagten [X.]gegen das Urteil des [X.] vom 13. April 2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Angeklagte [X.]  wegen Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sowie [X.] von falschen amtlichen Ausweisen in zwei tateinheitlichen Fällen verurteilt ist.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]der „gewerbsmäßigen Urkundenfälschung in sechs Fällen, in zwei Fällen davon in Tateinheit mit Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug“, des Betruges sowie der Urkundenfälschung schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten [X.]hat das [X.] der „Beihilfe zum gewerbsmäßigen Betrug in zwei Fällen, des Fahrens ohne Fahrerlaubnis“ sowie des [X.] von falschen amtlichen Ausweisen in zwei tateinheitlichen Fällen schuldig gesprochen und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit ihren jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Das Rechtsmittel des Angeklagten [X.]hat den aus der [X.] ersichtlichen Teilerfolg; die Revision des Angeklagten [X.]führt lediglich zu einer Berichtigung der Urteilsformel. Im Übrigen sind die beiden Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Feststellungen zu den Fällen [X.]) (2) bis (7) der Urteilsgründe verschaffte sich der Angeklagte [X.]Kontokarten („EC-Karten“) [X.] Saisonarbeiter, die er vorgeblich bei der Arbeitssuche in [X.] unterstützte. Die Kontokarten gab er entgeltlich an unbekannte Dritte weiter, die zumindest einige der Konten für [X.] einsetzten, was der Angeklagte billigend in Kauf nahm. Nach dem [X.] des Angeklagten [X.]verwendeten die gutgläubigen Saisonarbeiter bei der Kontoeröffnung von ihm zur Verfügung gestellte nachgemachte [X.], um den [X.] das Bestehen einer Meldeanschrift vorzutäuschen. Später ließ der Angeklagte [X.]  die postalisch an diese Anschrift übersandten Kontokarten abfangen und reichte sie an die dritten Personen weiter. Im Einzelnen veranlasste der Angeklagte [X.]  am 19. Juni und am 21. August 2020 den Angeklagten [X.]  , zwei bzw. vier Saisonarbeiter zu einer Bankfiliale zu begleiten, wo sie entsprechend dem [X.] Girokonten eröffneten. Der Angeklagte [X.]fungierte als Dolmetscher. In den [X.] war er eingeweiht; dass er auch von den Fälschungen wusste, hat das [X.] jedoch nicht festzustellen vermocht. Nach Abfangen und Weitergabe der Kontokarten wurde jeweils eines der im Juni und August 2020 eröffneten Konten für [X.] verwendet.

II.

3

1. Die Annahme des [X.]s, der Angeklagte [X.]habe sich in den Fällen [X.]) (2) bis (7) der Urteilsgründe der „gewerbsmäßigen“ Urkundenfälschung in sechs tatmehrheitlichen Fällen, in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum „gewerbsmäßigen“ Betrug (Taten [X.]) (2) und (7) der Urteilsgründe), schuldig gemacht, hält im Hinblick auf die Bewertung der Konkurrenzen revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

4

a) Das [X.] ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte [X.]jeweils in mittelbarer Täterschaft gemäß § 25 Abs. 1 [X.]. 2 StGB eine Urkundenfälschung im Sinne von § 267 Abs. 1 [X.]. 3 StGB begangen hat, indem er die gutgläubigen Saisonmitarbeiter dazu veranlasste, gefälschte [X.] vorzulegen.

5

Im Falle mittelbarer Täterschaft bestimmt sich jedoch das Konkurrenzverhältnis mehrerer Gesetzesverletzungen für den Täter ausschließlich nach den individuellen Gegebenheiten seines eigenen Tatbeitrags (vgl. [X.], Beschluss vom 30. März 2004 – 1 [X.] Rn. 1; Beschluss vom 23. September 2003 – 3 [X.] Rn. 8; Urteil vom 26. Juli 1994 – 5 StR 98/94, [X.]St 40, 218 Rn. 91).

6

Dies hat zur Folge, dass in Bezug auf den Angeklagten [X.]nur zwei tatmehrheitlich begangene Urkundenfälschungen jeweils in Tateinheit mit Beihilfe zum Betrug vorliegen. Denn sowohl die Vorlage der beiden gefälschten [X.] am 19. Juni 2020 (Fälle [X.]) (2) und (3) der Urteilsgründe) als auch die Vorlage der vier weiteren gefälschten [X.] am 21. August 2020 (Fälle [X.]) (4) bis (7) der Urteilsgründe) wurden durch jeweils nur einen Akt veranlasst (vgl. dazu, [X.], Beschluss vom 11. Mai 2022 – 4 StR 44/22 Rn. 4, [X.], 164 mwN). Dem Zusammenhang der Urteilsgründe entnimmt der Senat dabei, dass der Angeklagte [X.]an beiden Tagen dem Angeklagten [X.]jeweils nur eine einzige Anweisung erteilte.

7

b) Der Senat kann den Schuldspruch selbst ändern. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte [X.]gegen die Annahme von lediglich zwei tatmehrheitlichen Fällen nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

8

Der Senat berichtigt außerdem die Urteilsformel. Die Gewerbsmäßigkeit des [X.] ist nicht aufzunehmen, da sie lediglich das Vorliegen eines gesetzlichen Regelbeispiels umschreibt und damit nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO gehört (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Januar 2021 – 4 StR 474/20 Rn. 2; Beschluss vom 29. Juli 2020 – 4 [X.] Rn. 2; Beschluss vom 15. April 2009 – 3 StR 128/09).

9

Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung der Einzelstrafen in den Fällen [X.]) (2) bis (7) der Urteilsgründe und zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Die zugehörigen Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Das neue Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.

2. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten [X.]ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

III.

1. Hinsichtlich des Angeklagten [X.]ist lediglich der [X.] – wie aus der [X.] ersichtlich – zu berichtigen.

a) Die Gewerbsmäßigkeit des [X.] ist nicht aufzunehmen, da sie lediglich das Vorliegen eines gesetzlichen Regelbeispiels umschreibt und damit nicht zur rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO gehört (vgl. [X.], Beschluss vom 21. Januar 2021 – 4 StR 474/20 Rn. 2; Beschluss vom 29. Juli 2020 – 4 [X.] Rn. 2; Beschluss vom 15. April 2009 – 3 StR 128/09).

b) Bei der rechtlichen Bezeichnung der Tat im Sinne von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO muss sich die Schuldform – Verurteilung wegen vorsätzlichen oder fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis – bereits aus dem [X.] ergeben (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Februar 2022 – 4 [X.] Rn. 12 mwN; Beschluss vom 25. August 1983 – 4 StR 452/83 Rn. 14, [X.], 359 [zu § 315c und § 316 StGB]). Der Senat ergänzt den [X.] entsprechend, da der Angeklagte [X.]ausweislich der Urteilsgründe im Fall II. 3. b) vorsätzlich handelte.

2. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten [X.]ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

3. Der geringe Teilerfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten [X.]mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

4. Die beantragte Aufhebung des Haftbefehls kommt mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 126 Abs. 3 StPO) nicht in Betracht.

Quentin     

  

Bartel     

  

Rommel

  

Scheuß     

  

Momsen-Pflanz     

  

Meta

4 StR 337/22

01.02.2023

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Münster, 13. April 2022, Az: 9 KLs 33/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 01.02.2023, Az. 4 StR 337/22 (REWIS RS 2023, 1809)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 1809

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 146/23

Zitiert

4 StR 474/20

4 StR 44/22

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