Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.09.2021, Az. 5 StR 135/21

5. Strafsenat | REWIS RS 2021, 2626

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Strafzumessung: Verminderung des Unrechts- und Schuldgehalts bei Änderung des Konkurrenzverhältnisses durch das Revisionsgericht


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 3. September 2020 wird

a) das Verfahren im [X.] der Urteilsgründe eingestellt; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b) das Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist der gewerbsmäßigen Hehlerei in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei und mit Beihilfe zur Urkundenfälschung sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei und mit Urkundenfälschung, der versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei in fünf Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung, der Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei, der Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei, der Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zum Vortäuschen einer Straftat und mit Beihilfe zum Betrug, der Bestechlichkeit in vier Fällen sowie des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und in zwei weiteren Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung, Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung, Beihilfe zur versuchten gewerbsmäßigen Hehlerei, Urkundenfälschung in Tateinheit mit Beihilfe zum Vortäuschen einer Straftat und mit Beihilfe zum Betrug, Bestechlichkeit in vier Fällen sowie wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Daneben hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die gegen seine Verurteilung gerichtete und auf [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Der Senat hat das Verfahren im [X.] der Urteilsgründe auf Antrag des [X.] gemäß § 154 Abs. 2 StPO aus prozessökonomischen Gründen eingestellt. Bei dieser Tat verbrachte der Angeklagte nach den Feststellungen des [X.]s auf Veranlassung des gesondert Verfolgten [X.]    einen von diesem zunächst „gutgläubig erworbenen“ Pkw nach [X.], nachdem dieser erfahren hatte, dass das Fahrzeug tatsächlich gestohlen und nunmehr „nicht mehr legal“ zu veräußern war.

3

Angesichts der gutgläubigen Besitzerlangung durch [X.]     und seines durchgängigen Eigenbesitzes begegnet die vom [X.] vorgenommene rechtliche Wertung der Tat als gewerbsmäßige Hehlerei in Form der Absatzhilfe gemäß § 259 Abs. 1, § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB Bedenken im Hinblick auf die Voraussetzung einer Erlangung der Sache durch eine abgeschlossene Vortat. Dies gilt namentlich auch für eine insoweit in Betracht zu ziehende Unterschlagung des Pkw durch [X.]    . Die Teileinstellung des Verfahrens zieht den Wegfall der für [X.] verhängten [X.] nach sich.

II.

4

Die weitergehende Revision führt in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu den weiteren, die Fälle II.6 bis [X.] sowie [X.] und [X.] der Urteilsgründe betreffenden Abänderungen des Schuldspruchs mit der Folge eines Wegfalls der für die Fälle [X.], [X.] und [X.] erkannten Einzelstrafen und bleibt im Übrigen ohne Erfolg.

5

1. a) Nach den Feststellungen zu den Fällen II.6 bis [X.] verbrachte der Angeklagte im Oktober 2017 einen unterschlagenen und von seinem Auftraggeber [X.]    in der Identität veränderten Pkw [X.] auf dessen Geheiß von [X.] zu dessen Abnehmer [X.]in [X.] (Fall II.6). Nachdem [X.]     einen entwendeten Pkw [X.] erworben und ihn in seiner Identität verändert hatte, ließ er von [X.]falsche [X.] Papiere herstellen. Im Rahmen der Übergabe des Pkw [X.] in [X.] im Fall II.6 nahm der Angeklagte die falschen [X.]n Papiere für den [X.] von [X.]entgegen und überbrachte sie [X.]    (Fall [X.]). Zudem erwarb [X.]    einen gestohlenen Pkw [X.], veränderte ihn in seiner Identität und ließ von [X.]falsche [X.] Papiere herstellen. Diese nahm der Angeklagte im Rahmen der Übergabe des Pkw [X.] zusammen mit den Dokumenten für den Pkw [X.] in [X.] für [X.]    entgegen und überbrachte sie ihm nach [X.](Fall [X.]). In den Fällen [X.] und [X.] wurden die tatgegenständlichen Fahrzeuge noch vor einer Weiterveräußerung durch [X.]    von der Polizei sichergestellt.

6

Das [X.] ist davon ausgegangen, dass die drei Taten zueinander im Verhältnis der [X.] (§ 53 StGB) stehen, und hat Fall II.6 rechtlich gewertet als gewerbsmäßige Hehlerei in Form der Absatzhilfe gemäß § 259 Abs. 1, § 260 Abs. 1 Nr. 1 StGB; die Fälle [X.] und [X.] hat es jeweils rechtlich gewertet als versuchte gewerbsmäßige Hehlerei in Tateinheit mit Beihilfe zur Urkundenfälschung.

7

b) Nach den Feststellungen zu den Fällen [X.] und [X.] fuhr der Angeklagte im Auftrag von [X.]     einen entwendeten Pkw [X.], den dieser in seiner Identität verändert hatte, in der Nacht zum 1. Mai 2018 nach [X.] und übergab ihn in [X.]        dessen dortigen Kontaktmann B.  im Tausch gegen einen Pkw [X.] (Fall [X.]). Dieses zuvor in [X.] entwendete und in seiner Identität veränderte Fahrzeug hatte [X.]     von [X.]im Tauschgeschäft gegen Übergabe des im Fall [X.] gehehlten Wagens sowie einer Zuzahlung erworben. Der Angeklagte nahm im Auftrag von [X.]     den für dessen [X.] bestimmten Pkw [X.] in [X.]       entgegen und überführte ihn nach [X.]. Dort nutzte er das Fahrzeug zunächst weiter, um es so besser vor dem Zugriff Dritter zu schützen, und erwarb für [X.]    in [X.] ein Hilfsmittel zur Überwindung der Wegfahrsperre (Fall [X.]).

8

Das [X.] hat beide Taten ebenfalls als tatmehrheitlich begangen angesehen und rechtlich gewertet im Fall [X.] als gewerbsmäßige Hehlerei in Form der Absatzhilfe und im Fall [X.] als Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei in der Form des Sichverschaffens in Tateinheit mit Urkundenfälschung in der Variante des Gebrauchens einer unechten Urkunde.

9

2. Die konkurrenzrechtliche Bewertung dieser Fälle als fünf selbständige in [X.] (§ 53 StGB) begangene Taten hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Bei der gleichzeitigen Übergabe des gestohlenen Pkw [X.] an den Kontaktmann in [X.] und der Entgegennahme der an [X.]     zu überbringenden gefälschten Fahrzeugpapiere für zwei weitere gestohlene Fahrzeuge im Oktober 2017 (Fälle II.6 bis [X.]) stehen die Straftaten zueinander im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB). Sind an einer Deliktserie mehrere Personen beteiligt, kommt es nicht darauf an, wie sich die Taten für andere (Vor-)Tatbeteiligte konkurrenzrechtlich darstellen; vielmehr ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden (st. Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 177, 182 f.; Beschlüsse vom 22. Dezember 2011 - 4 StR 514/11, [X.], 146; vom 30. Juli 2013 - 4 StR 29/13, [X.], 641; vom 25. Juni 2019 - 3 StR 130/19 mwN). Danach erweist sich das gesamte Verhalten des Angeklagten hier als [X.] im Sinne einer natürlichen Handlungseinheit (vgl. zu deren Voraussetzungen [X.], Urteil vom 20. Februar 1997 - 4 [X.], [X.], 276; Beschluss vom 27. September 2017 - 4 StR 235/17; [X.], StGB, 68. Aufl., Vor § 52 Rn. 3 ff. mwN).

b) Da in den Fällen [X.] und [X.] das Verbringen eines gestohlenen Fahrzeugs nach [X.]        nicht nur dessen Absatz diente, sondern dieses Fahrzeug als anteilige Gegenleistung für ein anderes gestohlenes Fahrzeug bestimmt war, das der Angeklagte daraufhin nach [X.] verbrachte, ist auch insoweit Tateinheit anzunehmen.

3. Der Senat hat den Schuldspruch deshalb neu gefasst. In den Fällen II.6 bis [X.] war zu erkennen auf gewerbsmäßige Hehlerei in Tateinheit mit versuchter gewerbsmäßiger Hehlerei und mit Beihilfe zur Urkundenfälschung. In den Fällen [X.] und [X.] ist der Angeklagte der gewerbsmäßigen Hehlerei in Tateinheit mit Beihilfe zur gewerbsmäßigen Hehlerei und mit Urkundenfälschung schuldig.

Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der zu den objektiven Geschehensabläufen geständige Angeklagte nicht wirksamer hätte verteidigen können.

4. Diese Änderung des Schuldspruchs führt zum Wegfall der drei für die Fälle [X.], [X.] und [X.] der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen. Für die zwei einheitlichen Taten verbleibt es bei den für die Fälle II.6 und [X.] erkannten [X.]n von jeweils einem Jahr und sechs Monaten.

5. [X.] bleibt vom Wegfall der - unter Berücksichtigung der Verfahrenseinstellung - insgesamt vier Einzelstrafen unberührt. Vor dem Hintergrund der für die insgesamt 17 weiteren Straftaten verhängten [X.]n, unter anderem der Einsatzstrafe von einem Jahr und zehn Monaten (im Fall II.21), schließt der Senat aus, dass das [X.] ohne die weggefallenen Freiheitsstrafen die Gesamtfreiheitsstrafe milder bemessen hätte, zumal der Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat durch eine bloße Änderung der Konkurrenzen im Allgemeinen nicht vermindert wird (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 17. Juni 2004 - 3 [X.], [X.]St 49, 177, 184; vom 12. September 2018 - 5 [X.]; Beschluss vom 22. Dezember 2011 - 4 StR 514/11, aaO; [X.]/[X.]/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1585d f. mwN).

6. Eine Änderung der Bezeichnung des Waffendelikts im Fall [X.] der Urteilsgründe, in dem der Angeklagte am 31. Mai 2018 in seinem Pkw eine scharfe Pistole des Kalibers 7,65 mm [X.] verwahrte, ist - entgegen den Ausführungen in der Antragsschrift des [X.] - nicht veranlasst. Mit der Tenorierung des Schuldspruchs für diese Tat nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.] als unerlaubtes Führen einer halbautomatischen Selbstladekurzwaffe hat das [X.] die rechtliche Bezeichnung der Tat gemäß § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO noch hinreichend klar vorgenommen auch ohne eine zusätzliche Konkretisierung der Eignung dieser Waffe mit dem Tatbestandsmerkmal „zum Verschießen von [X.]“ (vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 13. August 2009 - 3 [X.], [X.]R [X.] § 52 Konkurrenzen 2; vom 17. Juni 2014 - 4 [X.], [X.], 291; vom 7. Mai 2015 - 2 StR 478/14; vom 15. August 2018 - 5 StR 308/18; vom 15. Dezember 2020 - 2 [X.]/19).

7. Der nur geringfügige Erfolg des Rechtsmittels rechtfertigt keine Kostenermäßigung (§ 473 Abs. 4 StPO).

Cirener     

        

Berger     

        

[X.]

        

Köhler     

        

von Häfen     

        

Meta

5 StR 135/21

15.09.2021

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Berlin, 3. September 2020, Az: 511 KLs 17/19

§ 46 StGB, § 52 StGB, § 53 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.09.2021, Az. 5 StR 135/21 (REWIS RS 2021, 2626)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2626

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 521/18 (Bundesgerichtshof)

Prüfung des strafbaren Tatbeitrags bei jedem Mitglied einer Bande


2 StR 281/18 (Bundesgerichtshof)

Hehlerei in Form der Absatzhilfe: Vollendung nur bei Absatzerfolg; Beginn des Versuchs; Verhältnis zwischen versuchter …


2 StR 225/23 (Bundesgerichtshof)


2 StR 611/19 (Bundesgerichtshof)

Gewerbsmäßige Hehlerei: Tatbestandsmerkmal des „Sichverschaffens“ bei Mitverfügungsbefugnis von Vortäter und Erwerber; Abwicklung des Verkaufs eines …


2 StR 381/22 (Bundesgerichtshof)

Verurteilung wegen Betruges und tateinheitlicher Unterschlagung an demselben Fahrzeug


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.