Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.05.2014, Az. IX ZB 31/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 5762

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Gegenstand

Insolvenzverwaltervergütung: Subsidiärhaftung der Staatskasse nach Aufhebung einer bewilligten Verfahrenskostenstundung


Leitsatz

Wird die bewilligte Verfahrenskostenstundung während des Verfahrensabschnitts aufgehoben, besteht die Subsidiärhaftung der Staatskasse nur so lange fort, bis der Insolvenzverwalter oder Treuhänder von der Aufhebung Kenntnis erlangt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des [X.] vom 21. März 2013 wird auf Kosten des Treuhänders zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 238 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin ist dieser mit Beschluss vom 29. Mai 2009 die Restschuldbefreiung angekündigt und mitgeteilt worden, dass der weitere Beteiligte zu 1 als bisheriger Treuhänder auch die Aufgaben des Treuhänders in der Wohlverhaltensperiode wahrnimmt, welche planmäßig am 7. Oktober 2014 enden sollte. Mit Beschluss vom 22. Juni 2011 wurde die der Schuldnerin am 29. Mai 2005 gewährte Verfahrenskostenstundung für das Restschuldbefreiungsverfahren aufgehoben. Auf Antrag des Treuhänders vom 19. September 2012 wurde ihr mit Beschluss vom 19. Oktober 2012 die Restschuldbefreiung wegen fehlender Deckung der Mindestvergütung versagt.

2

Für das erste (31. August 2009 bis 30. August 2010) und zweite (31. August 2010 bis 30. August 2011) Jahr der Wohlverhaltensperiode wurde zugunsten des Treuhänders mit Beschlüssen vom 13. Juni 2010 und 14. September 2011 ein Vorschuss auf die Vergütung von jeweils 100 € zuzüglich Umsatzsteuer, zusammen 119 € festgesetzt. Die Bezahlung erfolgte aufgrund einer Anordnung des [X.] jeweils aus der Staatskasse.

3

Mit Beschluss vom 6. November 2012 wurde die Vergütung für die gesamte Dauer der Wohlverhaltensperiode antragsgemäß auf 400 € zuzüglich 19 v.H. Umsatzsteuer festgesetzt, zusammen 476 €. Zugleich wurde angeordnet, dass hierauf die Vorschüsse von 238 € anzurechnen seien. Der Restbetrag sei wegen der Aufhebung der Verfahrenskostenstundung bei der Schuldnerin anzufordern.

4

Mit der hiergegen erhobenen sofortigen Beschwerde begehrte der Treuhänder die Abänderung des Beschlusses dahin, dass die Vergütung auch für das dritte und vierte Jahr der Restschuldbefreiungsphase aus der Landeskasse zu erstatten sei. Die sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Treuhänder sein Festsetzungsbegehren zu Lasten der Landeskasse fort.

II.

5

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 6, 7, 63 Abs. 2, 64 Abs. 3 Satz 1 [X.] entsprechend, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

6

1. Das [X.] hat gemeint, dem Treuhänder stehe zumindest in entsprechender Anwendung des § 63 Abs. 2 [X.] ein Anspruch in Höhe der Mindestvergütung gegen die Staatskasse zu, soweit - wie hier - die Insolvenzmasse hierfür nicht ausreiche. Der Fall, dass zunächst Verfahrenskostenstundung gewährt, die Stundung später aber aufgehoben worden sei, habe der Gesetzgeber nicht bedacht, so dass eine planwidrige Regelungslücke vorliege. Für den Zeitraum, für den die Verfahrenskostenstundung bestanden habe, könne der Vergütungsanspruch weiter gegen die Staatskasse geltend gemacht werden. Eine weitergehende Subsidiärhaftung der Staatskasse sei dagegen abzulehnen, weil § 63 Abs. 2 [X.] eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift sei.

7

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand.

8

a) Der Treuhänder in der Wohlverhaltensperiode erhält seine Vergütung gemäß § 14 Abs. 2 [X.] aus den aufgrund der Abtretung nach § 287 Abs. 2 [X.] eingehenden Beträgen. Reichen diese nicht aus, um die Mindestvergütung zu decken, obliegt es gemäß § 298 Abs. 1 [X.] dem Schuldner, hierfür aufzukommen. Dies gilt gemäß § 298 Abs. 1 Satz 2 [X.] nur dann nicht, wenn die Kosten des Verfahrens nach § 4a [X.] gestundet wurden; in diesem Fall steht dem Treuhänder gemäß § 293 Abs. 2, § 63 Abs. 2 [X.] ein Anspruch gegen die Staatskasse zu ([X.], Beschluss vom 7. Februar 2013 - [X.], [X.], 519 Rn. 11).

9

b) § 63 Abs. 2 [X.] gewährt dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder einen Anspruch gegen die Staatskasse nur, wenn die Kosten des Verfahrens (-abschnitts) nach § 4a [X.] gestundet wurden. Außerhalb des Stundungsfalles kommt eine Subsidiärhaftung der Staatskasse grundsätzlich nicht in Betracht. § 63 Abs. 2 [X.] ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Erhält der Schuldner keine Kostenstundung, liegt das Kostenerstattungsrisiko beim Insolvenzverwalter oder Treuhänder. Wenn der Gesetzgeber dies anders gewollt hätte, hätte er § 63 Abs. 2 [X.] nicht auf den Fall der tatsächlich erteilten Kostenstundung beschränkt ([X.], Beschluss vom 22. Januar 2004 - [X.] 123/03, [X.]Z 157, 370, 372 ff; vom 7. Februar 2013 - [X.] 245/11, [X.], 515 Rn. 14; vom 7. Februar 2013 - [X.], aaO Rn. 14).

c) Der Senat hält jedoch eine Analogie für geboten, wenn dem Schuldner die Verfahrenskostenstundung tatsächlich gewährt, diese jedoch später wieder entzogen wurde. Der Gesetzgeber hat diesen Fall nicht bedacht. Insoweit besteht eine planwidrige Regelungslücke. Der Insolvenzverwalter oder Treuhänder kann und soll sich auf die gewährte Stundung verlassen können, weil der Gesetzgeber seine Mitwirkung auch in massearmen oder masselosen Verfahren sicherstellen will. Allerdings besteht dieser Vertrauensschutz nur, soweit eine Vergütung eingefordert wird für Tätigkeiten, die vor der Aufhebung der Stundung erbracht wurden ([X.], Beschluss vom 15. November 2007 - [X.] 74/07, Z[X.] 2008, 111 Rn. 11 ff, 17; vom 3. Dezember 2009 - [X.] 36/09, [X.] Rn. 3; vom 7. Februar 2013 - [X.], aaO Rn. 15).

Da es sich hierbei um eine subsidiäre Haftung der Staatskasse aus Gründen des Vertrauensschutzes handelt, setzt sie voraus, dass der Insolvenzverwalter oder Treuhänder von der gewährten Stundung Kenntnis erhalten hat. Sie dauert umgekehrt so lange an, bis ihm die Aufhebung der Stundung mitgeteilt oder sonst bekannt geworden ist.

Hier war dem Treuhänder die Verfahrenskostenstundung für die Wohlverhaltensperiode, die mit Beschluss vom 29. Mai 2009 erteilt worden war, mit Schreiben vom 29. Mai 2009 mitgeteilt worden. Umgekehrt war ihm die mit Beschluss vom 22. Juni 2011 erfolgte Aufhebung der Verfahrenskostenstundung für die Wohlverhaltensperiode vom Insolvenzgericht mit E-Mail vom 28. Juni 2011 zur Kenntnis gebracht worden. Ab diesem Zeitpunkt war ihm die Aufhebung der Verfahrenskostenstundung bekannt. Er konnte auf sie nicht weiter vertrauen.

d) Da sich die Mindestvergütung des Treuhänders nach § 293 [X.] gemäß § 14 Abs. 3 [X.] nach vollen Jahren bemisst, hat das Insolvenzgericht dem Treuhänder für das im Zeitpunkt der Aufhebung der Verfahrenskostenstundung am 22. Juni 2011 laufende zweite Jahr der Wohlverhaltensperiode (31. August 2010 bis 30. August 2011) die Vergütung insgesamt aus der Staatskasse bewilligt.

Für die beiden Folgejahre ist dagegen ein Anspruch gegen die Staatskasse aus Gründen des Vertrauensschutzes zutreffend abgelehnt worden. Zwar erfolgt die Verfahrenskostenstundung gemäß § 4a Abs. 3 Satz 2 [X.] jeweils für den [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Februar 2013 - [X.] 245/11, aaO Rn. 16), also für den Abschnitt der Wohlverhaltensperiode insgesamt. Auch wird die Vergütung für den gesamten Zeitraum der Wohlverhaltensperiode gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 [X.] bei Beendigung des Amtes einheitlich fällig und festgesetzt (vgl. [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 293 Rn. 3, 7). Ein geschütztes Vertrauen des Treuhänders darauf, dass die Verfahrenskostenstundung über den gesamten Bewilligungszeitraum fortbesteht, ergibt sich daraus aber nicht. Nach § 4c [X.] kann eine Aufhebung der gewährten Stundung jederzeit, nicht nur am Ende des jeweiligen [X.]s erfolgen.

Nach Mitteilung der Aufhebung der Stundung wusste der Treuhänder, dass für die Zukunft die Voraussetzungen des § 63 Abs. 2 [X.] nicht mehr vorlagen. Die Situation war ab diesem Zeitpunkt nicht anders, als wenn ihm das Amt des Treuhänders neu übertragen worden wäre, ohne dass Verfahrenskostenstundung bewilligt war.

Ebenso wie bei vorzeitiger Beendigung des Amtes die Vergütung nicht für den gesamten [X.] an den vormaligen Verwalter oder Treuhänder gezahlt werden muss (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2, § 10 [X.]; [X.], Beschluss vom 10. November 2005 - [X.] 168/04, [X.], 93), muss auch die Sicherstellung durch die Staatskasse nach § 63 Abs. 2 [X.] nicht für den gesamten [X.] fortbestehen. Die Staatskasse ist vielmehr nur zeitlich anteilig zum Eintritt verpflichtet.

Kayser                      Vill                          Pape

               Grupp                    Möhring

Meta

IX ZB 31/13

08.05.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Krefeld, 21. März 2013, Az: 7 T 155/12

§ 4a InsO, § 63 Abs 2 InsO, § 287 Abs 2 InsO, § 293 Abs 2 InsO, § 298 Abs 1 InsO, § 14 Abs 2 InsVV

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.05.2014, Az. IX ZB 31/13 (REWIS RS 2014, 5762)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5762

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IX ZB 75/12

IX ZB 245/11

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