Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2011, Az. V ZB 171/10

5. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4739

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Gegenstand

Kostenfestsetzungsverfahren nach Beschlussanfechtung im Wohnungseigentumsverfahren: Beteiligungspflicht sämtlicher Kostengläubiger; Quotelung des Kostenerstattungsanspruchs


Leitsatz

1. Im Anwendungsbereich des § 50 WEG müssen in einem Kostenfestsetzungsverfahren sämtliche Kostengläubiger beteiligt werden .

2. Sind nach § 50 WEG nur die Kosten eines Anwalts erstattungsfähig, kommt die vorrangige Erstattung des von der Mehrheit der beklagten Wohnungseigentümer beauftragten Prozessbevollmächtigten nur in Betracht, wenn den übrigen Beklagten Gelegenheit gegeben worden ist, auf die Willensbildung Einfluss zu nehmen; ansonsten ist der Kostenerstattungsanspruch zu quoteln .

Tenor

Die Rechtbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des [X.] vom 1. Juni 2010 wird auf Kosten des Beklagten zu 12 zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 3.463,80 €.

Gründe

I.

1

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Gegen die auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 11. September 2007 beschlossene Entlastung des Verwalters erhoben die Kläger Anfechtungsklage. Mit ihrer Rechtsverteidigung beauftragten die [X.]n zu 1 bis 11 einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten. Der [X.] zu 12, ein Rechtsanwalt, nahm seine Interessen unter Hinweis darauf selbst wahr, dass er eine andere Rechtsauffassung vertrete als die übrigen [X.]n. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die gegen die Abweisung der Klage gerichtete Berufung wies das [X.] mit der Maßgabe zurück, dass die beiden Kläger die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte zu tragen hätten. Das Berufungsurteil ist rechtskräftig.

2

Mit Beschlüssen vom 8. April 2009, in deren Rubrum auch der [X.] zu 12 aufgeführt ist, hat das Amtsgericht auf Antrag der [X.]n zu 1 bis 11 die "an die [X.]n" zu erstattenden Kosten der ersten Instanz in Höhe von 3.483,13 € und die des Berufungsverfahrens auf 3.713,75 € festgesetzt. Dabei hat es sowohl der Erhöhung der Verfahrensgebühr nach Nr. 1008 [X.] als auch der Begrenzung auf einen Gebührensatz nach Absatz 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 [X.] getragen. Den Antrag des [X.]n zu 12 auf Festsetzung von Kosten in Höhe von 3.463,80 € hat es mit weiterem Beschluss vom 8. April 2009 zurückgewiesen. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der [X.] zu 12 seinen Antrag weiter.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, sämtlichen [X.]n seien insgesamt nur Kosten in der Höhe zu erstatten, die bei der Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten entstanden wären. Nach § 50 [X.] sei in der Regel nur die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig. Mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängende Gründe, die ausnahmsweise eine Vertretung durch mehrere Rechtsanwälte hätte geboten erscheinen lassen können, lägen nicht vor. Der [X.] zu 12 hätte auch bei der Beauftragung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten seine abweichende Rechtsauffassung vortragen lassen können. Die erstattungsfähigen Kosten, die bei der Einschaltung nur eines Anwalts entstanden wären, seien bereits zugunsten aller [X.]n festgesetzt worden. Sie hätten sich bei einer Mandatierung des Anwalts der [X.]n zu 1 bis 11 auch durch den [X.]n zu 12 wegen der Begrenzungsregelung in Absatz 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 [X.] nicht weiter erhöht. Es bleibe dem [X.]n zu 12 unbenommen, sich mit den übrigen [X.]n über die Verteilung der festgesetzten [X.] zu verständigen.

III.

4

Das nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsmittel (§ 575 ZPO) ist unbegründet.

5

1. Das Beschwerdegericht geht zu Recht davon aus, dass eine Vertretung der beklagten Wohnungseigentümer durch mehrere Anwälte nicht geboten war.

6

a) Nach § 50 [X.] sind Wohnungseigentümern zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung als notwendige Kosten nur die Kosten eines bevollmächtigten Rechtsanwalts zu erstatten, wenn nicht aus Gründen, die mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängen, eine Vertretung durch mehrere bevollmächtigte Rechtsanwälte geboten war. Solche Gründe liegen hier nicht vor. Bei einer Beschlussanfechtungsklage nach § 46 Abs. 1 [X.] verfolgen die beklagten Wohnungseigentümer in der Sache dasselbe Ziel, nämlich die Abwehr der von der Klägerseite erhobenen Einwendungen gegen die Wirksamkeit eines von ihnen gefassten Beschlusses. Deshalb ist die Beauftragung eines gemeinsamen Rechtsanwalts grundsätzlich ausreichend (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2009 - [X.], [X.], 3168) und die Erstattungsfähigkeit im Regelfall auf diejenigen Kosten beschränkt, die bei gemeinsamer Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts entstanden wären.

7

b) Mit dem Gegenstand des Rechtsstreits zusammenhängende Gründe, aufgrund deren eine Vertretung durch mehrere Anwälte geboten war, zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf. Soweit sie geltend macht, der [X.] zu 12 habe eine andere Rechtsauffassung vertreten als die übrigen [X.]n, ist nicht ersichtlich, warum ein gemeinsam beauftragter Prozessbevollmächtigter nicht auch die Rechtsauffassung des [X.]n zu 12 zur Geltung hätte bringen können, und sei es auch nur für diesen. Soweit sie argumentiert, der [X.] zu 12 hätte den [X.] gegebenenfalls anerkannt, findet diese Behauptung schon keine tatsächliche Grundlage in den Feststellungen des [X.]; die Rechtsbeschwerde verweist auch auf kein diesbezügliches tatsächliches Vorbringen in den Tatsacheninstanzen. Davon abgesehen hat der [X.] zu 12 in dem von ihm zitierten Schriftsatz vom 25. Juni 2008 die Rechtsauffassung der übrigen [X.]n aufgegriffen und lediglich ergänzende Erwägungen angestellt. Im Übrigen hätte auch ein gemeinsamer Prozessbevollmächtigter allein für den [X.]n zu 12 ein prozessuales Anerkenntnis erklären können.

8

c) Entgegen der Auffassung des [X.]n zu 12 ist die Vorschrift des § 50 [X.] unter dem Blickwinkel eines Eingriffs in die Privatautonomie verfassungsrechtlich unbedenklich. Mit der Regelung verfolgt der Gesetzgeber das legitime Ziel, das Kostenrisiko für anfechtende Wohnungseigentümer begrenzt zu halten (BT-Drucks. 16/3843 [X.]). Es soll gewährleistet werden, dass Wohnungseigentümer nicht wegen der Befürchtung von einer Klageerhebung Abstand nehmen, im [X.] für eine Vielzahl von Rechtsanwälten erstatten zu müssen. Andererseits bleibt es jedem Wohnungseigentümer unbenommen, seine Interessen durch einen Anwalt seiner Wahl wahrnehmen zu lassen. Dass er dies nach § 50 [X.] je nach Sachlage ganz oder teilweise auf eigene Kosten tun muss, stellt eine zur Erreichung des gesetzgeberischen Anliegens geeignete und verhältnismäßige Regelung dar.

9

2. Welche Rechtsanwaltskosten zu erstatten sind, wenn sich die Wohnungseigentümer durch mehrere Rechtsanwälte haben vertreten lassen, ohne dass dies geboten war, ist dem Gesetz nicht ausdrücklich zu entnehmen. In Betracht kommt, was das Beschwerdegericht zutreffend in den Blick genommen hat, die vorrangige Erstattung eines "Hauptanwalts" oder eine Quotelung des Erstattungsanspruchs (Senat, Beschluss vom 16. Juli 2009 - [X.], [X.], 3168 f.). Eine vorrangige Kostenerstattung ist gerechtfertigt, wenn der Verwalter einen Rechtsanwalt für die beklagten Wohnungseigentümer aufgrund der gesetzliche Befugnis nach § 27 Abs. 2 Nr. 2 [X.] beauftragt hat (Senat, aaO. [X.]). Entsprechend kann es sich verhalten, wenn sich die beklagten Wohnungseigentümer mehrheitlich auf die Beauftragung eines bestimmten Anwalts einigen (Senat, aaO). Das setzt allerdings voraus, dass zumindest der Versuch unternommen worden ist, eine Verständigung über einen gemeinsamen Rechtsanwalt mit sämtlichen beklagten Wohnungseigentümern herbeizuführen. Ist einem Wohnungseigentümer, der einen eigenen Anwalt mandatiert oder sich - wie hier - selbst vertreten hat, nicht Gelegenheit gegeben worden, sich an der Willensbildung zu beteiligen, ist der Kostenerstattungsanspruch zu quoteln. Das gilt umso mehr, als nicht auszuschließen ist, dass eine Beteiligung sämtlicher beklagten Wohnungseigentümer an der Willensbildung dazu geführt hätte, dass der von der nicht beteiligten Minderheit favorisierte Rechtsanwalt - hier der [X.] zu 12 - mandatiert worden wäre. Denn auch mit Blick auf die Auswahl des gemeinsamen Rechtsanwalts steht dem Wohnungseigentümer das Recht zu, auf die Willensbildung Einfluss zu nehmen. Das hat das Beschwerdegericht nicht hinreichend beachtet und folgerichtig zur Beteiligung des [X.]n zu 12 an der Willensbildung über die Beauftragung eines gemeinsamen Anwalts keine Feststellungen getroffen.

3. Aufgrund der Besonderheiten des Falles ist die Rechtsbeschwerde gleichwohl zur Endentscheidung reif (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO). Über die Verteilung sämtlicher erstattungsfähigen Kosten hat das [X.] nämlich bereits entschieden. Mit Beschlüssen ebenfalls vom 8. April 2009, in deren Rubrum auch der [X.] zu 12 aufgeführt ist, hat das Amtsgericht die "an die [X.]n" zu erstattenden Kosten der ersten Instanz in Höhe von 3.483,13 € und die des Berufungsverfahrens auf 3.713,75 € festgesetzt. Damit ist auch der [X.] zu 12 durch diese Beschlüsse begünstigt. Die ohne Angabe des [X.] festgesetzten erstattungsfähigen Kosten stehen sämtlichen [X.]n als Gesamtgläubigern zu (vgl. [X.], Urteil vom 20. Mai 1985 - [X.], Rpfleger 1985, 321, 322; [X.] in Bärmann, [X.], 11. Aufl., § 50 Rn. 10 mwN). Weitere erstattungsfähige Kosten sind unter Berücksichtigung der Begrenzungsregelung in Absatz 3 der Anmerkung zu Nr. 1008 [X.] nicht zu verteilen.

Dass die zugunsten aller [X.]n ergangenen [X.] rechtsfehlerhaft sind, weil zum einen im Anwendungsbereich des § 50 [X.] sämtliche Kostengläubiger an dem Kostenfestsetzungsverfahren zu beteiligen sind und demgemäß auch dem [X.]n zu 12 Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben und zum anderen die den jeweiligen [X.]n zu erstattenden Kosten entsprechend dem Beteiligungsverhältnis an dem Rechtsstreit hätten festgesetzt werden müssen (zu Letzterem vgl. [X.], Beschluss vom 20. Februar 2006 - [X.]; Suilmann in [X.], [X.], 2. Aufl., § 50 Rn. 19; [X.] in Bärmann, aaO, § 50 Rn. 10; vgl. auch [X.], NJW-RR 2001, 1435 f.), rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Beschlüsse sind schon nicht angefochten worden. Zwar dürfte dem an den Kostenfestsetzungsverfahren nicht beteiligten [X.]n zu 12, dem die ergangenen [X.] nicht einmal formlos übersandt worden sind, mangels jeglicher Beteiligung an den Verfahren diese Möglichkeit noch offen stehen; die Fünfmonatsfrist nach § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1, § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO greift unter solchen Umständen jedenfalls nicht ein (vgl. nur [X.]/[X.], 3. Aufl., § 569 Rn. 5 mwN; zu § 517 ZPO vgl. auch [X.], Beschluss vom 21. Juli 2010 - [X.], [X.], 1141, 1142; [X.]/[X.], aaO, § 517 Rn. 1 mwN). Letztlich kommt es hierauf aber nicht an, weil der [X.] zu 12 nach den obigen Erwägungen ([X.] u. 2.) selbst bei erfolgreicher Anfechtung nicht mehr als den Ausspruch einer quotalen Beteiligung der derzeit zugunsten aller [X.]n als Gesamtgläubiger festgesetzten Kosten erreichen könnte. Für die Verteilung weiterer erstattungsfähiger Kosten in dem hiesigen Kostenfestsetzungsverfahren ist daher kein Raum.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZVG.

Krüger                                      [X.]Roth

                    Brückner                                          Weinland

Meta

V ZB 171/10

14.07.2011

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Berlin, 1. Juni 2010, Az: 82 T 667/09, Beschluss

§ 50 WoEigG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.07.2011, Az. V ZB 171/10 (REWIS RS 2011, 4739)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4739

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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