Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.12.2016, Az. 4 StR 343/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 1350

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Gegenstand

Strafverfahren: Verletzung der Mitteilungspflicht hinsichtlich außerhalb der Hauptverhandlung geführter Verständigungsgespräche über eine Teileinstellung


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. Februar 2016 wird als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Fälle 1 bis 4 der Anklage) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des [X.] vom 27. Mai 2014 in der Fassung des Berufungsurteils des [X.]s Essen vom 5. September 2014 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen (Fälle 6, 10, 11, 13 und 15/16 der Anklage) sowie wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hat der Senat die Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall 2 der Anklage sowie die Gesamtstrafen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die weiter gehende Revision verworfen. Das [X.] hat im zweiten Rechtsgang das Verfahren in der Hauptverhandlung hinsichtlich Fall 2 der Anklage nach § 154 Abs. 2 [X.] eingestellt und aus den verbleibenden bereits rechtskräftigen Einzelstrafen für die Fälle 1, 3, 4, 6, 10 und 11 der Anklage unter Einbeziehung der Strafe aus dem oben genannten Urteil eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und aus den ebenfalls rechtskräftigen Einzelstrafen für die Fälle 13 und 15/16 sowie für das [X.] eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren gebildet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf mehrere Verfahrensrügen und die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

1. Die Rüge, das [X.] habe gegen § 243 Abs. 4 Satz 1 [X.] verstoßen, weil eine Mitteilung über ein vor der Hauptverhandlung geführtes Gespräch der Vorsitzenden mit dem Staatsanwalt unterblieben sei, das die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2 [X.] hinsichtlich Fall 2 der Anklage zum Gegenstand gehabt habe, greift nicht durch.

3

Der Senat lässt offen, ob der Rechtsprechung des 2. Strafsenats des [X.], wonach Gespräche von Richtern mit der Staatsanwaltschaft über eine [X.] des Verfahrens in der Hauptverhandlung nach § 154 Abs. 2 [X.] Transparenz- und Dokumentationsregeln unterliegen, die den aus § 243 Abs. 4 und § 273 Abs. 1a Satz 2 [X.] zu entnehmenden Vorgaben entsprechen, zu folgen ist (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 2015 - 2 StR 139/14, [X.], 171 Rn. 18 f. mit ablehnenden Anmerkungen [X.], [X.], 174 und [X.], [X.], 146, 148 ff.). Wie sich aus den dienstlichen Erklärungen der Beteiligten ergibt, hat der Vertreter der Staatsanwaltschaft im Vorfeld der Hauptverhandlung auf eine entsprechende Anfrage der Vorsitzenden hin lediglich in Aussicht gestellt, in der Hauptverhandlung hinsichtlich Fall 2 der Anklage einen Antrag nach § 154 Abs. 2 [X.] zu stellen. Eine für eine Verständigung gemäß § 257c [X.] typische Verknüpfung von Handlungsbeiträgen der Verfahrensbeteiligten unter Einschluss des Angeklagten lag danach nicht vor (vgl. [X.], Beschluss vom 21. April 2016 - 2 BvR 1422/15, [X.], 422, 424 [X.]; [X.], [X.], 146, 148 f.; [X.], [X.], 174, 175). Auch wurde das den [X.] bildende prozessuale Verhalten nicht in einen Konnex zum Verfahrensergebnis gebracht (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2883/10, [X.], 295 Rn. 85).

4

Dessen ungeachtet kann ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf der unterbliebenen Mitteilung beruht (zum Maßstab vgl. [X.], Beschluss vom 18. Juli 2016 - 1 [X.] Rn. 17 ff. [X.]). Eine für das Verfahrensergebnis oder den Prozessverlauf relevante Einwirkung auf das [X.] des Angeklagten konnte die Mitteilung nicht mehr haben, denn mit Ausnahme von Fall 2 der Anklage waren schon zu Beginn der Hauptverhandlung alle weiteren Schuldsprüche und Einzelstrafen rechtskräftig. Dies hatte zur Folge, dass auch die zugrunde liegenden Feststellungen, zu denen auch die strafzumessungsrelevanten Feststellungen zur Person zählen, bindend geworden und nur noch ergänzende Feststellungen möglich waren (vgl. [X.], Beschluss vom 8. April 2015 - 4 StR 585/14, [X.], 600 f.). Nach der noch vor der Sacheinlassung des Angeklagten erfolgten [X.], auf die der Angeklagte keinen Einfluss nehmen konnte und deshalb auch nicht angehört zu werden brauchte (vgl. [X.], Beschluss vom 12. April 1994 - 4 [X.], [X.], 18 bei [X.]; [X.], [X.], 59. Aufl., § 154 Rn. 16), waren schließlich alle Schuldsprüche und alle Einzelstrafen rechtskräftig. Auch die Kontrolle durch die Öffentlichkeit, die verhindern soll, dass „sachfremde das Licht der Öffentlichkeit scheuende Umstände auf das Gericht und damit auf das Urteil Einfluss gewinnen“ (vgl. [X.], Beschluss vom 15. Januar 2015 - 2 BvR 2055/14, [X.], 172, 173 [X.]), ist gewahrt geblieben. Die [X.] hat in der Hauptverhandlung noch vor der von der Vorsitzenden angeregten [X.] gemäß § 154 Abs. 2 [X.] den Tenor und die Feststellungen aus dem Urteil im ersten Rechtsgang sowie den Beschluss des [X.] vom 3. November 2015 in die Hauptverhandlung eingeführt. Damit waren die maßgeblichen Gesichtspunkte für die sich anschließende [X.] offengelegt und der gerichtliche Entscheidungsprozess auch für die nicht über das Vorgespräch informierte Öffentlichkeit durchschaubar (vgl. [X.], Urteil vom 17. Juni 2015 - 2 StR 139/14, [X.], 171, 174).

5

2. Die Rüge, das [X.] habe § 243 Abs. 5 Satz 1 [X.] verletzt, weil der Angeklagte vor seiner Sacheinlassung nicht über sein Schweigerecht belehrt worden sei, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Wie sich bereits aus dem [X.] selbst ergibt, war dem Angeklagten sein Schweigerecht bekannt (vgl. [X.], Urteil vom 8. April 1981 - 3 [X.], [X.], 208, 210 bei [X.]; [X.], [X.], 59. Aufl., § 243 Rn. 39). Die Auffassung der Revision, dass in der erneuten Hauptverhandlung im zweiten Rechtsgang „eine besondere, möglicherweise sogar erweiterte Hinweispflicht“ bestand, wonach der Angeklagte an seine Entscheidung zur Ausübung des Schweigerechts im ersten Rechtsgang nicht gebunden sei, findet im Gesetz keine Stütze.

6

3. Die weiteren Verfahrensrügen bleiben aus den vom [X.] genannten Gründen erfolglos.

7

4. [X.] erschöpft sich, soweit eine fehlerhafte Anwendung des § 31 BtMG geltend gemacht wird, in [X.] Vorbringen. Eine zulässige Aufklärungsrüge ist nicht erhoben. Auch im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils aufgrund des Revisionsvorbringens keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 [X.]).

Sost-Scheible        

       

Roggenbuck        

       

Cierniak

       

Bender        

       

Quentin        

       

Meta

4 StR 343/16

06.12.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Essen, 26. Februar 2016, Az: 52 KLs 35/15

§ 154 Abs 2 StPO, § 243 Abs 4 S 1 StPO, § 243 Abs 5 S 1 StPO, § 257c StPO, § 273 Abs 1a S 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.12.2016, Az. 4 StR 343/16 (REWIS RS 2016, 1350)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 1350

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