Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 08.02.2018, Az. 2 WD 9/17

2. Wehrdienstsenat | REWIS RS 2018, 14194

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Gegenstand

Anschaffung eines größeren Drogenvorrats eines Drogenabhängigen während des disziplinargerichtlichen Verfahrens


Tatbestand

1

Der ... Jahre alte frühere Soldat leistete nach dem Erwerb der mittleren Reife und dem Abbruch verschiedener Berufsausbildungen Grundwehrdienst. Zum Dezember 2010 wurde er in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und im März 2012 zum Stabsgefreiten befördert. Durch rechtskräftiges Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 25. September 2014 war er wegen eines Dienstvergehens in den Dienstgrad eines Hauptgefreiten herabgesetzt worden. In diesem Urteil war unter anderem festgestellt worden, dass er durch den Besitz von Amphetamin und Marihuana vorsätzlich seine Dienstpflichten verletzt hatte. Seine Dienstzeit endete mit dem Januar 2017.

2

Nach Verwendungen bei der ...schule in B. und auf dem ...boot "..." wurde der Soldat 2013 unter Wechsel der Teilstreitkraft zum [[X.].] versetzt und als Ordonnanz in der [[X.].] auf der ... in [X.] eingesetzt. Ab September 2015 nahm er im Rahmen der Berufsförderung an einer Ausbildung zum [[X.].] im Gesundheitswesen teil. Von April 2016 bis zum Ende seiner Dienstzeit war er vorläufig des Dienstes enthoben.

3

Der frühere Soldat wurde nicht planmäßig beurteilt. Im [X.] vom 31. Januar 2017 wurde er als selbstständig und zuverlässig arbeitende Ordonnanz und Schichtführer beschrieben. Er habe alle Aufgaben zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten ausgeführt. Der frühere Disziplinarvorgesetzte Oberstleutnant [X.] beschrieb den früheren Soldaten in seiner vorinstanzlichen Aussage als ruhig und verwies auf dessen familiäre Sorgen. Er habe den früheren Soldaten öfters ermahnt und geraten, Sozialdienst und Schuldnerberatung aufzusuchen. In der [X.] habe es keine Klagen über den früheren Soldaten gegeben. Er sei dort korrekt und pünktlich gewesen. Sein Drogenproblem sei bekannt gewesen, es hätte aber keine Auffälligkeiten oder Probleme damit gegeben. Seine Leistungen seien gut bis befriedigend gewesen. Der Zeuge sehe ihn im mittleren Drittel der Vergleichsgruppe. Allerdings sei der frühere Soldat gegen Ende seiner Dienstzeit bei der Beibringung von Dokumenten und der Rückgabe seiner Ausrüstung unzuverlässig gewesen. Dies hat der Zeuge auch in einer beurteilenden Stellungnahme vom 12. Juni 2017 niedergelegt.

4

Die aktuelle Auskunft aus dem [X.] verweist auf sechs rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte gegen den früheren Soldaten:

Das [X.] hatte am 18. April 2006 eine Geldstrafe wegen Betrugs in zwei Fällen und am 17. Dezember 2008 eine weitere Geldstrafe wegen Betrugs verhängt. Es erließ rechtskräftige Strafbefehle am 27. Dezember 2010 wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und am 22. Oktober 2013 wegen des Erschleichens von Leistungen in fünf Fällen. Das Amtsgericht S. verhängte am 30. Oktober 2013 eine Geldstrafe wegen eines Verstoßes gegen das Pflichtversicherungsgesetz. Mit rechtskräftigem Urteil des [X.] vom 7. Januar 2016 verhängte dieses wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die letztere Eintragung betrifft das mit diesem Verfahren sachgleiche Strafverfahren. Der aktuelle Auszug aus dem [X.] verweist auf die genannten Verurteilungen sowie auf das Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 25. September 2014.

5

Der frühere Soldat ist ledig und hat ein Kind. Nach Auskunft des [X.] erhält er [X.] in Höhe von 2 359,43 € brutto. Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Abzüge und einer im Zusammenhang mit der vorläufigen Dienstenthebung verfügten Einbehaltung von 30 % des [X.] ab August 2017 werden ihm 1 280,46 € ausgezahlt. Die mit 14 561,16 € errechnete Übergangsbeihilfe wird einbehalten. In der Berufungshauptverhandlung hat der Verteidiger ausgeführt, der frühere Soldat habe seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen und benötige deshalb die [X.] weiterhin. Das [X.] habe unter dem Aktenzeichen 21 [X.] ein Privatinsolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet. In der Vorinstanz hatte der frühere Soldat seine Schulden mit etwa 20 000 € beziffert. Er leiste für sein Kind Unterhalt in Höhe von 393 €.

Entscheidungsgründe

6

1. Das Verfahren ist nach Anhörung des früheren Soldaten mit Verfügung des Amtschefs ...amt vom 1. April 2016 eingeleitet worden. Der Anhörung der Vertrauensperson hat er widersprochen. Zum [X.] ist er ohne Angabe von Gründen nicht erschienen. Daraufhin hat die [X.] dem früheren Soldaten mit [X.] vom 7. Juni 2016 ein vorsätzliches [X.]vergehen zur Last gelegt.

7

2. [X.] hat ein Sachverständigengutachten zu möglichen Einschränkungen der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit des früheren Soldaten eingeholt. Das Gutachten der Diplom-Psychologen und Fachpsychologen für Rechtspsychologie L. ... und [X.]. ... vom 28. Dezember 2016 kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem früheren Soldaten eine Drogenabhängigkeit ([X.]: [X.]) vorliege und dass bei ihm durch den [X.] verschiedener Substanzen im September 2015 eine psychotische Störung mit schizophrenieformen Symptomen ([X.]: [X.]) ausgelöst worden sei. Allerdings könne ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem vom früheren Soldaten berichteten Ausbruch der Erkrankung im September 2015 und der [X.] vom 4. August 2015 oder davor nicht hergestellt werden, so dass die [X.] auch nicht als Symptom der "Schizophrenie" des früheren Soldaten gewertet werden könne.

8

Die 4. Kammer des [X.]s Süd hat mit Urteil vom 5. April 2017 dem früheren Soldaten wegen eines [X.]vergehens den [X.]grad aberkannt.

9

Ihrer Entscheidung legt die Kammer die folgenden tatsächlichen Feststellungen des sachgleichen Strafurteils des [X.] vom 7. Januar 2016 zugrunde, von denen zu lösen die Kammer keinen Grund sehe:

"Am 04.08.2015 oder kurz zuvor kaufte der Angeklagte von einer unbekannt gebliebenen Person 56,14 g Amphetamin, 3,01 g Marihuana und 0,18 g [X.] sowie 4 blaue Ecstasytabletten der Sorte 'Supermann' um diese Drogen anschließend selbst zu konsumieren bzw. für sich zu verwenden, eventuell gegen andere Drogen zu tauschen."

Durch den Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln habe der frühere Soldat gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung einschließlich der Strafgesetze nach § 7 [X.] verstoßen. Der unerlaubte Erwerb von Betäubungsmitteln verstoße gegen die [X.] - 2630/0-0-0-2 Nr. 503 und verletze damit die Gehorsamspflicht aus § 11 [X.]. Zudem habe der frühere Soldat gegen seine außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Damit habe er vorsätzlich ein [X.]vergehen begangen.

Der Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln durch einen Soldaten wiege sehr schwer, weil dieser damit seine Funktion als Soldat infrage stelle. Die Bedeutung der verletzten Pflichten sei sehr hoch. Erschwerend wirke, dass das Urteil der Kammer vom 25. September 2014 nicht pflichtenmahnend gewirkt habe, der Soldat vielmehr noch vor Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils erneut im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln, sogar in höherer Menge, straffällig geworden sei. Ihm fehle mithin der Wille, sich in die geltende Rechtsordnung einzufinden. Erschwerend wirke der erhebliche Umfang der in die [X.]zeit des früheren Soldaten fallenden strafrechtlichen Vorbelastungen. Milderungsgründe in der Tat seien nicht ersichtlich. Die Kammer werte die Ausführungen des früheren Soldaten im Schlusswort mildernd als Zeichen von Einsicht und Reue. Ausgangspunkt der [X.] sei die [X.]gradherabsetzung. [X.]gen der Erschwerungsgründe sei aber die [X.] zu verhängen. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe die Kammer dem früheren Soldaten, der noch Versorgungsbezüge erhalte, den [X.]grad aberkannt, anstatt auf Aberkennung des Ruhegehaltes zu erkennen.

3. Gegen das Urteil hat die [X.] fristgerecht beschränkt auf die Maßnahmebemessung Berufung eingelegt. Das Urteil stelle die Tatsachen korrekt fest, würdige sie rechtlich zutreffend und bewerte das [X.]vergehen mit Recht als sehr schwerwiegend. [X.] worden sei jedoch, dass die hier gebotene [X.] die Aberkennung des Ruhegehaltes sei, weil der frühere Soldat als Soldat im Ruhestand gelte.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Die Abwesenheit des anwaltlich vertretenen früheren Soldaten in der Berufungshauptverhandlung steht deren Durchführung sowie der Entscheidung des [X.]s in der Sache nach § 104 Abs. 1 Nr. 3 [X.] nicht entgegen. Der frühere Soldat ist am 22. November 2017 ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen worden, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.

Das von der [X.] zuungunsten des früheren Soldaten eingelegte Rechtsmittel ist auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkt worden. Der [X.] hat daher gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] in Verbindung mit § 327 StPO die Tat- und Schuldfeststellungen sowie die disziplinarrechtliche Würdigung des [X.]s seiner Entscheidung zugrunde zu legen und auf dieser Grundlage ohne Bindung an das Verschlechterungsverbot (§ 91 Abs. 1 Satz 1 [X.] i.V.m. § 331 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden.

1. [X.] hat festgestellt, dass der frühere Soldat durch den wissentlichen und willentlichen Erwerb und Besitz von 56,14 g Amphetamin, 3,01 g Marihuana und 0,18 g [X.] sowie 4 Ecstasytabletten am oder kurz vor dem 4. August 2015 entgegen der [X.] [X.] - 2630/0-0-2 Nummer 503 (ehemals [X.]) vorsätzlich gegen die Pflichten aus §§ 7, 11 und 17 Abs. 2 Satz 2 2. Alternative [X.] verstoßen hat.

Diese Schuldfeststellungen sind eindeutig und widerspruchsfrei und für den [X.] damit bindend. Ob sie vom [X.] rechtsfehlerfrei getroffen wurden, darf vom [X.] nicht überprüft werden. Denn bei einer auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme beschränkten Berufung wird der [X.] nicht mehr von der [X.], sondern nur von den bindenden Tat- und Schuldfeststellungen des angefochtenen Urteils bestimmt.

2. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von [X.] wegen allein zulässigen Zwecksetzung des [X.]hrdisziplinarrechts auszugehen. Diese besteht darin, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen [X.]betrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin in der [X.]", vgl. dazu [X.], Urteil vom 11. Juni 2008 - 2 [X.] 11.07 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 26 Rn. 23 m.w.[X.]). Bei Art und Maß der Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i.V.m. § 38 Abs. 1 [X.] Eigenart und Schwere des [X.]vergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

a) Eigenart und Schwere des [X.]vergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen, d.h. nach der Bedeutung der verletzten [X.]pflichten. Danach wiegt das [X.]vergehen nach der Bedeutung der verletzten Pflichten und unter Berücksichtigung der Umstände der Begehung sehr schwer.

Die Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 [X.]) gehört zu den zentralen Pflichten eines Soldaten. Der besondere Unrechtsgehalt des [X.]vergehens ergibt sich daraus, dass der frühere Soldat gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der Rechtsordnung in Gestalt der Strafgesetze in erheblichem Umfang verstoßen und kriminelles Unrecht durch den unerlaubten Besitz von Betäubungsmitteln nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG begangen hat und auch entsprechend rechtskräftig verurteilt wurde. Hohe Bedeutung hat auch der Verstoß gegen die innerdienstliche [X.]isung in [X.] - 2630/0-0-0-2 Nr. 503 bzw. [X.] der [X.], die unmittelbar der Erhaltung der Funktionsfähigkeit der [X.] dient, indem sie Soldaten Verhaltensweisen untersagt, die ihre jederzeitige Einsatzfähigkeit gefährden. Die Pflicht zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 [X.]) gehört zu den zentralen [X.]pflichten eines jeden Soldaten. [X.] Ungehorsam stellt daher stets ein sehr ernstzunehmendes [X.]vergehen dar ([X.], Urteil vom 16. März 2011 - 2 [X.] 40.09 - juris Rn. 52 m.w.[X.]). Hinzu tritt erschwerend der Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 17 Abs. 2 Satz 2 [X.] a.F., Satz 3 n.F.).

Mit Recht berücksichtigt die Vorinstanz erschwerend den Umstand, dass der frühere Soldat sich trotz einer auch wegen Drogenbesitzes verhängten [X.]gradherabsetzung erneut einschlägig betätigt hat. Er hat hier zudem eine so große Menge unterschiedlicher Betäubungsmittel besessen, dass sie einen mehr als nur gelegentlichen Eigenkonsum ermöglicht. Damit hat er dokumentiert, dass eine [X.]gradherabsetzung nicht geeignet ist, bei ihm eine Verhaltensänderung herbeizuführen.

b) Das [X.]vergehen hatte nachteilige Auswirkungen für den [X.]betrieb, weil der frühere Soldat wegen des Disziplinarverfahrens suspendiert werden musste. Zudem hat ausweislich des Sachverständigengutachtens der Betäubungsmittelkonsum beim früheren Soldaten gesundheitliche Folgen ausgelöst, die erhebliche Zweifel an seiner Verwendbarkeit aufwerfen. Damit schränken die Folgen des Drogenkonsums die Möglichkeiten des [X.]herrn, ihn mit soldatischen Aufgaben zu betrauen, stark ein.

c) [X.] sprechen gegen ihn. Er hat aus [X.] sein privates Interesse am [X.] illegaler Drogen über die dienstlichen Interessen an der Erhaltung seiner Gesundheit und seiner Einsatzfähigkeit für die [X.] gestellt.

d) [X.] des uneingeschränkt schuldfähigen früheren Soldaten wird vor allem dadurch bestimmt, dass er vorsätzlich gehandelt hat.

aa) Er war zur Tatzeit nicht im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig.

Dies ergibt sich aus dem nachvollziehbaren Sachverständigengutachten der Diplompsychologen und Fachpsychologen für Rechtspsychologie L. ... und [X.]. ... vom 28. Dezember 2016. Dieses beruht auf der Auswertung der Gerichtsakte der Vorinstanz und von [X.] über den früheren Soldaten durch das [X.] sowie einem [X.] mit dem früheren Soldaten in der Klinik [X.] in [X.]. Es kommt zum Ergebnis, dass der frühere Soldat drogenabhängig ist und dass bei ihm im September 2015 eine psychotische Störung mit schizophrenieformen Symptomen durch den [X.] verschiedener Substanzen ausgelöst worden war. Allerdings könne die Tat vom 4. August 2015 oder davor nicht die Folge der im September 2015 aufgetretenen psychotischen Störung sein. Diesem Schluss liegen zum einen die Angaben des früheren Soldaten zugrunde, nach denen seine massiven Probleme im September/Oktober 2015 begonnen haben. Zum anderen wertet das Gutachten Entlassberichte des [X.] aus, in dem der frühere Soldat nach der Tat stationär aufgenommen war. Das Gutachten referiert die Diagnose des [X.]: psychotische Störung durch multiplen Substanzgebrauch und [X.] sonstiger psychotroper Substanzen, vorwiegend wahnhaft ([X.]: [X.]) und erläutert nachvollziehbar, warum ihr zugestimmt wird. Letztlich könne offen bleiben, ob die aufgetretene wahnhafte Symptomatik Folge einer akuten Drogenintoxikation oder Folge einer paranoiden Schizophrenie sei. Für das Gutachten sei dies unerheblich, weil kein kausaler Zusammenhang zwischen der Tat und den akuten psychotischen Symptomen bestehe. Sowohl die psychotische Störung durch multiplen Substanzgebrauch als auch die paranoide Schizophrenie wären dem [X.] "krankhafte seelische Störung" des § 20 StGB zuzuordnen. Die entsprechende Symptomatik sei aber erst im September 2015 aufgetreten und für den hier in Rede stehenden Tatzeitraum nicht feststellbar.

Gegen dieses überzeugende Gutachten haben die Beteiligten keine Einwände geltend gemacht.

bb) Milderungsgründe in den Umständen der Tat, die die Schuld des Soldaten mindern könnten (vgl. z.B. [X.], Urteil vom 23. September 2008 - 2 [X.] 18.07 - m.w.[X.]), lagen nicht vor.

(1) Es liegt kein Mitverschulden von Vorgesetzten durch eine mangelhafte [X.]aufsicht vor. Dieser [X.] steht einem Soldaten nämlich nur dann zur Seite, wenn er der [X.]aufsicht bedarf, z.B. in einer Überforderungssituation, die ein hilfreiches Eingreifen des Vorgesetzten erforderlich macht (vgl. [X.], Urteile vom 13. März 2003 - 1 [X.] 4.03 - [X.] 235.01 § 38 [X.] 2002 Nr. 2 S. 10 und vom 13. Januar 2011 - 2 [X.] 20.09 - juris Rn. 37). Schon wegen der einschlägigen Vorstrafe bedurfte der frühere Soldat keines Einschreitens der [X.]aufsicht, um die Pflichtwidrigkeit des Besitzes von Betäubungsmitteln zu erkennen. Zudem hat der ehemalige Disziplinarvorgesetzte in der Vorinstanz ausgeführt, dass er mehrfach Gespräche mit dem früheren Soldaten geführt hatte, damit dieser Hilfe des Sozialdienstes oder der Schuldnerberatung in Anspruch nehmen sollte. Da es zu Auffälligkeiten im täglichen [X.]betrieb nicht gekommen ist, die ein weitergehendes Einschreiten geboten hätten, ist ein Versagen der [X.]aufsicht nicht feststellbar.

(2) Der frühere Soldat versagte auch nicht in einer seelischen Ausnahmesituation (vgl. dazu z.B. [X.], Urteil vom 16. Oktober 2002 - 2 [X.] 23.01, 32.02 - [X.]E 117, 117 <124> m.w.[X.]). Diese setzt eine Zuspitzung von Belastungsfaktoren voraus, die außergewöhnliche Besonderheiten der Situation begründen, in der der Soldat versagt hatte (vgl. [X.], Urteile vom 8. Mai 2014 - 2 [X.] 10.13 - juris Rn. 78 und vom 5. Juni 2014 - 2 [X.] 14.13 - juris Rn. 28). Hierfür ist nicht ausreichend, dass der frühere Soldat hohe Schulden und schlechte [X.]ancen auf dem Arbeitsmarkt hatte, nach der Trennung von seiner früheren Lebensgefährtin für sein Kind Unterhalt zahlen und sich um den Umgang mit seinem Kind kümmern musste. Denn dies macht weder einzeln noch zusammen genommen die Anschaffung eines größeren [X.] verständlich.

Gleichwohl berücksichtigt der [X.] zugunsten des früheren Soldaten - allerdings mit geringerem Gewicht -, dass dieser zur Tatzeit drogenabhängig war und sich dadurch in einer schwierigen Lebenslage befand, die für das Versagen mitursächlich war.

e) Im Hinblick auf die [X.] "Persönlichkeit" und "bisherige Führung" sind dem früheren Soldaten die von dem [X.] in der Hauptverhandlung beim [X.] und im [X.] vom 31. Januar 2017 bekundeten ordentlichen Leistungen vor dem [X.]vergehen zugute zu halten. Eine Nachbewährung ergibt sich hieraus allerdings mangels deutlicher Leistungssteigerung und tadelfreier Führung bis zum [X.]zeitende nicht.

f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 [X.] und die Zwecksetzung des [X.]hrdisziplinarrechts die Verhängung der [X.] geboten.

Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der [X.] in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. [X.], Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 [X.] 9.09 - juris) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine [X.] für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der [X.]". Hiernach ist die Vorinstanz zutreffend von einer [X.]gradherabsetzung ausgegangen.

Für Fälle des strafbaren Erwerbs, Besitzes, [X.]s sowie der strafbaren [X.]itergabe von Betäubungsmitteln im oder außer [X.] ist bei aktiven Soldaten Ausgangspunkt der [X.] grundsätzlich ein Beförderungsverbot, in schweren Fällen eine [X.]gradherabsetzung (vgl. [X.], Urteile vom 12. Oktober 2010 - 2 [X.] 44.09 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 31 Rn. 43 m.w.[X.], vom 28. Juni 2012 - 2 [X.] 34.10 - juris Rn. 108 -, vom 7. Mai 2013 - 2 [X.] 20.12 - juris Rn. 61 und vom 21. Mai 2014 - 2 [X.] 7.13 - juris Rn. 60). Ein schwerer Fall liegt insbesondere im Falle des Dauerkonsums, des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln oder der Verstrickung von Kameraden in das Vergehen vor ([X.], Urteil vom 12. Januar 2017 - 2 [X.] 12.16 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 52 Rn. 35). Ein schwerer Fall ist auch dann anzunehmen, wenn ein Soldat eine große Menge an Betäubungsmitteln besitzt oder sich verschafft, die einen mehr als nur gelegentlichen Eigenkonsum oder die [X.]itergabe an zahlreiche Dritte ermöglicht ([X.], Urteil vom 12. Januar 2017 - 2 [X.] 12.16 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 52 Rn. 36).

Das [X.]vergehen des früheren Soldaten steht im Zusammenhang mit dessen dauerhaften Drogenkonsum, den er nach seinen Angaben bei den Gutachtern bereits seit seinem 14./15. Lebensjahr aufnahm. Zudem spricht auch Art und Umfang der in Rede stehenden Drogen für einen mehr als nur gelegentlichen Eigenkonsum. [X.]r nur gelegentlich Drogen konsumiert, legt sich keine Vorräte unterschiedlicher Arten von Betäubungsmitteln in einer zumindest zweistelligen Zahl von [X.]einheiten an. Hinzu kommt, dass die Gutachter eine Drogenabhängigkeit des früheren Soldaten diagnostiziert haben, die einen dauerhaften Eigenkonsum bedingt.

bb) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 [X.] normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des [X.]hrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten [X.] eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des [X.]vergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der [X.] die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der [X.] bildet, dem [X.]hrdienstgericht einen Spielraum eröffnet.

Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob das Fehlen der [X.] regelmäßig zu einer milderen Maßnahme führen muss als dies für Soldaten mit Vorgesetztenstellung geboten wäre (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 2013 - 2 [X.] 13.14 - juris Rn. 44). Denn selbst wenn man dies annähme, liegen erschwerende Umstände von solchem Gewicht vor, dass die Verhängung der [X.] erforderlich ist. Würde der frühere Soldat sich noch im aktiven [X.] befinden, wäre er aus diesem zu entfernen, weil keine Grundlage für Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Integrität mehr besteht (§ 65 Abs. 1 Satz 2 [X.]).

[X.]nn auch keine Gesetzmäßigkeit des Inhalts besteht, dass disziplinarische Vorbelastung bei einem erneuten [X.]vergehen zwingend zu einer schwereren, als der zuvor verhängten [X.] führt ([X.], Urteil vom 13. September 2011 - 2 [X.] 15.10 - [X.] 450.2 § 38 [X.] 2002 Nr. 33 Rn. 60), verlangt die einschlägige disziplinare Vorbelastung eine "Hochstufung" in der Maßnahmeart.

Hier liegt nicht nur eine erhebliche einschlägige Vorbelastung vor, vielmehr kommen zahlreiche weitere Straftaten hinzu, die in ihrer Häufung ein besonders schlechtes Licht auf den [X.]arakter des früheren Soldaten werfen. Er hat sich hierdurch als unempfindlich für pflichtenmahnende Einwirkungen disziplinarischer und strafrechtlicher Art erwiesen. Diese erschwerenden Aspekte überwiegen die mildernden Gesichtspunkte in seiner Person und seinen persönlichen Umständen bei Tatbegehung bei weitem. Damit fehlt es an der für die Fortsetzung eines gegenseitigen [X.]- und Treueverhältnisses notwendigen Vertrauensgrundlage, so dass die [X.] angezeigt ist.

Die Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme ist wegen der unterschiedlichen Zwecke von Straf- und Disziplinarverfahren auch nicht mit Rücksicht auf die sachgleichen Sanktionen der Strafgerichte gegen den früheren Soldaten geboten (vgl. [X.], Urteile vom 13. Januar 2011 - 2 [X.] 20.09 - juris m.w.[X.] und vom 4. Mai 2011 - 2 [X.] 2.10 - juris Rn. 51).

Da der frühere Soldat noch [X.] erhält und die Übergangsbeihilfe einbehalten wurde, hat er einen Anspruch auf [X.]zeitversorgung im Sinne von §§ 3 Abs. 4, 11, 12, 13 SVG und fällt damit unter § 1 Abs. 3 [X.]. Folglich bestimmt sich die [X.] nicht aus § 58 Abs. 3 Nr. 2 [X.], sondern aus § 58 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. § 67 Abs. 4 [X.]. Die verhängte Maßnahme ist daher wie tenoriert zulasten des früheren Soldaten abzuändern.

3. Die Berufung wurde nur notwendig, weil ausweislich der Entscheidungsgründe des Urteils versehentlich eine unzutreffende Form der [X.] festgesetzt worden ist. Es entspricht daher der Billigkeit, den früheren Soldat von den Kosten des Berufungsverfahrens zu entlasten (§ 139 Abs. 1 Satz 2  2. Halbs., § 140 Abs. 3 Satz 3 [X.]).

Meta

2 WD 9/17

08.02.2018

Bundesverwaltungsgericht 2. Wehrdienstsenat

Urteil

Sachgebiet: WD

vorgehend Truppendienstgericht Süd, 5. April 2017, Az: S 4 VL 32/16, Urteil

§ 7 SG, § 11 SG, § 17 Abs 1 S 2 Alt 2 SG, § 38 Abs 1 WDO 2002, § 58 Abs 7 WDO 2002

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 08.02.2018, Az. 2 WD 9/17 (REWIS RS 2018, 14194)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 14194

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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