Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2002, Az. IV ZR 309/01

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 1315

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/01Verkündet am:2. Oktober 2002HeinekampJustizobersekretärals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: nein_____________________[X.] § 3 Nr. 6; [X.] § 158 cDie in § 3 Nr. 6 Satz 1 Halbs. 2 [X.] enthaltenen Ausnahmetatbestände sind [X.] erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Sie beziehen sich allein auf Fälleder Leistungsfreiheit nach § 3 Nr. 4 [X.].[X.], Urteil vom 2. Oktober 2002 - [X.]/01 - [X.] [X.] hat durch den [X.], [X.], die Richterin [X.], denRichter [X.] und die Richterin Dr. [X.] auf die mündliche [X.] vom 2. Oktober 2002für Recht erkannt:Auf die Revision der [X.] zu 1) wird das Urteil [X.] Zivilsenats des [X.] im Kostenpunkt und insoweit aufgeho-ben, als darin zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.Auf die Berufung der [X.] zu 1) wird das Urteil [X.] Zivilkammer des [X.] vom [X.] teilweise geändert.Die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Klage wird [X.] abgewiesen.Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.Von den Kosten der ersten Instanz werden der Klägerindie außergerichtlichen Kosten der [X.] zu 1) vollsowie ihre eigenen außergerichtlichen und die gerichtli-chen Kosten je zur Hälfte auferlegt. Die restlichen Ko-sten fallen dem [X.] zu 2) zur Last.Von Rechts wegen- 3 -Tatbestand:Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, macht als Sozialver-sicherungsträgerin aus übergegangenem Recht Ansprüche der bei [X.] geschädigten [X.] geltend.Der Beklagte zu 2), der über keine Fahrerlaubnis verfügte, erwarbim September 1996 einen PKW [X.]. Auf seine Veranlassung stellte [X.] 16jährige [X.]unter Angabe eines unrichtigen Ge-burtsdatums bei der [X.] zu 1) für das Fahrzeug einen Antrag [X.] einer Haftpflichtversicherung. Ihm wurde eine [X.] ausgehändigt. Das Fahrzeug erhielt daraufhin von [X.] ein Überführungskennzeichen. Am 22. Sep-tember 1996 kam der Beklagte zu 2) mit dem PKW während einer [X.] Fahrt aufgrund überhöhter Geschwindigkeit von der Fahrbahn abund prallte gegen einen Baum. Die auf der Rückbank befindliche [X.]wurde schwer verletzt. Der Klägerin entstanden Kosten für diestationäre Krankenhausbehandlung und die anschließenden Rehabilitati-onsmaßnahmen, für die sie in Höhe von 191.777,16 DM die [X.]als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt.Das [X.] hat die [X.] zur Zahlung verurteilt und ihreVerpflichtung festgestellt, der Klägerin auch die künftigen unfallbedingtenKosten zu ersetzen. Gegen den [X.] zu 2) ist die Entscheidungdurch Versäumnisurteil ergangen, das Rechtskraft erlangt hat. Die Be-rufung der [X.] zu 1) ist - bis auf einen geringen Teil des Zinsan-spruchs - ohne Erfolg geblieben. Dagegen wendet sie sich mit ihrer [X.] 4 -Entscheidungsgründe:Das Rechtsmittel ist begründet. Es führt im Ergebnis zur vollstän-digen Abweisung der gegen die Beklagte zu 1) erhobenen Klage.[X.] Das Berufungsgericht hat einen gemäß § 116 [X.] auf dieKlägerin übergegangenen Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus § 823Abs. 1, 2 BGB i.V. mit den §§ 21 Abs. 1 StVG, 3 [X.] bejaht. Den [X.], daß das Versicherungsverhältnis gestört sei, könne die Beklagtezu 1) gegenüber der Klägerin nicht geltend machen. Sie habe durchAushändigung der Doppelkarte ihrem Versicherungsnehmer [X.]kon-kludent eine Deckungszusage erteilt. Zwar sei der mit dem minderjähri-gen [X.]über die vorläufige Deckung geschlossene [X.], weil dessen gesetzliche Vertreterin die Genehmigung ver-weigert habe. Die Beklagte unterliege aber der Nachhaftung gemäß § 3Nr. 5 [X.]; zugunsten der Geschädigten werde insoweit ein Versiche-rungsverhältnis fingiert.Soweit der Beklagte zu 2) keine Fahrerlaubnis gehabt habe, liegedarin eine vertragliche Obliegenheitsverletzung nach § 2b Abs. 1c [X.].Dieser Umstand könne gemäß § 3 Nr. 4 [X.] dem Anspruch des [X.]nicht entgegengehalten werden. Die Bestimmung des § 3 Nr. 6 [X.]komme insoweit nicht zum Tragen. Sie enthalte in ihrem Satz 1 Halbs. 2Unterausnahmen. [X.] die Leistungsfreiheit darauf, daß das Fahrzeugvon einem Fahrer ohne die vorgeschriebene Fahrerlaubnis geführt [X.] sei, könne der Versicherer den [X.] nicht auf die Möglichkeit ver-weisen, anderweitig Ersatz seines Schadens zu verlangen.- 5 -I[X.] Das hält der rechtlichen Nachprüfung in einem wesentlichenPunkt nicht stand.1. Richtig ist allerdings, daß sich die Beklagte zu 1) gegenüber derKlägerin nicht auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung be-rufen kann. Denn diese ist darin begründet, daß der Beklagte zu 2) nichtüber die erforderliche Fahrerlaubnis verfügte (§ 2 b Abs. 1c [X.]). Fürdiesen Fall nimmt § 3 Nr. 6 Satz 1 Halbs. 2 [X.] dem Versicherer dieMöglichkeit, den [X.] gemäß § 158 c Abs. 4 [X.] auf einen anderwei-tigen Ersatz seines Schadens zu verweisen. Es gilt ausschließlich § 3Nr. 4 [X.], wonach dem Direktanspruch des [X.] nicht entgegen-gehalten werden kann, daß der Versicherer dem ersatzpflichtigen Versi-cherungsnehmer gegenüber von der Verpflichtung zur Leistung frei ist.Auch die Revision erinnert hiergegen nichts.2. Hingegen hat das Berufungsgericht verkannt, daß die Beklagtezu 1) über § 3 Nr. 5 [X.] i.V. mit § 3 Nr. 6 Satz 1 Halbs. 1 [X.] [X.] des § 158c Abs. 4 [X.] für sich in Anspruch nehmenkann.a) Der zwischen A. [X.]und der [X.] zu 1) abge-schlossene Versicherungsvertrag über die vorläufige Deckung war inseinen rechtlichen Folgen für den minderjährigen Versicherungsnehmernicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Er begründete die Pflicht zur Zahlungder Prämie für die Dauer des vorläufigen Versicherungsschutzes (vgl.[X.], 122, 132 ff.; [X.] in [X.]/[X.], [X.]. Zusatz zu § 1 [X.] [X.] 10 m.w.[X.]; [X.], ebenda§ 1 [X.] [X.] 6, 20; Stiefel/[X.], Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 1- 6 -[X.] [X.] 71, 78 f.; für den Fall der Kündigung vgl. § 1 Nr. 5 [X.]). [X.] den Vertragsabschluß gerichtete Willenserklärung des Minderjähri-gen und der Zugang der daraufhin abgegebenen Willenserklärung der[X.] bedurften daher der Genehmigung der gesetzlichen Vertrete-rin (§§ 107, 108 Abs. 1, 131 Abs. 2 BGB; vgl. [X.], 352, 358). [X.] die Mutter des Versicherungsnehmers verweigert; der auf die vorläu-fige Deckungszusage gerichtete Vertrag war somit endgültig unwirksam.Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, daß es weiterge-hend schon an dem äußeren Tatbestand eines [X.] fehle, weil der Versicherungsnehmer [X.]unrechtmäßig in den [X.] der Versicherungsbestätigung gelangt sei, indem er sich diese unterVortäuschung seiner Volljährigkeit bei der [X.] zu 1) erschlichenhabe. Mit willentlicher Aushändigung der zur Vorlage bei der Straßenver-kehrsbehörde gemäß § 29a [X.] bestimmten Versicherungsbestäti-gung ist zwischen [X.]und der [X.] zu 1) konkludent ein Vertragüber vorläufige Deckung zustande gekommen. Es lag der Tatbestand ei-nes Versicherungsvertrages vor; dem Versicherungsverhältnis war [X.] aus rechtlichen Gründen (§§ 107, 108 BGB) die Wirksamkeit versagt(vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]. § 3 [X.] [X.] 33; [X.], aaO § 158c [X.] [X.] 7; Beck-mann in [X.] zum Versicherungsgesetz § 158c [X.] [X.] 18).b) Gemäß § 3 Nr. 5 [X.] kann ein Umstand, der das Nichtbeste-hen des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, dem direkten An-spruch des [X.] gegen den Versicherer (§ 3 Nr. 1 [X.]) nur entge-gengehalten werden, wenn das Schadensereignis später als einen Monatnach dem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem der Versicherer den Umstand- 7 -der hierfür zuständigen Stelle angezeigt hat. Diese Voraussetzungen lie-gen schon deshalb nicht vor, weil eine solche Anzeige der [X.] zu1) gegenüber der zuständigen Straßenverkehrsbehörde unterblieben ist.Das Berufungsgericht ist daher zutreffend von einer Nachhaftung der[X.] zu 1) gegenüber der Geschädigten [X.]) Zugunsten der [X.] zu 1) greifen aber die [X.] 3 Nr. 6 Satz 1 Halbs. 1 [X.], 158c Abs. 4 [X.] ein. Nach den ge-nannten Bestimmungen haftet der Versicherer nicht, wenn und soweitder geschädigte Dritte in der Lage ist, den Ersatz seines Schadens voneinem Sozialversicherungsträger zu erlangen. Der [X.] nicht belastet werden, wenn von anderer Seite aufgrund eines wirk-samen Rechtsverhältnisses eine Verpflichtung zur Deckung des Scha-dens besteht. Gesetzgeberischer Beweggrund für die Haftung des [X.] auch bei an sich fehlender Deckungspflicht war der Schutz [X.], dessen Interessen die Ausgestaltung der Pflichtversiche-rung vorrangig dient. Er soll vor den Nachteilen eines notleidenden Ver-sicherungsverhältnisses bewahrt werden. Das gilt jedoch nur dann, [X.] anderenfalls für seinen Schaden keine Deckung erhielte (vgl. [X.],Urteil vom 4. April 1978 - [X.] - VersR 1978, 609 unter [X.] b;Urteil vom 23. Januar 1979 - [X.] - VersR 1979, 272 unter I[X.]b, [X.]; [X.], aaO [X.] 37; Langheid in [X.]/Langheid, Versiche-rungsvertragsgesetz § 158 c [X.] [X.] 7).Sozialversicherungsträgerin ist hier die Klägerin, die die Kosten fürdie stationäre Krankenhausbehandlung und die Rehabilitation von [X.] übernommen hat. Kann sich der Versicherer gegenüber dem- 8 -[X.] auf das [X.] berufen, scheiden auch [X.] aus abgeleitetem Recht (§ 116 [X.])aus, da die Vorschrift des § 158c Abs. 4 [X.] anderenfalls leerliefe([X.]Z 65, 1, 6; Langheid, aaO [X.] 17; [X.], aaO § 3 Nr. 6[X.] [X.] [X.]) Das Berufungsgericht hat übersehen, daß sich die in § 3 Nr. 6Satz 1 Halbs. 2 [X.] aufgeführten Ausnahmen allein auf Fälle der [X.] nach § 3 Nr. 4 [X.] beziehen. Geht es um eine Nachhaf-tung gemäß § 3 Nr. 5 [X.], hat über § 3 Nr. 6 Satz 1 Halbs. 1 [X.] [X.] des § 158c [X.] mit ihren Abs. 3-5 uneingeschränkt Geltung.Die Bestimmung des § 3 Nr. 6 Satz 1 Halbs. 2 [X.] beinhaltet Ausnah-metatbestände, die einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind([X.], aaO § 3 Nr. 6 [X.] [X.] 5; [X.], aaO § 3 [X.][X.] 45a; [X.] VersR 2000, 1139, 1140). Sind die Voraussetzun-gen eines Ausnahmetatbestandes gegeben, scheidet eine Verweisungs-möglichkeit für den Versicherer insoweit aus. Ihm ist es aber nicht ver-sagt, daneben eine Störung des Versicherungsverhältnisses geltend zumachen, die von den Ausnahmeregelungen nicht erfaßt wird. Dann ist- 9 -ihm gleichwohl die Möglichkeit einer Verweisung eröffnet. [X.] er bei einer Häufung von Störungen im Deckungsverhältnis - wiebei einem Zusammentreffen von Leistungsfreiheit und Nichtigkeit -schlechter, als wenn das Versicherungsverhältnis nur aus einem zurNichtigkeit führenden Grund fehlerbehaftet wäre (vgl. [X.], aaO;[X.] aaO).Terno [X.] [X.] [X.] Dr. [X.]

Meta

IV ZR 309/01

02.10.2002

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.10.2002, Az. IV ZR 309/01 (REWIS RS 2002, 1315)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1315

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