Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.04.2013, Az. III ZR 225/12

3. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 6489

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Gegenstand

Haftung bei Kapitalanlageberatung: Aufklärungspflicht über Rückvergütungen durch einen freien Anlageberater bzw. durch ein selbstständiges Unternehmen der Finanzgruppe einer Sparkasse


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 34. Zivilsenats des [X.] vom 5. Juni 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit einer Beteiligung an der [X.]     VIP M.      2 GmbH & Co. KG (im Folgenden: [X.]) und der [X.]     VIP M.       3 GmbH & Co. KG (im Folgenden: [X.]) in Anspruch.

2

Die Klägerin war langjährige Kundin der [X.]. Die Beklagte ist eine 100 %ige Tochter der [X.] D.     , deren Kundin die Klägerin - seit Jahrzehnten - ebenfalls war. Ab dem [X.] wurde die Klägerin von dem Mitarbeiter [X.]der [X.] beraten. Dieser suchte die Klägerin, die damals noch als niedergelassene Ärztin berufstätig war, am 25. November 2002 in ihren Praxisräumen auf. Nach einem Beratungsgespräch unterzeichnete die Klägerin eine Beteiligungserklärung an dem [X.] in Höhe von 50.000 €. Dabei waren 55 % der Beteiligung als Bareinlage zu erbringen nebst einem 3 %igen Agio auf den [X.]. Die restliche Einlage von 45 % sollte zunächst fremdfinanziert werden. Die Klägerin leistete die Bareinlage und das Agio in voller Höhe.

3

Am 12. November 2003 zeichnete die Klägerin - erneut nach Beratung durch den Mitarbeiter [X.]der [X.] - eine Beteiligung an dem [X.] in Höhe von 80.000 € zuzüglich eines Agios von 5 %. Die Klägerin leistete die volle Zeichnungssumme zuzüglich Agio in Höhe von insgesamt 84.000 €.

4

Die Beklagte war hinsichtlich der beiden Fonds von der [X.] als Vertriebspartnerin für die Eigenkapitalvermittlung gewonnen worden. Sie erhielt von ihr für die Vermittlung der Fondsanteile auf der Grundlage einer Vertriebs- und Vergütungsvereinbarung jeweils Provisionen in einer das Agio übersteigenden Höhe, ohne dass die genaue [X.] der Klägerin offen gelegt wurde.

5

Die Klägerin macht unter anderem geltend, dass sie nicht über die Provisionen und deren Höhe aufgeklärt worden sei und die Anlagen nicht gezeichnet hätte, wenn sie die Rückvergütungen, insbesondere deren Höhe, gekannt hätte. Die Beklagte habe - bezogen auf die Zeichnungssumme - Provisionen in Höhe von 21,6 % vereinnahmt. Die Klägerin hat im Wesentlichen die Verurteilung der [X.] zur Zahlung von 29.000 € ([X.]) und 84.000 € ([X.]) nebst Zinsen begehrt, jeweils Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots auf Übertragung der Beteiligungen sowie Abtretung aller aus ihnen folgenden Rechte.

6

Das [X.] hat der Klage weitgehend stattgegeben. Das Ober-landesgericht hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Es hat auf die Anschlussberufung der Klägerin das Urteil des [X.]s teilweise abgeändert und festgestellt, dass der Rechtsstreit betreffend den Schadensersatz wegen der Beteiligung an dem [X.] im Umfang von am 13. Januar 2012 gezahlten 68.000 € erledigt ist. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die [X.] ihre Pflichten als Anlageberaterin verletzt, indem sie die Klägerin nicht über die Höhe der ihr für den Vertrieb der Fondsbeteiligungen zufließenden Rückvergütungen aufgeklärt hat.

9

Die [X.] könne nicht einwenden, als selbständige Finanzberaterin treffe sie keine Verpflichtung gegenüber ihren Kunden, ungefragt über eine von ihr bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären. Denn bei der [X.] handele es sich nicht um einen bankunabhängigen Anlageberater. Die gesellschaftsrechtliche Ausgliederung der Anlageberatung aus dem Tätigkeitsbereich der Sparkasse mache sie nicht automatisch zu einem freien Anlageberater. Vielmehr komme es darauf an, ob die [X.] sich aus Sicht des Kunden nach außen nicht nur gesellschaftsrechtlich, sondern auch im Übrigen als von der Bank im Unternehmensverbund unabhängige Beraterin darstelle. Hiervon könne bei der [X.] nicht ausgegangen werden. Diese demonstriere vielmehr - nicht zuletzt durch den Gebrauch von deren Firmenlogo - ihr besonderes Näheverhältnis zur Sparkasse. Dabei nutze sie sowohl die Erkenntnisse und die Kundendaten als auch das Vertrauen der langjährigen Kunden der Sparkasse. Der Klägerin sei in keiner Weise bewusst gemacht worden, dass sie den Geschäftsbereich "ihrer" Sparkasse verlassen und sich in die Hände eines selbständigen Unternehmens begeben würde. Eine klare Grenzziehung zwischen der Sparkasse einerseits und der [X.] andererseits habe es nicht gegeben. Vielmehr sei Kunden wie der Klägerin der Eindruck vermittelt worden, dass ihnen als "Premiumkunden" mit der Betreuung durch die ausgegliederte [X.] eine ganz individuelle und besonders qualifizierte Beratung seitens der Sparkasse zuteil werden solle.

Die Klägerin habe ohne nähere Aufklärung nicht damit rechnen müssen, dass der [X.] ein Entgelt für die Vermittlung der Fondsanlagen zufließe. Sie habe annehmen dürfen, die vertragliche Beziehung zur [X.] sei gleichsam in ihre Geschäfts- und Vertrauensbeziehung zur Sparkasse "eingebettet". Damit habe sie davon ausgehen dürfen, die [X.] partizipiere an den Entgelten wie den Kontoführungsgebühren, die die Sparkasse regelmäßig für ihre Dienstleistungen vom Kunden erhalte.

Bei den an die [X.] geflossenen Zahlungen habe es sich um aufklärungspflichtige Rückvergütungen gehandelt. Sie seien aus den im jeweiligen Fondsprospekt offen ausgewiesenen Vertriebskosten gezahlt worden, wobei die [X.] als Empfängerin ungenannt geblieben sei. Damit seien die seitens der Klägerin geleisteten Zahlungen "hinter deren Rücken" an die [X.] zurückgeflossen, womit deren besonderes Interesse, gerade diese Beteiligungen zu empfehlen, für die Klägerin nicht erkennbar gewesen sei.

Über diese Rückvergütungen sei die Klägerin von der [X.] nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Dabei könne offen bleiben, ob der Zeuge [X.]die Klägerin grundsätzlich darüber informiert habe, dass die [X.] eine Provision erhalte. Denn jedenfalls sei die Klägerin nicht über die konkrete Höhe der Rückvergütungen aufgeklärt worden. Da mit der [X.] zwangsläufig auch das Vertriebsinteresse steige, könne der Kunde letzteres nur bei Kenntnis der genauen Höhe der Vergütung realistisch beurteilen. Die Höhe der Provisionszahlungen sei dem Anleger daher immer ungefragt zu offenbaren. Den Fondsprospekten sei weder zu entnehmen gewesen, dass die [X.] in den Genuss der dort ausgewiesenen Vertriebsprovisionen oder des [X.] kommen solle, noch in welcher tatsächlichen Höhe Rückzahlungen an sie geflossen seien. Auf die Frage, ob die Prospekte rechtzeitig an die Klägerin übergeben worden seien, komme es daher nicht an.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein Schadensersatzanspruch gegen die [X.] wegen einer unterbliebenen Aufklärung über eine Provision oder Rückvergütung wegen der gezeichneten Fonds zu. Eine solche Pflicht bestand für die [X.] nicht.

a) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats ist ein freier nicht bankmäßig gebundener Anlageberater nicht verpflichtet, den Anleger ungefragt über den Umstand und die Höhe einer Provision aufzuklären. Für den Anleger liegt es bei einer Beratung durch einen freien Anlageberater auf der Hand, dass dieser von der kapitalsuchenden [X.] Vertriebsprovisionen erhält, die jedenfalls wirtschaftlich betrachtet dem vom Anleger an die [X.] gezahlten Betrag entnommen werden. Da der Anlageberater mit der Beratung als solcher sein Geld verdienen muss, kann berechtigterweise nicht angenommen werden, dass er diese Leistung insgesamt kostenlos erbringt. Sind ein Agio oder Kosten für die [X.] ausgewiesen, so liegt für den Anleger klar erkennbar zutage, dass aus diesen Mitteln auch Vertriebsprovisionen bezahlt werden, an denen sein Anlageberater partizipiert. Unter diesen Umständen besteht regelmäßig kein schützenswertes Vertrauen des Anlegers darauf, dass der Anlageberater keine Leistungen des Kapitalsuchenden erhält; vielmehr sind dem Anleger sowohl die Provisionsvergütung des Beraters durch den Kapitalsuchenden als auch der damit (möglicherweise) verbundene Interessenkonflikt bewusst. Soweit es um die genaue Höhe der dem Anlageberater zukommenden Provision geht, ist es bei gebotener Abwägung der gegenüberstehenden Interessen der Vertragsparteien Sache des Anlegers - dem generell das Provisionsinteresse des Beraters bekannt ist -, dieserhalb bei den Anlageberatern nachzufragen (vgl. nur Senatsurteil vom 19. Juli 2012 - [X.], NJW 2012, 2952 Rn. 12 mwN). Hiervon unberührt bleibt die generelle Pflicht des Anlageberaters, im Rahmen der objektgerechten Beratung unaufgefordert über Vertriebsprovisionen Aufklärung zu geben, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten (Senatsurteile vom 3. März 2011 - [X.]/10, NJW-RR 2011, 913 Rn. 16, 22; vom 5. Mai 2011 - [X.], BeckRS 2011, 13871 Rn. 10 und vom 10. November 2011 - [X.], NJW-RR 2012, 372 Rn. 11).

b) Ein selbständiges Unternehmen der "Finanzgruppe" einer Sparkasse, das als 100 %ige Tochtergesellschaft (GmbH) der Sparkasse hauptsächlich auf dem Gebiet der Anlageberatung tätig ist, ist hinsichtlich der Verpflichtung, seine Kunden ungefragt über die von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären, wie ein freier Anlageberater zu behandeln (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 2012 aaO Rn. 14 und vom 6. Dezember 2012 - [X.], [X.], 119 Rn. 15). Bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise kann ein Anleger, der sich durch einen solchen Anlageberater über Anlagemöglichkeiten beraten lässt, nicht berechtigterweise annehmen, der Anlageberater würde diese Leistung kostenlos erbringen. Dabei ist in den Vordergrund zu stellen, dass es sich in diesen Fällen bei den Beratern um selbständige juristische Personen handelt, die selbst kein Kreditinstitut sind und keine "klassischen" Bankgeschäfte betreiben. Sie sind, ungeachtet des Umstands, dass sie zur "Finanzgruppe der Sparkasse" gehören - was durch die Verwendung des Firmenlogos betont wird - und ihre Kunden im Wesentlichen aus dem Kundenstamm der Sparkasse gewinnen, eigenständige Unternehmen, zu deren Haupttätigkeit - nicht anders als bei sogenannten "freien" Anlageberatern - die Beratung bei der Geldanlage gehört. Bei gebotener typisierender Betrachtungsweise ist einem Anleger auch bei einer solchen Anlageberatung bewusst, dass der Berater Provision seitens der Kapitalsuchenden erhält, zumal er keine Vergütung für die Anlageberatung selbst, die Verwaltung von Konten oder sonstige Dienstleistungen seitens des Anlegers erhält. Ein Anleger hat damit auch bei der Beratung durch eine "Sparkassentochter" kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass diese kein Geld seitens des [X.] des jeweiligen Anlageprodukts erhält (Senatsurteile aaO).

c) Die Umstände im vorliegenden Fall geben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung. Auch hier ist in den von der Klägerin gezeichneten Beteiligungserklärungen ein Agio offen ausgewiesen worden. Angesichts ihrer langjährigen Geschäftsbeziehung nicht nur zur Sparkasse, sondern gerade auch zur [X.] war der Klägerin bekannt, dass die [X.] eine selbständige juristische Person ist. Letzteres geht zudem aus der von der Klägerin unterzeichneten Widerrufsbelehrung zum VIP 2-Fonds und der von ihr gezeichneten Beteiligungserklärung zum VIP 3-Fonds hervor, auf denen jeweils ein die rechtliche Selbständigkeit der [X.] ausweisender Stempelabdruck angebracht ist. Die Klägerin wusste des Weiteren, dass die [X.] jedenfalls von ihr keine Zahlung für die Anlageberatung erhalten hat. Die [X.] ist deshalb als "freier" Anlageberater anzusehen, der über die von ihm erhaltenen Rückvergütungen und Provisionszahlungen nicht aufzuklären brauchte. Insofern kann sich aus einer unterbliebenen Aufklärung deshalb kein Schadensersatzanspruch für die Klägerin ergeben.

d) Soweit die Klägerin unter Hinweis auf ihr zweitinstanzliches Vorbringen geltend gemacht hat, die [X.] habe, bezogen auf die Zeichnungssumme, Provisionen über 21,6 % - und damit mehr als 15 % - vereinnahmt, kann eine solche [X.] der Entscheidung des Senats nicht zugrunde gelegt werden. Abgesehen davon, dass entsprechende Feststellungen des Berufungsgerichts fehlen, ist der Vortrag der Klägerin hierzu auch widersprüchlich. Insbesondere erschließt sich aus ihrer in Bezug genommenen Berufungserwiderung und ihren Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung nicht, wieso sich aus einer auf der Grundlage der Bareinlage ermittelten Rückvergütung von (angeblich) 11,9 % bezogen auf die (höhere) Zeichnungssumme eine solche von 21,6 % ergeben soll. Unklar ist auch, woraus sich eine - vorliegend ohnehin nicht gegebene - verborgene Innenprovision von mindestens 18,4 % errechnet. Schließlich ist eine "21,6 %-Schwelle des III. Senats", die die [X.] "gerissen" haben soll, in der Senatsrechtsprechung nicht bekannt.

2. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da die Sache noch nicht zur Entscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird sich mit den weiter geltend gemachten Aufklärungspflichtverletzungen und den Einwendungen der [X.] auseinanderzusetzen haben, wozu Stellung zu nehmen der Senat im derzeitigen Verfahrensstadium keinen Anlass hat.

[X.]

                 [X.]

Meta

III ZR 225/12

18.04.2013

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Hamm, 5. Juni 2012, Az: 34 U 147/11, Urteil

§ 280 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 18.04.2013, Az. III ZR 225/12 (REWIS RS 2013, 6489)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6489

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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