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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 187/13
vom
2. Juli
2013
in der Strafsache
gegen
wegen
bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
-
2
-
Der 4.
Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des
Generalbun-desanwalts und des Beschwerdeführers am 2.
Juli
2013
gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-gerichts Halle (Saale)
vom 21.
Dezember 2012 mit den zuge-hörigen Feststellungen aufgehoben,
a)
soweit er im Fall
II.
3 und II.
4 der Urteilsgründe verurteilt worden ist;
b)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe, im Maßregelaus-spruch, im Ausspruch über die Anordnung des Verfalls und im Ausspruch über die Einziehung.
2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-verwiesen.
3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens
ohne Fahrerlaubnis in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit vorsätz-lichem Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz, davon in einem Fall in weiterer Tateinheit mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung sowie wegen 1
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3
-
Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schusswaffe in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz einer Schusswaffe so-wie Munition und in weiterer Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Arzneimit-telgesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner wurde bestimmt, dass ein Jahr und sechs Monate der Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu voll-ziehen sind, ein sichergestellter Geldbetrag in Höhe von 3.330
Euro verfallen ist und verschiedene Betäubungsmittel und Tabletten sowie eine Vorderschaft-Repetierflinte nebst Munition eingezogen werden. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor er-sichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet im Sin-ne des §
349 Abs.
2 StPO.
I.
Die Verurteilung in den Fällen
II.
3 und II.
4 der Urteilsgründe hat keinen Bestand.
1.
Nach den Feststellungen überquerte der Angeklagte mit einem Pkw Suzuki Swift in Halle
(Saale)
aus der
Straße kommend die in diesem
Bereich vierspurige
Straße, ohne die Geschwindigkeit zu verrin-
gern und die Vorfahrt zu beachten. Aufgrund dessen mussten die Lenker von zwei sich auf der bevorrechtigten
Straße von links annähernden
Pkw Gefahrenbremsungen durchführen, um mit dem von dem Angeklagten ge-führten Pkw nicht zu kollidieren. Einer der beiden Pkw war ein ziviles Dienst-fahrzeug der Polizei, das mit zwei Beamten besetzt war. Der Angeklagte war aufgrund zuvor konsumierten Kokains nicht mehr fahrtüchtig. Dies hätte er er-kennen können und müssen. Ihm war bekannt, dass er nicht über die erforder-2
3
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4
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liche Fahrerlaubnis verfügte und das von ihm geführte Fahrzeug nicht haft-pflichtversichert war (Fall
II.
3 der Urteilsgründe).
Der Angeklagte verwahrte in dem von ihm gelenkten Pkw 308,1
Gramm
-Anteil von 13,5
Gramm und 25
Gramm Ampheta-minbase, um diese gewinnbringend weiterzuverkaufen. Dabei führte er in einer Sporttasche auf der Rückbank des Pkw eine funktionstüchtige und schussberei-te so
genannte
Pumpgun der Marke Deerfield, Modell
672
X, Kaliber
20/76 mit gekürztem Lauf und Hinterschaft und 44
Schrotpatronen im Kaliber
20/70 bei sich, ohne über die für die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über diese Gegenstände erforderliche Berechtigung zu verfügen. Eine Patrone be-in deren Magazin. In der Sporttasche verwahrte der Angeklagte außerdem zwei Kunststoffdosen mit jeweils 100
u-gen und einen Wirkstoffanteil von 9.921
mg Oxymetholon aufwiesen. Diese Tabletten wollte der Angeklagte
selbst konsumieren, um eine sportliche Leis-tungssteigerung zu erzielen (Fall
II.
4 der Urteilsgründe). Ferner führte der An-geklagte in seiner Hosentasche (UA
10 und 12) insgesamt 3.330
Euro bei sich, die aus dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln stammten (UA
23
f.).
Das Landgericht hat die Taten im Fall
II.
3 der Urteilsgründe als vorsätz-liches Fahren ohne Fahrerlaubnis (§§
2, 21 Abs.
1 Nr.
1 StVG) in Tateinheit mit einem vorsätzlichen Verstoß gegen das Pflichtversicherungsgesetz (§§
1, 6 Abs.
1 PflVG)
und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs (§
315c Abs.
1 Nr.
1a, Abs.
3 Nr.
2 StGB) und im Fall
II.
4 der Urteilsgründe als unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schusswaffe
(§§
1, 3, 30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG) in Tateinheit mit unerlaub-4
5
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5
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tem Besitz einer Schusswaffe (§
51 Abs.
1 WaffG i.V.m. Anlage
2 Abschnitt
1 Nr.
1.2.1.2), unerlaubtem Besitz von Munition (§
52 Abs.
3 Nr.
2b WaffG i.V.m. Anlage
2 Abschnitt
2 Unterabschnitt
1 Satz
1) und einem Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (§
95 Abs.
1 Nr.
2b AMG i.V.m. Nr.
I.1.a) der Anlage zur DmMV) gewertet. Beide Taten stünden zueinander im Verhältnis der Tatmehr-heit, weil allein die Gleichzeitigkeit zweier Handlungen noch keine Tateinheit begründen könne (UA
19).
2.
Die Verurteilung im Fall
II.
3 der Urteilsgründe war aufzuheben, weil die Feststellungen die für einen Schuldspruch nach §
315c Abs.
1 Nr.
1a, Abs.
3 Nr.
2 StGB erforderliche Herbeiführung einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeuten-dem Wert nicht belegen.
Für die Annahme, dass Leib oder Leben der Insassen des Polizeifahr-zeugs oder des anderen die
Straße befahrenden Pkw konkret ge-
fährdet waren, fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage, weil sich das Urteil weder zu den gefahrenen Geschwindigkeiten, noch zu der Intensität der Gefahrenbremsungen verhält (vgl. BGH,
Beschluss vom 29.
April 2008
4
StR
617/07, NStZ-RR 2008, 289). Um eine konkrete Gefährdung einer fremden Sache von bedeutendem Wert bejahen zu können, hätte es bestimm-ter Angaben zum Wert der gefährdeten Fahrzeuge und zur Höhe des drohen-den Schadens (berechnet anhand der am Marktwert zu messenden Wertminde-rung) bedurft (BGH, Beschluss vom 28.
September 2010
4
StR
245/10, NStZ 2011, 215, 216; Beschluss vom 29.
April 2008
4
StR
617/07, NStZ-RR 2008, 289).
6
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6
-
3.
Die Verurteilung im Fall
II.
4 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil sich aus den getroffenen Feststellungen nicht ergibt, dass es sich bei der sichergestellten Pumpgun
um eine verbotene Waffe gemäß §
51 Abs.
1 i.V.m. §
2 Abs.
3 WaffG Anlage
2 Abschnitt
1 Nr.
1.2.1.2 gehandelt hat.
Nach Anlage
2 Abschnitt
1 Nr.
1.2.1.2 (Waffenliste) zu §
2 Abs.
3 WaffG unterfällt
der Umgang mit einer Vorderschaftrepetierflinte nur dann §
51 Abs.
1 WaffG, wenn anstelle des Hinterschafts ein Kurzwaffengriff vorhanden ist oder die Waffengesamtlänge in der kürzest möglichen Verwendungsform weniger als 95
cm oder die Lauflänge weniger als 45
cm beträgt. Damit wollte der Gesetz-geber nur solche Vorderschaftrepetierflinten verbieten, die so verändert (einge-kürzt) sind, dass sie verdeckt geführt und im Nahbereich eingesetzt werden können, wodurch sie sich für kriminelle Verwendungen besonders eignen (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 28.
Januar 2008, BT-Drucks. 16/7717, S.
25; Heinrich in Steindorf/Heinrich/Papsthart, Waffenrecht,
9.
Aufl.,
§
2 WaffG Rn.
6b; Hinze/Runkel, Waffenrecht,
55.
Aktualisierung Okt. 2008,
§
2 WaffG Rn.
56a). Die Urteilsgründe bezeichnen die von dem Angeklagten mit-geführte Vorderschaftrepetierflinte lediglich nach Marke, Modell und Kaliber. Außerdem wird mitgeteilt, dass Lauf und Hinterschaft gekürzt sind (UA
8). Aus der Beweiswürdigung ergibt sich
lediglich, dass es sich hierbei um nachträg-liche Veränderungen handelt (UA
14). Ob diese Veränderungen dazu geführt haben, dass eines der in Anlage
2 Abschnitt
1 Nr.
1.2.1.2 der Waffenliste ange-führten äußeren Merkmale erfüllt ist, kann den Urteilsgründen dagegen nicht entnommen wnicht zu ersetzen, da es sich hierbei nur um einen umgangssprachlichen
Namen für Vorderschaftrepetierflinten handelt, der nichts über die hier maß-geblichen weiteren Eigenschaften aussagt (vgl. Hinze/Runkel, Waffenrecht,
8
9
-
7
-
55.
Aktualisierung Okt.
2008, §
2 WaffG Rn.
56; Heller/Soschinka, Waffenrecht, 2.
Aufl.,
Rn.
274; Busche, Waffenrecht,
7.
Aufl.,
S.
88).
Sollte der neue Tatrichter Feststellungen treffen können, die belegen, dass der Angeklagte in dem von ihm geführten Pkw eine Vorderschaftrepetier-flinte verwahrt hat, die eine der in Anlage
2 Abschnitt
1 Nr.
1.2.1.2 (Waffenliste) zu §
2 Abs.
3 WaffG benannten Voraussetzungen erfüllt, wird er auch zu prüfen haben, ob anstelle einer Verurteilung wegen Besitzes einer verbotenen Waffe eine solche wegen Führens einer verbotenen Waffe nach §
51 Abs.
1 WaffG in Betracht kommt.
4.
Schließlich halten auch die Erwägungen, mit denen das Landgericht die Annahme einer Tatmehrheit (§
53 StGB) zwischen den zueinander in Tat-einheit stehenden Verstößen gegen §
315c Abs.
1 StGB, §
21 Abs.
1 Nr.
1 StVG und §
6 PflVG (Fall
II.
3 der Urteilsgründe) einerseits und §
30a Abs.
2 Nr.
2 BtMG, §
51 Abs.
1 WaffG, §
52 Abs.
3 Nr.
2b WaffG und §
95 Abs.
1 Nr.
2b AMG (Fall
II.
4 der Urteilsgründe) andererseits begründet hat, rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Zwar vermögen
was das Landgericht nicht verkannt hat
ein einheit-liches Motiv, eine Gleichzeitigkeit von Geschehensabläufen oder eine Mittel-Zweck-Verknüpfung eine Tateinheit nicht zu begründen (BGH, Urteil
vom 21.
Oktober 1999
4
StR
78/99,
NStZ 2000, 85; Beschluss vom 25.
November 1997
5
StR
526/96, BGHSt 43, 317, 319 mwN). Mehrere strafbare Gesetzes-verstöße stehen aber zueinander in Tateinheit (§
52 StGB), wenn die jeweiligen Ausführungshandlungen in einem für sämtliche Tatbestandsverwirklichungen notwendigen Teil zumindest teilweise identisch sind. Begeht ein Täter, der Rauschgift zu Handelszwecken in einem Pkw befördert (Einfuhrfahrt, Transport-10
11
12
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8
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fahrt vom Lieferanten zum Depot, Fahrt zu Abnehmern etc.) durch das Führen des Transportfahrzeuges weitere Gesetzesverstöße, so stehen diese nach den genannten Grundsätzen zu dem in der Beförderung liegenden Betäubungsmit-telhandel im Verhältnis der Tateinheit (§
52 StGB). Denn
ihr Tatbestand wird durch dieselbe Ausführungshandlung verwirklicht (vgl. BGH, Beschluss vom 8.
Juni 2011
4
StR
209/11, NZV 2012, 250 zu §
24a Abs.
2 StVG und
§
29a Abs.
1 Nr.
2 BtMG; Beschluss vom 11.
Dezember 2008
3
StR
533/08, BGHR StVG §
24a Abs.
2 Konkurrenzen
1 zu §
24a Abs.
2 StVG und §
30 Abs.
1 Nr.
4 BtMG; offengelassen in BGH, Beschluss vom 5.
März 2009
3
StR
566/08, NStZ 2009, 705 Rn.
8; Fischer, StGB,
60.
Aufl., §
316 Rn.
57; MünchKommStGB/Kotz,
2.
Aufl.,
§
29 BtMG Rn.
1210).
Nach den Feststellungen waren die im Fahrzeug des Angeklagten ver-wahrten Betäubungsmittel für den gewinnbringenden Weiterverkauf vorgese-hen. Das bei ihm sichergestellte Bargeld stammte aus dem Handeltreiben mit diesem Rauschgift und wurde deshalb nach §
73
Abs.
1 Satz
1 StGB und nicht nach §
73d Abs.
1 Satz
1 StGB für verfallen erklärt. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte vor seiner Kontrolle bereits Rauschgift ver-kauft hatte
und es sich bei den sichergestellten Betäubungsmitteln nur um den Rest einer größeren zum Teil bereits verkauften Menge handelte. Unter diesen Umständen hätte erörtert
werden müssen, ob die dem Angeklagten unter II.
3 der Urteilsgründe angelasteten Gesetzesverletzungen bei einer Fahrt begangen wurden, die dem Transport des im Pkw befindlichen Rauschgifts zu Handels-zwecken (etwa zu weiteren Abnehmern oder ins Depot) diente und deshalb Tateinheit mit dem Betäubungsmittelhandel und den weiteren unter II.
4 ausge-urteilten Delikten anzunehmen ist.
13
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9
-
II.
Die aufgezeigten Mängel zwingen zur Aufhebung der für sich genommen rechtlich nicht zu beanstandenden tateinheitlichen Verurteilungen wegen
vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Fahrens ohne Versicherungs-schutz im Fall
II.
3
der Urteilsgründe und wegen bewaffneten Betäubungsmit-telhandels (zur Tenorierung vgl. BGH, Beschluss vom 21.
September 2006
3
StR 323/06), unerlaubten Besitzes von Munition und Besitzes von Arznei-mitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken (zur Tenorierung vgl. Körner/
Patzak/Volkmer,
BtMG,
7.
Aufl., §
95 AMG Rn.
70) im Fall
II.
4
der Urteilsgrün-de (vgl. BGH,
Urteil vom 20.
Februar 1997
4
StR
642/96, NStZ 1997, 276).
Die Aufhebung des Schuldspruchs für die Taten zu II.
3 und II.
4 zieht neben der Aufhebung der Gesamtstrafe auch die Aufhebung der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, der Verfallsanordnung und der Ein-ziehungsanordnung nach sich, weil diese Entscheidungen an die Verurteilung wegen der Tat unter II.
4 der Urteilsgründe anknüpfen.
Sost-Scheible
Roggenbuck
Franke
Mutzbauer
Quentin
14
15
Meta
02.07.2013
Bundesgerichtshof 4. Strafsenat
Sachgebiet: StR
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 02.07.2013, Az. 4 StR 187/13 (REWIS RS 2013, 4577)
Papierfundstellen: REWIS RS 2013, 4577
Auf Mobilgerät öffnen.
Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
4 StR 187/13 (Bundesgerichtshof)
Straßenverkehrsgefährdung und Rauschgiftbeförderung zu Handelszwecken: Konkrete Gefährdung und Drohen eines bedeutenden Schadens; Konkurrenzen; Führen einer …
2 StR 409/11 (Bundesgerichtshof)
4 StR 380/19 (Bundesgerichtshof)
4 StR 302/12 (Bundesgerichtshof)
4 StR 435/07 (Bundesgerichtshof)