Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.01.2017, Az. 3 AZN 822/16

3. Senat | REWIS RS 2017, 16897

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Auslegung von Versicherungsbedingungen - Rechtsfrage


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des [X.] vom 7. Juli 2016 - 5 Sa 351/16 - und - 5 [X.] - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Wert des [X.] wird auf 31.263,84 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die auf Divergenz, grundsätzliche [X.]edeutung zweier Rechtsfragen sowie eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gestützte [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz zuzulassen.

3

a) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde eine Divergenz iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG geltend gemacht, muss die [X.]eschwerdebegründung nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG die Entscheidung bezeichnen, von der die anzufechtende Entscheidung abweicht. Eine Abweichung iSv. § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG setzt voraus, dass das Urteil des [X.] zu einer Rechtsfrage einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem abstrakten Rechtssatz abweicht, den eines der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG abschließend genannten Gerichte zu der gleichen Rechtsfrage aufgestellt hat. Ein Rechtssatz ist aufgestellt, wenn das Gericht seiner Subsumtion einen Obersatz vorangestellt hat, der über den Einzelfall hinaus für vergleichbare Sachverhalte Geltung beansprucht. Der abstrakte Rechtssatz muss vom [X.] nicht ausdrücklich formuliert sein, sondern kann sich als „verdeckter Rechtssatz“ auch aus fallbezogenen Ausführungen ergeben. Sofern dies nicht offensichtlich ist, muss der [X.]eschwerdeführer, der sich hierauf berufen will, konkret begründen, warum den fallbezogenen Ausführungen ein bestimmter abstrakter Rechtssatz zugrunde liegt. Eine lediglich fehlerhafte oder den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht genügende Rechtsanwendung durch das [X.] vermag eine Divergenz nicht zu begründen. Die anzufechtende Entscheidung muss außerdem auf der Divergenz beruhen. Dies ist dann der Fall, wenn das [X.] bei Anwendung des Rechtssatzes aus der angezogenen Entscheidung möglicherweise eine andere, dem [X.]eschwerdeführer günstigere Entscheidung getroffen hätte. [X.]eruht die anzufechtende Entscheidung auf mehreren jeweils selbstständig tragenden [X.]egründungen, ist die Revision nur zuzulassen, wenn hinsichtlich jeder [X.]egründung ein Zulassungsgrund dargelegt wird und vorliegt (vgl. [X.] 27. März 2012 - 3 [X.] 1389/11 - Rn. 6 mwN).

4

b) Diesen Anforderungen genügt die [X.]eschwerdebegründung nicht. Die Klägerin hat einen abstrakten fallübergreifenden Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung, der von einem solchen der angezogenen Entscheidung des [X.] vom 19. Mai 2016 (- 3 [X.] 794/14 - Rn. 41) divergieren könnte, nicht aufgezeigt.

5

aa) Der von der [X.]eschwerde entnommene Satz des [X.]

        

„§ 15 Abs. 1 V[X.] ist an den gesetzlichen Vorgaben des § 172 [X.] zu messen.“

weicht schon deshalb nicht von einem Rechtssatz der Entscheidung des [X.]s vom 19. Mai 2016 (- 3 [X.] 794/14 - Rn. 41) ab, weil § 15 Abs. 1 V[X.] der angezogenen Entscheidung nicht zugrunde lag.

6

[X.]) Sollte die Klägerin meinen, aus dem fallbezogenen und die Auslegung des § 15 Abs. 1 V[X.] betreffenden Satz des [X.] ließe sich ein abstrakter fallübergreifender Rechtssatzsatz ableiten, der mit der angezogenen Entscheidung divergiert, hat sie die Gesichtspunkte und Schlussregeln für die Ableitung des behaupteten abstrakten Rechtssatzes (Deduktion) aus den fallbezogenen Ausführungen des [X.] nicht dargelegt (vgl. etwa [X.] 6. Dezember 2006 - 4 [X.] 529/06 - Rn. 10).

7

cc) Soweit die Klägerin der Auffassung ist, es bestehe eine Divergenz zu dem Rechtssatz, dass ein Erwerbsunfähiger stets auch berufsunfähig sei, fehlt es bereits an einer hinreichenden Darlegung, welchen divergierenden abstrakten fallübergreifenden Rechtssatz das [X.] aufgestellt haben soll.

8

In der Sache macht die Klägerin lediglich eine vermeintlich fehlerhafte Rechtsanwendung geltend. Eine solche - sollte sie vorliegen - könnte der [X.] nur im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüfen.

9

2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage zuzulassen.

a) Nach § 72a Abs. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche [X.]edeutung hat. Dies ist der Fall, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und die Klärung entweder von allgemeiner [X.]edeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen zumindest eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (vgl. [X.] 28. Juni 2011 - 3 [X.] 146/11 - Rn. 10, [X.]E 138, 180; 14. April 2005 - 1 [X.] 840/04 - zu 2 c aa der Gründe, [X.]E 114, 200; 26. September 2000 - 3 [X.] 181/00 - zu II 2 der Gründe, [X.]E 95, 372). [X.] ist eine Rechtsfrage, wenn sich das [X.] in der anzufechtenden Entscheidung mit ihr befasst und sie beantwortet hat und bei einer anderen [X.]eantwortung möglicherweise eine für den [X.]eschwerdeführer günstige Entscheidung getroffen hätte (vgl. [X.] 15. Oktober 2012 - 5 [X.] 1958/12 - Rn. 15 mwN). Der [X.]eschwerdeführer hat die nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG von ihm darzulegende Rechtsfrage von grundsätzlicher [X.]edeutung regelmäßig so konkret zu formulieren, dass sie mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden kann. Dies schließt im Einzelfall zwar eine differenzierte Formulierung nicht aus; unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren [X.]eantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt und damit auf die Antwort „Kann sein“ hinausläuft (vgl. etwa [X.] 23. Januar 2007 - 9 [X.] 792/06 - Rn. 6, [X.]E 121, 52). Darüber hinaus sind die Klärungsbedürftigkeit, die [X.]keit und die allgemeine [X.]edeutung der Rechtsfrage darzulegen.

b) Gemessen hieran ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher [X.]edeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage zuzulassen.

aa) Die von der [X.]eschwerde formulierte Frage:

        

„Wie ist das Merkmal [X.]erufsunfähigkeit zu definieren?“

stellt keine Rechtsfrage iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG dar. Ihre [X.]eantwortung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, da der [X.]egriff „[X.]erufsunfähigkeit“ unterschiedlich definiert werden kann (vgl. [X.] 19. Mai 2016 - 3 [X.] 794/14 - Rn. 41 mwN). Eine [X.]eantwortung dieser Frage durch das [X.]eschwerdegericht würde darauf hinauslaufen, das Urteil des [X.] als richtig oder falsch zu bewerten. Eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das [X.] könnte der [X.] - wie bereits ausgeführt - jedoch nur im Rahmen einer zugelassenen Revision überprüfen.

[X.]) Selbst wenn man zugunsten der Klägerin annähme, die aufgeworfene Frage:

        

„Ist bei Vorliegen einer durch die [X.] festgestellten vollen Erwerbsminderung überhaupt weiterer Vortrag zu der zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten beruflichen Tätigkeit und den durch die Erkrankungen nicht mehr möglichen einzelnen beruflichen Verrichtungen erforderlich?“

sei so zu verstehen, dass bei Vorliegen einer durch die [X.] festgestellten vollen Erwerbsminderung auch nach § 15 Abs. 1 V[X.] kein weiterer Vortrag zu der zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten beruflichen Tätigkeit und den durch die Erkrankungen nicht mehr möglichen einzelnen beruflichen Verrichtungen erforderlich sei, stellte sie keine Rechtsfrage iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG dar. Um eine solche handelt es sich bei einer Frage, die die Wirksamkeit, den Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder den Inhalt einer Norm zum Gegenstand hat (vgl. etwa [X.] 22. Mai 2012 - 1 A[X.]N 27/12 - Rn. 8 mwN). § 15 Abs. 1 V[X.] ist jedoch keine Rechtsnorm, sondern eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Seine Auslegung ist daher keine Rechtsfrage iSd. § 72 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG.

3. Das [X.] hat auch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.

a) Wird mit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die [X.]eschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren [X.]keit enthalten. Für die [X.] gelten die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]uchst. b ZPO gestellt werden (vgl. [X.] 10. Mai 2005 - 9 [X.] 195/05 - zu II 2 der Gründe, [X.]E 114, 295). Deshalb sind die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes so substantiiert vorzutragen, dass allein anhand der [X.]eschwerdebegründung und des [X.]erufungsurteils das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision geprüft werden kann (vgl. [X.] 20. Januar 2005 - 2 [X.] 941/04 -, [X.]E 113, 195).

Wird gerügt, es sei Vortrag übergangen worden, muss daher im Einzelnen dargestellt werden, wo der übergangene Vortrag zu finden ist. Der [X.]eschwerdeführer muss unter Angabe des Schriftsatzes nach Datum und bei entsprechendem Umfang nach Seitenzahl konkret vortragen, welcher Vortrag übergangen sein soll (vgl. [X.] 6. Januar 2004 - 9 [X.] 680/02 - zu II 3 d aa der Gründe, [X.]E 109, 145 für die Verfahrensrüge). Ob das übergangene Vorbringen entscheidungserheblich ist, richtet sich grundsätzlich nach den vom [X.] getroffenen tatsächlichen Feststellungen und seinen rechtlichen Ausführungen. Es genügt, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das [X.]erufungsgericht bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden hätte.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das entscheidende Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (st. Rspr. seit [X.] 14. Juni 1960 - 2 [X.] - [X.]E 11, 218). Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die vom Fachgericht zu treffende Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der [X.]en haben ([X.] 20. April 1982 - 1 [X.]vR 1242/81 - zu [X.] der Gründe, [X.]E 60, 247). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der [X.]eteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu behandeln (vgl. etwa [X.] 8. Oktober 2003 - 2 [X.]vR 949/02 - zu II 1 a der Gründe; [X.]GH 27. März 2003 - V ZR 291/02 - zu II 3 b [X.] (3) beta der Gründe, [X.]GHZ 154, 288). Deshalb müssen, um eine Verletzung des rechtlichen Gehörs feststellen zu können, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Prozessbeteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Gericht auf [X.] des Vortrags einer [X.] zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler [X.]edeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht ([X.] 31. März 1998 - 1 [X.]vR 2008/97 -; [X.] 26. Januar 2006 - 9 [X.] 11/05 - Rn. 40).

b) Danach hat die [X.]eschwerde keinen Erfolg.

aa) Die Revision ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht deshalb zuzulassen, weil das [X.] einen [X.]eweisantritt über die Arbeitsabläufe und die [X.]elastungen an ihrem Arbeitsplatz übergangen hat.

(1) Wird gerügt, es sei ein [X.]eweisangebot nicht beachtet worden, muss genau angegeben werden, über welches Thema [X.]eweis hätte erhoben werden müssen, in welchem Schriftsatz das entsprechende [X.]eweisangebot gemacht worden ist, welches Ergebnis die [X.]eweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und weshalb das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann (vgl. [X.] 25. April 2013 - 8 [X.] 453/12 - Rn. 46 mwN). Ferner muss dargelegt werden, dass die Unterlassung der [X.]eweiserhebung kausal für die Entscheidung gewesen ist (vgl. [X.] 25. April 2013 - 8 [X.] 453/12 - aaO). Der angeblich übergangene [X.]eweisantritt muss zudem zulässig sein. Wird ein [X.]eweis angeboten, bei dem es an der [X.]estimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt, und sollen durch die beabsichtigte [X.]eweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist der [X.]eweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Ein [X.]eweisantritt kann nicht den Vortrag von Tatsachen ersetzen oder ergänzen. Gemäß § 373 ZPO muss die beweispflichtige [X.] diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Entsprechen die unter [X.]eweis gestellten Tatsachenbehauptungen nicht diesen Anforderungen, hat die [X.]eweiserhebung aufgrund dieses unzulässigen Ausforschungsbeweisantritts zu unterbleiben (vgl. etwa [X.] 21. Januar 2014 - 3 [X.] 362/11 - Rn. 46 mwN). Auf die von einer [X.] beantragte [X.]eweiserhebung darf regelmäßig nur verzichtet werden, wenn das [X.]eweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, die umstrittene Tatsache zugunsten des [X.]eweisführers als wahr unterstellt werden kann, das [X.]eweismittel unerreichbar, unzulässig oder absolut untauglich ist ([X.] 23. Februar 2010 - 9 [X.] 876/09 - Rn. 22 mwN).

(2) Gemessen daran ist die Revision nicht zuzulassen. Die Klägerin hat zwar angegeben, über welches Thema das [X.] hätte [X.]eweis erheben sollen und in welchem Schriftsatz - auf Seite 2 der Klageschrift vom 7. Mai 2014 - sie das entsprechende [X.]eweisangebot gemacht hat. Es kann zudem dahinstehen, ob das dort bezeichnete [X.]eweisangebot überhaupt zulässig ist, weil es die unter [X.]eweis gestellten Tatsachen hinreichend konkret bezeichnet hat. Denn die Klägerin hat in ihrer [X.]eschwerdebegründung auf Seite 7 im vorletzten Satz selbst dargelegt, der [X.]eklagte habe ihren Vortrag nicht bestritten. Über ein nicht bestrittenes und daher nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu wertendes Vorbringen einer [X.] braucht ein Gericht keinen [X.]eweis zu erheben. Das [X.] musste deshalb dem vermeintlich übergangenen [X.]eweisantritt nicht nachgehen.

[X.]) Das [X.] hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör auch nicht deshalb verletzt, weil es keinen Hinweis nach § 139 ZPO erteilt hat, dass der Vortrag der Klägerin zu der Art oder dem Umfang der zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht ausreichend ist. Zwar hat die Klägerin dargetan, welchen Hinweis das [X.]erufungsgericht hätte geben müssen und welchen Vortrag sie dann gehalten hätte. Das [X.] hat nach seiner Entscheidungsbegründung jedoch nicht darauf abgestellt, es fehle ein hinreichender Vortrag zu der von der Klägerin ausgeübten beruflichen Tätigkeit.

cc) Die Klägerin rügt zu Unrecht, das [X.] sei den von ihr mit den Schriftsätzen vom 27. Oktober 2015 und vom 12. April 2016 vorgelegten ärztlichen Attesten vom 3. Dezember 2012, vom 1. März 2016 und vom 2. März 2016 nicht nachgegangen. Das [X.] hat diese Atteste auf Seite 6 des Tatbestands seiner Entscheidung im Einzelnen bezeichnet und sich im Rahmen seiner Erwägungen, ob neben dem vom Arbeitsgericht eingeholten medizinischen Gutachten ein weiteres Gutachten eingeholt werden soll, auf Seite 12 f. der Gründe ausdrücklich mit den Attesten und ärztlichen Stellungnahmen auseinandergesetzt und damit den Vortrag der Klägerin nicht übergangen. Dies gilt auch für die Rüge, das [X.] habe die von der Klägerin vorgelegten Rentenbescheide nicht berücksichtigt. Das [X.]erufungsgericht hat auf Seite 3 f. des Tatbestands die [X.]escheide der Deutschen Rentenversicherung [X.]und vom 8. Januar 2013 und vom 5. September 2014 benannt und sie auf Seite 13 der Gründe in seine Erwägungen einbezogen.

dd) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist schließlich nicht deshalb verletzt, weil das [X.] kein neues Sachverständigengutachten eingeholt oder den vom Arbeitsgericht bestellten Sachverständigen nicht erneut angehört hat. Der Vortrag der Klägerin zur Ausgestaltung ihres Arbeitsplatzes und der Arbeitsabläufe sowie zu ihrer Arbeitsbelastung war für das [X.] nicht entscheidungserheblich. Das [X.]erufungsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, das vom Arbeitsgericht eingeholte Gutachten habe überzeugend dargelegt, dass binokulare Doppelbilder durch eine einseitige [X.]rillenokklusion vermieden und zur [X.]esserung der Sehschärfe und des [X.]efindens der Klägerin die Oberflächentherapie mit künstlichen Tränen intensiviert werden könne. Insoweit könne eine [X.]ildschirmtätigkeit unter monokularem Einfachsehen ausgeübt werden. Die Klägerin habe weder dargelegt, weshalb ihr eine [X.]ildschirmarbeit auch bei einem monokularen Einfachsehen nicht möglich sei, noch habe sie hinreichend konkret dargetan, dass es von der Doppelbildwahrnehmung und der Oberflächensymptomatik unabhängige physische oder psychische Störungen gebe, die sie in ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit einschränkten. Das [X.] hat der Klägerin mit dem [X.]eschluss vom 17. Mai 2016 einen entsprechenden Hinweis erteilt. Hierzu hat die Klägerin keinen Vortrag gehalten.

ee) Im Ergebnis laufen die [X.] der Klägerin auf die Geltendmachung einer angeblich fehlerhaften Rechtsanwendung des [X.] hinaus. Der Anspruch auf rechtliches Gehör schützt jedoch nicht davor, dass Gerichten Rechtsfehler unterlaufen (vgl. [X.] 19. Februar 2008 - 9 [X.] 1085/07 - Rn. 5) oder sie dem Vorbringen der [X.]en in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht die aus deren Sicht richtige [X.]edeutung beimessen (vgl. [X.] 15. Oktober 2012 - 5 [X.] 1958/12 - Rn. 6; 31. Mai 2006 - 5 [X.] 342/06 (F) - Rn. 6, [X.]E 118, 229).

II. [X.] folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Zwanziger    

        

    Spinner    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Schüßler    

        

    Möller    

                 

Meta

3 AZN 822/16

24.01.2017

Bundesarbeitsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZN

vorgehend ArbG Berlin, 12. Januar 2016, Az: 34 Ca 397/15, Urteil

§ 72a Abs 3 S 2 Nr 1 ArbGG, § 72 Abs 2 Nr 1 ArbGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.01.2017, Az. 3 AZN 822/16 (REWIS RS 2017, 16897)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 16897

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 AZN 720/18 (Bundesarbeitsgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Divergenz - Verletzung rechtlichen Gehörs


3 AZN 1389/11 (Bundesarbeitsgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Grundsatz - Wegfall der Klärungsbedürftigkeit


5 AZN 1958/12 (Bundesarbeitsgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - Rechtsfrage - Entscheidungserheblichkeit


3 AZM 19/19 (Bundesarbeitsgericht)

Revisionsbeschwerde - Nichtzulassungsbeschwerde - Wiedereinsetzung


7 AZN 956/12 (Bundesarbeitsgericht)

(Nichtzulassungsbeschwerde wegen behaupteter Divergenz - Beginn der Klagefrist bei einem Streit über den Bedingungseintritt nach …


Referenzen
Wird zitiert von

17 Sa 1396/20

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.