Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.02.2010, Az. B 14 AS 141/09 B

14. Senat | REWIS RS 2010, 9211

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Verfahrensfehler - Verwerfung der Berufung als unzulässig - keine Betreuung unter Einwilligungsvorbehalt zum Zeitpunkt der Entscheidung - eigene Ermittlungen zur Prozessunfähigkeit bzw Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


Tatbestand

1

[X.] begehrt sinngemäß Leistungen nach dem [X.] ([X.]). Das [X.] hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 1. März 2006 abgewiesen. In seinem Gerichtsbescheid hat es ausgeführt, dass dem Schreiben des [X.] weder ein konkreter Vorgang noch ein eingrenzbarer Verwaltungsvorgang entnommen werden könne. Deshalb sei die Klage mangels eines erkennbaren Regelungsgegenstandes unzulässig.

2

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung stand der Kläger unter Betreuung. Für die [X.] Vermögenssorge und Vertretung vor Behörden und Gerichten war ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Das [X.] ([X.]) [X.] fragte beim zuständigen Betreuer an, ob die Berufung genehmigt werde, was nicht der Fall war. Deshalb hat das [X.] durch Beschluss vom 8. Juli 2008 die Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger stehe im Hinblick auf die Vertretung vor Gerichten unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt. Soweit ein Betreuter unter Einwilligungsvorbehalt stehe, sei er wie ein partiell beschränkt Geschäftsfähiger zu behandeln und deswegen prozessunfähig. Da der Betreuer des [X.] die Einlegung der Berufung nicht genehmigt habe, sei sie entsprechend § 182 Abs 1 [X.] (BGB) unwirksam. Die gleichwohl vom Kläger betriebene Berufung sei mangels dessen Prozessfähigkeit (§ 71 Sozialgerichtsgesetz ) unzulässig und nach § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen gewesen.

3

Bereits am 30. Juni 2008 hatte das [X.] in [X.] unter dem Aktenzeichen 51 XVII 7400 beschlossen, die durch Beschluss vom 12. März 2007 angeordnete Betreuung aufzuheben. Zur Begründung wurde ausgeführt: Ein Betreuer sei nicht mehr zu bestellen, weil die Voraussetzungen des § 1896 BGB nicht vorlägen. Nach den Gutachten leide der Betroffene zwar an einem seelischen Gebrechen, doch sei hier die Bestellung eines Betreuers deshalb nicht erforderlich, weil aktuell ein Fürsorgebedürfnis nicht bestehe. Die Betreuung laufe ins Leere. Der Betroffene lehne die Hilfe ab. Eine Betreuung gegen den Willen des Betroffenen sei nicht möglich, zudem lägen die Voraussetzungen auch nicht vor. Von der Beiordnung eines Verfahrenspflegers sei unter diesen Umständen abzusehen gewesen.

Entscheidungsgründe

4

[X.] [X.] ist verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen. Das [X.] hätte nicht durch Beschluss die Berufung des [X.] als unzulässig verwerfen dürfen, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung (8. Juli 2008) die vom [X.] unterstellten Voraussetzungen nicht mehr vorlagen. Der Senat hatte hierüber von Amts wegen zu befinden (zur Feststellung der Prozessvoraussetzungen auch durch das Revisionsgericht [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 9. Aufl 2008, § 163 RdNr 5b und § 71 Rd[X.] mit weiteren Nachweisen), sodass dahinstehen kann, ob die Prozessbevollmächtigte des [X.] in ihrer Beschwerdebegründung das Vorliegen eines [X.] gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.] hinreichend bezeichnet hat. Der Kläger war entgegen der Rechtsansicht des [X.] - jedenfalls im Zeitpunkt der Verwerfung der Berufung als unzulässig - nicht prozessunfähig. Er stand zum Zeitpunkt des Beschlusses des [X.] gemäß § 158 [X.] nicht mehr unter Betreuung. Aus dem zitierten Beschluss des [X.] in [X.] vom 30. Juni 2008 geht hervor, dass auch im Übrigen nicht von einer Prozessunfähigkeit des [X.] ausgegangen werden durfte. Insofern hätte das [X.] entweder sofort in eine sachliche Prüfung des Berufungsbegehrens des [X.] eintreten müssen oder, wenn es der Überzeugung gewesen wäre, die Berufung sei zum Zeitpunkt ihrer Einlegung wegen einer Prozessunfähigkeit des [X.] unzulässig gewesen, nunmehr eigene Ermittlungen zur Prozessunfähigkeit anstellen und dem Kläger ggf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren müssen. Beides ist nicht geschehen.

5

Der Senat hat aufgrund dieses [X.] - fälschliche Behandlung des Begehrens als unzulässig - gemäß § 160a Abs 5 [X.] den Beschluss des [X.] vom 8. Juli 2008 aufgehoben und die Sache an das [X.] zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

6

Das [X.] wird auch über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des Ausgangs der Nichtzulassungsbeschwerde zu befinden haben.

Meta

B 14 AS 141/09 B

18.02.2010

Bundessozialgericht 14. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 1. März 2006, Az: S 37 AS 10125/05

§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 5 SGG, § 158 SGG, § 71 SGG, § 1896 BGB, § 1903 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 18.02.2010, Az. B 14 AS 141/09 B (REWIS RS 2010, 9211)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9211

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