Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.05.2023, Az. XII ZR 46/22

12. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 3132

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Gegenstand

Gehörsverletzung bei Nichtberücksichtigung des Vortags einer Partei; Beschränkung der Revisionszulassung


Tenor

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird die Revision gegen den Beschluss des 32. Zivilsenats des [X.] vom 4. Mai 2022 unter Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde zugelassen, soweit die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 11. Oktober 2021 hinsichtlich seiner Verurteilung zur Zahlung von 15.232 € nebst hierauf entfallender Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Juli 2021 zurückgewiesen worden ist.

Auf die Revision des Beklagten wird der vorgenannte Beschluss im Kostenpunkt und im Umfang der zugelassenen Revision aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das [X.] zurückverwiesen.

Wert: 46.648 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt als Verpächterin Räumung und Herausgabe einer an den [X.]n verpachteten Gaststätte mit Biergarten sowie Zahlung von rückständiger Pacht.

2

Aufgrund der behördlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste der [X.] ab November 2020 seine Gaststätte und den Biergarten schließen. Ab dem 18. Mai 2021 war der Betrieb des Biergartens und ab dem 25. Mai 2021 der Betrieb der [X.] unter [X.] wieder möglich.

3

In der [X.] von Januar bis Oktober 2021 erbrachte der [X.] die vertraglich vereinbarten Pachtzahlungen in Höhe von monatlich 3.808 € nicht. Deshalb kündigte die Klägerin aufgrund der Zahlungsrückstände das Pachtverhältnis mit Schreiben vom 16. Juni 2021 und vom 23. September 2021 außerordentlich.

4

Nachdem der [X.] im Oktober 2021 staatliche [X.] erhalten hatte, beglich er am 13. Oktober 2021 die Pachtrückstände in vollem Umfang.

5

Das [X.] hat den [X.]n zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks sowie zur Zahlung von 15.232 € nebst Zinsen verurteilt. Mit Beschluss vom 4. Mai 2022 hat das Berufungsgericht die Berufung des [X.]n gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich dessen Nichtzulassungsbeschwerde.

6

In der Nichtzulassungsbeschwerdeerwiderung hat die Klägerin (einseitig) die Erledigung des Rechtsstreits hinsichtlich der Zahlungsklage erklärt.

II.

7

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde ist teilweise begründet. Sie hat hinsichtlich der Zahlungsklage und der hieraus zugesprochenen Zinsen Erfolg. Die in diesem Umfang zuzulassende Revision des [X.]n führt insoweit gemäß §§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2, 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet, weil kein Zulassungsgrund im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegt.

8

1. Die Revision ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, soweit das Berufungsgericht die Berufung des [X.]n gegen seine Verurteilung zur Zahlung eines Betrags von 15.232 € nebst [X.] in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 9. Juli 2021 zurückgewiesen hat. Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass dem angefochtenen Beschluss insoweit ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zugrunde liegt, weil das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen des [X.]n unberücksichtigt gelassen hat.

9

a) Der Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts verletzt den [X.]n in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, weil das Berufungsgericht den von der Klägerin nicht bestrittenen Vortrag des [X.]n in seinem Schriftsatz vom 23. März 2022, er habe die rückständige Pacht für den [X.]raum von Januar bis Oktober 2021 vollständig gezahlt, übergangen hat. Das übergangene Vorbringen des [X.]n war wegen der Erfüllungswirkung der Zahlung (§ 362 Abs. 1 BGB) entscheidungserheblich. Damit beruht die angefochtene Entscheidung auf dem gerügten Gehörsverstoß.

b) Die Gehörsverletzung betrifft einen abgrenzbaren Teil der angefochtenen Entscheidung und rechtfertigt daher die Zulassung der Revision nur in diesem Umfang.

aa) Eine Beschränkung der Revisionszulassung ist zulässig und damit wirksam, wenn der von der Zulassung erfasste Teil des Streitstoffs in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig vom übrigen Prozessstoff beurteilt werden und auch nach einer möglichen Zurückverweisung der Sache kein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann. Dabei muss es sich nicht um einen eigenen Streitgegenstand handeln und der betroffene Teil des Streitstoffs auf [X.] der Berufungsinstanz nicht teilurteilsfähig sein; zulässig ist auch eine Beschränkung der Revisionszulassung auf einen abtrennbaren Teil eines prozessualen Anspruchs (st. Rspr.; vgl. [X.], 16 = NJW-RR 2022, 740 Rn. 17 mwN und [X.], 161 = NJW-RR 2022, 61 Rn. 15 mwN).

bb) Danach ist eine Zulassung der Revision nur mit Blick auf die von der [X.] angesprochene Zahlung des [X.]n auf die klageweise geltend gemachte Forderung nebst der insoweit zuerkannten Zinsen hieraus möglich und geboten. Der von der Gehörsverletzung betroffene Teil des Streitstoffs ist einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vom übrigen Prozessstoff unabhängigen Beurteilung zugänglich. Ein Widerspruch zum unanfechtbaren Teil des Streitstoffs kann bei einer Zurückverweisung der Sache nicht auftreten.

2. Auf die Revision des [X.]n ist der Beschluss des Berufungsgerichts gemäß § 544 Abs. 9 ZPO im Umfang der Zulassung aufzuheben und der Rechtsstreit in diesem Umfang an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil die angefochtene Entscheidung insoweit auf dem Gehörsverstoß beruht.

3. Im Übrigen bleibt die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Insoweit wird von einer weiteren Begründung abgesehen, weil diese nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen die Revision zuzulassen ist (§ 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).

[X.]     

      

[X.]     

      

Günter

      

Botur     

      

Krüger     

      

Meta

XII ZR 46/22

03.05.2023

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG München, 4. Mai 2022, Az: 32 U 7551/21

Art 103 Abs 1 GG, § 362 Abs 1 BGB, § 543 Abs 2 S 1 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.05.2023, Az. XII ZR 46/22 (REWIS RS 2023, 3132)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3132

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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