Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2012, Az. III ZR 71/12

III. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 4467

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 71/12

Verkündet am:

19. Juli 2012

F r e i t a g

Justizamtsinspektor

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

[X.] § 45i Abs. 4 Satz 1; BGB § 241 Abs. 2, § 254 Abs. 1 Dc

a)
Der noch zu § 16 Abs. 3 Satz 3 [X.] 1997 aufgestellte Maßstab des § 276 Abs. 1 BGB ([X.], Urteile vom 16. März 2006 -
III ZR 152/05, [X.]Z 166, 369 Rn. 20 und vom 4. März 2004 -
III ZR 96/03, [X.]Z 158, 201, 205 ff) gilt auch für § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.]. Der An-schlussinhaber muss danach alle ihm zumutbaren geeigneten Vorkehrungen treffen, um eine von ihm nicht gebilligte Nutzung seines [X.]es zu unterbinden.

b)
Unter dem Vorbehalt, dass die notwendigen technischen Mittel im maßgeblichen Zeitraum zur Verfügung stehen, ist der Telekommunikationsanbieter bei ungewöhnlichem Nut-zungsverhalten (hier: ständige Verbindung eines Routers mit dem [X.] bei zeitabhän-gigem Tarif), das zu einer Kostenexplosion führt, zur Schadensbegrenzung verpflichtet, dem Kunden einen entsprechenden Hinweis zu geben. Dies schließt die Nutzung ent-sprechender Computerprogramme ein, die ein solches abweichendes Verhalten erken-nen.

c)
Hat der Kunde -
etwa
nach Erhalt einer massiv erhöhten Rechnung
-
einen handfesten Hinweis auf einen Missbrauch seines [X.]es oder eine Fehlfunktion seiner Anlage und unterlässt er gleichwohl Maßnahmen, dem entgegen zu wirken, kann dies eine bis-lang nicht gegebene Zurechenbarkeit der [X.]nutzung gemäß § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] begründen und einen Verstoß des Telekommunikationsanbieters gegen seine Warnpflicht nach §
254 Abs. 1 BGB vollständig zurücktreten lassen.

[X.], Urteil vom 19. Juli 2012 -
III ZR 71/12 -
[X.]. [X.]

LG [X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2012
durch den Vizepräsidenten
Schlick und die Richter
Dr. [X.], [X.], [X.] und Seiters

für Recht erkannt:

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] -
17. Zivilkammer -
vom 3. Februar 2012 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des [X.] gegen das Urteil des [X.]. [X.] vom 2. September 2011 wegen Zahlung
von 653,85

(Rechnung vom 19. Januar 2010) nebst anteiliger Zinsen sowie eines Anspruchs auf Freistel-lung von [X.] worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache
zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des [X.] wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

-

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-

Tatbestand

Der Kläger verlangt die Rückzahlung von [X.]nutzungsentgelten, die die Beklagte per Lastschrift von seinem Konto einzog. Die Beklagte bietet [X.] an.
Ihre Rechtsvorgängerin
(im Folgenden werden die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin zusammenfassend als Beklagte bezeich-net) stellte als sogenannter Zugangsprovider dem Kläger einen [X.] für Verbindungen in das [X.] zur Verfügung.
Hierfür war ein Tarif vereinbart, der eine Pauschalvergütung von 19,79

für 40 Stunden [X.]nutzung im Monat
sowie für Sicherheitspakete
umfasste. Für die über das Pauschalkontin-gent hinausgehende
Inanspruchnahme
des [X.]zugangs war eine zeitab-hängige zusätzliche Vergütung vereinbart.

Der Kläger zahlte jahrelang lediglich den Pauschaltarif. Unter dem 17.
Dezember 2009 nung. Für die Monate Januar bis Juli 2010 wiesen die [X.] der Beklagten noch
höhere Summen aus. Im Einzelnen beanspruchte sie folgende Beträge:

Rechnung vom 17. M

Die Beklagte zog diese
Summen
mit
Lastschriften
von dem Konto des [X.] ein. Nachdem dieser das Ansteigen der Nutzungsentgelte
im Juli 2010 1
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-

bemerkt und die Rechnungen mit Schreiben vom 5. Juli 2010 beanstandet
hat-te, stellte die Beklagte den Tarif des [X.] auf einen reinen Pauschaltarif (Flatrate) um.

Die Beklagte hat geltend gemacht, der -
unstreitig -
nicht von ihr bereit gestellte Router des [X.] habe in den maßgeblichen Zeiträumen 24 Stunden am Tag die Verbindung zum [X.] hergestellt, und zwar auch nach der [X.] täglich von ihr, der Beklagten, automatisch veranlassten Unterbrechung.

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung der aufgrund der Rechnungen für die Monate Januar
bis Juli 2010 von seinem Konto abgebuch-ten
Beträge abzüglich der Kosten für einen [X.] nebst Sicherheitspake-ten während dieses Zeitraums. Ferner verlangt er Freistellung von vorgerichtli-chen Anwaltskosten. Die Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger
seine Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

Die
zulässige Revision ist
teilweise begründet und führt insoweit zur
Auf-hebung des angefochtenen Urteils sowie
zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

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5

-

I.

Dieses hat einen auf Rückzahlung der Entgelte für die Herstellung der Verbindungen
in das [X.] gerichteten Schadensersatzanspruch des [X.] verneint.

Die Beklagte habe nicht gegen eine vertragliche
Nebenpflicht verstoßen, indem sie den Kläger nicht auf sein deutlich verändertes Nutzerverhalten [X.] habe. Zwar treffe die Beklagte eine Hinweispflicht, wenn sie bemerke, dass bei dem Kunden ein ungewöhnliches und offenbar ungewolltes Nutzungs-verhalten vorliege, das im krassen Gegensatz zu dem
vereinbarten Tarif stehe und eine Kostenexplosion verursache. Jedoch erfolgten sämtliche Vorgänge auf Seiten der Beklagten voll automatisiert. Dabei könne bei der Beklagten nieman-dem das veränderte Nutzungsverhalten des [X.] aufgefallen sein, solange sich nicht einer ihrer Mitarbeiter mit dem Vorgang befasst habe, was nicht der Fall gewesen sei. Dazu habe auch insofern keine Veranlassung bestanden, als der Kläger trotz Überwachungsmöglichkeit keinen Widerspruch eingelegt, son-dern die gestellten Rechnungen vollständig ausgeglichen habe.

Eine Pflichtverletzung der Beklagten habe daher nur in Betracht kommen können, wenn aus dem
mit dem Kläger geschlossenen Vertrag eine Neben-pflicht abzuleiten gewesen wäre, wonach die Beklagte ihr automatisches Erfas-sungs-
und Abrechnungssystem habe so gestalten müssen, dass dieses auf die hier fraglichen Veränderungen im Nutzerverhalten aufmerksam mache. Hierfür gebe es jedoch keine Grundlage. Entgegen einer anderen in der [X.] vertretenen Auffassung gebe es keinen Grund dafür, dass nicht der Kun-de das Risiko einer Fehlbedienung seines Routers allein tragen müsse. Hinzu komme, dass die Beklagte unstreitig permanente Verbindungen ohnehin einmal 7
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täglich trenne.
Damit habe sie bereits eine Maßnahme getroffen, die grundsätz-lich gegen ungewollte Kosten schütze, die jedoch dann nicht helfe, wenn der Kunde (und sei es wiederum ungewollt) erneut eine Verbindung in das [X.] herstelle. Eine gesetzliche Verpflichtung von Providern sei in diesem [X.] nur insoweit geregelt, als
Anbieter bei der mobilen [X.]nutzung seit dem 1.
Juli 2010 den Datenzugriff automatisch unterbrechen müssten, sei.

Im Übrigen wäre eine -
unterstellte -
Pflichtverletzung der Beklagten ge-genüber der mangelnden Sorgfalt, die
der Kläger über einen Zeitraum von acht Monaten hinsichtlich der Überwachung sowohl seiner [X.]-Verbindungs-zeiten als auch insbesondere seines Zahlungsverkehrs
an den Tag gelegt ha-be, von
nur untergeordneter Bedeutung.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung
nur teilweise stand.
Ein Rück-zahlungsanspruch des [X.] gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt.
oder § 280 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB
lässt sich nach dem dem [X.] zugrunde liegenden Sach-
und Streitstand hinsichtlich der Rechnung von auf diesen Betrag bezogenen Rechtsanwaltskosten nicht ausschließen.

1.
Zu den
Voraussetzungen dafür, dass die Beklagte für einen Teil des in Rede stehenden Zeitraums der [X.]nutzung lediglich Anspruch auf den 10
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Durchschnittsbetrag gemäß § 45j i.V.m.
§ 45i Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 [X.]
hat, haben die [X.]en nichts vorgetragen.

2.
Allerdings kommt ein Rückzahlungsanspruch des [X.]
für zumindest einen Teil der aufgrund der Rechnung vom 19. Januar 2010 eingezogenen .

a) Dem Kläger bleibt insoweit noch der Nachweis offen, dass ihm die Inanspruchnahme seines [X.]zugangs nicht zuzurechnen ist (§ 45i Abs. 4 Satz 1 [X.]). Er hat geltend gemacht,
ein Dritter könne sich seines [X.]zu-gangs bemächtigt haben,
oder ein von ihm nicht zu bemerkender Fehler seines Routers könne die Ursache für die dauerhafte Herstellung der Verbindungen in das [X.] gewesen sein.
Dieses Vorbringen kann rechtliche Erheblichkeit erlangen.

Zwar bleibt der [X.]inhaber, wie sich aus § 45i Abs. 3 Satz 1, Abs.
4 [X.] ergibt, grundsätzlich auch dann vergütungspflichtig, wenn [X.] ohne seine Billigung hergestellt werden, soweit die Ursachen hierfür in seiner technischen Sphäre liegen (vgl.
auch [X.]surteil vom 4. März 2004
-
III ZR 96/03, [X.]Z 158, 201, 205 ff
zu § 16 Abs. 3 Satz 3 der [X.] vom 11. Dezember 1997, [X.] I S. 2910, [X.] 1997, der Vorgängerregelung von § 45i [X.]), wie dies auch im vorliegen-den Sachverhalt der Fall ist, weil die [X.] von dem Router des [X.] hergestellt wurden. Der [X.]inhaber muss nach dem Maßstab des § 276 Abs. 1
BGB ([X.]surteil vom 16. März 2006 -
III ZR 152/05, [X.]Z 166, 369 Rn. 20; [X.]surteil vom 4. März 2004 aaO,
[X.]) alle ihm zumutba-ren geeigneten Vorkehrungen treffen, um eine von ihm nicht gebilligte Nutzung seines [X.]es zu unterbinden. [X.] sind diejenigen Maßnahmen, die 13
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-

einem gewissenhaften durchschnittlichen Kunden bekannt sind und zu deren
Durchführung er mit vertretbarem Aufwand in der Lage ist ([X.]surteil vom 16.
März 2006
aaO,
Rn. 22).
Trifft er
jedoch
diese Maßnahmen und kommt es gleichwohl zu einer von ihm nicht gebilligten Inanspruchnahme der Leistungen des Anbieters, hat dieser gemäß § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] keinen Vergütungs-anspruch, auch wenn die Ursache für die Nutzung des [X.]es in der technischen Sphäre des Inhabers liegt.

An dem
vom [X.] (Urteile vom 16. März 2006
aaO, Rn. 20 und vom 4.
März 2004
aaO) noch zu § 16 Abs. 3 Satz 3 [X.] 1997 aufgestellten Maßstab
des § 276 Abs. 1
BGB ist auch für § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] festzuhalten. Zwar ist nach dieser Bestimmung nicht mehr, wie noch nach § 16 Abs. 3 Satz 3 [X.] 1997, darauf abzustellen, ob der Kunde den Netzzugang in einem nicht von ihm "zu vertretenden"
Umfang genutzt hat. Nach § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] ist [X.] maßgeblich, ob dem Teilnehmer die Inanspruchnahme der Leistungen des Anbieters "zugerechnet"
werden kann.
Trotz der unterschiedlichen Begriffe hat sich der Sache nach nichts geändert ([X.] Kommentar zum [X.]/
Schlotter, 2. Aufl., § 45i Rn. 29; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 45i Rn. 7; wohl auch, wenngleich zweifelnd [X.]/[X.]/Scherer/Kessel, [X.], §
45i Rn.
69 f). Aus der Regierungsbegründung zu § 45i [X.] ([X.]. 92/05, S. 34)
ergibt sich, dass eine Änderung des § 16 [X.] 1997 insoweit nicht [X.] war. Die neue Vorschrift sollte nach dem Einleitungssatz ihrer [X.] § 16 [X.] 1997 "in großen Teilen"
entsprechen. Die weiteren Ausführun-gen befassen sich mit anderen Regelungen des vorgesehenen § 45i [X.] und nicht mit der Frage der
Anforderungen an die
dem Teilnehmer obliegenden Vorkehrungen gegen eine ungewollte Nutzung seines [X.]es. Hieraus ist zu schließen, dass der bisherige Maßstab beibehalten werden sollte.

16
-

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Allerdings hat der insoweit darlegungs-
und beweispflichtige Kläger zu
den Voraussetzungen des § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] bislang nicht substantiiert vorgetragen. Die Zurückverweisung gibt ihm in den Grenzen des § 530 Abs. 2 ZPO
Gelegenheit, dies gegebenenfalls nachzuholen.

b) Dessen ungeachtet ist auch ein Schadensersatzanspruch des [X.] gegen die Beklagte wegen Verletzung einer aus dem Vertragsverhältnis folgen-den Nebenpflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) nicht auszuschließen. Der [X.] vermag nicht der Auffassung
des Berufungsgerichts beizutreten, die Beklagte habe nicht die Pflicht getroffen, ihre technischen Einrichtungen so zu konfigurieren, dass eine Warnung des Kunden erfolgte, sobald eine Nutzung seines [X.]-zugangs einsetzte, die erheblich von einem
dem zeitabhängigen Tarif ange-passten, üblichen Verhalten abwich. Vielmehr schließt sich der [X.]
-
unter dem Vorbehalt, dass die notwendigen technischen Mittel im maßgeblichen Zeit-raum zur Verfügung standen
-
der in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung
vertretenen Gegenauffassung an, nach der der
Telekommunikationsanbieter
bei ungewöhnlichem Nutzungsverhalten
(wie hier: ständige Verbindung eines Routers mit dem [X.] bei zeitabhängigem Tarif), das zu einer [X.] führt, zur Schadensbegrenzung
verpflichtet ist, den Kunden zu warnen und den [X.]zugang gegebenenfalls kurzfristig zu sperren ([X.],
[X.], 679 mit zustimmender Anmerkung von [X.] aaO [X.], 681
f; siehe auch [X.], Urteil vom 15. Juni 2011 -
2 O 9/11, juris Rn. 22 zum Entstehen
hoher nutzungsabhängiger Durchleitungsgebühren im Ausland [Roaming] bei Vereinbarung einer Flatrate im Inlandsverkehr; [X.],
[X.], 422, 423 zur Einwahl in das [X.] zu beinahe 200-fachen Kosten einer Standardver-bindung; [X.], 496, 497 zum permanenten [X.] eines Mobiltelefons in einen analogen [X.]zugang; vgl. auch [X.] [[X.]], Urteil vom 7. September 2010 -
2 R 284/10w, 17
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-

im [X.] abrufbar unter [X.] zum unbeabsichtigten Roaming im Grenzgebiet; siehe ferner [X.],
[X.], 836, 837 mit zustimmender Anmerkung von [X.] aaO S. 838; [X.],
[X.], 359, 360 jeweils zur [X.] von Navigationskarten mit großem Datenvolumen auf einem neu erworbe-nen beziehungsweise vermieteten Mobilfunkgerät).
Dies schließt die Nutzung entsprechender Computerprogramme ein, die ein solches abweichendes [X.] erkennen.

aa) Allerdings gibt es für eine solche Pflicht noch keine gesetzlich aus-drücklich geregelte Grundlage. Dies gilt auch für den hier in Rede stehenden Zeitraum von Dezember 2009 bis Juli 2010. Zwar
ist am 10. Mai 2012 (vgl. Art.
1 des Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen vom 3. Mai 2012, [X.] [X.]) § 45n Abs. 6 Nr. 5 [X.] in [X.] getreten ([X.] noch zum Zeitpunkt des Erlasses des [X.]surteils vom 15. März 2012
-
III ZR 190/11, juris, siehe dort Rn. 12), der die
Ermächtigung zum Erlass einer
Rechtsverordnung enthält, durch die Anbieter öffentlich zugänglicher Telekom-munikationsdienste verpflichtet werden können, geeignete Einrichtungen anzu-bieten, um die Kosten der Inanspruchnahme der Telekommunikationsdienste zu kontrollieren. Diese Befugnis
schließt die Verpflichtung zu unentgeltlichen Warnhinweisen bei anormalen oder übermäßigem Verbraucherverhalten ein. Eine Rechtsverordnung ist aber noch nicht erlassen
und würde zudem keine Wirkung für den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt mehr haben
können.

bb) Wie der [X.] in seinem Urteil vom 15. März 2012 (aaO
Rn. 14 ff) jedoch zum mobilen Zugang zum [X.] bereits ausgeführt hat, kann den [X.] von [X.] die vertragliche Nebenpflicht treffen, 19
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-

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-

seine Kunden vor einer
sich selbst schädigenden Nutzung des Angebots zu schützen.

Grundsätzlich hat zwar jede [X.] im Rahmen vertraglicher Beziehun-gen aufgrund der im Zivilrecht herrschenden Privatautonomie ihre Belange selbst wahrzunehmen. Insbesondere obliegt es einem Vertragspartner, selbst darauf bedacht zu sein, die Leistungen seiner Gegenseite nicht in einem Um-fang in Anspruch zu nehmen, der zu unerwünscht hohen Entgeltforderungen führt
([X.] aaO Rn. 14; vgl. auch oben Buchstabe a).

In Konstellationen
jedoch, in denen der [X.] über eine über-legene Sachkunde verfügt, können ihn gemäß § 241 Abs. 2 BGB Hinweis-
und Aufklärungspflichten zur Wahrung des Leistungs-
oder Integritätsinteresses sei-nes Partners treffen, wenn dieser mangels eigener Kenntnisse der Gefährdung seiner Belange nicht selbst in ausreichendem Maß entgegenwirken kann (Se-natsurteil vom 15. März 2012 aaO mwN). Insbesondere in Bereichen, in denen nicht spezifisch vorgebildeten Verbrauchern die Nutzung anspruchsvoller [X.] angeboten wird, kommen solche Hinweis-
und Aufklärungspflichten des Ver-tragspartners in Betracht, der im Gegensatz zur anderen Seite über den not-wendigen Sachverstand verfügt. Dies trifft auch und gerade auf den [X.] zu. In diesem kommt nicht nur komplizierte Technik mit einer mittlerweile schon schwer zu überblickenden Fülle von Anwendungsmöglichkei-ten und Tarifen zum Einsatz. Vielmehr zeichnet sich dieser Bereich überdies im Verbund mit der Computertechnologie durch eine besonders dynamische Fort-entwicklung aus, die der Durchschnittsverbraucher nicht ständig nachverfolgt
([X.] aaO; vgl. hierzu auch [X.]surteil vom 9. Juni 2011 -
III ZR 157/10, [X.], 1678 Rn. 28). Insbesondere
schwierig zu überschauen sind
die [X.] Dritter und
die potentiellen
technischen Fehler, die bei Nut-21
22
-

12

-

zung der Informationstechnik auftreten
und unter anderem zu einer uner-wünscht andauernden Inanspruchnahme von
Telekommunikationsangeboten
führen können.
Soweit ein ausgeprägtes Informationsgefälle zwischen dem Be-treiber
von [X.] und deren
Nutzern
besteht, kann eine Hinweis-
und Warnpflicht des Anbieters selbst
dann bestehen, wenn dem [X.]
die Nutzung
der Leistungen nach dem Maßstab des § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] zuzurechnen ist.
Kann der Anbieter einen möglichen Missbrauch seiner Leistungen
oder eine Fehlfunktion der der Sphäre seines Kunden zuzuordnen-den Technik mit zumutbarem Aufwand leicht erkennen, während dem [X.] das Aufdecken solcher Vorgänge und die Vorsorge hiergegen mit den üblichen Mitteln nur schwer möglich ist,
gebietet die Rücksichtnahme des Anbieters auf die Interessen seines Vertragspartners, diesen rechtzeitig zu unterrichten und zu warnen, mag diesem
auch
die Inanspruchnahme der Leis-tung unter Berücksichtigung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nach § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] zurechenbar sein.

Der [X.] hat entsprechend diesen Grundsätzen in seinem Urteil vom 15. März 2012 (aaO Rn. 18 ff) -
nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zu dem für den dortigen Streitfall maßgeblichen Zeitpunkt -
eine Pflicht des [X.]s eines mobilen [X.]zugangs angenommen, seinen Vertragspartner auf ein außergewöhnlich hohes Entgeltaufkommen hinzuweisen, wenn die [X.] ist und der Kunde die heruntergeladene Datenmenge nicht ohne weiteres nachverfolgen kann. Weiterhin hat der [X.]
in seinem
Ur-teil vom 9. Juni 2011 (aaO Rn. 14)
im Hinblick auf die schwer zu durchschau-ende Vielzahl von Mobilfunktarifen eine Pflicht des Diensteanbieters angenom-men,
Kunden, die sein Angebot nur im Rahmen einer Kreditlinie nutzen dürfen, rechtzeitig vor Erreichen des Limits zu warnen, bevor er seine Leistungen ein-stellt.
23
-

13

-

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt zur Information des Kunden nicht, ihm die Möglichkeit einzuräumen, sich jederzeit über eine [X.] einen Überblick über das jeweilige Verbindungsaufkommen und die dafür angefallenen
Kosten zu verschaffen. Dies setzt voraus, dass der [X.] selbst aktiv wird. Hierzu besteht aber zwischen dem Erhalt der [X.] regelmäßig keine Veranlassung, wenn sich das [X.] über einen längeren Zeitraum innerhalb eines bestimmten, dem gewählten Tarif adäquaten Korridors hält. Solange der Kunde
seinen Tarif, sein Nutzungsver-halten und seine technischen Einrichtungen nicht ändert, braucht er nicht damit zu rechnen, dass die Kosten wesentlich steigen und er sie unter seine fortlau-fende aktive Kontrolle nehmen muss
(vgl. hierzu
[X.]surteil vom 4. März 2004 -
III ZR 96/03, [X.]Z 158, 201, 209 f). Auf ein solches, übliches Verhalten muss sich wiederum die Beklagte einrichten und darf sich nicht darauf verlassen, dass sich ihre Vertragspartner routinemäßig in kurzen Abständen durch Aufru-fen ihrer Benutzerkonten im [X.] über das
Vergütungsaufkommen
informie-ren.

cc) Mangels entgegen stehender tatrichterlicher Feststellungen ist in der Revisionsinstanz von
einem derartigen Informationsgefälle auszugehen, das Hinweis-
und Warnpflichten der Beklagten gegenüber dem Kläger begründete. Danach ist nicht auszuschließen, dass es der Beklagten
technisch möglich und zumutbar war,
durch Einsatz entsprechender Programme einen außergewöhn-lichen Anstieg des Gebührenvolumens eines Kunden zu erkennen und ihn rechtzeitig -
etwa per E-Mail -
zu warnen (vgl. hierzu
[X.]surteil vom 15. März 2012 -
III ZR 190/11, juris Rn. 20 ff), während der Kläger die Kostenexplosion nicht ohne weiteres bemerken konnte.
Insoweit sind tatsächliche Feststellungen nachzuholen.
24
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-

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-

c) Die Ausführungen unter den Buchstaben a und b gelten allerdings längstens für den durch die Rechnung vom 19. Januar 2010 erfassten Zeitraum (bis 9. Januar 2010) der [X.]nutzung.

aa) Soweit dem Kläger die verstärkte [X.]nutzung nach § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] nicht zuzurechnen sein sollte, endete
diese Situation nach Zugang
der Rechnung vom 17. Dezember 2009. Sobald der Teilnehmer konkrete Hin-weise
auf einen irregulären Kostenanstieg -
sei es aufgrund des unautorisierten Zugriffs Dritter auf den [X.], sei es infolge einer
Fehlfunktion seiner tech-nischen Geräte -
hat, obliegt es ihm,
diese
in seiner Sphäre liegenden Ursa-chen hierfür unverzüglich
abzustellen
(vgl. [X.]surteil vom 4. März 2004 aaO). Liegen dem Inhaber Anhaltspunkte für eine derartige irreguläre Nutzung seines [X.]es vor, ist er gewarnt und wird dadurch in die Lage versetzt, dem entgegen zu wirken. Nach der für die Zurechenbarkeit der [X.]nutzung maßgeblichen im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2
BGB) ist er ge-halten, diese Möglichkeit zu nutzen und die notwendigen Maßnahmen zu [X.], die auch darin bestehen können, notfalls den [X.] bis zur Klärung
der Fehlerquelle und deren Beseitigung im zumutbaren Umfang außer Betrieb zu nehmen.

Hiernach war der Kläger gehalten,
nach Zugang der Rechnung vom 17.
Dezember 2009 (siehe zum Zugang bei Verwendung elektronischer Medien
z.[X.], [X.], 1121, 1122
zur Abrufbarkeit über ein vom Absender eingerichtetes [X.]konto
["online-banking"]; [X.], Beschluss vom 15. März 2012 -
Verg 2/12, juris Rn. 50; [X.], 654; [X.], 2890, 2891 jeweils zur E-Mail) unverzüglich zu reagieren und entweder die dauerhafte
Verbindung seines Routers mit dem [X.] zu [X.] oder sogleich in den reinen Pauschaltarif der Beklagten zu wechseln. 26
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28
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-

fast 15-mal höher als der bis dahin fortlaufend gezahlte monatliche i-sche Kostenanstieg enthielt
einen handfesten Hinweis auf die irreguläre Nut-zung des [X.]anschlusses des [X.] und hätte ihm Veranlassung geben müssen, tätig zu werden. Ab welchem Zeitpunkt die übermäßige Kostenbelas-tung des [X.] hätte
abgestellt werden können und somit, da er nicht tätig wurde, welcher Teil der unter dem 19. Januar 2010 berechneten [X.]nut-zung dem Kläger nach § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] zuzurechnen
ist, hängt von tat-richterlichen Feststellungen ab, die
nachzuholen sind.

bb) Gleiches gilt, soweit dem Kläger zwar die Nutzung seines [X.]an-schlusses
für den gesamten mit den streitgegenständlichen Rechnungen abge-deckten Zeitraum im Sinne des § 45i Abs. 4 Satz 1 [X.] zuzurechnen sein soll-te, der Beklagten jedoch ein Verstoß gegen ihre Hinweis-
und Warnpflicht zur Last fällt. Auch in diesem Fall hatte der Kläger aus den vorgenannten Gründen nach Zugang der Rechnung vom 17. Dezember 2009 jede Veranlassung,
um-gehend
tätig zu werden und das weitere Entstehen überhöhter Kosten für die [X.]nutzung zu unterbinden. Sein Versäumnis, dies vor Juli 2010 zu
tun, führt ab dem Zeitpunkt, von
dem ab die übermäßige Kostenbelastung hätte [X.] werden können, nach § 254 Abs. 1 BGB zum Verlust des Schadenser-satzanspruchs des [X.]. Das Berufungsgericht hat mit seiner Hilfserwägung ausgeführt, die
-
von ihm nur unterstellte -
Pflichtverletzung der Beklagten trete hinter dem Verstoß des [X.] gegen seine eigenen Belange vollständig [X.]. Diese vom Revisionsgericht lediglich eingeschränkt überprüfbare [X.] Würdigung (vgl. z.B. [X.],
Urteil vom 20. September 2011 -
VI ZR
282/10,
VersR 2011, 1540, Rn. 14 mwN) ist für den Zeitraum, ab dem der Klä-ger hätte tätig werden müssen, nicht zu beanstanden. Für diese Abwägung spricht, dass es in erster Linie dem Teilnehmer selbst obliegt, dafür zu sorgen, 29
-

16

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dass eine ungewollte [X.]nutzung unterbleibt und die Schutzpflicht des Diensteanbieters nur dem Ausgleich des [X.] gegenüber dem Kunden dient. Sobald dieser aber eine Fehlfunktion seiner Einrichtungen ohne Schwierigkeiten erkennen kann, verliert dieser Gesichtspunkt sein Gewicht.

Schlick
Herrmann

[X.]

[X.]
Seiters
Vorinstanzen:
[X.]. [X.], Entscheidung vom 02.09.2011 -
919 [X.]/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 03.02.2012 -
317 S 78/11 -

Meta

III ZR 71/12

19.07.2012

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.07.2012, Az. III ZR 71/12 (REWIS RS 2012, 4467)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4467

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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