Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.12.2012, Az. B 11 AL 107/12 B

11. Senat | REWIS RS 2012, 268

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage - keine ausreichende Darlegung der Abweichung und der Klärungsfähigkeit - Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs - Entlassungsentschädigung - ordentliche Unkündbarkeit


Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 21. August 2012 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde ist unzulässig. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] Sozialgerichtsgesetz ) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 [X.]) sind nicht in der nach § 160a Abs 2 [X.] SGG gebotenen Weise bezeichnet bzw dargelegt.

2

1. Um eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 [X.] SGG in einer den Anforderungen des § 160a Abs 2 [X.] SGG genügenden Weise zu bezeichnen, hat die Beschwerdebegründung einen Widerspruch im Grundsätzlichen oder ein Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze in der Entscheidung des [X.] ([X.]) einerseits und in einer Entscheidung des [X.]sozialgerichts ([X.]) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts andererseits aufzuzeigen ([X.] § 160a [X.]). Dabei muss die Beschwerdebegründung deutlich machen, dass in der angefochtenen Entscheidung eine sie tragende Rechtsansicht entwickelt worden ist und nicht etwa nur ungenaue oder unzutreffende Rechtsausführungen oder ein Rechtsirrtum im Einzelfall die Entscheidung bestimmen ([X.] § 160a [X.]; [X.] 3-1500 § 160 [X.]6; [X.] 4-1500 § 62 [X.] 9 Rd[X.] 6; stRspr). [X.] darzulegen ist auch, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (vgl ua [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] 6 Rd[X.] 18). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung vom 23.11.2012 nicht gerecht.

3

Die Beklagte entnimmt dem angefochtenen Urteil des [X.] folgenden Rechtssatz:
"Die Anwendbarkeit des § 143a Abs. 1 S. 4 SGB III setzt voraus, dass sowohl die betriebsbedingte Kündigung einerseits als auch die personen- oder verhaltensbedingte Kündigung andererseits nur gegen Zahlung einer Abfindung sozial gerechtfertigt ist."

4

Dem stellt sie folgenden Rechtssatz gegenüber, den das [X.] in einem nicht näher bezeichneten Urteil vom 29.1.2001 aufgestellt haben soll:
"Die Anwendbarkeit des § 143a Abs. 1 S. 4 SGB III setzt nicht voraus, dass sowohl die betriebsbedingte Kündigung einerseits als auch die personen- oder verhaltensbedingte Kündigung andererseits nur gegen Zahlung einer Abfindung sozial gerechtfertigt ist."

5

Soweit die Beklagte in ihrem Vorbringen auf die Entscheidung des 7. Senats des [X.] vom 29.1.2001 ([X.] [X.] 62/99 R - [X.], 250 = [X.] 3-4100 § 117 [X.]2) abstellt, hat sie nicht nachvollziehbar dargelegt, dass diesem Urteil der ihm zugeschriebene Rechtssatz zu entnehmen sein sollte. Denn wie die Beklagte selbst ausführt, hat der 7. Senat dort ausgeführt, von § 117 Abs 2 S 4 Arbeitsförderungsgesetz (als insoweit wortgleicher Vorgängervorschrift des § 143a Abs 1 [X.] in der bis zum [X.] geltenden Fassung) seien nur Fälle erfasst, "in denen die ordentliche Kündigung für den Arbeitgeber vertraglich grundsätzlich ausgeschlossen ist und nur für Fälle (wieder)eröffnet werde, bei denen eine Abfindung gezahlt wird". Der Gesetzgeber habe hierbei "vor allem" Gestaltungen im Auge gehabt, "die zur Freisetzung älterer, an sich unkündbarer Arbeitnehmer gegen Abfindung führen". Dass das [X.] "damit" - nach Ansicht der Beklagten - die Auffassung vertreten haben soll, dass eine Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung "überhaupt nur bei betriebsbedingten, nicht aber bei personen- oder verhaltensbedingten Kündigungen in Betracht kommen kann", lässt sich bereits angesichts der von der Beklagten selbst erwähnten Einschränkung ("vor allem") nicht nachvollziehen.

6

2. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Frage sich stellt, dass diese Rechtsfrage noch nicht geklärt ist, weshalb deren Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung dieser Rechtsfrage erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss die Beschwerdebegründung mithin eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (vgl nur [X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.] 34 S 70 mwN).

7

Die Beklagte wirft folgende Frage auf:
"Ist die Anwendung des § 143a Abs. 1 S. 4 SGB III (i.d.[X.].[X.]. 23.12.2003 - [X.]) bereits dann ausgeschlossen, wenn der Arbeitgeber generelle Möglichkeiten der ordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers auch ohne Zahlung einer Abfindung hat, ohne dass es auf die konkrete Realisierbarkeit ankommt?"

8

Der Senat lässt dahinstehen, ob die Beklagte damit eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung stellt. Offen bleiben kann auch, ob sie - obwohl jegliche Auseinandersetzung mit der vom [X.] zitierten Rechtsprechung des [X.] fehlt - hinreichend dargetan hat, dass diese Rechtsfrage nicht bereits geklärt ist. Denn jedenfalls hat sie die Klärungsfähigkeit der Frage nicht schlüssig aufgezeigt.

9

Die Beklagte führt insoweit aus: "Das [X.] hat festgestellt, dass der Arbeitsgeber dem Kläger nicht generell (also unabhängig vom Kündigungsgrund) 'nur gegen Zahlung einer Abfindung' hätte kündigen können, und dass die ordentliche Kündigung hier nicht von der Zahlung einer Entlassungsentschädigung abhängig sei." Auf der Grundlage dieser Feststellung des [X.] ist nicht nachvollziehbar, dass und inwiefern es auf die Beantwortung der aufgeworfenen Frage nach dem Anwendungsbereich des § 143a Abs 1 [X.] aF ankommt. Denn das [X.] hat - wie die Beklagte selbst bei ihren Darlegungen zum Zulassungsgrund der Divergenz näher ausgeführt hat - im Fall des [X.] festgestellt, dass ihm lediglich bei ordentlicher betriebsbedingter Kündigung "nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung" hätte gekündigt werden können. Bei einer arbeitgeberseitigen ordentlichen Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen habe diese Einschränkung dagegen nicht bestanden. Nach den für die Beurteilung der Klärungsfähigkeit einer aufgeworfenen Rechtsfrage zugrunde zu legenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz (vgl ua [X.] § 160a [X.] 39, Senatsbeschluss vom 27.5.2011 - B 11 [X.] 151/10 B, Juris Rd[X.] 10 und vom [X.] - B 11 [X.] 187/08 B, Juris Rd[X.] 5) kann somit gerade nicht von der in der Rechtsfrage (unterstellten) generellen Möglichkeit der ordentlichen Kündigung eines Arbeitnehmers (unabhängig vom Kündigungsgrund) auch ohne Zahlung einer Abfindung ausgegangen werden.

Dass die Beklagte im [X.] ihres Vorbringens offenbar beanstanden will, dass das [X.] im Fall des [X.] nicht konkret geprüft hat, ob er tatsächlich aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen ohne Zahlung einer Abfindung hätte gekündigt werden können, ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzutun. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das [X.] die Sache richtig entschieden hat (vgl [X.] § 160a [X.] 7 und [X.]; stRspr).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

4. Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 [X.] SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Meta

B 11 AL 107/12 B

17.12.2012

Bundessozialgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Braunschweig, 25. November 2009, Az: S 7 AL 28/07

§ 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 vom 23.12.2003, § 158 Abs 1 S 4 SGB 3 vom 20.12.2011

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 17.12.2012, Az. B 11 AL 107/12 B (REWIS RS 2012, 268)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 268

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 11 AL 26/15 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage - keine ausreichende Darlegung der Klärungsfähigkeit - Ruhen des …


B 11 AL 13/17 R (Bundessozialgericht)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung - Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist - Rationalisierungsschutz - Anwendung der …


B 11 AL 5/15 R (Bundessozialgericht)

(Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs - Abfindung nach § 1a KSchG - keine Entlassungsentschädigung)


B 11 AL 94/11 B (Bundessozialgericht)

Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage - Darlegung der Klärungsbedürftigkeit - Befreiung des Arbeitgebers von …


B 11 AL 16/17 R (Bundessozialgericht)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs bei Entlassungsentschädigung - zeitlich unbegrenzter Ausschluss der ordentlichen Kündigung - Anwendung der …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.