Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2011, Az. I ZB 64/10

1. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5513

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Gegenstand

Urheberrecht: Aussetzung des Verfahrens zur Bestellung des Vorsitzenden der Schlichtungsstelle; Streit über das Vorliegen der Voraussetzungen des Schlichtungsverfahrens; Aufstellung einer gemeinsamen Vergütungsregel von hierzu nicht berechtigten Parteien - Aussetzung eines Schlichtungsverfahrens


Leitsatz

Aussetzung eines Schlichtungsverfahrens

1. Das Verfahren nach § 36a Abs. 3 UrhG zur Bestellung des Vorsitzenden und zur Bestimmung der Zahl der Beisitzer der Schlichtungsstelle kann das Oberlandesgericht nach § 148 ZPO aussetzen, wenn über das Vorliegen der Voraussetzungen des Schlichtungsverfahrens Streit besteht und hierüber ein Rechtsstreit zwischen den Parteien bereits anhängig ist .

2. Das nach § 36a Abs. 3 UrhG zuständige Oberlandesgericht kann nicht mit für die Parteien bindender Wirkung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Schlichtungsverfahrens entscheiden .

3. Eine gemeinsame Vergütungsregel im Sinne von § 36 UrhG, die in einem Schlichtungsverfahren von hierzu nicht berechtigten Parteien aufgestellt wird, entfaltet in einem Rechtsstreit über eine angemessene Vergütung weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung .

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 34. Zivilsenats des [X.] vom 15. Juli 2010 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.

[X.]: 6.600 €.

Gründe

1

I. Der Antragsteller ist der [X.] in [X.]. Die Antragsgegnerin ist das Zweite [X.] Fernsehen.

2

Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach §§ 36, 36a [X.] zur Aufstellung gemeinsamer [X.]n für Auftragsproduktionen. Er beantragt gemäß § 36a Abs. 3 [X.], den Vorsitzenden einer Schlichtungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer festzusetzen.

3

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, ein Schlichtungsverfahren sei unzulässig. Sie sei nicht passivlegitimiert, weil sie bei Auftragsproduktionen nur zu den Auftragsproduzenten in Vertragsbeziehungen stehe und hinsichtlich der von Mitgliedern des Antragstellers im Rahmen von Auftragsproduktionen erbrachten Leistungen daher nicht Werknutzer im Sinne des § 36 Abs. 1 [X.] sei. Der Antragsteller sei nicht aktivlegitimiert, weil er nicht im Sinne des § 36 Abs. 2 [X.] repräsentativ und zur Aufstellung gemeinsamer [X.]n ermächtigt sei.

4

Die Antragsgegnerin hat beim [X.] die Feststellung beantragt, dass sie gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet ist, sich auf ein Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer [X.]n einzulassen.

5

Das [X.] ([X.], Beschluss vom 15. Juli 2010  34 [X.] 14/09, juris) hat das vorliegende Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits beim [X.] ausgesetzt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner vom [X.] zugelassenen Rechtsbeschwerde.

6

II. Die vom [X.] zugelassene Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg.

7

1. [X.] kann nach § 148 ZPO die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits aussetzen, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.

8

2. Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass die im vorliegenden Verfahren beantragte Entscheidung über die Bestellung des Vorsitzenden einer Schlichtungsstelle und die Festsetzung der Zahl der Beisitzer (§ 36a Abs. 3 [X.]) von dem Bestehen oder Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des beim [X.] anhängigen Rechtsstreits bildet.

9

Gegenstand des beim [X.] anhängigen Rechtsstreits ist ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 148 ZPO. Die Antragsgegnerin hat in jenem Rechtsstreit die Feststellung beantragt, dass sie gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet ist, sich auf ein Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer [X.]n nach § 36a [X.] einzulassen. Dabei geht es um das Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer [X.]n für Auftragsproduktionen, das auch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

Die im vorliegenden Verfahren beantragte Entscheidung hängt von dem Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses ab. Wird in jenem Verfahren rechtskräftig festgestellt, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet ist, sich auf das Schlichtungsverfahren einzulassen, ist der Antrag auf Bestellung eines Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und Festlegung der Zahl der Beisitzer mangels Rechtschutzbedürfnisses zurückzuweisen. Wird die negative Feststellungsklage in jenem Verfahren rechtskräftig abgewiesen, steht damit fest, dass das Schlichtungsverfahren durchzuführen ist. Dann hat das [X.] einen Vorsitzenden der Schlichtungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer zu bestimmen.

3. Die Aussetzung der Verhandlung steht nach § 148 ZPO im Ermessen des Gerichts. Sie ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nicht auf ihre Zweckmäßigkeit, sondern allein daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten sind ([X.], Beschluss vom 3. März 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 925, 926 mwN). Die Entscheidung des [X.]s hält einer solchen Nachprüfung stand.

Die Rechtsbeschwerde macht geltend, der Gesetzgeber habe das Verfahren zur Bestellung einer Schlichtungsstelle für den Fall einer fehlenden Einigung der Parteien im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens nach § 36 Abs. 3 [X.] bewusst beim [X.] als einziger zuständiger Instanz konzentriert. Dem widerspräche es, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen eines Schlichtungsverfahrens in einem weiteren Verfahren im üblichen Rechtsweg zu klären wäre. Das [X.] habe daher im Rahmen des Verfahrens zur Bestellung einer Schlichtungsstelle selbst zu prüfen, ob die Voraussetzungen eines Schlichtungsverfahrens vorliegen. Dabei habe es sich allerdings auf eine Offensichtlichkeitsprüfung zu beschränken. Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch.

Das [X.] hat angenommen, der mit der Regelung des § 36a Abs. 3 [X.] verfolgte Zweck einer schnellen Bildung der Schlichtungsstelle müsse zurücktreten, wenn die Parteien - wie hier - nicht nur über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer, sondern auch über die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens streiten und zur Klärung der Frage der Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens ein anderer Rechtsstreit anhängig ist. Mit dieser Beurteilung hat das [X.] die Grenzen des Ermessens nicht überschritten.

Es besteht aus Gründen der [X.] und der Rechtssicherheit ein berechtigtes Interesse daran, Zweifel an der Zulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens nicht nur möglichst frühzeitig, sondern auch rechtlich verbindlich zu klären. Es liegt auf der Hand, dass eine möglichst frühzeitige Feststellung der Unzulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens die Parteien vor unnötigen Kosten (vgl. § 36a Abs. 6 [X.]) und Mühen bewahrt. Eine rechtlich verbindliche Feststellung der Unzulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens kann darüber hinaus verhindern, dass die in einem solchen Verfahren aufgestellte gemeinsame [X.] in Rechtsstreitigkeiten über eine angemessene Vergütung (§ 32 [X.]) Wirkungen entfaltet.

Kommt es zu einem solchen Rechtsstreit, ist eine nach einer gemeinsamen [X.] ermittelte Vergütung nach § 32 Abs. 2 Satz 1 [X.] als angemessen anzusehen. [X.] soll in einem derartigen Rechtsstreit nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. Begründung zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8058, [X.]) sogar einen Einigungsvorschlag der Schlichtungsstelle, dem widersprochen worden ist (vgl. § 36 Abs. 4 [X.]), als Indiz zur Bestimmung der Angemessenheit einer Vergütung heranziehen können. Diese Wirkungen treten allerdings nicht ein, wenn das Schlichtungsverfahren unzulässig war (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 36 [X.] Rn. 15). Eine gemeinsame [X.], die von Parteien aufgestellt worden ist, die hierzu nicht berechtigt waren, kann in einem Rechtsstreit über eine angemessene Vergütung weder eine Bindungswirkung noch eine Indizwirkung entfalten.

Es kann offenbleiben, ob das [X.] im Rahmen des Verfahrens zur Bestellung eines Vorsitzenden der Schlichtungsstelle oder der Bestimmung der Anzahl der Beisitzenden nach § 36a Abs. 3 [X.] zu prüfen hat, ob das Schlichtungsverfahren zulässig ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 36 [X.] Rn. 26; [X.], ZUM 2006, 914, 916 ff.; v. [X.], ZUM 2007, 249, 255 f.). Desgleichen kann dahinstehen, ob das [X.] sich dabei gegebenenfalls auf eine kursorische Prüfung auf offensichtliche Unzulässigkeit beschränken darf (vgl. KG, ZUM 2005, 229 f.) oder ob es die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens umfassend und eingehend prüfen muss ([X.]/Haedicke in Schricker/Loewenheim, [X.], 4. Aufl., § 36a [X.] Rn. 9; [X.], ZUM 2006, 914). Eine inzidente Prüfung der Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens durch das [X.] vermag jedenfalls das rechtliche Interesse an einer rechtskräftigen Feststellung der Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens nicht zu beseitigen. Das [X.] ist nicht befugt, mit bindender Wirkung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens zu befinden (vgl. KG, ZUM 2005, 229, 230; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 10. Aufl., § 36 [X.] Rn. 45; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 36 [X.] Rn. 26; [X.]/[X.]/[X.], Gewerblicher Rechtsschutz, [X.], Medienrecht, 2. Aufl., § 36a [X.] Rn. 2). Es ist allein berufen, über die Person des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer zu entscheiden (§ 36a Abs. 3 [X.]). Selbst wenn es im Rahmen dieser Entscheidung die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens zu prüfen hätte, könnte das Ergebnis dieser Prüfung daher keine Rechtskraft erlangen.

Es kann daher nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass das [X.] von einer eigenen Prüfung der Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens abgesehen und das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits beim [X.] ausgesetzt hat. Durch die Aussetzung des Verfahrens wird zwar die Entscheidung über die Besetzung der Schlichtungsstelle verzögert. Das ist aber hinzunehmen, weil dadurch bereits zu Beginn des Verfahrens rechtskräftig über die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens entschieden werden kann. Eine solche Entscheidung dient auch im Blick auf mögliche Rechtsstreitigkeiten über die angemessene Vergütung der [X.] und der Rechtssicherheit (vgl. [X.], ZUM 2006, 914, 918).

III. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s auf Kosten des Antragstellers (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen. Das Rechtsbeschwerdegericht trifft nur dann keine Kostenentscheidung, wenn das gegen die Anordnung der Verfahrensaussetzung gerichtete Rechtsmittel begründet ist (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juni 2006 - [X.], [X.], 1268).

Büscher                                      Pokrant                                        Kirchhoff

                      [X.]

Meta

I ZB 64/10

22.06.2011

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG München, 15. Juli 2010, Az: 34 SchH 14/09, Beschluss

§ 36 UrhG, § 36a Abs 3 UrhG, § 148 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.06.2011, Az. I ZB 64/10 (REWIS RS 2011, 5513)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5513

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