Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2011, Az. I ZB 64/10

I. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 5524

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I [X.]/10
vom

22. Juni
2011

in dem Rechtsbeschwerdeverfahren

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Aussetzung eines Schlichtungsverfahrens
[X.] § 36, § 36a Abs. 3
a)
Das Verfahren nach §
36a Abs.
3 [X.] zur Bestellung des Vorsitzenden und zur Bestimmung der Zahl der Beisitzer der Schlichtungsstelle kann das [X.] nach §
148 ZPO aussetzen, wenn über das Vorliegen der Vo-raussetzungen des Schlichtungsverfahrens Streit besteht und hierüber ein Rechtsstreit zwischen den Parteien bereits anhängig ist.
b)
Das nach §
36a Abs.
3 [X.] zuständige [X.] kann nicht mit für die Parteien bindender Wirkung über das Vorliegen der Voraussetzungen des Schlichtungsverfahrens entscheiden.
c)
Eine gemeinsame [X.] im Sinne von §
36 [X.], die in einem Schlichtungsverfahren von hierzu nicht berechtigten Parteien aufgestellt wird, entfaltet in einem Rechtsstreit über eine angemessene Vergütung weder eine Bindungs-
noch eine Indizwirkung.
[X.], Beschluss vom 22. Juni 2011 -
I [X.]/10 -
[X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 22. Juni 2011
durch die
Richter Prof.
Dr.
Büscher, Pokrant, [X.], Dr. Koch
und Dr. Löffler

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den
Beschluss
des 34.
Zivilsenats des [X.]s München vom 15.
Juli 2010
wird auf Kos-ten des Antragstellers zurückgewiesen.

[X.]: 6.600

Gründe:

[X.] Der Antragsteller
ist der Bundesverband der Fernseh-
und Filmregis-seure in [X.].
Die Antragsgegnerin
ist das [X.].

Der Antragsteller verlangt von der Antragsgegnerin
die Durchführung ei-nes Schlichtungsverfahrens nach §§ 36, 36a [X.] zur Aufstellung gemeinsa-mer [X.]n für Auftragsproduktionen. Er beantragt
gemäß § 36a Abs. 3 [X.], den Vorsitzenden einer Schlichtungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer festzusetzen.

Die Antragsgegnerin ist dem entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, ein
Schlichtungsverfahren sei unzulässig. Sie sei nicht passivlegitimiert, weil sie bei Auftragsproduktionen nur zu
den Auftragsproduzenten in Vertragsbeziehungen stehe und hinsichtlich der von Mitgliedern des Antragstellers im Rahmen von Auftragsproduktionen erbrachten Leistungen
daher nicht
Werknutzer im Sinne des §
36 Abs. 1 [X.]
sei. Der
Antragsteller sei nicht aktivlegitimiert, weil
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nicht im Sinne des § 36 Abs. 2 [X.] repräsentativ und zur Aufstellung gemein-samer [X.]n
ermächtigt sei.

Die Antragsgegnerin hat beim [X.] die Feststellung beantragt, dass sie gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet ist, sich auf ein Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer [X.]n ein-zulassen.

Das [X.] ([X.], Beschluss vom 15. Juli 2010

34 [X.] 14/09, juris) hat das vorliegende Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits beim [X.]
ausgesetzt. [X.] wendet sich der Antragsteller
mit seiner vom [X.] zugelasse-nen Rechtsbeschwerde.

I[X.] Die vom [X.]
zugelassene Rechtsbeschwerde ist [X.] (§
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§
575 ZPO). In der Sache hat sie allerdings
keinen
Erfolg.
1. Das Gericht kann
nach § 148 ZPO
die Verhandlung bis zur Erledigung eines anderen Rechtsstreits aussetzen, wenn die Entscheidung des [X.] ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand des
anderen anhängigen Rechtsstreits bildet.

2. Das [X.] hat mit Recht angenommen, dass die im vor-liegenden Verfahren beantragte Entscheidung über die Bestellung des [X.] einer Schlichtungsstelle und die Festsetzung der Zahl der Beisitzer (§
36a Abs. 3 [X.]) von dem Bestehen oder Nichtbestehen des
Rechtsverhält-nisses abhängt, das den Gegenstand des beim [X.] an-hängigen Rechtsstreits bildet.
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Gegenstand des beim [X.] anhängigen
Rechtsstreits ist ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 148 ZPO.
Die Antragsgegnerin hat in jenem Rechtsstreit die Feststellung
beantragt, dass sie gegenüber dem [X.] nicht verpflichtet ist, sich auf ein Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer [X.]n nach § 36a [X.] einzulassen. Dabei geht es um das Schlichtungsverfahren zur Aufstellung gemeinsamer [X.]n für Auftragsproduktionen, das auch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.

Die im vorliegenden Verfahren beantragte Entscheidung hängt von dem Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses ab. Wird in jenem Verfahren rechtskräftig festgestellt, dass die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller nicht verpflichtet ist, sich auf das Schlichtungsverfahren einzulas-sen, ist der Antrag auf Bestellung eines Vorsitzenden der Schlichtungsstelle und Festlegung der Zahl der Beisitzer mangels
Rechtschutzbedürfnisses [X.]. Wird die negative Feststellungsklage in jenem Verfahren rechts-kräftig abgewiesen, steht damit fest, dass das Schlichtungsverfahren durchzu-führen
ist. Dann hat das [X.] einen
Vorsitzenden der Schlich-tungsstelle zu bestellen und die Zahl der Beisitzer

zu bestimmen.

3. Die Aussetzung der Verhandlung steht nach § 148 ZPO
im Ermessen des Gerichts. Sie
ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nicht auf ihre Zweck-mäßigkeit, sondern allein
daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten sind ([X.], Beschluss vom 3. März 2005 -
IX ZB 33/04, NJW-RR 2005, 925, 926
mwN). Die Entscheidung des [X.] hält einer solchen Nachprüfung stand.
Die Rechtsbeschwerde macht geltend, der Gesetzgeber habe das [X.] zur Bestellung einer Schlichtungsstelle für den Fall einer fehlenden Eini-gung der Parteien im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens
nach § 36 9
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Abs.
3 [X.] bewusst
beim [X.] als einziger zuständiger Instanz konzentriert. Dem widerspräche es, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen eines Schlichtungsverfahrens in einem weiteren Verfahren im üblichen Rechts-weg zu klären
wäre. Das [X.] habe daher im Rahmen des [X.]s zur Bestellung einer Schlichtungsstelle
selbst zu prüfen, ob die Voraus-setzungen eines Schlichtungsverfahrens vorliegen. Dabei habe es sich aller-dings
auf eine Offensichtlichkeitsprüfung zu beschränken. Damit dringt die Rechtsbeschwerde nicht durch.
Das [X.] hat angenommen, der mit der Regelung des §
36a Abs. 3 [X.] verfolgte Zweck einer schnellen Bildung der Schlichtungs-stelle müsse zurücktreten, wenn die Parteien -
wie hier -
nicht nur über die Per-son des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer, sondern auch
über die Zuläs-sigkeit des Schlichtungsverfahrens
streiten und zur Klärung der
Frage der Zu-lässigkeit des Schlichtungsverfahrens
ein anderer Rechtsstreit anhängig ist. Mit dieser Beurteilung hat das [X.] die Grenzen des Ermessens nicht überschritten.

Es besteht aus Gründen der [X.] und der Rechtssicherheit ein berechtigtes Interesse daran, Zweifel an der Zulässigkeit eines
Schlich-tungsverfahrens nicht nur möglichst frühzeitig, sondern auch rechtlich verbind-lich zu klären. Es liegt auf der Hand, dass eine möglichst frühzeitige Feststel-lung der Unzulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens die Parteien vor unnöti-gen Kosten (vgl. § 36a Abs. 6 [X.]) und Mühen bewahrt. Eine rechtlich ver-bindliche Feststellung der Unzulässigkeit eines Schlichtungsverfahrens kann darüber hinaus verhindern, dass die in einem solchen Verfahren
aufgestellte gemeinsame [X.]
in Rechtsstreitigkeiten
über eine angemessene Vergütung (§
32
[X.]) Wirkungen
entfaltet.

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Kommt es zu einem solchen Rechtsstreit, ist eine nach einer gemeinsa-men [X.] ermittelte Vergütung nach § 32 Abs. 2
Satz 1 [X.] als angemessen
anzusehen. Das Gericht soll in einem derartigen Rechtsstreit nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. Begründung zur Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucks. 14/8058, [X.]) sogar einen
Einigungs-vorschlag der Schlichtungsstelle, dem widersprochen worden ist
(vgl. § 36 Abs. 4 [X.]),
als Indiz zur Bestimmung der Angemessenheit einer Vergütung her-anziehen können. Diese Wirkungen treten allerdings nicht ein, wenn das Schlichtungsverfahren unzulässig war (vgl. [X.]
in Dreyer/[X.]/[X.], [X.], 2. Aufl.,
§ 36 [X.] Rn. 15). Eine gemeinsame [X.], die von Parteien aufgestellt worden ist, die hierzu nicht berechtigt waren, kann in einem Rechtsstreit über eine angemessene Vergütung weder eine Bin-dungswirkung noch eine Indizwirkung entfalten.

Es kann offenbleiben, ob das [X.] im Rahmen des Verfah-rens zur Bestellung eines Vorsitzenden der Schlichtungsstelle oder der Be-stimmung der Anzahl der Beisitzenden nach § 36a Abs. 3 [X.] zu prüfen hat, ob das
Schlichtungsverfahren zulässig ist
(vgl. [X.] in [X.]/[X.], [X.], 3. Aufl., § 36 [X.] Rn. 26; [X.], [X.] 2006, 914, 916 ff.; [X.], [X.] 2007, 249, 255 f.). Desgleichen kann dahinstehen, ob das Oberlan-desgericht
sich dabei gegebenenfalls auf eine kursorische Prüfung auf offen-sichtliche Unzulässigkeit beschränken darf (vgl. KG, [X.] 2005, 229
f.)
oder ob es die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens umfassend und eingehend [X.] muss
([X.]/Haedicke in Schricker/Loewenheim, [X.], 4. Aufl., §
36a [X.] Rn. 9; [X.], [X.] 2006, 914). Eine inzidente Prüfung der [X.] des Schlichtungsverfahrens durch das [X.] vermag
jedenfalls das rechtliche Interesse an einer rechtskräftigen Feststellung der Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens nicht zu beseitigen. Das [X.] ist nicht befugt, mit bindender Wirkung über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Schlichtungsverfahrens zu befinden
(vgl. KG, [X.] 2005, 229, 230; [X.] 15
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in [X.]/[X.],
[X.], 10. Aufl., § 36 [X.] Rn. 45; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 36 [X.] Rn. 26;
Haberstumpf in Büscher/Ditt-mer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, [X.], Medienrecht, 2. Aufl., §
36a [X.] Rn. 2). Es ist allein berufen, über die Person
des Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer zu entscheiden (§ 36a Abs. 3 [X.]). Selbst wenn es im Rahmen dieser Entscheidung die Zulässigkeit des Schlichtungsverfahrens zu prüfen hätte, könnte das Ergebnis dieser Prüfung daher keine Rechtskraft er-langen.

Es kann daher nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass das [X.] von einer eigenen Prüfung der Zulässigkeit
des Schlich-tungsverfahrens abgesehen und das Verfahren bis zum
rechtskräftigen Ab-schluss des Rechtsstreits beim [X.] ausgesetzt hat. Durch die Aussetzung des Verfahrens wird zwar die Entscheidung über die Besetzung der Schlichtungsstelle
verzögert. Das ist
aber hinzunehmen,
weil dadurch be-reits zu Beginn des Verfahrens rechtskräftig über die Zulässigkeit
des Schlich-tungsverfahrens entschieden werden kann. Eine solche
Entscheidung dient auch im Blick auf mögliche Rechtsstreitigkeiten über die angemessene Vergü-tung der [X.] und der Rechtssicherheit
(vgl. [X.], [X.] 2006, 914, 918).
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II[X.] Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des [X.]s
auf Kosten des Antragstellers (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuwei-sen. Das Rechtsbeschwerdegericht trifft nur dann keine Kostenentscheidung, wenn das gegen die Anordnung der Verfahrensaussetzung gerichtete [X.] begründet ist (vgl. [X.], Beschluss vom 1.
Juni 2006 -
IX
ZB
33/04, [X.], 1268).

Büscher
Pokrant
Kirchhoff

Koch
Löffler
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 15.07.2010 -
34 [X.] 14/09 -

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Meta

I ZB 64/10

22.06.2011

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.06.2011, Az. I ZB 64/10 (REWIS RS 2011, 5524)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5524

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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