Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.12.2023, Az. 6 AZR 155/21 (B)

6. Senat | REWIS RS 2023, 8872

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Gegenstand

Massenentlassung - Aussetzung


Tenor

Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des [X.] des [X.] über die Anfrage des [X.] des [X.] im Verfahren - 6 [X.] ([X.]) - ausgesetzt.

Gründe

1

A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer im Rahmen einer Massenentlassung erklärten ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des seit 1981 bei der Schuldnerin beschäftigten [X.].

2

Auf Antrag der Schuldnerin eröffnete das Insolvenzgericht mit [X.]eschluss vom 1. Oktober 2019 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin in Eigenverwaltung und bestellte den [X.]eklagten zum Sachwalter. Mit [X.]eschluss vom 29. Mai 2020 hob das Insolvenzgericht die Eigenverwaltung auf und bestellte den [X.]eklagten zum Insolvenzverwalter.

3

Infolge der am 17. Januar 2020 beschlossenen vollständigen Einstellung ihres Geschäftsbetriebs spätestens zum 30. April 2020 übermittelte die Schuldnerin dem [X.]etriebsrat am gleichen Tag den Entwurf eines Interessenausgleichs, der die Kündigung sämtlicher Mitarbeiter der Schuldnerin zum Gegenstand hatte. Ausweislich dessen Regelungen sollten mit den Interessenausgleichsverhandlungen die aufgrund der beabsichtigten Massenentlassung erforderlichen Konsultationen mit dem [X.]etriebsrat verbunden und durchgeführt werden. Entgegen Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 98/59/[X.] (im Folgenden [X.]) sowie § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] übermittelte die Schuldnerin der zuständigen [X.] keine Abschrift der Mitteilung an den [X.]etriebsrat.

4

Am 22. Januar 2020 einigten sich die [X.]etriebsparteien auf einen Interessenausgleich mit Namensliste sowie einen Sozialplan. Der [X.]etriebsrat erklärte in seiner abschließenden Stellungnahme gleichen Tages, dass er keine Möglichkeiten sehe, die beabsichtigten Entlassungen zu vermeiden.

5

Nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige am 23. Januar 2020 kündigte die Schuldnerin ua. das Arbeitsverhältnis des [X.] mit Schreiben vom 28. Januar 2020 zum 30. April 2020. Hiergegen hat der Kläger fristgerecht Kündigungsschutzklage erhoben.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei ua. deshalb unwirksam, weil es aufgrund der unterbliebenen Übermittlung einer Abschrift der das [X.] mit dem [X.]etriebsrat einleitenden Mitteilung an die [X.] an einer wirksamen Massenentlassungsanzeige fehle.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Schuldnerin vom 28. Januar 2020 nicht zum 30. April 2020 aufgelöst worden ist.

8

Der [X.]eklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hält die Kündigung für wirksam. Insbesondere führe ein Verstoß gegen die Übermittlungspflicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das vom Kläger angestrengte Revisionsverfahren hat der Senat mit [X.]eschluss vom 27. Januar 2022 (- 6 [X.] (A) -) ausgesetzt und den [X.] - [X.] - nach Art. 267 AEUV um Vorabentscheidung über die Frage ersucht, welchem Zweck Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der [X.] dient. Diese hat der [X.] mit Urteil vom 13. Juli 2023 (- [X.]/22 -) beantwortet.

Mit [X.]eschluss vom 14. Dezember 2023 hat der Sechste Senat in dem Verfahren - 6 [X.] ([X.]) - eine Anfrage an den [X.] des [X.]undesarbeitsgerichts gestellt, ob dieser an seiner Rechtsprechung festhalte, wonach ein Fehler im Anzeigeverfahren gemäß § 134 [X.]G[X.] zur Unwirksamkeit der Kündigung des betroffenen Arbeitnehmers führe.

[X.]. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des [X.]s des [X.]undesarbeitsgerichts über die Anfrage des [X.] im Verfahren - 6 [X.] ([X.]) - in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO ausgesetzt. Gegenstand der Anfrage ist die Rechtsprechung des [X.]s des [X.]undesarbeitsgerichts, wonach die den Arbeitgeber im Anzeigeverfahren obliegenden Pflichten, überhaupt eine Anzeige zu erstatten, gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2, Satz 3 [X.] die Stellungnahme des [X.]etriebsrats beizufügen bzw. den Stand der [X.]eratungen mit dem [X.]etriebsrat darzulegen sowie in die Anzeige die sog. Muss-Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 4 [X.] aufzunehmen, Verbotsgesetze iSd. § 134 [X.]G[X.] sind, deren Verletzung zur Unwirksamkeit einer im Rahmen der Massenentlassung erklärten Kündigung führt. An dieser Rechtsprechung, die auch dieser Senat seinen bisherigen Entscheidungen zugrunde gelegt hat, möchte er nicht festhalten, da er - wie in der Anfrage ausgeführt - das Sanktionssystem für Fehler im Anzeigeverfahren insgesamt für inkohärent und unverhältnismäßig hält. Zwar gehört die [X.]estimmung des Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 2 der [X.], dessen nationaler Umsetzung § 17 Abs. 3 Satz 1 [X.] dient, zu Teil II der Richtlinie, der das [X.] regelt ([X.] 13. Juli 2023 - [X.]/22 - [G GmbH] Rn. 28). Die Anfrage des [X.] nimmt jedoch auch die Rechtsfolgen für Fehler im [X.] in den [X.]lick. Die [X.]eantwortung der Anfrage kann sich daher auch auf die Entscheidung des [X.] im vorliegenden Verfahren auswirken.

        

    Spelge    

        

    Wemheuer    

        

    Heinkel    

        

        

        

    Dr. Rönnau    

        

    [X.]    

                 

Meta

6 AZR 155/21 (B)

14.12.2023

Bundesarbeitsgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Osnabrück, 16. Juni 2020, Az: 1 Ca 79/20, Urteil

§ 45 Abs 3 S 1 ArbGG, § 17 Abs 3 S 2 KSchG, § 17 Abs 3 S 3 KSchG, § 17 Abs 3 S 4 KSchG, § 134 BGB, Art 2 Abs 3 UAbs 2 EGRL 59/98

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14.12.2023, Az. 6 AZR 155/21 (B) (REWIS RS 2023, 8872)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 8872

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