Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2004, Az. X ZR 272/02

X. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3707

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[X.]BESCHLUSS [X.]
vom 6. April 2004 in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja

ZPO §§ 148, 543 Abs. 2, 544; [X.] §§ 81 ff.

[X.]

Ist ein Patentnichtigkeitsverfahren anhängig, kann im Patentverletzungsrechts-streit die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Nichtzulassung der Revision bis zur Entscheidung in dem Patentnichtigkeitsverfahren ausgesetzt werden.

[X.], [X.]. v. 6. April 2004 - [X.] - [X.] [X.]

- 2 - [X.] [X.] hat am 6. April 2004 durch [X.] [X.], [X.] Scharen, [X.], [X.]in [X.] und [X.] [X.]

beschlossen:

Die Entscheidung über die Beschwerde der Beklagen gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das am 14. November 2002 verkündete Urteil des [X.] wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die unter dem [X.]. 4 Ni 17/03 beim [X.] anhängige Nichtigkeitsklage ausgesetzt.

Gründe:

[X.] Die Klägerin ist eingetragene Inhaberin des [X.] (Klagepatents), das auf einer Anmeldung vom 8. Dezember 1992 beruht, mit der eine [X.] Priorität vom 30. Januar 1992 in Anspruch ge-nommen worden ist.
Patentanspruch 1 des in der [X.] erteilten Klage-patents lautet wie folgt: - 3 - "[X.] für [X.] einer
Druckmaschine, mit folgenden Merkmalen:
1.1. Es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrich-tungen vorgesehen, von welchen eine eine [X.] (120, 146, 142, 184, 174, 162, 138, 134, 132) zum Aufbringen von temperiertem [X.] (124) auf den betreffenden [X.] (6, 122) der Druckmaschine und die andere eine [X.] (2, 107, 80, 82, 85, 88, 91) zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kalt-wasser und der Oberfläche des betreffenden [X.]s (6, 107) der Druckmaschine ist;
1.2. die [X.] enthält einen ersten [X.] (132) für das [X.] (124);
1.3. die [X.] enthält einen zweiten Vorrats-behälter (80) für das Kaltwasser (130);
1.4. eine Kühlanlage (190) mit einem einzigen Kälteerzeuger (192, 194, 196, 202, 204, 208) zur Kühlung von Kältemittel und mit einer Wärmeaustauschervorrichtung (82, 83, 84, 88, 93 und 140, 180, 162, 139, 138, 158, 174, 176) zum Wärmeaustausch zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem [X.] (124) sowie zwischen dem Kältemittel des Kälte-erzeugers und dem Kaltwasser (130); - 4 - 1.5. Mittel (66, 82, 86, 114, 138, 146, 184) zum [X.] Um-schalten zwischen der Betriebsart '[X.]-Offsetdruck' unter Verwendung der [X.] mit
oder ohne gleichzeitige Kühlung durch die [X.] und der Betriebsart 'wasserloser Offsetdruck' unter Verwendung der [X.] ohne gleich-zeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die [X.]."
Die Beklagte stellt in der [X.] her und vertreibt hier sogenannte [X.] für Druckmaschinen. Zwei Aus-führungsformen dieser Geräte hält die Klägerin für patentverletzend. Beide Aus-führungsformen weisen keine Mittel für eine Blasluftkühlung auf; im [X.] haben sie jeweils ein Ausdehnungsgefäß.
Das [X.] hat die auf Unterlassung, Rechnungslegung sowie Feststellung einer Entschädigungs- und Schadensersatzpflicht gerichtete Pa-tentverletzungsklage abgewiesen, weil es Patentanspruch 1 entnommen hat, die beanspruchte [X.] verlange ihrerseits eine zweifa-che Kühlung, nämlich sowohl die Kühlung der Farbauftragswalzen als auch mit-tels gekühlter Blasluft die Kühlung des [X.]. Das ergebe sich aus der in der Beschreibung des Klagepatents genannten Aufgabenstellung, daraus, daß übereinstimmend mit der Aufgabenformulierung auch in den [X.] als zur Auswahl des Anwenders stehend drei Kühlungsarten [X.] seien, und ferner aus dem Umstand, daß das betreffende Merkmal nicht dahingehend formuliert sei, daß zwei Kühlvorrichtungen vorgesehen seien, von denen die eine eine [X.] und die andere [X.] - richtung eine [X.] sei. Der sich hieraus ergebende [X.] habe seinen Niederschlag in Patentanspruch 1 aber auch insoweit ge-funden, als im Zusammenhang mit der geforderten [X.] ausdrücklich sowohl auf die [X.] (2), welche die Blasluftkühlvorrichtung identifiziere, als auch auf die [X.] (107) verwiesen sei, mit der die ge-kühlten Farbauftragswalzen bezeichnet seien.
Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] mit Urteil vom 14. November 2002 das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, weil Patentanspruch 1 insgesamt nur (mindestens) zwei Kühlungsarten voraussetze und bei den angegriffenen Vorrichtungen in Form des Ausdehnungsgefäßes auch der ferner erforderliche Vorratsbehälter vorhanden sei. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Hiergegen wendet sich nunmehr die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
Die Beklagte hat mit [X.] vom 30. April 2003 Nichtigkeitsklage er-hoben. Hierin hält sie dem Klagepatent unter anderem als offenkundig vorbe-nutzt ein Temperierungssystem mit einer Kälteanlage entgegen. Außerdem macht sie den [X.] der unzulässigen Erweiterung geltend. Sie macht sich das Verständnis des [X.]s vom Sinngehalt des [X.] des Klagepatents zu eigen. Bei diesem Sinngehalt sei die [X.] erweitert worden, weil nach ihrem Inhalt stets eine Blasluft-kühlvorrichtung gegeben sein müsse.
Die Beklagte beantragt im Hinblick auf die Nichtigkeitsklage, - 6 - das Verfahren bis zu deren rechtskräftiger Entscheidung auszuset-zen.

Die Klägerin tritt diesem Aussetzungsantrag ebenso wie der Nichtzulas-sungsbeschwerde entgegen.
I[X.] 1. Das Klagepatent betrifft den Bereich der Kühlung (Temperierung) beim [X.]. Beim Offsetdruck unterscheidet man prinzipiell zwei Arten, den [X.]-Offsetdruck und den wasserlosen Offsetdruck. Beim [X.]-Offsetdruck wird das [X.] zur Kühlung auf be-stimmte Bereiche der Oberfläche der Druckplatte aufgebracht. Beim wasserlo-sen Offsetdruck durchströmt Kaltwasser als Kühlflüssigkeit die Farbauftrags-walzen. Die Kühlung der Druckfarben und der Oberfläche der Druckplatte ge-schieht durch Wärmeaustausch. Zusätzlich kann beim wasserlosen Offsetdruck die Oberfläche der Druckplatte mit Kaltluft gekühlt werden, die ihrerseits vom Kaltwasser gekühlt sein kann.
Patentanspruch 1 des Klagepatents verlangt nach der Merkmalsgliede-rung des [X.]s bei einem [X.] für [X.] einer Druckmaschine folgende Merkmale:

1. Es sind mindestens zwei verschiedene Arten von Kühlvorrich-tungen vorgesehen, von welchen a) die eine Kühlvorrichtung eine [X.] zum Aufbringen von temperiertem - 7 - [X.] auf den betreffenden [X.] der Druckmaschine und
b) die andere Kühlvorrichtung eine [X.] zum Wärmeaustausch zwischen temperiertem Kaltwasser und der Oberfläche des betreffenden [X.]s der [X.] ist.
2. Die [X.] enthält einen ersten [X.] für das [X.].
3. Die [X.] enthält einen zweiten [X.] für das Kaltwasser.
4. Eine Kühlanlage weist auf
a) einen einzigen Kälteerzeuger zur Kühlung von Kältemittel und
b) eine Wärmetauschervorrichtung zum Wärmeaustausch zwi-schen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem [X.] sowie zwischen dem Kältemittel des Kälteerzeugers und dem Kaltwasser.
5. Es sind Mittel vorgesehen zum [X.] Umschalten zwi-schen - 8 - a) der Betriebsart "[X.]-Offsetdruck" unter Verwendung der [X.] mit oder ohne gleich-zeitige Kühlung durch die [X.] und
b) der Betriebsart "wasserloser Offsetdruck" unter Verwendung der [X.] ohne gleichzeitiges Auftragen von Feuchtmittel durch die [X.].
2. Auf den Aussetzungsantrag der Beklagten hin ist die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde auszusetzen.
a) Bereits die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Nichtzu-lassung der Revision gegen ein Urteil in einem Patentverletzungsprozeß kann ausgesetzt werden.
Im [X.] ist eine Aussetzung nach § 148 ZPO wegen eines anhängigen Patentnichtigkeitsverfahrens auch noch während des [X.] zulässig ([X.], [X.]. v. 08.10.1957 - I ZR 164/56, [X.], 75 - Tonfilmwand), weil auch im [X.] jede Ände-rung der Patentlage zu berücksichtigen ist ([X.] 81, 397 - Verbauvorrichtung) und im Falle einer rechtskräftigen Nichtigerklärung des Klagepatents auch eine bisher erfolgreiche Verletzungsklage ohne weiteres abweisungsreif ist ([X.], [X.]. v. 28.03.1963 - [X.], [X.] 1963, 494 - [X.]). Dabei galt nach der Rechtsprechung des [X.]ats zu § 554 b Abs. 1 ZPO in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, daß die Aussetzung eines Pa-tentverletzungsprozesses im Revisionsverfahren wegen der Vorgreiflichkeit der Entscheidung im Patentnichtigkeitsverfahren die Entscheidung über die [X.] - nahme der Revision oder deren Ablehnung offen läßt ([X.] 81, 397 - Verbau-vorrichtung). Die Aussetzung des [X.]s nach § 148 ZPO durch den [X.]at war also vor dessen Entscheidung über die Annahme der Revision zulässig ([X.] 81, 397, 399 - Verbauvorrichtung). Diese Möglichkeit zu nutzen, war auch sachgerecht, weil hierdurch in prozeßwirtschaftlicher [X.] die Entstehung widerstreitender Rechtstitel zu verhindern ist (vgl. Busse, [X.], 6. Aufl., § 140 Rdn. 18 m.w.N.).
Die Neuordnung des [X.] gibt keine Veranlassung, in [X.] von dieser sachgerechten Praxis eine Aussetzung des Patentverlet-zungsrechtsstreits erst nach der nunmehr geforderten Entscheidung über die Zulassung der Revision auszusprechen. Es liegt vielmehr im Sinn der Zulas-sungsrevision, daß der [X.]at auch die Entscheidung über die Nichtzulassungs-beschwerde nach § 544 ZPO in einem [X.] aussetzen kann, obwohl es sich bei dem Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde - anders als es beim bisherigen sog. [X.] war ([X.] 81, 397, 399 - Verbauvorrichtung) - um ein eigenständiges Verfahren handelt, an das sich nur im Falle der Zulassung als weiteres Verfahren das [X.] anschließt.
Der [X.] ist durch die Bindung des Richters an das erteilte Patent gekennzeichnet ([X.].[X.]. v. 12.11.2002 - [X.], [X.] 2003, 550 - Richterablehnung). Trotz anhängigen Patentnichtigkeitsver-fahrens müßte die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde deshalb nach Maßgabe der bestehenden Patentlage getroffen werden. Erscheint aus diesem Grund eine Nichtzulassung der Revision geboten, droht ein Wider-spruch des zu treffenden [X.]usses mit der Nichtigerklärung des Patents, die - 10 - in dem Patentnichtigkeitsverfahren ausgesprochen werden kann. Dies stünde nicht im Einklang mit dem Interesse an der Vermeidung widerstreitender Ent-scheidungen, das in dem Revisionsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zum Ausdruck kommt und auch ein Grund für die Regelung in § 148 ZPO ist. Diesem Interesse kann andererseits durch eine Zulassung der Revision wegen des anhängigen Patentnichtigkeitsverfahrens nicht sachgerecht genügt werden, weil diese das Revisionsverfahren auch für den Fall eröffnete, daß die Nichtigkeitsklage abgewiesen wird, es also bei der im Nichtzulassungs-beschwerdeverfahren maßgeblichen Patentlage bleibt. Das widerspräche dem gerade auch durch § 148 ZPO zum Ausdruck kommenden Gebot der Prozeß-ökonomie, wenn auf der Grundlage der bestehenden Patentlage ein Zulas-sungsgrund nicht besteht.
Der [X.]at leitet aus dieser, sich aus Besonderheiten des geltenden [X.] ergebenden Sachlage die Anwendbarkeit dieser Vorschrift, ferner aber auch ab, daß in Fällen, in denen Patentnichtigkeitsverfahren und Patent-verletzungsrechtsstreit parallel geführt werden, in letzterem auf zulässige Nicht-zulassungsbeschwerde hin die Revision zuzulassen ist, wenn das den [X.] zugrundeliegende Patent ganz oder teilweise für nichtig erklärt worden ist und diese Entscheidung Auswirkung auf diejenige im Verletzungsrechtsstreit haben kann.
b) Die mit der Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung, die bei der nach § 148 ZPO zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen ist ([X.], [X.]. v. 07.05.1992 - [X.], [X.], 1083 m.w.N.), bildet im Streitfall keinen Grund, die beantragte Maßnahme abzulehnen, obwohl die Beklagte die Nichtigkeitsklage erst nach Abschluß der Tatsacheninstanzen [X.] 11 - geleitet hat (vgl. zu Fällen dieser Art [X.], [X.]. v. 08.10.1957 - I ZR 164/56, [X.], 75 - Tonfilmwand). Denn angesichts der Auslegung des [X.] durch das [X.] ist die Nichtigkeitsklage jedenfalls we-gen des geltend gemachten [X.]s der unzulässigen Erweiterung erfolgversprechend und kann ihre Erhebung nicht als bloße Maßnahme der Verzögerung des [X.] angesehen werden.

[X.] Scharen [X.]

[X.] [X.]

Meta

X ZR 272/02

06.04.2004

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.04.2004, Az. X ZR 272/02 (REWIS RS 2004, 3707)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3707

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