Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2021, Az. B 2 U 12/19 R

2. Senat | REWIS RS 2021, 7852

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Gesetzliche Unfallversicherung - Beendigung eines Anspruchs auf Verletztengeld - Übergangsgeld - Zahlung eines Zwischen-Übergangsgelds im Zeitraum zwischen Beendigung einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben und Beginn einer weiteren Maßnahme - Verletztenrentenzahlung - Einrede der Verjährung - Ermessensausübung


Leitsatz

1. Endet der Anspruch auf Verletztengeld wegen der Zahlung von Übergangsgeld während einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, ist nach deren Ende und vor Beginn einer weiteren Maßnahme nicht Verletztengeld, sondern Übergangsgeld weiterzuzahlen.

2. Der Anspruch auf Verletztengeld endet nicht allein deshalb, weil für denselben Zeitraum eine Verletztenrente bewilligt und gezahlt wird.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Juli 2019 geändert.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2015 geändert, soweit es dem Kläger Verletztengeld für den Zeitraum vom 15. August 2007 bis 28. August 2011 zugesprochen hat. Die Klage wird insofern abgewiesen.

Soweit das [X.] auf die Anschlussberufung des [X.] das Urteil des [X.] geändert und dem Kläger Verletztengeld vom 25. Mai 2006 bis 31. Oktober 2006 zugesprochen hat, wird die Revision der Beklagten zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger ein Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Verletztengeld ([X.]) für die [X.] vom 25.5. bis 31.10.2006 und vom [X.] bis 28.8.2011.

2

Der Kläger erlitt im Jahre 2004 während seiner Tätigkeit als Fleischer einen Arbeitsunfall mit Bewegungseinschränkungen am rechten Arm, weshalb er diesen Beruf nicht mehr ausüben kann. Die beigeladene [X.] gewährte ihm bis einschließlich 24.5.2006 [X.]. Danach bewilligte sie ihm ab 25.5.2006 eine Verletztenrente ([X.]) als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von [X.], die vom 25.5. bis 31.10.2006 gezahlt wurde, sowie eine [X.] auf unbestimmte [X.] für die [X.] ab 1.3.2007 nach einer MdE von [X.] (Bescheid vom 17.7.2008) und für die [X.] ab 7.7.2009 nach einer MdE von [X.] (Bescheid vom [X.]). Ab 1.11.2006 förderte die Beigeladene zudem eine Weiterbildung des [X.] zum Fachassistenten für [X.] als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben ([X.]). Hierfür erhielt der Kläger ab 1.11.2006 bis zum [X.] Übergangsgeld ([X.]). Die Tätigkeit als Fachassistent für [X.] konnte er aufgrund seiner Schulterverletzung nicht ausüben. Ab [X.] war der Kläger arbeitslos gemeldet und erhielt Arbeitslosengeld.

3

Im Jahre 2008 beantragte der Kläger sodann eine berufsqualifizierende Rehabilitationsmaßnahme zum Lebensmittelkontrolleur. Die Beigeladene lehnte dies zunächst ab. Erst nach Durchführung eines erfolgreichen Klageverfahrens bewilligte die nach Überweisung des Unfallbetriebs nunmehr zuständige Beklagte dem Kläger die Teilnahme an einem Meisterkurs an einer Fleischerfachschule. Ab dem 29.8.2011 bewilligte die Beklagte ihm hierfür auch [X.].

4

Der Kläger beantragte am 8.3.2011 bei der Beklagten die Zahlung von [X.] rückwirkend ab Mai 2006. Dies lehnte die Beklagte zunächst ab, weil die Einstellung des [X.] im Mai 2006 zu Recht erfolgt sei (Schreiben vom 9.5.2011). Sie bewilligte dem Kläger dann nur für den [X.]raum vom [X.] bis 28.8.2011 Zwischen-[X.] in Höhe von 47,32 Euro kalendertäglich (Bescheid vom 2.12.2011). Der Widerspruch, mit dem der Kläger die Zahlung des [X.] auch für die [X.] vom 1.5.2006 bis 28.8.2011 - teilweise an Stelle des bereits bewilligten [X.] - begehrte, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5.3.2012).

5

Der Kläger hat mit seiner Klage die Abänderung des Bescheids vom 2.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.3.2012 sowie die Zahlung von [X.] unter Anrechnung gezahlten [X.] für die [X.] vom 25.5. bis 31.10.2006 sowie vom [X.] bis 28.8.2011 begehrt. Das [X.] hat durch Urteil vom 21.10.2015 die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide verpflichtet, dem Kläger [X.] für die [X.] vom [X.] bis 28.8.2011 unter Anrechnung des gezahlten [X.] zu gewähren. Die Klage für den [X.]raum vom 25.5. bis 31.10.2006 hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das [X.] ausgeführt, ein Anspruch auf [X.] habe für den gesamten Klagezeitraum bestanden, weil die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit zunächst bis zum Beginn der Ausbildung zum Fachassistenten für [X.] und auch darüber hinaus bestanden habe. Ein Beendigungstatbestand für die Zahlung des [X.] nach § 46 Abs 3 [X.]B VII habe nicht vorgelegen. Auch aus § 51 Abs 1 [X.]B IX (aF) folge, dass [X.] weiterzuzahlen sei. Für das [X.] sei [X.] allerdings nicht zu zahlen, weil bei entsprechender Anwendung des § 44 Abs 4 [X.]B X wegen des erst am 8.3.2011 gestellten Antrags das [X.] frühestens ab 1.1.2007 zu gewähren sei.

6

Die Beklagte hat gegen das Urteil des [X.] Berufung und der Kläger später Anschlussberufung eingelegt. Das L[X.] hat das Urteil des [X.] geändert und die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger auch für den [X.]raum vom 25.5. bis 31.10.2006 [X.] zu zahlen. Die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen (Urteil vom 13.7.2016). Das B[X.] hat auf die Revision der Beklagten dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das L[X.] zurückverwiesen, weil der Berichterstatter am L[X.] gemäß § 155 Abs 3 und 4 [X.]G verfahrensfehlerhaft allein über den Rechtsstreit entschieden hatte (Urteil vom 6.9.2018 - B 2 U 3/17 R - juris).

7

Das L[X.] hat sodann nach erneuter mündlicher Verhandlung das Urteil des [X.] vom 21.10.2015 geändert und die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger auch für den [X.]raum vom 25.5. bis 31.10.2006 [X.] zu zahlen. Die Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen (Urteil vom [X.]). Diese sei unbegründet, weil keiner der Beendigungstatbestände nach § 46 Abs 3 [X.]B VII vorliege. Zwar sei der Anspruch des [X.] auf [X.] für die [X.] ab 1.11.2006 bis [X.] zunächst beendet gewesen. Er sei jedoch für die anschließenden [X.]en, in denen er trotz fortbestehender Arbeitsunfähigkeit tatsächlich keine [X.] erhalten habe, nicht endgültig erloschen. Etwas anderes würde nur gelten, wenn es im Wortlaut des § 46 Abs 3 Satz 1 [X.]B VII hieße, dass der Anspruch auf [X.] mit der erstmaligen Entstehung des Anspruchs auf [X.] erlösche. [X.] Zweck des Gesetzes sei es, mit der Gewährung von [X.] gemäß § 49 [X.]B VII als eigenständige Leistung die Zahlung von [X.] auszuschließen und eine Abgrenzung zwischen den Entschädigungsleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewährleisten, nicht aber den Anspruch auf [X.] für [X.]räume ohne Anspruch auf [X.] endgültig zum Erlöschen zu bringen. Auch § 51 [X.]B IX aF, der § 71 [X.]B IX nF entspreche, schließe die Zahlung von [X.] nicht aus. Die Anschlussberufung des [X.] habe hingegen Erfolg. § 44 Abs 4 [X.]B X dürfe nicht entsprechend angewandt werden, denn eine für eine Analogie erforderliche planwidrige Lücke bestehe nicht. Die Beklagte könne zwar im Berufungsverfahren die Einrede der Verjährung erheben, dies habe sie jedoch ohne Ausübung des erforderlichen Ermessens getan.

8

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision insbesondere die Verletzung des § 46 Abs 3 Satz 1 Nr 2 [X.]B VII. Der nach dieser Vorschrift bereits beendete Anspruch auf [X.] lebe nicht nach Wegfall des gemäß § 49 [X.]B VII gezahlten [X.] wieder auf. Ein Wiederaufleben des Anspruchs auf [X.] sei zudem nicht mit § 51 [X.]B IX aF zu vereinbaren, weil dort die Weiterzahlung der Leistungen nach Beendigung der [X.] abschließend geregelt sei. Es sei lediglich ein (Zwischen-)[X.] zu zahlen. Würde man mit dem L[X.] den Anspruch auf [X.] wieder aufleben lassen, so würde der Kläger zeitgleich und systemwidrig für einen erheblichen [X.]raum in der Vergangenheit [X.] und [X.] erhalten. Dass dies nicht so gewollt sein könne, folge auch aus § 74 Abs 2 [X.]B VII.

9

Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des [X.] vom 11. Juli 2019 aufzuheben, das Urteil des [X.] vom 21. Oktober 2015 zu ändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Berufung des [X.] zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des L[X.] für zutreffend.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich nicht in der Sache geäußert.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 [X.]G) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.] ist zum überwiegenden Teil begründet.

Das [X.] hat die Berufung der [X.] zu Unrecht zurückgewiesen, soweit das [X.] die Beklagte verurteilt hat, unter Abänderung des Bescheids vom 2.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.3.2012, dem Kläger [X.] (unter Anrechnung des bereits gezahlten [X.]) für die [X.] vom [X.] bis 28.8.2011 zu zahlen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf [X.] für diesen zwischen den beiden Weiterbildungsmaßnahmen liegenden [X.]raum. Der für den [X.]raum vom [X.] bis 28.8.2011 die Zahlung von [X.] ablehnende Bescheid der [X.] vom 2.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.3.2012 ist entgegen der Rechtsansicht des [X.] rechtmäßig. Auf die Berufung der [X.] war daher insoweit das Urteil des [X.] zu ändern und die Klage insofern abzuweisen (dazu 1.).

Zu Recht hat dagegen das [X.] auf die [X.]berufung des [X.] unter Abänderung des Urteils des [X.] und der Bescheide der [X.] diese verurteilt, dem Kläger auch für die [X.] vom 25.5. bis [X.] [X.] zu zahlen. Für diesen [X.]raum bestand weiterhin ein Anspruch des [X.] auf Zahlung von [X.]. Insoweit war die Revision der [X.] zurückzuweisen (dazu 2.).

1. Das [X.] hat die zulässige Berufung der [X.] gegen das Urteil des [X.], soweit dieses der Klage stattgegeben hat, zu Unrecht zurückgewiesen. Das [X.] hat zu Unrecht unter Abänderung des Bescheids vom 2.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.3.2012 die Beklagte zur Zahlung von [X.] (unter Anrechnung des bereits gezahlten [X.]) für die [X.] vom [X.] bis 28.8.2011 verurteilt. Im [X.]raum nach Beendigung der ersten Weiterbildungsmaßnahme ab [X.] bis zum Beginn der zweiten [X.] am 29.8.2011 hatte der Kläger keinen Anspruch auf [X.]. Er hatte in diesem [X.]raum vielmehr lediglich einen Anspruch auf [X.] - wie von der [X.] auch bewilligt.

[X.] wird gemäß § 45 Abs 1 [X.]B VII erbracht, wenn der Versicherte infolge eines Unfalls ua arbeitsunfähig ist ([X.] 1) und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf die in [X.] 2 genannten Leistungen hatte. Es wird nach § 45 Abs 2 Satz 1 [X.]B VII auch erbracht, wenn [X.] erforderlich sind ([X.] 1), sich die Maßnahme nicht unmittelbar an die Heilbehandlung aus von dem Versicherten nicht zu vertretenden Gründen anschließt ([X.] 2), er seine bisherige Tätigkeit nicht wieder aufnehmen kann oder eine andere ihm zumutbare Tätigkeit ihm nicht vermittelt werden kann ([X.] 3) und er unmittelbar vorher Anspruch auf die in § 45 Abs 1 [X.] 2 [X.]B VII genannten Leistungen hatte ([X.] 4). Nach § 45 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII wird in diesem Fall [X.] bis zum Beginn der [X.] gewährt. Das [X.] endet gemäß § 46 Abs 3 Satz 1 [X.]B VII mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit oder der Verhinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme ([X.] 1) bzw dem Tag, der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf [X.] besteht ([X.] 2). Darüber hinaus endet das [X.] gemäß § 46 Abs 3 Satz 2 [X.]B VII, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist und [X.] nicht zu erbringen sind.

Im hier streitigen [X.]raum vom [X.] bis 28.8.2011 bestand kein Anspruch auf Zahlung von [X.]. Ein Anspruch auf [X.] hatte zwar bis zum [X.] bestanden (dazu unter a). Er war jedoch mit Entstehen des Anspruchs auf [X.] am 1.11.2006 und Beginn der [X.] erloschen (dazu unter b). Nach Beendigung der [X.] am [X.] entstand kein neuer Anspruch auf [X.], sondern es war ab [X.] bis zum 28.8.2011 lediglich weiter [X.] zu zahlen (dazu unter c).

a) Der Anspruch auf [X.] bestand zunächst bis zum [X.]. Der Kläger hatte im Juni 2004 als versicherter Beschäftigter einen von der Beigeladenen bzw deren Rechtsvorgängerin anerkannten Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 1 [X.]B VII erlitten. Er war nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) arbeitsunfähig. Seine vorherige Tätigkeit als Fleischer konnte er nicht mehr ausüben, sodass [X.] zu erbringen waren. Auch die Tätigkeit als Fachassistent für Fleischhygiene, für die er in der [X.] vom 1.11.2006 bis [X.] eine Weiterbildung begonnen hatte, konnte er nicht mehr ausüben, so dass eine weitere [X.] erforderlich war. Die Bewilligung einer weiteren [X.] verzögerte sich, weil die Beklagte diese zunächst (zu Unrecht) abgelehnt hatte. Diese Verzögerung war vom Kläger nicht zu vertreten. Der später als [X.] bewilligte Meisterkurs an einer Fleischerfachschule begann erst am 29.8.2011. Es ist nicht ersichtlich, dass die damals zuständige heutige Beigeladene mit einem bestandskräftigen Verwaltungsakt für die Beteiligten bindend die Einstellung des zunächst bis 24.5.2006 gezahlten [X.] verfügt hat und schon deshalb kein Anspruch mehr auf Zahlung von [X.] bestand. Insbesondere hatte die heutige Beigeladene als damals zuständiger Unfallversicherungsträger keine Entscheidung über die Einstellung des [X.] gemäß § 46 Abs 3 Satz 2 [X.]B VII getroffen, weil mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen und [X.] nicht zu erbringen seien (vgl zu diesem Erfordernis im Hinblick auf die erforderliche Prognose B[X.] Urteil vom 13.9.2005 - B 2 U 4/04 R - HVBG-Info 2006 [X.] 3 S 270). Auch der eine [X.] als vorläufige Entschädigung ab [X.] bewilligende Bescheid vom [X.] enthielt keine Regelung über eine Aufhebung des Anspruchs auf [X.]. Allein der Einstellung der tatsächlichen Zahlung des [X.] ist eine die Beteiligten bindende Regelung nicht zu entnehmen.

b) Einem Anspruch auf Zahlung des [X.] im hier streitigen [X.]raum nach Beendigung der ersten als [X.] bewilligten Weiterbildungsmaßnahme ab [X.] steht entgegen, dass der Anspruch auf [X.] spätestens an dem [X.], an dem er erstmals Anspruch auf [X.] hatte, nämlich am [X.], geendet hat. Nach § 45 Abs 2 Satz 2 [X.]B VII wird das [X.] bis zum Beginn der [X.] erbracht. Vom 1.11.2006 bis [X.] durchlief der Kläger eine geförderte [X.]. Gemäß § 49 [X.]B VII bestand damit für diesen [X.]raum ein Anspruch lediglich auf das ihm ausgezahlte [X.].

c) Nach dem Ende der ersten [X.] am [X.] entstand kein neuer Anspruch auf [X.], auch der vorherige Anspruch auf [X.] "lebte nicht wieder auf". Vielmehr hatte der Kläger ab [X.] bis 28.8.2011 lediglich einen Anspruch auf [X.]. § 46 Abs 3 Satz 1 [X.] 2 [X.]B VII geht davon aus, dass das [X.] mit dem Tag "endet", der dem Tag vorausgeht, an dem ein Anspruch auf [X.] entsteht. Eine eindeutige Regelungsabsicht hinsichtlich eines endgültigen Erlöschens des Anspruchs auf [X.] kann zwar damit dem Wortlaut der §§ 45, 46 [X.]B VII nicht entnommen werden (auch die Gesetzesmaterialien vgl BT-Drucks 13/2204 [X.] zu § 46 sind insofern nicht eindeutig). Allerdings findet sich auch keine eindeutige Regelung, aus der die Weiterzahlung bzw Weitergeltung des beendeten Anspruchs auf [X.] abgeleitet werden könnte. Der Gesamtzusammenhang der Normen der § 45 Abs 2 [X.] 1 [X.]B IX aF iVm § 49 [X.]B VII und § 51 [X.]B IX aF spricht vielmehr dafür, dass dann, wenn der Anspruch auf [X.] wegen der Zahlung von [X.] während einer [X.] geendet hat, nach dem Ende der [X.] lediglich wieder [X.] zu zahlen ist: Dies gilt jedenfalls immer dann, wenn - wie hier - eine weitere Maßnahme der beruflichen Rehabilitation erforderlich wird, also ein Zwischenzeitraum zwischen zwei [X.] überbrückt werden soll.

§ 51 [X.]B IX aF (idF des Art 1 des [X.] [X.]B - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19.6.2001, [X.] 1046, in [X.]), der dem nunmehr mit dem [X.] (vom 23.12.2016, [X.] 3234) eingefügten und ab 1.1.2018 geltenden § 71 [X.]B IX nF entspricht, bestimmte, dass dann, wenn nach Abschluss von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder von [X.] weitere [X.] zu erbringen sind, während derer dem Grunde nach Anspruch auf [X.] besteht und diese Leistungen aus nicht vom Versicherten zu vertretenden Gründen nicht unmittelbar im [X.] durchgeführt werden können, die bisher bezogenen Leistungen, nämlich [X.], [X.] oder [X.] weiterzuzahlen sind. Die Regelung stellt eine Ausnahme ua zu § 45 Abs 2 [X.] 1 [X.]B IX aF und § 49 [X.]B VII dar, nach denen unterhaltssichernde Leistungen nur während der Dauer der medizinischen Rehabilitation bzw der [X.] zu erbringen sind (vgl [X.] in jurisPK-[X.]B IX, 3. Aufl 2018, Stand 15.1.2018, § 71 Rd[X.] 8). Diese Leistungen sind nach § 51 [X.]B IX aF bzw § 71 [X.]B IX nF in den genannten Fallgestaltungen auch für Zwischenzeiten zwischen den Maßnahmen zu erbringen.

§ 51 [X.]B IX aF (bzw § 71 [X.]B IX nF) bestimmt aber nur, dass die zuvor gezahlte Leistung weitergezahlt wird. Wurde für die Maßnahme zuvor [X.] gezahlt, weil es sich um eine medizinische Reha-Maßnahme handelte, so wird [X.] weitergezahlt. Handelte es sich um eine [X.], für die nach § 49 [X.]B VII lediglich [X.] bewilligt werden konnte, so wird dieses [X.] gemäß § 51 [X.]B IX aF weitergezahlt. § 51 [X.]B IX aF bzw § 71 [X.]B IX nF beziehen sich mit der Rechtsfolgenanordnung des "[X.]" der jeweiligen Leistung klar auf den Inhalt der vorher bewilligten Maßnahme und der damit jeweils verbundenen Leistung. Nach Abschluss einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation ist also [X.], nach Abschluss einer [X.] ist [X.] weiterzuzahlen. § 51 [X.]B IX aF und nun § 71 [X.]B IX nF regeln damit lediglich, dass jeweils die zuletzt während der Rehabilitationsmaßnahme gezahlte Leistung weiterzuzahlen ist. Aus ihr kann aber nicht abgeleitet werden, dass ein bereits beendeter [X.]-Anspruch, an den sich ein [X.]-Anspruch anschloss, wieder auflebt. § 51 [X.]B IX aF bzw § 71 [X.]B IX nF gilt auch für [X.] der Unfallversicherungsträger, weil abweichende Regelungen im [X.]B VII nicht bestehen (vgl § 7 Abs 1 [X.]B IX). Dementsprechend hat die Beklagte dem Kläger zu Recht lediglich [X.] für den [X.]raum vom [X.] bis 28.8.2011 bewilligt.

2. Für den [X.]raum vom 25.5. bis zum [X.] bestand ein Anspruch des [X.] auf [X.]. Deshalb war die Entscheidung des [X.] insoweit nicht zu beanstanden. Die erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegte ([X.]-)Berufung war zulässig (dazu unter a). Sie war auch begründet, weil das [X.] zu Unrecht die Klage auf Zahlung von [X.] für den [X.]raum vom 25.5. bis [X.] abgewiesen hat (dazu unter b).

a) Die Berufung des [X.] war zulässig. Er hat nach Zustellung des Urteils des [X.] am 27.10.2015 zwar erst mit Schriftsatz vom [X.] und damit nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist (vgl § 151 Abs 1 [X.]G) Berufung gegen das Urteil des [X.] eingelegt. Obwohl der Kläger damit die Berufungsfrist versäumt hatte, war seine Berufung als [X.]berufung zulässig, denn sie betraf den gleichen prozessualen Anspruch wie die Berufung der [X.] (vgl hierzu zB B[X.] Urteil vom 23.1.2018 - B 2 U 4/16 R - B[X.]E 125, 120 = [X.]-2700 § 123 [X.] 3, Rd[X.] 10 mwN). Die auch im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich nach § 202 Satz 1 [X.]G iVm § 524 ZPO mögliche [X.]berufung (vgl zB B[X.] Urteil vom 13.3.1968 - 12 RJ 622/62 - B[X.]E 28, 31, 33 = [X.] [X.] 4 zu § 522a ZPO) ist kein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner - hier der Kläger - innerhalb des Rechtsmittels der Berufungsklägerin - hier der [X.] - an deren Rechtsmittel anschließt. Sie bietet die Möglichkeit, die von der Berufungsklägerin angefochtene Entscheidung des [X.] auch zu Gunsten des sich der Berufung [X.] ändern zu lassen, ohne dass insoweit eine Beschwer vorliegen müsste (vgl B[X.] Urteile vom 23.1.2018 - B 2 U 4/16 R - B[X.]E 125, 120 = [X.]-2700 § 123 [X.] 3, Rd[X.] 9 f mwN und vom 26.10.2017 - [X.] [X.] 12/16 R - [X.]-1750 § 524 [X.] 1 Rd[X.] 14 mwN).

Vorliegend begehrte der Kläger unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide der [X.] [X.] sowohl für den [X.]raum vom 25.5. bis [X.] als auch [X.] (an Stelle des bewilligten [X.]) für den [X.]raum vom [X.] bis 28.8.2011. Die begehrte Zahlung des [X.] betrifft damit denselben Klagegrund wie die Berufung der [X.]. Zu dem von den Beteiligten zur Entscheidung gestellten [X.] gehören die Folgen des Arbeitsunfalls mit möglicher Arbeitsunfähigkeit, die Beendigung der [X.]-Zahlung nach Gewährung einer [X.] ab [X.] sowie zusätzlich die zeitweilige Zahlung des [X.]. Die geltend gemachten Ansprüche auf Gewährung von [X.] in den [X.]räumen vom 25.5. bis [X.] und [X.] bis 28.8.2011 stützen sich auf diesen [X.].

b) Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von [X.] für den [X.]raum vom 25.5. bis zum [X.]. Nach den Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) waren die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf [X.] gemäß § 45 [X.]B VII gegeben. Der Anspruch des [X.] auf das [X.] hatte - wie oben ausgeführt - mit Ablauf des [X.] geendet. Entgegen der Auffassung der [X.] entfiel der Anspruch auf Auszahlung des [X.] nicht deshalb, weil für diesen [X.]raum auch eine [X.] bewilligt und gezahlt worden war (dazu im Folgenden unter aa). Der Zahlung von [X.] für diesen [X.]raum steht auch nicht die Regelung des § 44 Abs 4 [X.]B X entgegen (dazu im Folgenden unter bb). Die Einrede der Verjährung hat die Beklagte schließlich nicht wirksam erhoben (dazu im Folgenden unter cc).

aa) Entgegen der Auffassung der [X.] schloss die aufgrund der bindend gewordenen Bewilligung ab [X.] gezahlte [X.] den Anspruch auf Zahlung des [X.] nicht aus. Zwar regelt § 72 Abs 1 [X.] 1 [X.]B VII, dass Renten von dem Tag an gezahlt werden, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf [X.] endet. Grundsätzlich ist nach dieser Regelung die Zahlung von [X.] neben einer [X.] für den gleichen Versicherungsfall nicht vorgesehen. Den Gesetzesmaterialien zum [X.] ist allerdings zu entnehmen, dass durch die Regelung des § 72 Abs 1 [X.]B VII sichergestellt werden sollte, dass die Unfallversicherungsträger mit Beginn einer beruflichen Rehabilitation [X.] und [X.] zahlen können (vgl BT-Drucks 13/2204 [X.] zu § 72). Ein bestandskräftig ggf zu Unrecht festgestellter Anspruch auf [X.] schließt jedoch nicht die Zahlung von [X.] aus, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt sind. Vielmehr ist dann - soweit zulässig - der Bescheid über die Rentenbewilligung aufzuheben und sind [X.]-Leistungen zurückzufordern. Dass neben einem Anspruch auf [X.] auch ein Anspruch auf [X.] bestehen kann, zeigt die Regelung des § 49 [X.]B VII bei Wiedererkrankung. Auch in anderen Fallkonstellationen hat die Rechtsprechung den Anspruch auf Zahlung von [X.] neben [X.] nicht ausgeschlossen (vgl B[X.] Urteil vom [X.] U 7/18 R - [X.]-2700 § 72 [X.] 2 mwN).

bb) Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der Anspruch auf Zahlung des [X.] für den [X.]raum vom 25.5. bis [X.] nicht gemäß § 44 Abs 4 [X.]B X ausgeschlossen war. Nach dieser Vorschrift werden Sozialleistungen längstens für einen [X.]raum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird. Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Ein die Zahlung des [X.] ablehnender bzw die Zahlung einstellender Bescheid, der gemäß § 44 Abs 1 [X.]B X zurückgenommen werden könnte bzw müsste, ist hier für den fraglichen [X.]raum ab dem [X.] überhaupt nicht ergangen. Soweit in der schlichten Zahlung des [X.] bis zum 24.5.2006 jeweils konkludente Bewilligungsverwaltungsakte gesehen werden könnten, wären sie dann jedenfalls - ebenso konkludent - auf den letzten [X.] befristet gewesen (vgl zB B[X.] Urteile vom [X.] - [X.] 2200 § 182 [X.] 103, vom 10.3.1987 - 3 RK 7/86 - [X.] 1300 § 50 [X.] 15 und vom 20.11.1996 - 3 RK 5/96 - B[X.]E 79, 261 = [X.] 3-2500 § 33 [X.] 21 - juris Rd[X.] 28). Einer Einstellung des [X.] durch Verwaltungsakt bedurfte es daher nicht.

Entgegen der Auffassung des [X.] war die Zahlung des [X.] für das Jahr 2006 auch nicht in entsprechender Anwendung des § 44 Abs 4 [X.]G ausgeschlossen. Die für eine entsprechende Anwendung erforderliche Regelungslücke ist nicht ersichtlich. Grundsätzlich besteht auch für weiter als vier Jahre zurückliegende [X.]en außerhalb des ausdrücklich geregelten Anwendungsbereichs des § 44 Abs 4 [X.]B X ein Zahlungsanspruch. Ohne aufhebenden Verwaltungsakt ist dann jeweils auf die allgemeinen Verjährungsvorschriften zurückzugreifen. Bei Leistungen für länger zurückliegende [X.]räume kann sich der Sozialleistungsträger in diesem Fall unter Ausübung seines insoweit bestehenden Ermessens auf Verjährung gemäß § 45 [X.]B I berufen. Auch kann der Vorschrift des § 44 Abs 4 [X.]B X nicht der allgemeine Rechtsgrundsatz entnommen werden, dass Sozialleistungen regelmäßig nicht für einen länger als vier Jahre zurückliegenden [X.]raum zu erbringen sind (vgl zum Ganzen Schütze in Schütze, [X.]B X, 9. Aufl 2020, § 44 Rd[X.] 31 f mwN).

cc) Zutreffend ist das [X.] auch davon ausgegangen, dass die Beklagte die Einrede der Verjährung gemäß § 45 Abs 1 [X.]B I nicht wirksam erhoben hat. Zwar verjähren gemäß § 45 Abs 1 [X.]B I Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Die Beklagte hat sich im Berufungsverfahren auch auf Verjährung berufen. Da die Erhebung der Einrede der Verjährung grundsätzlich im Ermessen des [X.] steht, müssen jedoch auch bei einer Erhebung der Einrede im Prozess von der [X.] Ermessenserwägungen entsprechend ihrer Begründungspflicht gemäß § 35 [X.]B X angestellt werden (vgl zB B[X.] Urteil vom 8.12.2005 - [X.] RJ 41/04 R - B[X.]E 95, 300 = [X.]-2200 § 1290 [X.] 1). Hieran fehlt es nach den bindenden Feststellungen des [X.]. Die Beklagte hat zwar im Berufungsverfahren die Einrede der Verjährung erhoben, jedoch dies nicht weiter begründet. Dass insofern die Voraussetzungen einer Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen haben könnten, ist nicht ersichtlich.

3. [X.] beruht auf §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 2 U 12/19 R

16.03.2021

Bundessozialgericht 2. Senat

Urteil

Sachgebiet: U

vorgehend SG Berlin, 21. Oktober 2015, Az: S 115 U 165/12, Urteil

§ 45 Abs 1 SGB 7, § 45 Abs 2 SGB 7, § 46 Abs 3 SGB 7, § 49 SGB 7, § 72 Abs 1 Nr 1 SGB 7, § 51 SGB 9 vom 19.06.2001, § 71 SGB 9 2018, § 44 Abs 1 SGB 10, § 44 Abs 4 SGB 10, § 45 Abs 1 SGB 1, § 35 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.03.2021, Az. B 2 U 12/19 R (REWIS RS 2021, 7852)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 7852

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