Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.03.2010, Az. 8 B 90/09

8. Senat | REWIS RS 2010, 8510

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Gegenstand

Beweisaufnahme; Unwahrscheinlichkeit einer behaupteten Tatsache


Gründe

I.

1

Der Kläger, der sich mit einem Wahlvorschlag an den am 10. September 2006 stattgefundenen Wahlen zum [X.] [X.] beteiligt hat, wendet sich mit seinem Wahleinspruch gegen das Ergebnis dieser Kommunalwahl. Das Wahlergebnis für den [X.] [X.] wurde am 16. September 2006 bekannt gemacht; die [X.]ekanntmachung wurde am 19. September 2006 wegen eines Fehlers berichtigt. Danach entfielen auf den Wahlvorschlag der [X.] 10 598 Stimmen, auf den Wahlvorschlag der [X.] 9 280 Stimmen, auf den Wahlvorschlag des [X.] 2 083 Stimmen, auf den Wahlvorschlag der UWG 1 374 Stimmen und auf den Wahlvorschlag von [X.]/[X.] 1 427 Stimmen. Für den [X.] führte dies zu der Verteilung von 14 Sitzen für die [X.], von 12 Sitzen für die [X.] sowie von je 2 Sitzen für den Kläger, die UWG und [X.]/[X.].

2

Mit seinem am 22. September 2006 beim [X.] eingegangenen Schreiben erhob der Kläger Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl. Diese sei in unzulässiger Weise in ihrem Ergebnis beeinflusst worden. Die Kandidatin der [X.], Frau [X.] - im Folgenden: [X.]eigeladene zu 3 - habe durch ihre Wahlhelfer in erheblichem Umfang [X.]riefwahlunterlagen bei der [X.]verwaltung organisiert, den [X.] überbracht und diese dann nach Ausfüllung wieder bei der [X.] abgegeben. Auf die [X.]eigeladene zu 3 seien 488 [X.]riefwahlstimmen entfallen. Wenn ein unmittelbar an der Wahl beteiligter Kandidat oder seine Wahlhelfer [X.]riefwahlunterlagen abholten, diese an Wahlberechtigte übergäben und dann nach der Stimmabgabe wieder bei der [X.] einreichten, sei eine Einflussnahme auf den unmittelbaren Vorgang der Stimmabgabe durchaus möglich. Ferner verstoße die [X.]eförderung der [X.]riefwahlunterlagen durch Wahlhelfer eines Kandidaten gegen § 37 Abs. 6 Satz 3 [X.] (gemeint wohl: § 39 Abs. 7 Satz 3 [X.]). Die Verstöße bei insgesamt 488 [X.]riefwahlstimmen wirkten sich auf das Ergebnis aus. Denn die [X.] habe einen weiteren Sitz im [X.]rat nur um 4 Stimmen verfehlt.

3

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 25. Oktober 2006 trug der Kläger unter anderem ergänzend vor: [X.]ei organisierten Zusammenkünften seien mitgebrachte [X.]riefwahlunterlagen, insbesondere die Stimmzettel, immer in Anwesenheit der [X.]eigeladenen zu 3 und/oder ihrer Wahlkampfhelfer ausgefüllt worden, und die in dieser Weise ausgefüllten [X.]riefwahlunterlagen seien von der [X.]eigeladenen zu 3 und/oder ihren Wahlkampfhelfern zur [X.]verwaltung zurückgebracht worden. In der Wohnung einer Frau [X.] hätten nach den [X.]ekundungen einer Zeugin mehrere Zusammenkünfte stattgefunden, zu denen russlanddeutsche [X.]ürger durch Frau [X.] und auch durch die [X.]eigeladene zu 3 eingeladen worden seien. [X.]ei diesen Zusammenkünften seien von der [X.]eigeladenen zu 3 [X.]riefwahlunterlagen verteilt, geöffnet und in ihrer Anwesenheit ausgefüllt worden. Die Anwesenden seien ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sie ihre drei Stimmen der [X.]eigeladenen zu 3 geben sollten. Die ausgefüllten Wahlunterlagen seien anschließend von der [X.]eigeladenen zu 3 mitgenommen und bei der [X.] abgegeben worden.

4

Der [X.]eklagte wies den Wahleinspruch in seiner konstituierenden Sitzung am 6. November 2006 als unbegründet zurück. Der Kläger hat hiergegen Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. Januar 2008 der Klage stattgegeben und den [X.]eklagten unter Aufhebung des [X.]escheides vom 7. November 2006 verpflichtet, die [X.]riefwahl zum [X.] [X.] vom 10. September 2006 im Wahlbereich II West für ungültig zu erklären.

5

Auf die vom [X.]eklagten eingelegte [X.]erufung hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des [X.] geändert und die Klage abgewiesen sowie die Revision nicht zugelassen. Zur [X.]egründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: [X.] müssten innerhalb der in § 46 Abs. 3 Satz 1 [X.] bestimmten Frist von zwei Wochen nach [X.]ekanntgabe des Wahlergebnisses geltend gemacht und begründet werden. Alle für die Wahlanfechtung erheblichen Tatsachen, die einen Verstoß gegen die Wahlvorschriften schlüssig erkennen ließen, müssten innerhalb dieser Frist vorgebracht werden. Mit seinem innerhalb der mit Ablauf des 4. Oktober 2006 verstrichenen Einspruchsfrist eingegangenen Einspruch vom 22. September 2006 habe der Kläger lediglich Aktivitäten der [X.]eigeladenen zu 3 gerügt, wonach die [X.]eigeladene zu 3 durch ihre Wahlhelfer in erheblichem Umfang [X.]riefwahlunterlagen bei der [X.]verwaltung organisiert und diese dann von [X.]riefwählern ausgefüllt wieder bei der [X.] abgegeben habe. Diese kaum über eine [X.]otentätigkeit hinausgehenden Aktivitäten der [X.]eigeladenen zu 3 widersprächen allerdings nicht den in § 4 Abs. 1 [X.] normierten Wahlrechtsgrundsätzen. Dagegen seien die vom Verwaltungsgericht als Verstoß gegen das in § 4 Abs. 1 [X.] normierte Prinzip der freien und geheimen Wahl beanstandeten Aktivitäten der [X.]eigeladenen zu 7 vom Kläger nicht fristgerecht gerügt worden.

6

Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die [X.]eschwerde des [X.].

II.

7

Die [X.]eschwerde des [X.] hat mit dem Ergebnis Erfolg, dass auf seine Verfahrensrüge das angegriffene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen wird (§ 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 6 VwGO).

8

1. Die von der [X.]eschwerde erhobene Grundsatzrüge führt nicht zur Zulassung der Revision. Denn der [X.]eschwerdeführer hat entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) in der [X.]eschwerdeschrift nicht hinreichend dargelegt.

9

[X.]ei der Grundsatzrüge muss der [X.]eschwerdeführer eine bestimmte, von ihm für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage des [X.]undesrechts genau bezeichnen sowie substanziiert näher begründen, in welcher [X.]eziehung und warum er diese Rechtsfrage für grundsätzlich und für klärungsbedürftig hält, d.h. warum ihre Tragweite über den konkreten Einzelfall hinausreicht und warum die Frage aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder für eine bedeutsame Fortentwicklung des Rechts der höchstrichterlichen Klärung bedarf. Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Rüge der Nichtbeachtung von [X.]undesrecht bei der Anwendung und Auslegung von Landesrecht erhoben, so ist näher darzulegen, inwiefern die gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab angeführte bundesrechtliche Norm ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwirft ([X.]eschlüsse vom 9. Oktober 1997 - [X.]VerwG 6 [X.] - [X.] 406.39 [X.] Nr. 8, vom 30. Juni 2003 - [X.]VerwG 4 [X.] - [X.] 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 26 und vom 31. März 2009 - [X.]VerwG 8 [X.] - juris m.w.N.). Die Rüge, das maßgebliche Landesrecht verstoße gegen vorrangiges [X.]undesrecht, rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur, wenn sie auf eine klärungsbedürftige Frage des [X.]undesrechts führt. Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist auf der Grundlage des [X.] allein zu entscheiden, ob Anlass zu der Annahme besteht, in einer bestimmten - in der [X.]eschwerdeschrift zu bezeichnenden - Frage sei die Auslegung des Grundgesetzes oder von Rechtsnormen des einfachen [X.]undesrechts durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bisher nicht ausreichend, um eine zutreffende Umsetzung in dem landesrechtlich geprägten Streitfall zu gewährleisten. Ob das [X.]erufungsgericht den Anforderungen des [X.]undesrechts im Einzelnen gerecht geworden ist, ist indes keine Frage der weiteren Klärung dieser Rechtsnormen des [X.]undesrechts, sondern deren korrekter Anwendung im Einzelfall. Dies zu überprüfen, ist nicht Aufgabe des Zulassungsverfahrens (vgl. [X.]eschluss vom 21. Dezember 1994 - [X.]VerwG 4 [X.] 266.94 - NVwZ 1995, 601). Schließlich muss in der [X.]egründung der [X.]eschwerde dargelegt werden, warum die als klärungsbedürftig bezeichnete Rechtsfrage entscheidungserheblich und ihre Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; vgl. u.a. [X.]eschlüsse vom 2. Oktober 1961 - [X.]VerwG 8 [X.] 78.61 - [X.]VerwGE 13, 90 <91> und vom 24. Januar 2008 - [X.]VerwG 6 [X.] 2.07 - [X.] 402.41 [X.] Rn. 14).

Diesen Anforderungen wird das Vorbringen in der [X.]eschwerdeschrift nicht gerecht. Es lässt keine klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts erkennen, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnte.

Soweit der Kläger in der [X.]eschwerdeschrift geltend macht,

die vom Verwaltungsgericht ausführlich erörterte und vom [X.]erufungsgericht mit unzulänglicher [X.]egründung verworfene Abgrenzung zwischen unzulässiger neuer Tatsache und zulässiger Ergänzung des [X.], mithin die Frage der Rechtzeitigkeit der vorgebrachten [X.]gründe sei in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher nicht geklärt,

wird in der [X.]eschwerdebegründung nicht dargelegt, welche gegenüber dem Landesrecht als korrigierender Maßstab heranzuziehende bundesrechtliche Norm des Verfassungs- oder einfachen Rechts ihrerseits ungeklärte Fragen von grundsätzlicher [X.]edeutung aufwerfen soll. Stattdessen macht der Kläger mit seiner [X.]eschwerde in der Art einer Rechtsmittelbegründung geltend, dass die Rechtsauffassung des [X.] bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften des [X.] Kommunalwahlrechts fehlerhaft sei.

Soweit der Kläger in der [X.]eschwerdeschrift in diesem Zusammenhang auf [X.]estimmungen des [X.]undesrechts verweist ("u.a. § 2 Abs. 1 und 3 [X.]"), legt er jedenfalls nicht dar, inwiefern diese für die Wahl zum [X.] geltenden Vorschriften im vorliegenden Verfahren klärungsbedürftig und klärungsfähig sein sollen.

2. Die [X.] genügt ebenfalls nicht den prozessrechtlichen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

Von einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] nur auszugehen, wenn das [X.]erufungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des [X.] oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. [X.]ei der [X.] muss der vom [X.]eschwerdeführer in jener Entscheidung herangezogene maßgebende Rechtssatz sowie der tragende Rechtssatz im angegriffenen Urteil, der damit in Widerspruch stehen soll, genau bezeichnet werden. Die nach Auffassung des [X.]eschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. [X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712). Daran fehlt es hier.

Soweit der Kläger mit seiner [X.]eschwerde vorbringt, das Oberverwaltungsgericht sei in seinem Urteil "von der Rechtsprechung des [X.] ([X.]eschlüsse vom [X.], 2 [X.]v[X.] 1/74 und vom 10.4.1984, 2 [X.]v[X.] 2/83)" abgewichen, wendet er sich gegen die vermeintlich unrichtige Anwendung der Rechtsprechung des [X.]. Damit kann weder die Divergenz begründet werden, noch wird damit ein die Entscheidung tragender Rechtssatz im angegriffenen [X.]erufungsurteil, der mit einem Rechtssatz des [X.] nicht übereinstimmen soll, bezeichnet. Die von ihm angeführten [X.]eschlüsse des [X.] verhalten sich darüber hinaus nicht zu § 46 oder anderen vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen [X.]estimmungen des [X.], die ohnehin ihrerseits nicht zum revisiblen Recht gehören.

3. Der Kläger rügt dagegen zu Recht den Verfahrensfehler der mangelnden Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO), weil das Oberverwaltungsgericht entgegen seinem in der mündlichen Verhandlung am 21. April 2009 unter [X.]ezugnahme auf Nr. 1 seines Schriftsatzes vom 15./22. Januar 2008 hilfsweise gestellten [X.]eweisantrag kein Schriftsachverständigengutachten zu seiner [X.]ehauptung eingeholt hat, dass "die Unterschrift unter der Anforderung von [X.]riefwahlunterlagen (kleiner Notizzettel [X.]latt 148 der Ermittlungsakte) nicht die Unterschrift der Frau [X.] ist". Ebenso hat der Kläger mit der Rüge Erfolg, dass das Oberverwaltungsgericht die Zeugin [X.]. hätte vernehmen müssen.

a) Das Oberverwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass das von dem Kläger beanstandete Verhalten der [X.]eigeladenen zu 3 Gegenstand dessen [X.] war, so dass das Urteil der Vorinstanz sich nicht aus anderen Gründen, nämlich wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung der Einspruchsgründe, im Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO). Nach § 46 Abs. 3 Satz 1 [X.] ist der Wahleinspruch innerhalb von zwei Wochen nach [X.]ekanntgabe des Wahlergebnisses schriftlich zu begründen. Nach der Auslegung der nicht revisiblen Vorschrift des Landesrechts durch das Oberverwaltungsgericht soll die gesetzliche Präklusionsvorschrift die [X.]erücksichtigung nachträglicher Einspruchsgründe, nicht aber die Präzisierung und sachliche Erweiterung der [X.]egründung oder das nachträgliche [X.]eibringen von Tatsachen ausschließen, die den fristgerecht bezeichneten [X.] stützen und belegen wollen ([X.] f.). Dies ist aus der Sicht des [X.]undesrechts nicht zu beanstanden.

Als Gegenstand des [X.] hat das Oberverwaltungsgericht demgemäß das Vorbringen angesehen, dass die Unterschrift unter der Anforderung der [X.]riefwahlunterlagen nicht von der Zeugin [X.] stamme, sondern Urheberin der Unterschrift die [X.]eigeladene zu 3 sei. Entsprechendes gilt für die [X.]ehauptung des [X.], die [X.]eigeladene zu 3 habe [X.] die für die [X.]ratswahl erforderlichen [X.]riefwahlunterlagen gebracht und ihr erklärt, dass sie [X.]-Mitglied sei und [X.] das Kreuz an der richtigen Stelle machen sollte. Die [X.]eigeladene zu 3 habe die von [X.] ausgefüllten [X.]riefwahlunterlagen am darauffolgenden Tag wieder abgeholt. Zu beiden [X.]ehauptungen hat das Oberverwaltungsgericht eine [X.]eweiserhebung nicht wegen einer Versäumnis der Einspruchsfrist, sondern aus anderen Gründen abgelehnt ([X.]).

b) Mit einem (nur) hilfsweise gestellten [X.]eweisantrag, der nicht gemäß § 86 Abs. 2 VwGO in der mündlichen Verhandlung beschieden werden muss, sondern auch im Urteil beschieden werden kann, wird die weitere Erforschung des Sachverhalts durch das Gericht nach § 86 Abs. 1 VwGO angeregt (vgl. Urteil vom 26. Juni 1968 - [X.]VerwG 5 [X.] 111.67 - [X.]VerwGE 30, 57 <58>; [X.]eschluss vom 10. Juni 1999 - [X.]VerwG 9 [X.] 81.99 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 302). Der Vorwurf einer Verletzung der Aufklärungspflicht ist bei der Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages dann begründet, wenn sich dem Gericht namentlich im Hinblick auf die angeregte [X.]eweiserhebung eine weitere [X.]eweisaufnahme hätte aufdrängen müssen. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

aa) Die vom Kläger beantragte [X.]eweiserhebung durch Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens dazu, dass die Unterschrift unter der Anforderung von [X.]riefwahlunterlagen nicht von der Zeugin [X.] stamme, hat das Oberverwaltungsgericht zu Unrecht mit der [X.]egründung abgelehnt, der Kläger ziele auf eine unzulässige [X.]eweiserhebung "ins [X.]laue hinein"; hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte bzw. eine begründete Vermutung hierfür - und darüber hinaus zusätzlich für eine Unterschriftsleistung durch die [X.]eigeladene zu 3 - fehlten.

Ein unzulässiger Ausforschungs- und [X.]eweisermittlungsantrag liegt nur in [X.]ezug auf Tatsachenbehauptungen vor, für deren Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht, die mit anderen Worten ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich "aus der Luft gegriffen", "ins [X.]laue hinein", als "erkennbar ohne jede tatsächliche Grundlage" erhoben worden sind ([X.]eschluss vom 30. Juni 2008 - [X.]VerwG 5 [X.] 198.07 - [X.] 310 § 98 Nr. 98 Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Vielmehr hat der Kläger hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dargelegt, die seine [X.]ehauptung als möglich erscheinen lassen. So hat er darauf hingewiesen, dass die Zeugin [X.] in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 11. Dezember 2007 auf Vorlage der handschriftlichen Anforderung, dass sie [X.]riefwahl möchte, erklärt hat, dass dies nicht ihre Schrift und auch nicht ihre Unterschrift sei ([X.] f.). Ebenso hat die Zeugin in der polizeilichen Vernehmung am 23. Januar 2007 ausgesagt, dass sie das entsprechende Schriftstück nicht geschrieben und auch nicht unterschrieben habe ([X.]1 71/72; [X.]2 148).

Ferner hat der [X.]eschwerdeführer hinreichend dargelegt, welches Ergebnis diese [X.]eweisaufnahme (mittels Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens) voraussichtlich gehabt hätte. Denn in der [X.]eschwerde wird ausgeführt, nach Einholung eines solchen Gutachtens hätte sich ergeben, dass die Unterschrift auf dem Wahlanforderungszettel ([X.]latt 148 der Ermittlungsakte) tatsächlich nicht von der Zeugin [X.] stamme. Zusammen mit dem gleichfalls nicht ausgeschöpften [X.]eweisangebot unter Nr. 2 des Schriftsatzes vom 22. Januar 2008 ("Schriftsachverständigengutachten dazu einholen, dass ... die Handschrift der Wahlbriefanforderung, des Kuverts <[X.]latt 148 der Ermittlungsakte> und der Eintragungen auf dem Wahlschein der Frau [X.] <[X.]latt 159 der Ermittlungsakte> von der beigeladenen Frau [X.] stammt.") hätte sich sodann ergeben, dass die Unterschrift tatsächlich der Handschrift der Zeugin [X.] zuzuordnen sei, die jedenfalls selbst schon eingeräumt habe, dass der Text des Anforderungszettels von ihr stamme. Dass bei erwiesener Unechtheit der Unterschrift von Frau [X.] diese Unterschrift von der Zeugin [X.] stammen müsse, folge schon daraus, dass am Zustandekommen des Zettels nur die Zeugin [X.] und die Zeugin [X.] beteiligt gewesen sein könnten.

Wären allein die [X.]ekundungen der Zeugin [X.], nicht jedoch diejenigen der Zeugin [X.] als glaubhaft zu werten, könnte dies auf der Grundlage des Vorbringens des [X.] auch ein [X.] gewesen sein, der entscheidungserheblich war. Jedenfalls kann dies nicht ausgeschlossen werden. Denn nach dem [X.]eschwerdevorbringen des [X.], der sich insoweit auf entsprechende Feststellungen im erstinstanzlichen Urteil des [X.] bezieht, kann dann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Sitzverteilung im Rat der [X.]eklagten ohne einen solchen Wahlfehler anders ausgefallen wäre. Der [X.]eschwerdeführer hat dargelegt, dass bei einer nicht durch die [X.]eigeladene zu 3 erfolgten wahlrechtswidrigen [X.]eeinflussung der Stimmabgabe durch die Zeugin [X.] die Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann, dass dann bis zu drei Stimmen weniger auf die [X.] und bis zu drei Stimmen mehr auf den Wahlvorschlag des [X.] entfallen wären, was nach dem erstinstanzlichen Urteil des [X.] vom 22. Januar 2008 zu einer veränderten Sitzverteilung im Rat geführt hätte.

bb) Das Oberverwaltungsgericht hat ferner zu Unrecht die in der mündlichen Verhandlung beantragte Vernehmung der Zeugin [X.]. ([X.]) abgelehnt. Die Vernehmung der Zeugin hat der Kläger zum [X.]eweis der [X.]ehauptung beantragt, dass die [X.]eigeladene zu 3 bei einem unaufgeforderten und unangekündigtem [X.]esuch die für die [X.]ratswahl erforderlichen [X.]riefwahlunterlagen überbracht und erklärt habe, dass sie [X.]-Mitglied sei und [X.] ihr Kreuz an der richtigen Stelle machen solle. Die [X.]eigeladene zu 3 habe am darauffolgenden Tag die von [X.] ausgefüllten Wahlunterlagen dort abgeholt, um sie zur [X.] zu bringen. Die Vernehmung der Zeugin hat das Oberverwaltungsgericht mit der [X.]egründung abgelehnt, dass es aufgrund der Aussagen von [X.]bediensteten bei polizeilichen Vernehmungen vom Gegenteil der unter [X.]eweis gestellten Tatsache, also davon überzeugt ist, dass die [X.]eigeladene zu 3 nicht in der Lage gewesen sei, [X.] die [X.]riefwahlunterlagen zu überbringen.

Zwar kann ein [X.]eweisantrag ausnahmsweise abgelehnt werden, wenn aufgrund eines bereits erhobenen [X.]eweises die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einer solchen Gewissheit feststehen, dass die Überzeugung des Gerichts durch die beantragte weitere [X.]eweiserhebung - ihr Erfolg unterstellt - nicht mehr erschüttert werden kann ([X.]eschluss vom 30. April 2008 - [X.]VerwG 4 [X.] 27.08 -; Urteil vom 11. April 1991 - [X.]VerwG 3 [X.] 73.89 - [X.] 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 229). [X.]eweisanträge, die - wie hier - hinreichend substanziiert sind, dürfen allerdings nur unter engen Voraussetzungen, nämlich insbesondere im Fall der Unerheblichkeit der unter [X.]eweis gestellten Tatsachen oder bei Untauglichkeit des angebotenen [X.]eweismittels abgelehnt werden. Denn das Gericht darf die Würdigung des Ergebnisses der [X.]eweisaufnahme grundsätzlich nicht vorwegnehmen. Auch die bloße Unwahrscheinlichkeit einer behaupteten Tatsache rechtfertigt es nicht, eine beantragte [X.]eweisaufnahme zu unterlassen, deren Unergiebigkeit nur zu befürchten, aber nicht mit Sicherheit vorauszusehen ist ([X.]eschluss vom 22. September 1992 - [X.]VerwG 7 [X.] 40.92 - [X.] 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 71 S. 28 f. m.w.N.).

Die Ablehnung des [X.]eweisantrags durch das Oberverwaltungsgericht ist nach diesen Maßstäben rechtswidrig, weil sie allein darauf abstellt, dass das Gericht vom Gegenteil der unter [X.]eweis gestellten Tatsache überzeugt ist. Abgesehen davon, dass das Oberverwaltungsgericht es offen lässt, ob alle [X.]ediensteten der [X.] vernommen worden sind, die mit der Ausgabe von [X.]riefwahlunterlagen bei der konkreten [X.]ratswahl befasst waren, reicht diese [X.]egründung allein für den Ausnahmefall eines Verzichts auf die [X.]eweiserhebung nicht aus (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1981 - [X.]VerwG 4 [X.] 71.79 - NVwZ 1982, 244). Insbesondere lässt es die Vorinstanz an jeder [X.]egründung für die Annahme einer besonderen Gewissheit fehlen, dass das bisherige [X.]eweisergebnis durch die Vernehmung der Zeugin nicht erschüttert werden kann. So werden keine Hinweise auf eine Untauglichkeit oder Unergiebigkeit der angebotenen Zeugenvernehmung oder auf eine Unerheblichkeit der unter [X.]eweis gestellten Tatsachen gegeben.

Meta

8 B 90/09

12.03.2010

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 21. April 2009, Az: 10 LC 85/08, Urteil

§ 86 Abs 1 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12.03.2010, Az. 8 B 90/09 (REWIS RS 2010, 8510)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8510

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B 13 R 33/11 R

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