Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.12.2023, Az. IX ZR 143/22

9. Zivilsenat | REWIS RS 2023, 9539

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Verpflichtung einer Prozesspartei zur Leistung einer Prozesskostensicherheit; Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens vor Ablauf der Übergangsfrist des Brexit-Abkommens


Leitsatz

Ein Kläger mit gewöhnlichem Aufenthalt im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland hat auf Verlangen des Beklagten keine Prozesskostensicherheit zu leisten, wenn das gerichtliche Verfahren vor dem Ablauf der Übergangsfrist des Brexit-Abkommens eingeleitet worden ist.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 23. Juni 2022 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Leistung einer Prozesskostensicherheit nach §§ 110 ff ZPO.

2

Der Kläger nimmt den Beklagten mit seiner im Jahr 2014 vor dem [X.] erhobenen Klage wegen Ansprüchen nach dem Anfechtungsgesetz auf Zahlung von 835.000 € in Anspruch. Der Kläger ist [X.] Staatsangehöriger und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.]. Der Beklagte beantragte mit [X.] vom 15. September 2021, dem Kläger die Stellung einer Prozesskostensicherheit aufzugeben, weil der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im [X.] (im Folgenden [X.]) habe, welches seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr Mitglied der [X.] sei.

3

Das [X.] hat den Antrag durch Zwischenurteil zurückgewiesen. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgeri[X.]ht hat ausgeführt: Gemäß § 111 ZPO könne der [X.] grundsätzli[X.]h au[X.]h dann wegen der Prozesskosten Si[X.]herheit verlangen, wenn die Voraussetzungen für die Verpfli[X.]htung zur Si[X.]herheitsleistung erst im Lauf des Re[X.]htsstreits eintreten. Der im [X.] wohnhafte Kläger habe seinen gewöhnli[X.]hen Aufenthalt ni[X.]ht mehr in einem Mitgliedstaat der [X.], weil der Übergangszeitraum, während dessen das [X.] weiterhin als Mitgliedstaat der [X.] gegolten habe, am 31. Dezember 2020 abgelaufen sei. Der Kläger habe aber keine Prozesskostensi[X.]herheit na[X.]h § 110 Abs. 1 ZPO zu leisten, weil der [X.] im Fall seines Obsiegens hinsi[X.]htli[X.]h seines [X.] dur[X.]h einen völkerre[X.]htli[X.]hen Vertrag im Sinne des § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinrei[X.]hend ges[X.]hützt sei. Zugunsten des [X.] greife ni[X.]ht bereits der Ausnahmetatbestand des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ein, wona[X.]h aufgrund eines völkerre[X.]htli[X.]hen Vertrags keine Si[X.]herheit verlangt werden könne. Art. 9 des [X.] vom 13. Dezember 1955 ([X.] II 1959 S. 998; im Folgenden Europäis[X.]hes Niederlassungsabkommen) komme ni[X.]ht zur Anwendung, weil der Kläger ni[X.]ht die Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten besitze, sondern [X.] Staatsangehöriger sei. Der Kläger habe aber na[X.]h § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO keine Prozesskostensi[X.]herheit zu leisten, weil die Ents[X.]heidung über die Erstattung der Prozesskosten an den [X.]n aufgrund völkerre[X.]htli[X.]her Verträge, hier der Verordnung ([X.]) Nr. 1215/2012 des [X.] und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die geri[X.]htli[X.]he Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre[X.]kung von Ents[X.]heidungen in Zivil- und Handelssa[X.]hen ([X.] [X.] 2012 L 351 S. 1; im Folgenden [X.] Ia-Verordnung), vollstre[X.]kt werden könne. Art. 39 [X.] Ia-VO erfasse au[X.]h [X.] eines Geri[X.]htsbediensteten. Na[X.]h Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a des Abkommens über den Austritt des [X.]s Großbritannien und Nordirland aus der [X.] und der [X.] ([X.] [X.] 2020 L 29 S. 7; im Folgenden [X.]) sei die [X.] Ia-Verordnung weiterhin auf die Anerkennung und Vollstre[X.]kung von Urteilen anwendbar, die in vor dem Ablauf des Übergangszeitraums am 31. Dezember 2020 eingeleiteten geri[X.]htli[X.]hen Verfahren ergangen seien, wenn der Fall einen Bezug zum [X.] aufweise. Au[X.]h wenn Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] die Anwendung der [X.] Ia-Verordnung nur für öffentli[X.]he Urkunden, geri[X.]htli[X.]he Verglei[X.]he und Urteile anordne, würden au[X.]h [X.] eines Geri[X.]htsbediensteten erfasst. Jedes andere Verständnis laufe dem Sinn und Zwe[X.]k des Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] zuwider.

II.

6

Diese Ausführungen halten re[X.]htli[X.]her Prüfung im Ergebnis stand. Das Berufungsgeri[X.]ht hat den Antrag des [X.]n auf Leistung einer Prozesskostensi[X.]herheit mit Re[X.]ht zurü[X.]kgewiesen, weil der Kläger gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ni[X.]ht zur Si[X.]herheitsleistung verpfli[X.]htet ist.

7

1. Das Berufungsgeri[X.]ht ist ohne Re[X.]htsfehler davon ausgegangen, dass die Verpfli[X.]htung zur Leistung einer Prozesskostensi[X.]herheit ni[X.]ht s[X.]hon gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit Art. 9 Nr. 1 Europäis[X.]hes [X.] ausges[X.]hlossen ist. Art. 9 Nr. 1 Europäis[X.]hes [X.] sieht zwar eine Befreiung der Staatsangehörigen eines Vertragsstaats, die ihren Wohnsitz oder gewöhnli[X.]hen Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat haben, von der Verpfli[X.]htung zur Leistung einer Prozesskostensi[X.]herheit vor. Obwohl das [X.] Vertragsstaat des [X.] ist, findet die Vors[X.]hrift im Streitfall jedo[X.]h keine Anwendung. Gemäß Art. 30 Nr. 1 Europäis[X.]hes Niederlassungsabkommen gilt das Abkommen für alle natürli[X.]hen Personen, die die Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten besitzen ([X.], Bes[X.]hluss vom 27. September 2022 - [X.], [X.], 2463 Rn. 11). Daran fehlt es hier. Der Kläger besitzt auss[X.]hließli[X.]h die [X.] Staatsbürgers[X.]haft; [X.] ist ni[X.]ht Vertragsstaat des [X.]. Der Umstand, dass der Kläger seinen gewöhnli[X.]hen Aufenthalt seit vielen Jahren im [X.] hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.

8

2. Re[X.]htsfehlerhaft hat das Berufungsgeri[X.]ht angenommen, dass die Pfli[X.]ht zur Leistung einer Prozesskostensi[X.]herheit gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.], Art. 39 [X.] Ia-VO ausges[X.]hlossen ist. Es hat dabei übersehen, dass die [X.] Ia-Verordnung na[X.]h Art. 66 Abs. 1 [X.] Ia-VO nur auf Verfahren anwendbar ist, die am 10. Januar 2015 oder dana[X.]h eingeleitet worden sind. Dieser Sti[X.]htag gilt au[X.]h für [X.], die na[X.]h dem [X.] Zivilprozessre[X.]ht in einem gesonderten Kostenfestsetzungsverfahren ergehen. Au[X.]h wenn das [X.] Zivilprozessre[X.]ht zwis[X.]hen der Auferlegung der Kostenlast in einer Ents[X.]heidung na[X.]h §§ 91 ff ZPO und der gesonderten Kostenfestsetzung in einem eigenen Titulierungsverfahren na[X.]h §§ 103, 104 ZPO unters[X.]heidet, gelten [X.] unionsre[X.]htli[X.]h als Annexents[X.]heidungen zum ursprüngli[X.]h eingeleiteten Klageverfahren (vgl. [X.], ZPO, 23. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 59; [X.]/[X.], 6. Aufl., Art. 45 [X.] Ia-VO Rn. 25; [X.]/[X.] in [X.]/S[X.]hütze, Internationaler Re[X.]htsverkehr in Zivil- und Handelssa[X.]hen, 2023, Art. 45 EuGVVO Rn. 58). Für die Anerkennung oder Vollstre[X.]kung von [X.]n findet die [X.] Ia-Verordnung demna[X.]h nur Anwendung, wenn das der Kostenfestsetzung zugrundeliegende Klageverfahren vor dem Sti[X.]htag eingeleitet worden ist.

9

Im Streitfall hat der Kläger die Klage bereits im Jahr 2014 erhoben. Der Anwendungsberei[X.]h der [X.] Ia-Verordnung war demna[X.]h - unabhängig von dem Austritt des [X.]s aus der [X.] - zu keinem Zeitpunkt eröffnet.

3. Die Pfli[X.]ht zur Leistung einer Prozesskostensi[X.]herheit ist jedo[X.]h gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.], Art. 66 Abs. 2 [X.] Ia-VO, Art. 38 ff Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die geri[X.]htli[X.]he Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstre[X.]kung von Ents[X.]heidungen in Zivil- und Handelssa[X.]hen ([X.] [X.] 2001 L 12 S. 1; im Folgenden [X.] I-VO) ausges[X.]hlossen.

a) Die Regelungen zur Vollstre[X.]kung von in einem Mitgliedstaat ergangenen Ents[X.]heidungen in einem anderen Mitgliedstaat in Art. 38 ff [X.] I-VO sind au[X.]h na[X.]h dem Austritt des [X.]s aus der [X.] gemäß Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] weiter anwendbar.

Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] regelt zwar ausdrü[X.]kli[X.]h nur die Weitergeltung der [X.] Ia-Verordnung auf die Anerkennung und Vollstre[X.]kung von Urteilen, die in vor dem Ablauf des Übergangszeitraums eingeleiteten geri[X.]htli[X.]hen Verfahren ergangen sind. Die Verweisung auf die [X.] Ia-Verordnung erfasst allerdings au[X.]h die Regelung in Art. 66 Abs. 2 [X.] Ia-VO, die für vor dem 10. Januar 2015 eingeleitete geri[X.]htli[X.]he Verfahren die Fortgeltung der Normen der [X.] I-Verordnung anordnet (so au[X.]h die Auffassung der [X.] in [X.]: Withdrawal of the United Kingdom and [X.] rules in [X.] vom 27. August 2020, [X.] abrufbar unter [X.]; [X.], [X.] 2021, 2, 7). Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] s[X.]hließt damit die Anwendung der [X.] I-Verordnung und ihrer Regelungen zur Vollstre[X.]kung von in einem Mitgliedstaat ergangenen Ents[X.]heidungen in einem anderen Mitgliedstaat in Art. 38 ff [X.] I-VO ni[X.]ht dadur[X.]h aus, dass dort ledigli[X.]h die Anwendung der [X.] Ia-Verordnung angeordnet wird.

Ein in [X.] ergangener Kostenfestsetzungsbes[X.]hluss kann na[X.]h Art. 38 Abs. 2 [X.] I-VO au[X.]h im [X.] vollstre[X.]kt werden. Art. 38 Abs. 2 [X.] I-VO sieht die Vollstre[X.]kung einer in einem Mitgliedstaat ergangenen Ents[X.]heidung vor, wenn die Ents[X.]heidung auf Antrag eines Bere[X.]htigten zur Vollstre[X.]kung in dem betreffenden Teil des [X.]s registriert worden ist. Der Begriff der "Ents[X.]heidung" ist autonom auszulegen. [X.] Ents[X.]heidungen im Sinne des Art. 38 Abs. 2 [X.] I-VO sind gemäß Art. 32 [X.] I-VO au[X.]h [X.] eines Geri[X.]htsbediensteten, soweit die [X.]ptsa[X.]heents[X.]heidung in den Anwendungsberei[X.]h der [X.] I-Verordnung fällt ([X.]/Leible, [X.], 2011, Art. 32 [X.] I-VO Rn. 9).

b) Der Vollstre[X.]kbarkeit eines in [X.] zugunsten des [X.]n ergangenen Kostenfestsetzungsbes[X.]hlusses steht ni[X.]ht entgegen, dass Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] in seiner [X.] Spra[X.]hfassung für die Anwendung der Regelungen der [X.] Ia-Verordnung und der [X.] I-Verordnung auf die Anerkennung und Vollstre[X.]kung ledigli[X.]h von Urteilen und öffentli[X.]hen Urkunden spri[X.]ht. Die Regelung in Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] gilt au[X.]h für [X.] eines Geri[X.]htsbediensteten.

aa) Art. 67 Abs. 2 [X.] nennt in seinem Einleitungssatz und in den na[X.]hfolgenden Untergliederungen in Bu[X.]hst. a - d in unters[X.]hiedli[X.]hen Zusammenhängen Urteile, Ents[X.]heidungen, öffentli[X.]hen Urkunden, geri[X.]htli[X.]he Verglei[X.]he und Geri[X.]htsstandsvereinbarungen. Die Anwendung der [X.] Ia-Verordnung und (über Art. 66 Abs. 2 [X.] Ia-VO) der [X.] I-Verordnung ist in Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] vorgesehen für die Anerkennung und Vollstre[X.]kung von Urteilen, die in vor dem Ablauf des Übergangszeitraums eingeleiteten geri[X.]htli[X.]hen Verfahren ergangen sind, sowie von öffentli[X.]hen Urkunden, die vor dem Ablauf des Übergangszeitraums förmli[X.]h erri[X.]htet oder eingetragen beziehungsweise gebilligt oder ges[X.]hlossen worden sind. Bes[X.]hlüsse oder sonstige Ents[X.]heidungen werden in der Regelung ni[X.]ht genannt. In glei[X.]her Weise stellen Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. b und d [X.] für die Verordnung ([X.]) Nr. 2201/2003 und die Verordnung ([X.]) Nr. 805/2004 auf den Begriff des Urteils ab, ohne Bes[X.]hlüsse oder sonstige Ents[X.]heidungen zu erwähnen, während Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. [X.] die Anwendung der Bestimmungen der Verordnung ([X.]) Nr. 4/2009 auf die Anerkennung und Vollstre[X.]kung von Ents[X.]heidungen anordnet.

Der Wortlaut und die Systematik des Art. 67 Abs. 2 [X.] in der [X.] Fassung spre[X.]hen dana[X.]h dafür, dass die [X.] Ia-Verordnung und die [X.] I-Verordnung in den genannten Übergangsfällen ledigli[X.]h auf die Anerkennung und Vollstre[X.]kung von Urteilen und öffentli[X.]hen Urkunden Anwendung finden können. So definieren Art. 2 Bu[X.]hst. a [X.] Ia-VO, Art. 32 [X.] I-VO, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 VO ([X.]) Nr. 4/2009, Art. 4 Nr. 1 VO ([X.]) Nr. 805/2004 den Begriff der Ents[X.]heidung dahin, dass au[X.]h in einem gesonderten Kostenfestsetzungsverfahren in [X.] ergangene [X.] erfasst werden. In sämtli[X.]hen der genannten Vors[X.]hriften wird der Begriff der Ents[X.]heidung dahingehend definiert, dass Ents[X.]heidung jede von einem Geri[X.]ht eines Mitgliedstaats erlassene Ents[X.]heidung ist ohne Rü[X.]ksi[X.]ht auf ihre Bezei[X.]hnung wie Urteil, Bes[X.]hluss, Zahlungsbefehl oder Vollstre[X.]kungsbes[X.]heid, eins[X.]hließli[X.]h des Kostenfestsetzungsbes[X.]hlusses eines Geri[X.]htsbediensteten. Hieraus folgt, dass der Oberbegriff der Ents[X.]heidung sowohl Urteile als au[X.]h [X.] erfasst, der Begriff des Urteils hingegen ni[X.]ht au[X.]h [X.] meint.

bb) Aus einem Verglei[X.]h mit weiteren Spra[X.]hfassungen des Art. 67 Abs. 2 [X.], die gemäß Art. 182 [X.] alle glei[X.]hermaßen verbindli[X.]h sind, ergibt si[X.]h jedo[X.]h, dass mit der Verwendung der Begriffe Urteil und Ents[X.]heidungen in der [X.] Spra[X.]hfassung keine inhaltli[X.]he Differenzierung einhergeht.

(1) Art. 67 Abs. 2 [X.] stellt in der englis[X.]hen Spra[X.]hfassung für die Anwendung der [X.] Ia-Verordnung (Bu[X.]hst. a), der Verordnung ([X.]) Nr. 2201/2003 (Bu[X.]hst. b) und der Verordnung ([X.]) Nr. 805/2004 (Bu[X.]hst. d) - verglei[X.]hbar mit der [X.] Spra[X.]hfassung der Regelung - auf "judgments" ab, während bei der Verordnung ([X.]) Nr. 4/2009 (Bu[X.]hst. [X.]) - ebenfalls verglei[X.]hbar mit der [X.] Spra[X.]hfassung - an den Begriff "de[X.]isions" angeknüpft wird. Diese Wortwahl entspri[X.]ht allerdings au[X.]h der englis[X.]hen Bezei[X.]hnung für den Begriff Ents[X.]heidung in der englis[X.]hen Spra[X.]hfassung der jeweiligen Verordnungen. In ihrer jeweiligen englis[X.]hen Spra[X.]hfassung wird in Art. 2 Bu[X.]hst. a [X.] Ia-VO, in Art. 2 Nr. 4 Verordnung ([X.]) Nr. 2201/2003 (Offi[X.]ial Journal [X.] 2003 L 338 S. 1) und in Art. 4 Nr. 1 Verordnung ([X.]) Nr. 805/2004 (Offi[X.]ial Journal [X.] 2004 L 143 S. 15) bei der Legaldefinition des Begriffs Ents[X.]heidung der Begriff "judgment" verwendet, der unabhängig von deren Bezei[X.]hnung sämtli[X.]he Ents[X.]heidungen des Geri[X.]hts wie "de[X.]ree, order or de[X.]ision or writ of exe[X.]ution" aber au[X.]h eine "de[X.]ision on the determination of [X.]osts or expenses by an offi[X.]er of the [X.]ourt" erfasst. In der englis[X.]hen Spra[X.]hfassung des Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Verordnung ([X.]) Nr. 4/2009 (Offi[X.]ial Journal [X.] 2009 L 7 S. 1) wird die geri[X.]htli[X.]he Ents[X.]heidung hingegen als "de[X.]ision" bezei[X.]hnet, die ebenfalls alle geri[X.]htli[X.]hen Ents[X.]heidungen von ihrer Bezei[X.]hnung erfasst, namentli[X.]h "de[X.]ree, order, judgment or writ of exe[X.]ution" und eine "de[X.]ision by an offi[X.]er of the [X.]ourt determining the [X.]ost or expenses". Die Begriffe "judgment" und "de[X.]ision" werden jeweils als Oberbegriff für alle Arten von geri[X.]htli[X.]hen Ents[X.]heidungen, au[X.]h für [X.] eines Geri[X.]htsbediensteten, verwendet.

Die unters[X.]hiedli[X.]he Bezei[X.]hnung einer Ents[X.]heidung als "judgment" oder "de[X.]ision" findet si[X.]h in der englis[X.]hen Spra[X.]hfassung von Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a - d [X.] wieder. Das [X.] knüpft in seiner englis[X.]hen Spra[X.]hfassung an den in der jeweiligen Verordnung verwendeten Oberbegriff an ([X.], [X.] 2022, 550, 552). Eine inhaltli[X.]he Differenzierung zwis[X.]hen Urteilen und Bes[X.]hlüssen ist dana[X.]h offensi[X.]htli[X.]h ni[X.]ht beabsi[X.]htigt. Aus der englis[X.]hen Spra[X.]hfassung von Art. 2 Bu[X.]hst. a [X.] Ia-VO ergibt si[X.]h zudem, dass mit dem Begriff "judgment" au[X.]h [X.] erfasst werden.

(2) Au[X.]h weitere Spra[X.]hfassungen des Art. 67 Abs. 2 [X.], wie etwa die französis[X.]he, italienis[X.]he, niederländis[X.]he oder spanis[X.]he Spra[X.]hfassung, spre[X.]hen gegen eine inhaltli[X.]he Differenzierung zwis[X.]hen Urteil und Ents[X.]heidung ([X.], Urteil vom 29. März 2022 - 310 [X.], juris Rn. 26 ff).

In der niederländis[X.]hen und der spanis[X.]hen Spra[X.]hfassung von Art. 67 Abs. 2 [X.] findet insgesamt keine Differenzierung zwis[X.]hen den Begriffen Urteil und Bes[X.]hluss statt. In der niederländis[X.]hen Spra[X.]hfassung wird in der gesamten Norm nur der Begriff "beslissingen" verwendet, während si[X.]h in der spanis[X.]hen Spra[X.]hfassung des Art. 67 Abs. 2 [X.] allein der Begriff "resolu[X.]iones" findet.

[X.][X.]) Für eine mögli[X.]hst umfassende Anwendung auf geri[X.]htli[X.]he Ents[X.]heidungen spri[X.]ht der Zwe[X.]k des Überleitungsre[X.]hts. Wei[X.]hen die vers[X.]hiedenen Spra[X.]hfassungen voneinander ab, muss die fragli[X.]he Vors[X.]hrift na[X.]h der allgemeinen Systematik und dem Zwe[X.]k der Regelung ausgelegt werden ([X.], Urteil vom 12. Oktober 2023 - [X.]/22, NJW 2023, 3636 Rn. 36 mwN - [X.] NV/P&V Verzekeringen CVBA). Das Regelungsziel des Art. 67 [X.] besteht darin, die Vollstre[X.]kbarkeit von Titeln aller Art umfassend zu regeln. Soweit sie in einem geri[X.]htli[X.]hen Verfahren ergehen, soll si[X.]h das die Vollstre[X.]kbarkeit regelnde Re[X.]ht einheitli[X.]h na[X.]h dem Zeitpunkt der Einleitung des geri[X.]htli[X.]hen Verfahrens ri[X.]hten. Art. 67 Abs. 2 [X.] stellt so si[X.]her, dass sämtli[X.]he geri[X.]htli[X.]he Ents[X.]heidungen in Verfahren, die vor dem 1. Januar 2021 eingeleitet wurden, au[X.]h weiterhin na[X.]h Maßgabe der dort genannten Verordnungen vollstre[X.]kt werden können. Es ist - wie dies die Spra[X.]hfassungen weit überwiegend zum Ausdru[X.]k bringen - allein zwe[X.]kmäßig, das in einem Verfahren ergangene Urteil und den daran ans[X.]hließenden Kostenfestsetzungsbes[X.]hluss demselben Anerkennungs- und Vollstre[X.]kungsregime zu unterwerfen.

[X.]) Der zeitli[X.]he Anwendungsberei[X.]h von Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] ist eröffnet. Na[X.]hdem die Klage im Streitfall bereits im Jahr 2014 erhoben worden ist, würde ein Kostenfestsetzungsbes[X.]hluss zugunsten des [X.]n in einem im Sinne des Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] vor dem Ablauf des Übergangszeitraums eingeleiteten geri[X.]htli[X.]hen Verfahren ergehen.

Der Übergangszeitraum ist gemäß Art. 126 [X.] am 31. Dezember 2020 abgelaufen. Für den maßgebli[X.]hen Zeitpunkt der Einleitung des geri[X.]htli[X.]hen Verfahrens ist auf den Zeitpunkt der Einleitung des Klageverfahrens und ni[X.]ht auf die spätere Einleitung des Kostenfestsetzungsverfahrens abzustellen ([X.], [X.], 521, 523; [X.], [X.] 2022, 550, 552). Das Kostenfestsetzungsverfahren stellt als unselbständiges Annexverfahren zum eigentli[X.]hen Klageverfahren kein eigenständiges Verfahren im Sinne des Art. 67 Abs. 2 [X.] dar.

d) Die Vollstre[X.]kung eines zugunsten des [X.]n ergehenden Kostenfestsetzungsbes[X.]hlusses würde au[X.]h aufgrund eines völkerre[X.]htli[X.]hen Vertrags gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erfolgen. Es kann dahingestellt bleiben, ob die [X.] I-Verordnung ein völkerre[X.]htli[X.]her Vertrag im Sinne dieser Norm wäre. Die Vollstre[X.]kung des Kostenfestsetzungsbes[X.]hlusses würde vorliegend gemäß Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] erfolgen, wona[X.]h bestimmte Normen des europäis[X.]hen Re[X.]hts weiterhin fortgelten sollen. Bei dem [X.] handelt es si[X.]h um einen völkerre[X.]htli[X.]hen Vertrag.

e) Der Vollstre[X.]kbarkeit des Kostenfestsetzungsbes[X.]hlusses steht au[X.]h ni[X.]ht entgegen, dass englis[X.]he Geri[X.]hte Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] abwei[X.]hend von der dieser Ents[X.]heidung zugrundeliegenden Auffassung auslegen könnten. Dabei kann offenbleiben, ob das Risiko, dass die Geri[X.]hte im Vollstre[X.]kungsstaat einen völkerre[X.]htli[X.]hen Vertrag anders auslegen als [X.] Geri[X.]hte, der Vollstre[X.]kbarkeit eines Kostenfestsetzungsbes[X.]hlusses im Sinne von § 110 Abs. 2 Nr. 2 ZPO grundsätzli[X.]h entgegenstehen kann oder ob dieses Risiko jeder Vollstre[X.]kung im Ausland immanent und daher grundsätzli[X.]h hinzunehmen ist (vgl. zum wirts[X.]haftli[X.]hen Risiko der Vollstre[X.]kung [X.]/[X.], 6. Aufl., § 110 Rn. 23; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 20. Aufl., § 110 Rn. 5; [X.], ZPO, 23. Aufl., § 110 Rn. 40; [X.]/S[X.]hütze/S[X.]hütze, ZPO, 5. Aufl., § 110 Rn. 62). Aufgrund der klaren Systematik der englis[X.]hen Spra[X.]hfassung des Art. 67 Abs. 2 [X.] kann s[X.]hon ni[X.]ht davon ausgegangen werden, dass die britis[X.]hen Geri[X.]hte zu einem anderen Auslegungsergebnis gelangen werden. Allein die abstrakte Gefahr einer abwei[X.]henden Auslegung, die bei jedem völkerre[X.]htli[X.]hen Vertrag besteht, steht der Annahme einer Vollstre[X.]kungsmögli[X.]hkeit ni[X.]ht entgegen.

f) Ein Vorabents[X.]heidungsersu[X.]hen an den Geri[X.]htshof der [X.] gemäß Art. 267 A[X.]V ist ni[X.]ht geboten. Die ri[X.]htige Auslegung des Art. 67 Abs. 2 Bu[X.]hst. a [X.] ist angesi[X.]hts des Wortlauts der übrigen Spra[X.]hfassungen der Norm derart offenkundig zu beantworten, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt ("a[X.]te [X.]lair", vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.], DVBl 1983, 267, 268 - [X.]; vom 9. September 2015 - [X.]/14, [X.] 2016, 111 Rn. 38 f; vom 6. Oktober 2021 - [X.]/19, NJW 2021, 3303 Rn. 47 - [X.] ua/[X.]).

S[X.]hoppmeyer     

      

[X.]     

      

Harms 

      

Weinland     

      

Kunnes     

      

Meta

IX ZR 143/22

21.12.2023

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Düsseldorf, 23. Juni 2022, Az: I-12 U 20/22

Art 67 Abs 2 Buchst a BrexitAbk, Art 126 BrexitAbk, Art 32 EGV 44/2001, Art 38 Abs 2 EGV 44/2001, Art 9 Nr 1 EuNiederlAbk, Art 30 Nr 1 EuNiederlAbk, Art 39 EUV 1215/2012, Art 66 Abs 1 EUV 1215/2012, Art 66 Abs 2 EUV 1215/2012, § 110 Abs 2 Nr 1 ZPO, § 110 Abs 2 Nr 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 21.12.2023, Az. IX ZR 143/22 (REWIS RS 2023, 9539)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 9539

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VI ZR 68/21 (Bundesgerichtshof)

Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit: Zulässigkeit in einer höheren Instanz; Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung …


IX ZB 73/19 (Bundesgerichtshof)

Vollstreckungsversagungsverfahren: Fristwahrende Einlegung der sofortigen Beschwerde nur beim Oberlandesgericht; Wiedereinsetzung bei fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung


10 O 27/20 (Landgericht Dortmund)


X ZR 76/16 (Bundesgerichtshof)

Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung der Brüssel-Ia-VO: Erfüllungsort bei Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der …


VII ZR 139/17 (Bundesgerichtshof)

Internationale Zuständigkeit: Überprüfung der Behauptung einer bestimmten Form einer Gerichtsstandsvereinbarung als Handelsbrauch


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

VI ZR 68/21

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.