Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2012, Az. II ZR 197/10

2. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 10114

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Gegenstand

BGB-Gesellschaft: Bereicherungshaftung des ausgeschiedenen Gesellschafters für spätere Doppelzahlungen


Leitsatz

1. Erbringt der Schuldner versehentlich eine weitere Zahlung auf seine gegenüber einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründete Schuld, obwohl er diese bereits durch eine frühere Zahlung getilgt hat, so haftet ein Gesellschafter, der nach dem Abschluss des die Zahlungspflicht begründenden Vertrages, aber vor der versehentlichen Doppelzahlung aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, nicht für die Bereicherungsschuld der Gesellschaft, wenn die Doppelzahlung in dem ursprünglichen Vertrag nicht angelegt war.

2. Der Gesellschafter, der aus einer bestehenden Gesellschaft ausgeschieden ist, aber weiterhin als Gesellschafter nach außen auftritt, kann als Scheingesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft haften, wenn er gegen den gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen ist und sich ein Dritter bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 5. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 5. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger schloss mit der [X.], deren [X.]erin die Beklagte war, am 9. Juli 2003 einen Verwaltervertrag für ein von ihm vermietetes Wohnhaus. Der Vertrag hatte eine Laufzeit bis 31. Dezember 2004 und sollte sich jeweils um ein Jahr verlängern, wenn er nicht gekündigt wurde. Als Vergütung sollte die [X.] monatlich pro Wohneinheit 15,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer erhalten, jeweils bis zum 15. eines Monats per Dauerauftrag. Der Kläger überwies monatlich per Dauerauftrag 208,80 €.

2

Im April 2006 sandte die [X.] unter dem Datum vom 10. April 2005 dem Kläger eine Rechnung über einen Rechnungsbetrag von 2.505,60 € (2.160 € zuzüglich Mehrwertsteuer). Die Rechnung enthielt eine Rechnungsnummer und lautete u.a.:

„Vertragsgemäß berechnen wir Ihnen folgende Provisionszahlung:

Hausverwaltertätigkeit 2005 für 12 Monate á 180,00 € ….

Wir bitten, den monatlichen Betrag in Höhe von Brutto 2.505,60 € jeweils zum 01. des laufenden Kalendermonats auf folgendes Konto zu überweisen…“.

3

Unter dem Datum vom 10. April 2006 sandte die [X.] dem Kläger eine weitere Rechnung über 2.505,60 €, diesmal für die Hausverwaltertätigkeit 2006. Am 20. April 2006 überwies eine Mitarbeiterin des [X.] an „W.   & M.   “ 5.011,20 € unter Angabe der Rechnungsnummern der Rechnungen von 2005 und 2006 als Verwendungszweck.

4

Die Beklagte war aufgrund eines [X.]erbeschlusses mit Wirkung vom 30. September 2005 aus der [X.] ausgeschieden und ihr Anteil war auf den einzigen weiteren [X.]er übergegangen, der die Tätigkeit der [X.] allein fortsetzen sollte.

5

Mit der Klage verlangt der Kläger die Rückzahlung der zusätzlich zu den Zahlungen aus dem Dauerauftrag überwiesenen 5.011,20 €. Das [X.] hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des [X.].

Entscheidungsgründe

6

Die Revision des [X.] hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

7

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte hafte nicht nach § 736 BGB in Verbindung mit § 160 HGB. Eine Altverbindlichkeit liege nicht vor. Eine [X.]e Leistung nach dem Ausscheiden des [X.]ers begründe nur dann eine Altverbindlichkeit, wenn der vermeintliche Rechtsgrund bereits zum Zeitpunkt des Ausscheidens des [X.]ers bestanden habe. Die Doppelzahlung habe ihre Grundlage nicht in dem zum Zeitpunkt des Ausscheidens bestehenden Verwaltervertrag, sondern in dem irrigen Verständnis des [X.], dass er den in den Rechnungen genannten Betrag jeweils zahlen müsse.

8

Der Kläger habe auch keinen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen der Übersendung einer Rechnung. Die Rechnung datiere vom April 2006 und sei damit nach dem Ausscheiden der Beklagten gestellt.

9

II. Das Berufungsurteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

1. Das Berufungsgericht hat zutreffend eine Nachhaftung der Beklagten nach § 736 Abs. 2 BGB verneint. Ein [X.]er, der nach dem Abschluss eines eine Zahlungspflicht begründenden Vertrages, aber vor einer versehentlichen Doppelzahlung aus der [X.] ausgeschieden ist, haftet nicht für die Bereicherungsschuld der [X.], wenn die Doppelzahlung in dem ursprünglichen Vertrag nicht angelegt war.

a) Neben der [X.] entsprechend § 128 HGB auch die [X.]er für die Verbindlichkeiten der [X.], unabhängig von deren Rechtsgrund (vgl. [X.], Urteil vom 24. Februar 2003 - [X.], [X.]Z 154, 88, 94). Dem Kläger stand gegen die vermeintlich noch bestehende [X.] zwischen der Beklagten und dem weiteren [X.]er [X.]ein Anspruch in Höhe von 5.011,20 € zu. Ein Rechtsgrund für die Zahlung im April 2006 bestand nicht, soweit die Vergütungsforderung aus dem Verwaltervertrag bis April 2006 bereits beglichen war. Soweit die restliche, noch nicht fällige Vergütung für 2006 bereits im April 2006 bezahlt wurde, wurde die Vergütung in der Folgezeit mit dem weiterlaufenden Dauerauftrag [X.] geleistet. Der Kläger hat an die - vermeintlich bestehende - [X.] zwischen der Beklagten und [X.]gezahlt. Die [X.] ist auf den Überweisungen als Begünstigte angeführt. Dem Kläger war nicht bekannt, dass die Beklagte aus der [X.] ausgeschieden ist und [X.]  den Verwaltervertrag alleine fortführte.

b) Die Verbindlichkeit ist keine Altverbindlichkeit, auf die sich die Nachhaftung erstreckt.

aa) Der [X.]er haftet nach § 128 HGB auch nach seinem Ausscheiden aus der [X.], die während seiner Mitgliedschaft begründet wurden (Altverbindlichkeiten), soweit seine Nachhaftung nicht nach § 736 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 160 HGB begrenzt ist. Für zweigliedrige [X.]en, in denen der Betrieb vom letzten verbliebenen [X.]er nach dem Ausscheiden des vorletzten [X.]ers fortgeführt wird, gelten keine Besonderheiten ([X.], Urteil vom 27. September 1999 - [X.], [X.]Z 142, 324, 331).

bb) Die Rückzahlungsverbindlichkeit der [X.] aufgrund der [X.] auf die [X.] war keine Altverbindlichkeit. Altverbindlichkeiten sind alle Schuldverpflichtungen, deren Rechtsgrundlage bis zum Ausscheiden gelegt worden ist, auch wenn die einzelnen Verpflichtungen erst später fällig werden (vgl. [X.], Urteil vom 29. April 2002 - [X.]/00, [X.]Z 150, 373, 376).

Die Rechtsgrundlage für die [X.] ist nicht bis zum Ausscheiden der Beklagten gelegt worden. Bei einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen einer [X.]en Leistung des [X.] liegt zwar grundsätzlich eine Altverbindlichkeit vor, wenn der vermeintliche Rechtsgrund, auf den geleistet wurde, bereits beim Ausscheiden bestand; der Zeitpunkt der Leistungshandlung des Gläubigers ist ohne Bedeutung (vgl. Staub/[X.], HGB, 5. Aufl., § 128 Rn. 69; MünchKommHGB/[X.], 3. Aufl., § 128 Rn. 57; [X.] in [X.]/Boujong/[X.]/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 128 Rn. 53; [X.]/Strohn/[X.], HGB § 128 Rn. 52; vgl. auch [X.], [X.], 1462, 1464). Die Gläubiger vertrauen beim Abschluss eines Geschäfts mit einer [X.] darauf, auf das Privatvermögen der [X.]er zurückgreifen zu können. Diese Möglichkeit muss ihnen erhalten bleiben, wenn ein [X.]er ausscheidet ([X.], Urteil vom 6. Juni 1968 - [X.], [X.]Z 50, 232, 235). Ähnlich ist die Situation, wenn der Gläubiger nach dem Ausscheiden des [X.]ers [X.] an die [X.] aufgrund eines Geschäfts leistet, das zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden ist, zu dem der ausgeschiedene [X.]er noch mit seinem Privatvermögen haftete.

Für eine versehentliche Doppelzahlung ist bei der hier gegebenen Fallgestaltung eine Rechtsgrundlage aber nicht schon mit dem ursprünglichen Vertrag gelegt. In einer vertraglich eingegangenen Zahlungsverpflichtung, die für eine zur Tilgung dieser Zahlungsschuld führende Leistung einen tatsächlichen und nicht nur vermeintlichen Rechtsgrund darstellt, ist nicht angelegt, dass die Leistung [X.] erbracht wird. Der vermeintliche Rechtsgrund für die Überweisung vom 20. April 2006 sowie für die danach erbrachten Leistungen aufgrund des [X.] war hier zwar die Zahlungsverpflichtung aus dem Verwaltervertrag und nicht, wie das Berufungsgericht meint, die Rechnungstellung. Dass bei der Überweisung als Verwendungszweck die Rechnungsnummern angegeben waren, macht die Rechnungen nicht zum Rechtsgrund der Zahlung. Im Verwaltervertrag war aber nicht angelegt, dass der Kläger die [X.] neben der regelmäßigen Zahlung durch Dauerauftrag noch einmal bezahlte.

2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber nicht geprüft, ob die Beklagte als [X.]in haftet.

a) Der [X.]er, der aus einer bestehenden [X.] ausgeschieden ist, aber weiterhin als [X.]er nach außen auftritt, kann als [X.] haften, wenn er gegen den gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen ist und sich ein Dritter bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat.

Personen können als [X.] nach [X.] haften, wenn sie in zurechenbarer Weise den Rechtsschein einer existierenden [X.] bürgerlichen Rechts und ihrer Zugehörigkeit zu dieser [X.] gesetzt haben oder gegen den durch einen anderen gesetzten Rechtsschein nicht pflichtgemäß vorgegangen sind und der Dritte sich bei seinem geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 1955 - [X.], [X.]Z 17, 13, 19; Urteil vom 24. Januar 1978 - [X.], [X.]Z 70, 247, 249; Urteil vom 24. Januar 1991 - [X.], NJW 1991, 1225; Urteil vom 8. Juli 1999 - [X.], NJW 1999, 3040, 3041; Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, [X.]Z 146, 341, 359; Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.], [X.]Z 172, 169 Rn. 20; Urteil vom 1. Juni 2010 - [X.], NJW 2011, 66 Rn. 23). Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen trifft die Haftung den [X.] sowohl für vertragliche Ansprüche wie auch für außervertragliche Ansprüche (vgl. [X.], Urteil vom 3. Mai 2007 - [X.], [X.]Z 172, 169 Rn. 21 ff.).

[X.] ist auch der [X.]er, der aus einer bestehenden [X.] ausgeschieden ist, aber weiterhin als [X.]er nach außen auftritt. Wenn nach außen hin für den Rechtsverkehr eine Veränderung in der personellen Zusammensetzung der [X.] nicht sichtbar geworden ist, muss der ausgeschiedene [X.]er sich so behandeln lassen, als bestehe der bisherige Rechtszustand weiter (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 1988 - [X.], [X.], 986, 987; Urteil vom 24. Januar 1991 - [X.], NJW 1991, 1225 f.). Für das Auftreten als [X.]er kann es genügen, wenn der [X.]er im Briefkopf der [X.] genannt wird (vgl. [X.], Urteil vom 10. März 1988 - [X.], [X.], 986, 987; Urteil vom 17. Oktober 1989 - [X.], NJW 1990, 827, 829; Urteil vom 8. Juli 1999 - [X.], NJW 1999, 3040, 3041; Urteil vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00, [X.]Z 146, 341, 359).

b) Die Beklagte ist nach außen weiterhin als [X.]erin in Erscheinung getreten. Dem Kläger, der den Verwaltervertrag mit der [X.] abgeschlossen hatte, war ihr Ausscheiden nicht mitgeteilt worden. Im Gegenteil war die Beklagte jedenfalls auf dem Briefkopf weiterhin als [X.]erin genannt, so auch auf den beiden im April 2006 übersandten Rechnungen, die die Überweisung ausgelöst haben. Der Kläger hat sich, wie die ausdrücklich an die [X.] gerichteten Überweisungen zeigen, bei seinen Zahlungen auf den damit gesetzten Rechtsschein eines [X.] der [X.] mit der Beklagten verlassen.

c) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht deshalb als richtig, weil die Beklagte bestritten hat, die Verwendung ihres Namens geduldet zu haben. Zum pflichtgemäßen Vorgehen gegen den gesetzten Rechtsschein genügt es nicht, dass der ausscheidende [X.]er dem verbleibenden [X.]er die Weiterverwendung von Hinweisen auf die [X.] wie die Namensverwendung im Briefkopf oder auf einem Firmen- oder [X.] untersagt. Er muss vielmehr im Rahmen des ihm Zumutbaren selbst die Handlungen vornehmen, die geeignet sind, den aus der früheren Kundgabe der Stellung als [X.]er erwachsenen Rechtsschein zu zerstören (vgl. [X.], Urteil vom 24. Januar 1991 - [X.], NJW 1991, 1225).

III. [X.] ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sie ist nicht zur Endentscheidung reif, weil die Beklagte Gelegenheit erhalten muss darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, welche zumutbaren Maßnahmen sie zur Zerstörung des gesetzten Rechtsscheins unternommen hat. Dieser Gesichtspunkt hat im bisherigen Verfahren keine Bedeutung erlangt, weil die Vorinstanzen jeweils nur auf das Nichtvorliegen einer Altverbindlichkeit abgestellt haben.

Der Senat weist dabei darauf hin, dass die Vereinbarung beim Ausscheiden der Beklagten, dass eine Ummeldung des [X.] auf den verbliebenen [X.]er erfolgen solle, „sobald die Mehrzahl ausstehender Ein- und Ausgänge im Geschäftskonto abschließend zu verzeichnen waren“, ein Anhaltspunkt dafür sein kann, dass die Veränderungen im [X.]erbestand nach außen vorerst nicht verlautbart werden sollten.

[X.]                                               Caliebe                                              Drescher

                             Born                                                      Sunder

Meta

II ZR 197/10

17.01.2012

Bundesgerichtshof 2. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 5. Oktober 2010, Az: 5 U 600/09, Urteil

§ 705 BGB, § 736 Abs 2 BGB, § 812 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2012, Az. II ZR 197/10 (REWIS RS 2012, 10114)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 10114

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