Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2011, Az. B 11 AL 7/10 R

11. Senat | REWIS RS 2011, 934

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - Leistungsausführung durch ein Persönliches Budget - Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen - Förderung einer Maßnahme außerhalb einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen


Leitsatz

Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen können in Fällen der Leistungsausführung durch ein Persönliches Budget nicht allein deshalb verweigert werden, weil es sich bei der konkret gewählten Einrichtung nicht um eine anerkannte Werkstatt handelt.

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der beklagten [X.] ([X.]) Kostenerstattung bzw Neubescheidung wegen der in einer Einrichtung für behinderte Menschen im [X.]raum 1.9.2004 bis [X.] durchgeführten Maßnahme.

2

Der 1986 geborene Kläger ist geistig und psycho-motorisch behindert (Grad der Behinderung 100). Er beantragte im April 2004 bei der [X.] Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Förderung einer Ausbildung für die [X.] nach Beendigung der Schule). Im Mai 2004 konkretisierte er seinen Antrag und begehrte die Förderung einer Ausbildung in einer von der [X.] betriebenen Gärtnerei (im Folgenden: Gärtnerei [X.]). Den Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 15.7.2004).

3

Am 31.8.2004 beantragte der Kläger bei der [X.] (erneut) Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Ab dem 1.9.2004 war er in der Gärtnerei [X.] tätig und wurde hier zusammen mit anderen Behinderten unter Anleitung nichtbehinderter Mitarbeiter ausgebildet. Mit einem zunächst beim beigeladenen Sozialhilfeträger eingereichten und sodann an die [X.] weitergeleiteten Schreiben vom 7.10.2004 beantragte der Kläger ein trägerübergreifendes Persönliches Budget ([X.]) nach § 17 [X.] ([X.]) für die Bereiche Wohnen, Arbeiten, Pflege und Förderung. Im November 2004 kam es zu einer sog [X.] unter Beteiligung des [X.] und seiner Eltern sowie von Vertretern der [X.], des Sozialhilfeträgers und der [X.] (örtlicher [X.]verein). Die Träger äußerten in dieser Konferenz, sie würden jeder in eigener Zuständigkeit über die in Betracht kommenden Leistungen entscheiden.

4

Dementsprechend bewilligte der Sozialhilfeträger dem Kläger in der Folgezeit ua die Übernahme der Kosten für die Unterbringung in einer von der [X.] organisierten Wohngruppe sowie Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

5

Die Beklagte lehnte es dem Kläger gegenüber ab, die Finanzierung der Beschäftigung in der Gärtnerei [X.] zu übernehmen (Bescheid vom 8.12.2004). Sie verwies auf ihren früheren Bescheid vom [X.] und den Widerspruchsbescheid vom 15.7.2004 sowie darauf, dass in der [X.] vereinbart worden sei, jeder Kostenträger entscheide in eigener Zuständigkeit. Eine Förderung der Beschäftigung in der Gärtnerei [X.] sei nicht möglich, da die [X.] nicht budgetfähig seien und die Gärtnerei keine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen ([X.]) sei. Der Widerspruch des [X.] blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10.2.2005).

6

Das Sozialgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 16.1.2007). Das [X.] (L[X.]) hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 5.12.2008). In den Entscheidungsgründen hat das L[X.] ua ausgeführt: Die Leistungsgewährung nach § 17 Abs 2 S 1 [X.] sei als Ermessensleistung ausgestaltet; erst ab 2008 bestehe gemäß § 159 Abs 5 [X.] ein Rechtsanspruch. Da der Kläger einen auf Kostenübernahme zielenden [X.] gestellt habe, hänge der [X.] auch davon ab, dass neben dem Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Ermessensausübung nur in dem Sinne erfolgen könne, dass nur die Übernahme der [X.] rechtmäßig sei. Es fehle indes bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen des Anspruchs. Der Kläger sei zwar Behinderter iS des § [X.] ([X.]B III) iVm § 2 Abs 1 [X.] und bedürfe der Integration in eine Beschäftigung unter beschützenden Rahmenbedingungen, wie sie zB in einer [X.] erbracht werden könne. Der Kläger habe auch in der Gärtnerei [X.] eine Maßnahme im Eingangs- bzw Berufsbildungsbereich durchlaufen. Ein Anspruch gegen die Beklagte auf Förderung dieser konkreten Maßnahme bestehe jedoch nicht, da Voraussetzung für Leistungen nach § 40 [X.] deren Durchführung in einer anerkannten [X.] sei. Bei der Gärtnerei [X.] handle es sich nicht um eine anerkannte [X.]. Ein Anspruch des [X.] ergebe sich auch nicht aus § 102 Abs 1 S 1 und 2 [X.]B III. Es könne dahinstehen, ob die Gärtnerei [X.] eine besondere Einrichtung für behinderte Menschen sei, da gemäß § 102 Abs 2 [X.]B III Leistungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der Werkstätten für behinderte Menschen nur nach § 40 [X.] erbracht würden. Durch diese Regelung sei klargestellt, dass der Gesetzgeber die Erbringung von Leistungen im Eingangs- bzw Berufsbildungsbereich an den [X.]-Status der Einrichtung knüpfe. Ein Anspruch des [X.] gegen die Beklagte könne auch nicht aus § 56 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch ([X.]B XII) hergeleitet werden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch gegen den Beigeladenen, der für die durchgeführte Maßnahme wegen des in § 2 Abs 1 [X.]B XII geregelten Nachrangs der Sozialhilfe nicht zuständig sei.

7

Mit der vom [X.] (B[X.]) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzungen der §§ 102 [X.]B III und 17 [X.]. Er trägt vor, es werde den mit der Einführung des [X.] verfolgten Zielen nicht gerecht, eine Förderung nur für Maßnahmen in einer anerkannten [X.] zu gewähren. Zum Wesen des [X.] gehöre es gerade, den [X.] nicht auf bestimmte Leistungserbringer zu beschränken. Bei der Leistungsgewährung in Form eines [X.] genüge es daher, dass dem Grunde nach ein Anspruch auf die Teilhabeleistung bestehe. § 102 Abs 2 [X.]B III treffe nur eine spezielle Regelung für Fälle, in denen Leistungen in einer [X.] erbracht würden. Leistungen außerhalb einer [X.] könnten auch nach § 102 Abs 1 S 2 [X.]B III gewährt werden.

8

Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 10.2.2005 zu verurteilen, den Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.7.2004 zurückzunehmen und ihm die Kosten für die Maßnahme in der Gärtnerei [X.] für den [X.]raum 1.9.2004 bis [X.] zu erstatten, hilfsweise, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

Sie trägt vor, das L[X.] habe zutreffend entschieden. Auch bei Leistungsausführung durch ein [X.] sei das Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen erforderlich. Die Voraussetzungen des § 102 [X.]B III seien indes nicht gegeben. Es sei zwar unstreitig, dass der Kläger die Voraussetzungen für die Teilnahme im Eingangsverfahren und im Berufsausbildungsbereich einer [X.] an sich erfülle; gleichwohl sei die konkret durchgeführte Maßnahme mit einer Maßnahme in einer anerkannten [X.] inhaltlich nicht vergleichbar. Zwar verlange die [X.] in Fällen, in denen Leistungen zur Teilhabe durch ein [X.] ausgeführt werden, nicht, dass es sich bei der konkreten Einrichtung um eine [X.] handle. Dies ändere jedoch nichts am Nichtbestehen eines Anspruchs.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 Sozialgerichtsgesetz ). Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des [X.] reichen für eine abschließende Entscheidung des [X.] nicht aus.

1. Das [X.] hat dem Umstand, dass es sich bei den vom Kläger beantragten Leistungen um Leistungen zur Teilhabe iS des § 14 [X.] handelt (vgl § 5 [X.], § 33 [X.]) und dass deshalb die Regelungen des § 14 [X.] und die hierzu vorliegende Rechtsprechung des [X.] zu beachten sind, nicht hinreichend Rechnung getragen.

Nach § 14 Abs 1 S 1 [X.] hat der Rehabilitationsträger, bei dem Leistungen zur Teilhabe beantragt sind, innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages festzustellen, ob er für die Leistung zuständig ist; stellt er seine Unzuständigkeit fest, hat er nach § 14 Abs 1 S 2 [X.] den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen Träger zuzuleiten. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, hat der angegangene Träger gemäß § 14 Abs 2 S 1 [X.] den Rehabilitationsbedarf unverzüglich festzustellen. Aus den genannten Bestimmungen folgt nach der Rechtsprechung des [X.], dass der erstangegangene Träger, der den Antrag nicht nach den Vorgaben des § 14 Abs 1 [X.] weiterleitet, verpflichtet ist, Leistungen aufgrund aller Rechtsgrundlagen zu erbringen, die in der konkreten Bedarfssituation vorgesehen sind (vgl [X.]E 93, 283, 288 = [X.]-3250 § 14 [X.] 1; [X.]E 102, 90, 99 = [X.]-2500 § 33 [X.]1; [X.]E 104, 294, 296 = [X.]-3250 § 14 [X.] 9; [X.] [X.]-2500 § 33 [X.] 35, Rd[X.]0). Die Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers ändert sich auch nicht dadurch, dass er das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines bindenden Bescheids abschließt; er bleibt dann auch für ein mögliches Verfahren nach § 44 [X.] ([X.]) weiter zuständig und muss in diesem Verfahren alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen beachten (vgl [X.]E 101, 207, 212 = [X.]-3250 § 14 [X.] 7, jeweils Rd[X.] 31).

Den tatsächlichen Feststellungen des [X.] ist zu entnehmen, dass der Kläger bereits im April 2004 bei der [X.]n Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beantragt und dass die [X.] den Antrag nicht an einen anderen Träger weitergeleitet, sondern über ihn entschieden hat (Bescheid vom [X.], Widerspruchsbescheid vom 15.7.2004). Der wiederum auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gerichtete Antrag des [X.] vom 31.8.2004 wie auch der folgende Antrag vom 7.10.2004 mit dem Ziel der Leistungsausführung durch ein [X.] stehen im engen sachlichen Zusammenhang mit dem Antrag vom April 2004. Dies ist schon daraus zu ersehen, dass die [X.] im angefochtenen Bescheid vom 8.12.2004 ausdrücklich auf ihren früheren Bescheid vom [X.] verwiesen hat. Es ist deshalb davon auszugehen und vom Kläger in seinem Revisionsantrag klargestellt worden, dass er auch eine Überprüfung des bereits bindend gewordenen Bescheids vom [X.] gemäß § 44 [X.] verlangt und dass die [X.] insoweit eine Entscheidung zugunsten des [X.] abgelehnt hat. Auch für die späteren Anträge ist somit die [X.] als erstangegangener Träger iS des § 14 [X.] umfassend für die Entscheidung unter Beachtung aller in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zuständig (dazu nachfolgend unter 4.).

2. Nicht zu beanstanden sind die Ausführungen des [X.], wonach der Antrag des [X.], über den die [X.] mit den streitgegenständlichen Bescheiden entschieden hat, auf Leistungsausführung durch ein [X.] gemäß § 17 Abs 2 [X.] gerichtet, die begehrte Leistung zur Teilhabe budgetfähig und das [X.] nicht selbst Anspruchsgrundlage für eine solche Leistung ist. Ebenso zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass die Leistungsausführung im Rahmen eines [X.] im streitgegenständlichen [X.]raum im Ermessen des zuständigen Trägers stand (§ 17 Abs 2 S 1, Abs 6 [X.]; § 159 Abs 5 [X.], eingeführt durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.], [X.] 3022, wonach § 17 Abs 2 S 1 [X.] vom 1.1.2008 an mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass auf Antrag Leistungen durch ein [X.] ausgeführt werden). Unabhängig davon kann auch bei der Leistungsausführung durch ein [X.] eine zum Bedarf zählende Einzelleistung nur in Abhängigkeit vom Ermessen des zuständigen Trägers beansprucht werden, wenn diese Leistung gesetzlich als Ermessensleistung ausgestaltet ist (vgl Urteil des [X.] vom 11.5.2011 - B 5 R 54/10 R - , zur [X.] vorgesehen, Rd[X.] 17).

Das auf Leistungsausführung durch ein [X.] gerichtete Begehren des [X.] ist nicht etwa deshalb als gegenstandslos anzusehen, weil die an der [X.] vom November 2004 beteiligten Träger übereingekommen sind, jeweils gesondert in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, und weil der Kläger jetzt im gerichtlichen Verfahren nur noch von der [X.] Kostenerstattung bzw Neubescheidung verlangt. Zwar kann durch die Vorgehensweise der Träger der eigentliche Zweck des [X.], dem Leistungsberechtigten verschiedene budgetfähige Leistungen in Form einer einheitlichen monatlichen Geldleistung (§ 17 Abs 3 S 1 [X.]) zur Verfügung zu stellen und es ihm damit zu ermöglichen, Betreuungsleistungen selbst zu organisieren und zu bezahlen (vgl dazu [X.], Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 54/10 R - , zur [X.] vorgesehen, Rd[X.]9), nicht mehr erreicht werden. Gleichwohl ist nicht anzunehmen, der Kläger habe auf die Leistungsausführung durch ein [X.] verzichtet; denn die Vorgehensweise der Träger ist nicht vom Kläger zu vertreten und dieser hat während des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens stets auf sein Begehren, Leistungen im Rahmen eines [X.] zu erhalten, hingewiesen. Deshalb muss, was das [X.] nicht hinreichend beachtet hat, die dem [X.] zugrunde liegende Zielsetzung, dem Leistungsberechtigten ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen (§ 17 Abs 2 S 1 [X.], vgl auch [X.] 11.5.2011 aaO Rd[X.]9) und dem bereits in § 9 Abs 1 S 1 [X.] ausdrücklich geregelten Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten zu entsprechen (vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Hk-[X.], 3. Aufl 2010, § 17 Rd[X.] 17 f), bei der zu treffenden Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch und insoweit bei der Auslegung der einschlägigen Rechtsgrundlagen berücksichtigt werden. Im Übrigen bleibt das [X.] auch insoweit von Bedeutung, als es in der Regel als Geldleistung auszuführen ist (§ 17 Abs 3 S 1 [X.]).

3. Nach den vorstehenden Ausführungen zu den §§ 14 und 17 [X.] bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage. Soweit der Kläger mit dem Hauptantrag Kostenerstattung für eine in einem bestimmten [X.]raum durchgeführte Maßnahme verlangt, ist anzunehmen, dass er geltend macht, er habe Anspruch auf eine Geldleistung iS des § 17 Abs 3 S 1 [X.] und begehre insoweit ein Grundurteil (§ 130 Abs 1 S 1 SGG). Auch wenn die beantragte Leistung bzw Leistungsausführung vom Ermessen des zuständigen Trägers abhängt, ist, wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, ein Rechtsanspruch für den Fall einer Ermessensreduzierung auf Null möglich. Da der Kläger auch der [X.] gegenüber von Anfang an die Leistungsgewährung nach Maßgabe des § 17 [X.] verlangt hat und insoweit offensichtlich eine Ermessensleistung in Betracht kommt, ist aber nach dem vom [X.] nicht hinreichend beachteten Grundsatz der Meistbegünstigung (vgl zB [X.]E 97, 217, 219 = [X.]-4200 § 22 [X.] 1, jeweils Rd[X.] 11) auch anzunehmen, dass der Kläger von Anfang an den nun im Revisionsverfahren ausdrücklich formulierten Hilfsantrag auf Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts stellen wollte.

4. Anhand der vom [X.] bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen kann nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Kläger die begehrte Kostenerstattung zusteht bzw die [X.] zur Neubescheidung zu verurteilen ist. Zu den in Betracht kommenden und von der beklagten [X.] bzw von den Gerichten umfassend zu prüfenden Rechtsgrundlagen sowie zu den insoweit erforderlichen Feststellungen gibt der Senat die folgenden Hinweise.

a) Maßgebend ist die Rechtslage zu Beginn der Maßnahme (vgl [X.]E 89, 192, 194 = [X.] 3-4300 § 422 [X.]; Urteil des Senats vom 17.11.2005 - B 11a [X.] 23/05 R - Juris Rd[X.] 13). Bei den Rechtsgrundlagen ist also jeweils die am 1.9.2004 geltende Fassung heranzuziehen.

b) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch kann insbesondere auf den Vorschriften des [X.] zur Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben (§§ 97 ff [X.]) iVm den einschlägigen Vorschriften des [X.] beruhen.

aa) Nach § 97 Abs 1 [X.] idF des Art 3 des [X.] vom 19.6.2001 ([X.] 1046) können behinderten Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen (§ 97 Abs 2 [X.] in der vorbezeichneten Fassung). Nach § 98 [X.] idF des Art 3 des [X.] (aaO) können als Leistungen zur Teilhabe allgemeine Leistungen und besondere Leistungen erbracht werden (Abs 1 [X.] 1 und 2); besondere Leistungen werden nur erbracht, soweit nicht bereits durch die allgemeinen Leistungen eine Teilhabe am Arbeitsleben erreicht werden kann (Abs 2).

bb) Als allgemeine Leistungen iS des § 98 [X.] 1 [X.] sind unter den gegebenen Umständen allenfalls Leistungen zur Förderung der Berufsausbildung denkbar (§ 100 [X.] 5 [X.] iVm §§ 59 ff [X.]). Insoweit sind bislang eindeutige Feststellungen nicht getroffen. Nach dem Inhalt der beigezogenen Akten und dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] dürfte allerdings bereits die Förderungsfähigkeit der in der Gärtnerei [X.] absolvierten Ausbildung zu verneinen sein (§§ 59 [X.] 1, 60 [X.]). Auch erscheint es zweifelhaft, ob beim Kläger die Voraussetzungen des § 97 [X.] vorliegen (ua Erforderlichkeit der Förderung zur Herstellung von Erwerbsfähigkeit; Eignung, nicht nur für die Teilnahme an der Ausbildung, sondern auch für eine spätere berufliche Betätigung, vgl Urteil des Senats vom 17.11.2005 - B 11a [X.] 23/05 R - Juris Rd[X.]3).

cc) Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von allgemeinen Leistungen nicht vor, ist zu prüfen, ob dem Kläger ein Rechtsanspruch auf besondere Leistungen zusteht (§§ 102, 103 [X.], § 3 Abs 5 [X.]). In Betracht kommt insoweit unter den Umständen des vorliegenden Falles zunächst die Übernahme der Teilnahmekosten (§ 103 [X.] 3 [X.]) für eine Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen iS des § 102 Abs 1 [X.] (§ 102 Abs 1 S 1 und S 2 [X.] idF des Art 3 des [X.], [X.] 1046). Eine solche Leistung setzt voraus, dass Art oder Schwere der Behinderung oder die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben die Teilnahme an einer Maßnahme in einer besonderen Einrichtung für behinderte Menschen (§ 102 Abs 1 S 1 [X.] 1 Buchst a [X.]) oder an einer sonstigen auf die besonderen Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichteten Maßnahme (§ 102 Abs 1 S 1 [X.] 1 Buchst b [X.]) unerlässlich machen oder dass die allgemeinen Leistungen die wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlichen Leistungen nicht oder nicht im erforderlichen Umfang vorsehen (§ 102 Abs 1 S 1 [X.] [X.]). In derartigen besonderen Einrichtungen ermöglicht § 102 Abs 1 S 2 [X.] auch die Förderung von Ausbildungen außerhalb des Berufsbildungsgesetzes und der Handwerksordnung (zum klarstellenden Charakter des § 102 Abs 1 S 2 [X.] vgl Urteil des Senats vom 17.11.2005 - B 11a [X.] 23/05 R - Juris Rd[X.]2).

Soweit das [X.] offengelassen hat, ob die Gärtnerei [X.] eine besondere Einrichtung für behinderte Menschen iS des § 102 Abs 1 [X.] ist, und soweit es einen Anspruch des [X.] auf Förderung in einer solchen besonderen Einrichtung schon wegen der Verweisung in § 102 Abs 2 [X.] auf § 40 [X.] verneint hat, ist ihm nicht zu folgen. Denn § 102 Abs 1 [X.] enthält anders als § 102 Abs 2 [X.] (dazu nachfolgend [X.]) keinen Hinweis auf § 40 [X.], sodass auch nicht angenommen werden kann, eine Förderung nach § 102 Abs 1 [X.] sei nur in einer anerkannten [X.] möglich. Allerdings ist bei § 102 Abs 1 [X.] zu beachten, dass die auf § 56 Abs 3a Arbeitsförderungsgesetz ([X.]) zurückgehende Vorschrift bezweckt, die Förderung behinderter Menschen in allen Berufen zu gewährleisten, die gute und dauerhafte Beschäftigungschancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bieten (BT-Drucks 13/4941 [X.] f, zu § 102 Abs 1; [X.] in Eicher/[X.], [X.], Stand 2011, § 102 Rd[X.] 49 f). Eine Förderung nach § 102 Abs 1 [X.] kann also nur beansprucht werden, wenn durch die Maßnahme in der Einrichtung die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt erreicht werden soll. Ob dies beim Kläger der Fall war, hat das [X.] bislang nicht festgestellt; der Vortrag des [X.], er bedürfe der Integration in eine Beschäftigung unter beschützenden Rahmenbedingungen wie zB in einer [X.], spricht eher gegen das Vorliegen dieser Voraussetzung.

[X.]) Ist ein Anspruch des [X.] auf Förderung in einer besonderen Einrichtung iS des § 102 Abs 1 [X.] zu verneinen, kommt ein Anspruch auf Leistungen nach § 102 Abs 2 [X.] iVm mit den Vorschriften des [X.] in Betracht. Bei § 102 Abs 2 [X.] ist - anders als bei § 102 Abs 1 [X.] - nicht die Frage nach der Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu stellen; vielmehr handelt es sich bei § 102 Abs 2 [X.] um eine Sondervorschrift für behinderte Menschen, die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht tätig sein können und auf einen Arbeitsplatz in einer [X.] angewiesen sind (vgl noch zum [X.] [X.]E 73, 83, 86 = [X.] 3-4100 § 58 [X.] 5; [X.] in [X.]/Brand, [X.], 5. Aufl 2010, § 97 Rd[X.] 19; [X.] in Eicher/[X.], [X.], Stand 2011, § 102 Rd[X.] 62). Eine Förderung nach § 102 Abs 2 [X.] ist jedenfalls dann möglich, wenn erwartet werden kann, dass der behinderte Mensch nach der Teilnahme an der Maßnahme in der Lage ist, wenigstens ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen ([X.]E aaO; § 40 Abs 1 [X.] [X.], § 136 Abs 2 [X.]; [X.] in Eicher/[X.] aaO Rd[X.] 63).

Entgegen der Auffassung des [X.] ist ein Anspruch nach § 102 Abs 2 [X.] nicht schon deshalb zu verneinen, weil die Vorschrift auf § 40 [X.] verweist, der Regelungen zur Leistungserbringung in einer anerkannten [X.] enthält, die vom Kläger gewählte Einrichtung jedoch keine anerkannte [X.] ist. Insoweit hat das [X.] nicht hinreichend beachtet, dass der Kläger nach wie vor die Leistungsausführung durch ein [X.] gemäß § 17 [X.] begehrt (vgl oben 2.). Zwar ist § 102 Abs 2 [X.] wie schon die die [X.] des § 58 Abs 1a [X.] (vgl BT-Drucks 13/4941 [X.]) grundsätzlich auf eine Beschränkung der Leistungserbringung in anerkannten Werkstätten ausgerichtet (vgl [X.] in [X.]/Brand, [X.], 5. Aufl 2010, § 102 Rd[X.] 14; [X.] in Mutschler/[X.]/[X.], [X.], 3. Aufl 2008, § 102 Rd[X.]2; [X.] in Eicher/[X.], [X.], Stand 2011, § 102 Rd[X.] 54; zu § 58 Abs 1a [X.] [X.], [X.], 2. Aufl 1997, § 58 Rd[X.] 14). Nach dem Gesetzeswortlaut ist es jedoch nicht ausgeschlossen, in Fällen der Leistungsausführung durch ein [X.] unter Beachtung von Sinn und Zweck des § 17 [X.] die in § 102 Abs 2 [X.] genannte Vorschrift des § 40 [X.] nur eingeschränkt heranzuziehen und in sachlich begründeten Ausnahmefällen dem zuständigen Träger die Befugnis zuzugestehen, Leistungen im Ermessenswege auch dann zu bewilligen, wenn der Leistungsberechtigte eine nicht formell anerkannte Einrichtung wählt.

Dem [X.] liegt die Vorstellung zugrunde, dem Leistungsberechtigten ein selbstbestimmtes Leben in eigener Verantwortung zu ermöglichen ([X.], Urteil vom 11.5.2011 - B 5 R 54/10 R -, zur [X.] vorgesehen, Rd[X.]9, mit Hinweis ua auf BT-Drucks 14/5074 [X.]). Der Berechtigte soll - wie ausgeführt - in die Lage versetzt werden, die für ihn notwendigen Leistungen selbst zu bestimmen und sich frei zu verschaffen (vgl zB [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Hk-[X.], 3. Aufl 2010, § 17 Rd[X.] 17 f). Dieser Zweck des [X.] ist bei der Auslegung der jeweiligen Rechtsgrundlage, auf die sich der Leistungsberechtigte stützt, zu berücksichtigten, zumal die in § 17 [X.] angelegte Verselbständigung zu einer eigenständigen Pauschalleistung verdeutlicht, dass das [X.] nicht nur als bloße Form der Leistungserbringung zu verstehen ist (vgl [X.], Urteil vom 11.5.2011 aaO Rd[X.] 33). Bei Vorliegen sachlicher Gründe ist somit die Förderung einer Maßnahme im Ermessenswege auch außerhalb einer anerkannten [X.] möglich, sofern die sonstigen Vorgaben des § 40 [X.] beachtet werden und im konkreten Fall das Ziel der gesetzlich vorgesehenen Förderung in gleicher Weise erreicht werden kann. Hiervon geht - wie der Erklärung des Bevollmächtigten der [X.]n in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen ist - offenbar auch die [X.] in ihrer sonstigen Verwaltungspraxis aus.

Nach den bisherigen Feststellungen des [X.] ist offen, ob die vom Kläger in der Gärtnerei [X.] absolvierte Maßnahme mit einer Maßnahme im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich einer anerkannten [X.] vergleichbar war. Das [X.] wird deshalb eindeutige Feststellungen zu den Abläufen in der Gärtnerei, zu den Inhalten der konkret durchgeführten Ausbildung bzw Beschäftigung des [X.] und insbesondere zur Frage zu treffen haben, ob die in der streitigen [X.] konkret durchgeführte Maßnahme in gleicher Weise wie eine sonstige Maßnahme in einer anerkannten [X.] die Erwartung rechtfertigte, der Kläger sei nach der Teilnahme an der Maßnahme in der Lage, ein Mindestmaß wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung zu erbringen.

c) Soweit eine Förderung nach § 102 [X.] nicht möglich sein sollte, ist außerdem zu prüfen, ob dem Kläger Hilfe in einer sonstigen Beschäftigungsstätte iS des im Jahre 2004 geltenden § 41 [X.] ([X.]) - inzwischen § 56 [X.]II - gewährt werden kann. Der Hinweis des [X.], ein Anspruch des [X.] lasse sich wegen § 42 Abs 2 [X.] und somit wegen mangelnder Zuständigkeit der [X.]n nicht auf § 56 [X.]II (bzw die [X.]) gründen, ist wegen § 14 [X.] und der daraus folgenden umfassenden Zuständigkeit der [X.]n (siehe oben 1.) unzutreffend. Das [X.] wird deshalb, soweit nach Prüfung der Voraussetzungen des § 102 [X.] noch erforderlich, auch eindeutige Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 41 [X.] iVm § 40 Abs 1 [X.] 7 [X.] zu treffen haben (vgl [X.]/[X.], [X.], 16. Aufl 2002, § 41 Rd[X.] 6 ff, § 40 Rd[X.] 59 ff).

5. Im Rahmen der erneuten Verhandlung wird das [X.] auch zu prüfen haben, ob nicht außer der vorgenommenen Beiladung des örtlichen Sozialhilfeträgers auch die Beiladung des überörtlichen Sozialhilfeträgers notwendig ist (vgl §§ 96, 99 [X.] sowie § 2 Abs 1 des Gesetzes zur Ausführung des [X.] in [X.] idF der Bekanntmachung vom [X.], GVOBl 1985, 26; zur Abgrenzung der Aufgaben zwischen örtlichem und überörtlichem Träger vgl auch [X.] [X.]-3500 § 54 [X.] 6, Rd[X.] 13).

6. Das [X.] wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Meta

B 11 AL 7/10 R

30.11.2011

Bundessozialgericht 11. Senat

Urteil

Sachgebiet: AL

vorgehend SG Itzehoe, 16. Januar 2007, Az: S 2 AL 35/05, Urteil

§ 97 Abs 1 SGB 3 vom 19.06.2001, § 97 Abs 2 SGB 3 vom 19.06.2001, § 98 Abs 1 Nr 1 SGB 3 vom 19.06.2001, § 98 Abs 1 Nr 2 SGB 3 vom 19.06.2001, § 102 Abs 1 S 1 SGB 3 vom 19.06.2001, § 102 Abs 1 S 2 SGB 3 vom 19.06.2001, § 102 Abs 2 SGB 3 vom 19.06.2001, § 17 Abs 2 S 1 SGB 9, § 17 Abs 6 SGB 9, § 14 Abs 1 S 1 SGB 9, § 14 Abs 2 S 1 SGB 9, § 40 SGB 9, § 41 BSHG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 30.11.2011, Az. B 11 AL 7/10 R (REWIS RS 2011, 934)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 934

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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(Zuständigkeit des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Anschluss an …


L 19 R 331/18 (LSG München)

Leistungen, Erwerbsminderung, Rente, Rentenversicherung, Arzt, Versorgung, Antragstellung, Gerichtsbescheid, Eingliederung, Erwerbsminderungsrente, Teilhabe, Berufung, Erstattungsanspruch, Arbeit, Leistungen …


B 8 SO 3/18 R (Bundessozialgericht)

(Sozialhilfe - Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12 - Vergütungsvereinbarung …


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