Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2016, Az. 5 StR 338/16

5. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5627

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Gegenstand

Strafverfahren wegen Betäubungsmitteldelikten: Tatrichterliche Bewertung eines Geständnisses; Überprüfung eines verständigungsbasierten Geständnisses


Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] (Oder) vom 4. Mai 2016 wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Waffen“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision, mit der der Angeklagte die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 [X.].

2

Der Erörterung bedarf lediglich die von der Revision im Nachgang zur Mitteilung der Antragsschrift des [X.] näher begründete Sachrüge, mit der sie geltend macht, die Feststellungen und die hierzu durchgeführte Beweisaufnahme würden den Urteilsspruch nicht tragen.

I.

3

1. Nach den Feststellungen des [X.]s unterhielten der Angeklagte und ein Mittäter spätestens seit Anfang 2015 eine gemeinsame „Bunkerwohnung“, um dort große Mengen an Amphetamin und Marihuana zu lagern. Der gemeinsam angelegte und [X.] war zum Weiterverkauf bestimmt, um einen gemeinsamen und untereinander aufzuteilenden Gewinn zu erzielen. Die Miete für die Wohnung wurde regelmäßig von dem Angeklagten gezahlt.

4

Am 18. August 2015 holte der Angeklagte in einer Tüte 750 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 40,7 Gramm THC und 328 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 89 Gramm Amphetaminbase aus der Wohnung. Er verstaute die Tüte hinter dem Fahrersitz des von ihm genutzten Pkw, um die Drogen zu Abnehmern zu verbringen. Dabei verwahrte er im [X.] griffbereit zwei Messer mit feststehender Klinge, zwei ca. 60 cm lange Vierkanteisenstangen und ein Schlagwerkzeug aus massivem Metall, die ihm zumindest für den Fall eines Angriffs als Verteidigungsmittel dienen sollten. Nach seiner Festnahme wurden bei der Durchsuchung der Bunkerwohnung weitere 6.024 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 259 Gramm THC und 1.909 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 296 Gramm Amphetaminbase sichergestellt.

5

2. Das [X.] hat in der Beweiswürdigung die getroffenen Feststellungen auf die „umfassend geständige“ Einlassung des Angeklagten gestützt, die er im Rahmen einer Verständigung gemäß § 257c [X.] über eine sich zu eigen gemachte Erklärung seines Verteidigers abgegeben hatte. Danach erklärte der Angeklagte, dass die Darstellung im konkreten Anklagesatz der Anklageschrift, soweit er betroffen sei, vollumfänglich zutreffe; zu einem Mittäter, namentlich zu dem in der Anklageschrift als Mitbeschuldigter genannten [X.], könne er keine Angaben machen. Das [X.] hat dieses Geständnis für glaubhaft gehalten, da es sich mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu den Ermittlungsergebnissen decke. Es hat für diese Würdigung die Angaben des als Zeugen gehörten polizeilichen [X.]s angeführt. Dieser berichtete u.a. von der Observation des an der Bunkerwohnung festgenommenen Angeklagten am Tag des polizeilichen Zugriffs, über eine frühere Observation von Tütenlieferungen des Angeklagten zur Wohnung eines bekannten [X.], über die Ergebnisse der [X.] beim Angeklagten, von den Erkenntnissen zur Anmietung der von dem Angeklagten und dem gesondert Verfolgten [X.]  regelmäßig mit Sporttaschen aufgesuchten Bunkerwohnung, die bei der Durchsuchung einen unbewohnten Eindruck gemacht habe, und zu den Mietzahlungen des Angeklagten. Die Zeugenangaben des [X.]s zu den [X.] sind durch die Durchsuchungs- und [X.], hinsichtlich der [X.] und [X.] durch ein Gutachten und betreffend die Beschaffenheit der sichergestellten Werkzeuge durch einen kriminaltechnischen Bericht ergänzt worden.

II.

6

Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen des [X.]s sind durch die Beweiswürdigung hinreichend belegt, was der Senat bereits auf die Sachrüge zu prüfen hat (vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. September 2013 - 2 StR 267/13, [X.]St 59, 21, 27; vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13, [X.], 53, und vom 5. November 2013 - 2 StR 265/13, [X.], 170).

7

1. Die Bewertung eines Geständnisses unterfällt dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 [X.]. Das Tatgericht muss allerdings, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein. Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt, ob es in sich stimmig ist und auch im Hinblick auf sonstige Beweisergebnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt und ob es die getroffenen Feststellungen trägt (st. Rspr., vgl. etwa [X.], Beschlüsse vom 11. Dezember 2008 - 3 StR 21/08, [X.], 467 mwN; vom 6. August 2013 - 3 [X.], [X.], 703 f.; vom 5. November 2013 - 2 StR 265/13, aaO, und vom 15. Januar 2014 - 1 StR 302/13, [X.], 335, 336). Dabei sind, wenn sich der Angeklagte - wie hier - auf der Grundlage einer Absprache geständig eingelassen hat, an die Überprüfung dieser Einlassung und deren Darlegung im Urteil regelmäßig keine strengeren Anforderungen zu stellen als bei einem in herkömmlicher Verfahrensweise abgegebenen Geständnis ([X.], Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., [X.]E 133, 168, 209 Rn. 71; [X.], Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 [X.], NJW 2014, 2132, 2133; Beschluss vom 25. Juni 2013 - 1 [X.], [X.], 727; siehe auch [X.], [X.], 425, 430; [X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., § 257c Rn. 17 f. mwN; aA [X.], [X.], 192, 193 f.). In jedem Fall müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass die Würdigung der Beweise auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung nach den Maßstäben rationaler Argumentation ermöglicht (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 24. November 1992 - 5 StR 456/92, [X.]R [X.] § 261 Vermutung 11, und vom 22. Mai 2014 - 4 [X.], aaO; [X.], Beschlüsse vom 22. September 2011 - 2 [X.], [X.], 52 mwN, vom 31. Januar 2012 - 3 StR 285/11, [X.], 653, vom 25. September 2012 - 5 [X.], [X.], 381; vgl. auch [X.]/[X.], aaO, § 261 Rn. 2a; zu den Darstellungsanforderungen an die Urteilsgründe nach einer Verständigung siehe auch [X.], Beschluss vom 15. September 2015 - 3 [X.]/15).

8

2. Nach diesem Maßstab begegnet die Beweiswürdigung des [X.]s keinerlei Bedenken.

9

Zwar handelte es sich bei der Einlassung des Angeklagten um ein „schlankes“ Geständnis, das sich in der Bestätigung des konkreten Anklagesatzes erschöpfte. Insoweit hatte es jedoch schon einen als glaubhaft bewertbaren inhaltlichen Gehalt, da es mit der Bezugnahme auf die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat, wie sie im Anklagesatz im Einzelnen beschrieben war, sämtliche den späteren Schuldspruch tragenden Sachverhaltselemente erfasste. Auch handelte es sich um einen denkbar einfach gelagerten Fall, in dem sich der Vorwurf des Handeltreibens lediglich auf die am 18. August 2015 sichergestellten [X.] bezog, die im Pkw des (auch) an diesem Tag polizeilich observierten Angeklagten und in seiner Bunkerwohnung aufgefunden wurden. Im vorliegenden Fall konnte deshalb kein Zweifel bestehen, dass der Angeklagte an das erst kurze [X.] zurückliegende Tatgeschehen eine auch in den wesentlichen tatbestandsausfüllenden Einzelheiten genügende Erinnerung hatte (vgl. demgegenüber für Sachverhalte von hoher Komplexität und mit zahlreichen Details [X.], Urteil vom 22. Mai 2014 - 4 [X.], aaO; Beschlüsse vom 5. Dezember 1995 - 4 StR 698/95, [X.], 214, 215; vom 7. Februar 2012 - 3 [X.], [X.], 256 f.; vom 15. April 2013 - 3 StR 35/13, aaO, und vom 3. März 2016 - 2 [X.], [X.], 277).

Zudem hat das [X.] in der Hauptverhandlung durch die Vernehmung des polizeilichen [X.]s die Richtigkeit der geständigen Einlassung überprüft und diese hinsichtlich der für den [X.] hier maßgeblichen Sicherstellungsbefunde zu den vom Angeklagten mitgeführten bzw. von ihm gemeinsam mit einem Mittäter auf Vorrat gelagerten Betäubungsmitteln und seiner Bewaffnung auch durch die verlesenen [X.] und kriminaltechnischen Gutachten bestätigt gefunden. Dass der Angeklagte mit den sichergestellten Betäubungsmitteln gewinnbringend Handel zu treiben beabsichtigte, hat sich ungeachtet des [X.] der von dem polizeilichen [X.] berichteten früheren [X.] und [X.] schon wegen der aufgefundenen großen Mengen ohnehin von selbst verstanden.

Soweit der Beschwerdeführer meint, eine ergänzende Beweisaufnahme zur Überprüfung eines Geständnisses durch Vernehmung eines [X.]s sei „belanglos“, geht dies fehl. Das Gesetz schreibt nicht vor, unter welchen Voraussetzungen das Tatgericht eine Überzeugung gewinnen darf. Es kann sich für seine Überzeugungsbildung zur Richtigkeit auch eines verständigungsbasierten Geständnisses aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung (§ 261 [X.]) daher sämtlicher Beweismittel bedienen (vgl. etwa zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines zur Geständnisprüfung möglichen Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 [X.] oder einer „Beweiserhebung“ durch Vorhalte [X.], Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10 u.a., aaO). Dass das vom [X.] hierzu verwendete Beweismaterial unvollständig ausgeschöpft worden wäre oder andere Beweismittel weiteren Erkenntnisgewinn versprochen hätten, ist nicht ersichtlich und wird von der Revision auch nicht dargelegt. Eine diesbezügliche Verfahrensrüge (§ 244 Abs. 2 [X.]) ist nicht erhoben.

Sander                         [X.]                            Berger

                Bellay                               Feilcke

Meta

5 StR 338/16

13.09.2016

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Frankfurt (Oder), 4. Mai 2016, Az: 24 KLs 33/15

Art 6 Abs 1 S 1 MRK, § 257c StPO, § 261 StPO, § 267 StPO, § 352 StPO, § 29 BtMG, §§ 29ff BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.09.2016, Az. 5 StR 338/16 (REWIS RS 2016, 5627)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5627

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