Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.11.2015, Az. 4 B 32/15

4. Senat | REWIS RS 2015, 2989

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Gegenstand

Bordell als Nutzung im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO"Gewerbebetriebe aller Art"


Leitsatz

Bordelle oder bordellähnliche Betriebe sind als in der sozialen und ökonomischen Realität vorkommende Nutzungen eine Unterart der "Gewerbebetriebe aller Art" im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO.

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.

2

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, [X.], Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - [X.]E 13, 90 <91> und vom 9. April 2014 - 4 [X.] 3.14 - [X.] 2014, 479 Rn. 2).

3

Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob ein Bordell als "Gewerbebetrieb aller Art" im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] anzusehen ist oder Bordelle dem Begriff der Vergnügungsstätte im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 [X.] unterfallen.

4

Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Bordelle oder bordellähnliche Betriebe "Gewerbebetriebe aller Art" im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ([X.], Beschluss vom 5. Juni 2014 - 4 [X.] 8.14 - [X.] 2014, 574 Rn. 10). Ungeachtet der Neubestimmung des Verhältnisses von Vergnügungsstätten und Gewerbebetrieben durch die Vierte Verordnung zur Änderung der [X.] vom 23. Januar 1990 ([X.] I S. 127) (dazu [X.], Beschluss vom 9. Oktober 1990 - 4 B 120.90 - [X.] 406.12 § 4 [X.] Nr. 4) hält der Senat insoweit an seinem Urteil vom 25. November 1983 - 4 C 21.83 - ([X.]E 68, 213 <215>) fest, dass Bordellbetriebe Einrichtungen sind, für die sich im Hinblick auf die sich aus dem "Milieu" ergebenden Begleiterscheinungen eher ein Standort eignet, der außerhalb oder allenfalls am Rande des "Blickfeldes" und der Treffpunkte einer größeren und allgemeinen Öffentlichkeit liegt und auch nicht in der Nachbarschaft von Wohnungen. In Übereinstimmung hiermit hat das Oberverwaltungsgericht tatrichterlich festgestellt, dass bei gewerblicher Prostitution bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit milieutypischen Begleiterscheinungen wie Belästigungen durch alkoholisierte oder unzufriedene Kunden, organisierte Kriminalität, Menschen- und Drogenhandel, ausbeutender Zuhälterei, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Verstößen gegen das Waffenrecht und Gewaltkriminalität bis hin zu Tötungsdelikten zu rechnen sei ([X.]). An diese Feststellungen wäre das [X.] in einem Revisionsverfahren nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind.

5

Die Beschwerdeführerin zeigt mit ihrem nicht weiter ausgeführten Hinweis auf abweichende Rechtsprechung ([X.], Beschluss vom 30. April 2009 - 3 A 1284/08 - [X.] = juris Rn. 8; [X.], Beschlüsse vom 30. Juni 2009 - 2 [X.]/09 - juris Rn. 13 und vom 8. Januar 2014 - 2 A 437/13 - juris Rn. 16) und Literatur (Stühler, [X.], 1013 <1021 f.>; [X.]., NVwZ 1997, 861 <866 f.>; Schlichter/[X.], [X.] 1988, 199 <209, 225 f.>; [X.], in: [X.], BauGB, Stand: Februar 2015, § 4a [X.] Rn. 74; [X.]/Stange, [X.], 8. Aufl. 1997, § 4a Rn. 51), welche den Beschluss des Senats vom 5. Juni 2014 - 4 [X.] 8.14 - (a.a.[X.]) noch nicht berücksichtigen konnte, keinen Klärungsbedarf auf. Die "Nähe" von Bordellen und bordellartigen Betrieben zu anderen Stätten "sexuellen Amüsements" (so insb. Stühler, [X.], 1013 <1022>) führt nicht zu einer bauplanungsrechtlichen Gleichbehandlung solcher Einrichtungen. Denn maßgeblich für die Rechtsprechung des Senats ist nicht die Motivation der Besucher, sondern sind die städtebaulich bedeutsamen Begleiterscheinungen der Prostitutionsausübung in Bordellen. Hiermit übereinstimmend hat der überwiegende Teil der Rechtsprechung ([X.], Urteil vom 12. Dezember 2013 - 15 N 12.1020 - juris Rn. 25; [X.], Beschluss vom 5. März 2012 - 5 S 3239/11 - [X.] = juris Rn. 5 ff.; [X.], Beschluss vom 14. November 2005 - OVG 10 S 3.05 - juris Rn. 8; [X.], Beschluss vom 13. August 2009 - 2 [X.]/09 - [X.] 2009, 453 = juris Rn. 9; [X.], Urteil vom 11. Mai 2005 - 8 C 10053/05 - [X.] = juris Rn. 15) und der Literatur ([X.], in: [X.]/[X.], Bauplanungsrecht, 8. Aufl. 2014, Rn. 1635; Stock, in[X.]. 2014, § 8 Rn. 22; [X.], in: BeckOK [X.], Stand 1. September 2015, § 9 Rn. 40; [X.]/[X.], in: BeckOK [X.], Stand 1. März 2015, § 8 Rn. 106; Söfker, in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], BauGB, Stand September 2015, § 8 [X.] Rn. 24a; Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl. 2015, Rn. 614; [X.]/Fieseler, [X.], 12. Aufl. 2014, § 4a Rn. 23.71; Wolf, Die prostitutive Einrichtung und ihre Mitarbeiter im öffentlichen Recht - Rechtslage und Perspektiven, 2013, [X.]; von [X.], Rechtsfragen der Prostitution, 2004, Rn. 499 f.) bereits vor dem Senatsbeschluss vom 5. Juni 2014 - 4 [X.] 8.14 - (a.a.[X.]) Bordelle und bordellartige Betriebe als "Gewerbebetriebe aller Art" im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] angesehen.

6

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

4 B 32/15

02.11.2015

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, 6. Mai 2015, Az: 2 Bf 2/12, Urteil

§ 7 Abs 2 Nr 2 BauNVO, § 8 Abs 2 Nr 1 BauNVO, § 8 Abs 3 Nr 3 BauNVO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.11.2015, Az. 4 B 32/15 (REWIS RS 2015, 2989)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 2989

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