Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.01.2019, Az. B 8 SO 41/18 B

8. Senat | REWIS RS 2019, 10988

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache - konkrete Rechtsfrage - abstrakte Klärungsbedürftigkeit - Sozialhilfe - Hilfe zum Lebensunterhalt - Unterkunft und Heizung - angemessene Unterkunftskosten -schlüssiges Konzept des Sozialhilfeträgers - Berücksichtigung von Bestandsmieten


Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 24. Mai 2018 wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

1

I. Im Streit sind höhere Leistungen nach dem [X.] [X.] - ([X.]), insbesondere die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (KdU) im Zeitraum Juni 2010 bis Oktober 2011.

2

Der Beklagte bewilligte Leistungen unter Berücksichtigung von monatlichen Aufwendungen für KdU auf Grundlage einer Auswertung des Wohnungsmarkts der [X.], in die nur Daten über Neuvertragsmieten, nicht aber über Bestandsmieten eingeflossen waren (Bescheide vom [X.], [X.], 18.10.2010, Teilabhilfebescheid vom 18.3.2011, Bescheid vom 10.5.2011, Widerspruchsbescheid vom 17.5.2011). Das Sozialgericht (SG) Hildesheim hat den Beklagten verurteilt, höhere KdU-Leistungen (insgesamt 723,53 Euro) zu erbringen (Urteil vom 18.3.2013). Die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten ist zum Teil erfolgreich gewesen. Das [X.] ([X.]) [X.] hat den Beklagten zur Zahlung weiterer KdU-Leistungen in Höhe von 508,30 Euro verurteilt (Urteil vom [X.], [X.] vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, das Konzept des Beklagten zur Bestimmung der Angemessenheit der KdU entspreche nicht den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen des sog schlüssigen Konzepts, da ein solches regelmäßig nicht allein auf Daten nur über Neuvertragsmieten beruhen könne, sondern auch Bestandsmieten einbeziehen müsse. Der Wohnungsmarkt im maßgeblichen Vergleichsraum werde nicht realitätsgerecht abgebildet.

3

Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 Sozialgerichtsgesetz ) geltend, zu dem er zwei Fragen aufwirft. Grundsätzlich bedeutsam sei zum einen, ob ein Grundsicherungsträger die Angemessenheit von Unterkunftskosten iS von § 35 Abs 2 [X.] auf der Grundlage eines Konzepts bestimmen dürfe, das lediglich auf Daten von Angebotsmieten bzw von öffentlich inserierten Mietangeboten beruhe und in das nicht auch Daten zu Bestandsmieten bzw bestehenden Mietverträgen einbezogen worden seien. Zum anderen sei zu klären, ob durch die Einfügung der Regelungen in §§ 22a bis [X.] ([X.]) die Methodenfreiheit des [X.] dahingehend eingeschränkt sei, dass ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Unterkunftskosten zwingend die Einbeziehung von Bestandsmieten erfordere.

4

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 [X.] 1 SGG) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der [X.] konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung [X.] nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

5

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (vgl etwa [X.] Beschluss vom 5.9.2018 - [X.] [X.] 33/18 [X.]). Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur [X.]-1500 § 160a [X.] 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

6

Der Beklagte zeigt zu beiden Rechtsfragen schon den (abstrakten) Klärungsbedarf nicht hinreichend auf. Er legt nicht ausreichend dar, wieso mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ([X.]), wonach bei der Bestimmung der (abstrakten) KdU-Angemessenheitsgrenze (sog schlüssiges Konzept) nicht nur auf die tatsächlich am Markt angebotenen Wohnungen, sondern auch auf Wohnungsmieten von bereits existierenden Mietverträgen (Bestandsmieten) abzustellen ist ([X.] 102, 263 = [X.]-4200 § 22 [X.] 19, Rd[X.] 24; [X.] 104, 192 = [X.]-4200 § 22 [X.] 30, Rd[X.] 22, vgl auch zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete unter Berücksichtigung von Bestands- und Neuvertragsmieten [X.] Urteil vom 29.2.2012 - VIII ZR 346/10 - NJW 2012, 1351, juris Rd[X.] 31), noch Klärungsbedarf bestehen soll. Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (vgl zB [X.] Beschluss vom 31.1.2018 - [X.] [X.] 79/17 B - juris Rd[X.] 7; [X.] Beschluss vom 5.9.2018 - [X.] [X.] 33/18 B - juris Rd[X.] 5). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden ([X.] Beschluss vom 5.9.2018 - [X.] [X.] 33/18 B - juris Rd[X.] 5; [X.] [X.] 1500 § 160a [X.] 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch [X.] Beschluss vom 22.12.2010 - [X.] KR 100/10 B - juris Rd[X.] 7). Daran fehlt es.

7

[X.] legt nicht dar, dass der bezeichneten Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird. Er beschränkt sich insoweit darauf, die "Repräsentativität der Daten" in Frage zu stellen und unter Darlegung seiner eigenen Rechtsauffassung die Rechtsprechung des [X.] zu kritisieren. Damit zeigt er aber nicht auf, dass der höchstrichterlichen Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wurde, sondern greift nur die Richtigkeit der Entscheidung des [X.] an. Dies vermag indes die Revisionsinstanz nicht zu eröffnen. Denn Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat.

8

Entsprechendes gilt für die zweite vom Beklagten aufgeworfene Frage. Nach der Rechtsprechung des [X.] besteht Methodenfreiheit für den Grundsicherungsträger nur innerhalb der für schlüssige Konzepte aufgestellten Grundsätze (vgl [X.] Urteil vom 18.11.2014 - [X.] [X.]/14 R - [X.] 117, 250 = [X.]-4200 § 22 [X.] 81). Soweit der Beklagte die Frage aufwirft, ob durch die Einführung der Regelungen in §§ 22a bis 22c [X.] die Methodenfreiheit des [X.] eingeschränkt worden sei, fehlt eine hinreichende Auseinandersetzung mit Wortlaut, Normsystematik und Regelungszweck der genannten Neuregelungen. Dies wäre schon im Hinblick darauf erforderlich gewesen, dass mit der Regelung des § 22c Abs 1 Satz 3 [X.], der zu den Anforderungen an die Datengrundlage bestimmt, dass in die Auswertung sowohl [X.] als auch Bestandsmieten einfließen sollen, die Rechtsprechung des [X.] zu § 22 Abs 1 Satz 1 [X.] aufgegriffen wurde (vgl [X.] Urteil vom [X.] - [X.]4 [X.]/13 R - [X.] 116, 94, 100 f = [X.]-4200 § 22a [X.] 2 Rd[X.] 26 f; [X.] Urteil vom 16.6.2015 - [X.] AS 44/14 R = [X.]-4200 § 22 [X.] 85 Rd[X.] 22 mwN) und insoweit den bereits vor ihrem Inkrafttreten mWv 1.4.2011 ([X.]) von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze im Rahmen eines schlüssigen Konzepts entspricht (vgl [X.] Beschluss vom 6.10.2017 - 1 BvL 2/15, 1 BvL 5/15 = juris Rd[X.] 17; [X.] Urteil vom 12.12.2017 - [X.] AS 33/16 R = [X.]-4200 § 22 [X.] 93 Rd[X.] 17).

9

Soweit schließlich Fragen zum Begriff "Bestandsmiete" aufgeworfen werden und das Fehlen einer Definition in der Entscheidung des [X.], aber auch in den gesetzlichen Regelungen moniert wird, wird nicht deutlich, inwieweit diese Fragen klärungsfähig sein könnten, weil auch der Beklagte im Zusammenhang mit den übrigen von ihm aufgeworfenen Fragen (dazu oben) einräumt, Bestandsmieten nicht herangezogen zu haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Meta

B 8 SO 41/18 B

28.01.2019

Bundessozialgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Hildesheim, 18. März 2013, Az: S 44 SO 99/11, Urteil

§ 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 35 Abs 1 S 1 SGB 12, § 35 Abs 2 S 1 SGB 12, § 35 Abs 2 S 2 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 28.01.2019, Az. B 8 SO 41/18 B (REWIS RS 2019, 10988)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 10988

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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