Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2020, Az. 5 StR 518/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2020, 1380

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Gegenstand

Einziehung des Nachlasses bei Tötung des Erblassers durch den angeklagten Erben


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. Juni 2019 im Ausspruch über die Einziehung aufgehoben; dieser entfällt.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den vermindert schuldfähigen Angeklagten wegen Mordes zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Zudem hat es die Einziehung des Nachlasses der Getöteten angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung der Einziehungsentscheidung. Im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Nach den Feststellungen tötete der Angeklagte seine Mutter. Das [X.] hat die Einziehung des vor allem aus einem Hausgrundstück, einem [X.]fahrzeug und mehreren Bankguthaben bestehenden Nachlasses nach § 73 Abs. 1 [X.] angeordnet, da der Angeklagte die Erbschaft durch eine rechtswidrige Tat nach § 211 [X.] erlangt habe.

3

2. Die Einziehungsentscheidung hat keinen Bestand.

4

Zwar hat das [X.] zutreffend angenommen, dass der Angeklagte den Nachlass durch die abgeurteilte rechtswidrige Tat erlangt hat (§ 73 Abs. 1 [X.]). Denn der Vermögenszufluss in Form der Erbschaft (§ 1922 [X.]) geht ursächlich auf die Tötung der Erblasserin durch den Angeklagten zurück. Eine Einziehung nach den §§ 73 ff. [X.] ist aber ausgeschlossen, wenn – wie hier – der Anwendungsbereich der Vorschriften über die strafrechtliche Vermögenabschöpfung nicht eröffnet ist (vgl. zur Einziehung des [X.] [X.], Beschluss vom 27. März 2019 – 2 StR 561/18, NJW 2019, 2182, 2183).

5

a) Der Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens liegt der sämtliche Rechtsgebiete übergreifende Gedanke zugrunde, eine nicht mit der Rechtsordnung übereinstimmende Vermögenslage zu berichtigen (vgl. BT-Drucks 18/9525, [X.], 66; [X.] 110, 1, Rn. 20; [X.], Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 [X.], NStZ-RR 2018, 241). Soll die durch die rechtswidrige Tat entstandene Störung der Vermögenslage nach der Rechtsordnung erkennbar mit anderen Mitteln als der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beseitigt oder gar hingenommen werden, hat die Einziehung nach §§ 73 ff. [X.] daher ausnahmsweise zu unterbleiben, sofern diese rechtliche Wertung dadurch unterlaufen würde.

6

b) Danach ist die Einziehung des Nachlasses gemäß § 73 Abs. 1 [X.] nicht zulässig, weil die Rechtslage betreffend die Erbschaft im Falle einer Tötung des Erblassers durch dessen Erben vorrangig und abschließend in § 2339 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2340 ff. [X.] geregelt ist.

7

Wesentliches Kennzeichen dieser Vorschriften ist es, dass die Folgen der Erbunwürdigkeit nicht unmittelbar kraft Gesetzes eintreten. Vielmehr ist es den [X.] überlassen, im Wege einer Gestaltungsklage (§ 2342 [X.]) über die Rechte am Nachlass zu bestimmen. Entscheiden sich die Berechtigten gegen die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit, widerspricht der Verbleib des Nachlasses beim Täter mithin nicht den Wertungen der Rechtsordnung. Verursacht der Erbe den Tod des Erblassers lediglich fahrlässig, betrachtet das Gesetz ihn von vornherein nicht als erbunwürdig. Diese gesetzliche Wertung würde durch die Anwendung des § 73 [X.] unterlaufen, da die Einziehung des Nachlasses auch in diesem Fall zwingend anzuordnen wäre.

8

Die strafrechtliche Einziehung des Nachlasses unterscheidet sich auch in ihrer Wirkung grundsätzlich von der [X.]. Die Einziehung des Nachlasses ändert nichts an der Stellung des [X.] als Erben. Hingegen bestimmt § 2344 Abs. 1 [X.], dass im Fall der [X.] der Anfall der Erbschaft auf den Erben als nicht erfolgt gilt. Die Zulassung der Einziehung des Nachlasses nach § 73 Abs. 1 [X.] liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass eine grundlegende Regelung des Erbrechts für eine Konstellation wie die hier vorliegende außer [X.] gesetzt würde. Außerdem würde die Einziehung des Nachlasses von der Rechtsordnung nicht gewollte Folgen bewirken. So würde der Einziehungsadressat als Erbe für die Nachlassverbindlichkeiten haften (§ 1967 Abs. 1 [X.]), ohne allerdings den Nachlass zu erhalten. Zudem würde der Nachlass bei einer Einziehung nach § 73 Abs. 1 [X.] – anders als von § 2344 Abs. 2 [X.] bestimmt – nicht dem [X.] zugutekommen, da die Vorschriften über die Opferentschädigung nur die Rückübertragung auf den Verletzten oder dessen Rechtsnachfolger erfassen (§ 459h Abs. 1 StPO). Rechtsnachfolger des Erblassers bleibt im Falle der strafrechtlichen Einziehung aber gerade der Einziehungsadressat.

9

Angesichts dessen sind die Regelungen über die Erbunwürdigkeit gegenüber §§ 73 ff. [X.] als abschließend zu betrachten, zumal auch in rechtssystematischer Hinsicht Bedenken gegen die Einziehung eines Nachlasses bestehen, weil der Staat sich auf diesem Wege solcher Vermögensgegenstände bemächtigen würde, die den [X.] zur Befriedigung ihrer Ansprüche zugewiesen sind (vgl. § 1990 Abs. 1 [X.]; Soergel/[X.], [X.], 13. Aufl., § 1990 Rn. 1, 9; [X.]/[X.], [X.], 15. Aufl., § 1990 Rn. 11; MüKo-[X.]/[X.], 8. Aufl., § 1990 Rn. 7).

3. Im Hinblick auf den nur geringen Teilerfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO).

Mutzbauer     

      

Sander     

      

Berger

      

[X.]     

      

Köhler     

      

Meta

5 StR 518/19

23.01.2020

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Lübeck, 14. Juni 2019, Az: 1 Ks 3/19

§ 73 Abs 1 StGB, §§ 73ff StGB, § 1922 BGB, § 2339 Abs 1 Nr 1 BGB, § 2340 BGB, §§ 2340ff BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23.01.2020, Az. 5 StR 518/19 (REWIS RS 2020, 1380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 1380

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