Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.12.2019, Az. 5 StR 486/19

5. Strafsenat | REWIS RS 2019, 526

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Untreue und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr: Amtsträgereigenschaft eines Sparkassenangestellten


Tenor

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 19. November 2018 aufgehoben, soweit die den Angeklagten [X.]       betreffende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen einen Betrag von 56.000 Euro und die den Angeklagten S.    betreffende Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen einen Betrag von 339.908,19 Euro sowie die gesamtschuldnerische Haftung der Angeklagten einen Betrag von 54.100 Euro übersteigt; die weitergehenden Einziehungsanordnungen entfallen.

2. Die weitergehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.

3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten [X.]wegen Untreue in vierzehn Fällen und wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt, sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten [X.]hat es wegen Beihilfe zur Untreue in dreizehn Fällen und wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr in zwölf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt und ebenfalls eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten [X.]und die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten [X.] haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s trafen die Angeklagten spätestens im Januar 2010 eine Unrechtsvereinbarung, der zufolge der Angeklagte [X.] seine Stellung als Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement bei der [X.]        dazu nutzen sollte, den Angeklagten [X.], einen Immobilienmakler, mit der Verwertung von Immobiliarsicherheiten zu beauftragen. Als Gegenleistung hierfür sollte der Angeklagte [X.] vom Angeklagten [X.]Kick-Back-Zahlungen erhalten, die aus der Stellung überhöhter Provisionsrechnungen an die [X.]         generiert werden sollten.

3

Entsprechend ihrer Abrede beauftragten der Angeklagte [X.] oder ihm unterstehende und von ihm hierzu angewiesene Sachbearbeiter den Angeklagten [X.]mit der Suche nach Käufern bzw. – im Fall von Zwangsversteigerungen – [X.] für zu verwertende Sicherheiten der [X.]         . Bei erfolgreicher Vermittlung stellte der Angeklagte [X.]nach vorheriger Rücksprache mit dem Angeklagten [X.] der Sparkasse überhöhte Maklerprovisionen in Rechnung, die vom Angeklagten [X.] in deren EDV-System zum Zwecke der Auszahlung erfasst wurden. Teilweise stellte der Angeklagte [X.]in Absprache mit dem Angeklagten [X.] der Sparkasse auch eine Rechnung, obwohl die Voraussetzungen für eine Provisionszahlung nicht vorlagen oder der Angeklagte [X.]überhaupt nicht tätig geworden war.

II.

4

Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Überprüfung in den Schuld- und Rechtsfolgenaussprüchen vollumfänglich und hinsichtlich der Anordnungen der Einziehung des Wertes von Taterträgen überwiegend stand.

5

1. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr in jeweils zwölf Fällen ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist das [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass die §§ 331 ff. StGB auf den zur Aburteilung stehenden Sachverhalt keine Anwendung finden, da es sich bei dem Angeklagten [X.] nicht um einen Amtsträger handelt.

6

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.] ist Amtsträger, wer unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform bei einer Behörde oder sonstigen Stelle zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung bestellt ist.

7

a) Die [X.]        war sonstige Stelle im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.], da sie als behördenähnliche Institution befugt war, bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben mitzuwirken (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 [X.], siehe auch [X.], Urteil vom 10. März 1983 – 4 [X.], [X.]St 31, 264, 273 f.).

8

Zwar kann eine Tätigkeit auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge (hier: Versorgung der Bevölkerung mit Bargeld und Krediten, vgl. § 4 [X.]) nach der Rechtsprechung für sich genommen zur Annahme einer der Behörde gleichgestellten sonstigen Stelle nicht ausreichen ([X.], Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 [X.], [X.]St 50, 299, 303). Da Träger der Sparkassen nur Gemeinden, Landkreise und Zweckverbände sein können (§ 1 Abs. 1 Satz 1 [X.]) und diese als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert sind (§ 3 [X.]), unterliegen die Sparkassen jedoch durchweg staatlicher Steuerung (vgl. dazu bei privatrechtlichen Organisationsformen auch [X.], Beschluss vom 31. Juli 2018 – 3 [X.], [X.], 22, 25).

9

b) Der Angeklagte [X.] nahm in seiner Funktion als Leiter der Organisationseinheit Forderungsmanagement jedoch keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr.

Die Rechtsprechung hat als Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sowohl die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben als auch die Ausübung von Diensten der staatlichen Daseinsvorsorge angesehen, die bestimmt sind, unmittelbar für die [X.] der Allgemeinheit oder ihrer Glieder zu sorgen ([X.], Urteile vom 10. März 1983 – 4 [X.], [X.]St 31, 264, 268; vom 19. Juni 2008 – 3 [X.], [X.]St 52, 290, 292 f.).

aa) Der 4. Strafsenat hat infolgedessen angenommen, dass die Wahrnehmung von Aufgaben einer Staats- oder Kommunalbank jedenfalls Aufgaben öffentlicher Verwaltung darstellen ([X.], Urteil vom 10. März 1983 – 4 [X.], [X.]St 31, 264, 269 ff.).

bb) Der 3. Strafsenat hat im Zusammenhang mit der Qualifikation gemäß § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 StGB („seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder [X.] Amtsträger missbraucht“) ausgeführt, dass ein Missbrauch der Amtsstellung bei einem Sparkassenangestellten nur vorliegt, „falls er die Untreuehandlungen in Ausübung einer Verwaltungstätigkeit begangen hätte“ ([X.], Beschluss vom 11. März 2004 – 3 [X.], [X.], 559).

cc) Damit nimmt ein Sparkassenangestellter regelmäßig nur dann Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr, soweit die Sparkasse im Rahmen ihrer Tätigkeit als Kommunalbank tätig wird.

Ob die Ausreichung von Krediten in Ausübung des gesetzlichen Auftrags nach § 4 Abs. 1 [X.] als Form der Daseinsvorsorge hierunter fällt, bedarf indes keiner Entscheidung. Denn der Angeklagte [X.] war jedenfalls lediglich mit der Rückabwicklung der Kreditverträge befasst; auch die Organisationseinheit, der er vorstand, war nur mit dieser Aufgabe betraut.

Zwischen der Kreditversorgung der Bevölkerung und der Abwicklung notleidend gewordener Kredite bestand auch nicht ein derart enger Zusammenhang, dass auch letztere als Teil einer möglichen öffentlichen Aufgabe anzusehen wären (vgl. für den öffentlichen Personennahverkehr aber [X.], Beschluss vom 31. Juli 2018 – 3 [X.], [X.], 22, 24). Die Aufgabe einer ausschließlich mit der Abwicklung gescheiterter Kreditverträge befassten Organisationseinheit besteht in der Minimierung des [X.] des Kreditinstituts. Sie liegt demgemäß im Interesse der Anteilseigner eines jeden Kreditinstituts und stellt als solche keine öffentliche Aufgabe dar (vgl. dazu auch [X.], [X.], 354, 362).

2. Die Einziehungsentscheidung unterliegt hingegen durchgreifenden Bedenken, soweit sie die selbständige Einziehung des Wertes von Taterträgen betrifft.

a) Das [X.] hat gegen beide Angeklagte im subjektiven Verfahren die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet, und zwar gegen den Angeklagten [X.] in Höhe von 58.400 Euro, gegen den Angeklagten [X.]in Höhe von 350.820,49 Euro.

Dabei hat es zunächst unter Anwendung des Bruttoprinzips (vgl. dazu [X.], Beschluss vom 21. August 2019 – 1 [X.]/19 mwN) das [X.] bestimmt und hiervon die vom Angeklagten [X.]auf seine Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit entrichtete Einkommensteuer zutreffend nicht nach § 73d StGB in Abzug gebracht, da Steuern keine Aufwendungen für das [X.] sind (vgl. BT-Drucks. 18/11640, [X.]; [X.], [X.], 497, 506; [X.], [X.] 2018, 231, 235).

b) Das [X.] hat aber in zwei Fällen, bezüglich derer Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist (vgl. dazu auch den Vorlagebeschluss [X.], Beschluss vom 7. März 2019 – 3 [X.], NJW 2019, 1891), das [X.] – von 2.400 Euro beim Angeklagten [X.] und von 10.912,30 Euro beim Angeklagten [X.]– nach § 76a Abs. 2 StGB eingezogen, obwohl ein Antrag nach § 435 Abs. 1 StPO durch die Staatsanwaltschaft nicht gestellt worden war. Eines solchen bedarf es aber auch für den Fall einer selbständigen Einziehung im subjektiven Verfahren (vgl. auch [X.], Beschlüsse vom 5. Juni 2018 – 5 [X.], StraFo 2018, 471, 472; vom 18. Dezember 2018 – 1 [X.], NStZ-RR 2019, 153, 154; [X.]/[X.]/[X.], 62. Aufl., § 435 Rn. 4). Der dennoch ausgesprochenen Einziehung steht mithin das Verfahrenshindernis der fehlenden Anhängigkeit entgegen ([X.], Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 1 [X.], NStZ-RR 2019, 153, 154).

VRi[X.] Dr. Mutzbauer
ist urlaubsbedingt an der
Unterschrift gehindert.

        

Sander     

        

Schneider

Sander

                                   
        

     Berger     

        

Mosbacher     

        

Meta

5 StR 486/19

11.12.2019

Bundesgerichtshof 5. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Braunschweig, 19. November 2018, Az: 6 KLs 42/17

§ 11 Abs 1 Nr 2 Buchst c StGB, § 263 Abs 3 S 2 Nr 4 StGB, §§ 266 Abs 2 StGB, § 331 StGB, §§ 331ff StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11.12.2019, Az. 5 StR 486/19 (REWIS RS 2019, 526)

Papier­fundstellen: WM2020,643 REWIS RS 2019, 526

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

3 StR 175/22 (Bundesgerichtshof)

Einziehung von Taterträgen aus Betäubungsmittelgeschäften: Erweiterte Einziehung von Kryptowährungen; Erlöschen einer zur Sicherung einer Baufinanzierung …


1 StR 242/20 (Bundesgerichtshof)

Einreichung einer unvollständigen Einkommensteuererklärung: Strafbarkeit der Kirchensteuerverkürzung


3 StR 1/23 (Bundesgerichtshof)

Wertersatzeinziehung von Taterträgen: Tatsächliche Verfügungsgewalt über die Tatbeute bei mehreren Beteiligten; gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten


1 StR 99/19 (Bundesgerichtshof)

Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr: Einziehung ersparter Einkommensteuer auf Schmiergelder


1 StR 182/19 (Bundesgerichtshof)

Betrug und Untreue durch einen Vermögensberater


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.