Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2010, Az. II ZB 9/09

II. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 6250

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 31. Mai 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 50 Abs. 1 Die Berufung einer nicht existenten oder aus anderen Gründen parteiunfähigen [X.] gegen ein in erster Instanz ergangenes Sachurteil ist nicht nur zulässig, wenn die [X.] mit der Berufung das Fehlen der [X.]fähigkeit geltend macht, son-dern auch dann, wenn sie das Rechtsmittel mit dem Ziel eingelegt hat, ein anderes, ihrem Begehren entsprechendes Sachurteil zu erreichen. [X.], [X.]uss vom 31. Mai 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der II. Zivilsenat des [X.] hat am 31. Mai 2010 durch [X.] und [X.] Strohn, [X.], [X.] und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der [X.]uss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 2. April 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. [X.]: 8.000,00 • Gründe: A. Die Klägerin zu 1 war eine Anwaltssozietät in Form einer zweigliedrigen [X.] bürgerlichen Rechts, welcher der Kläger zu 2 und die Beklagte als [X.]er angehörten. In § 18 des [X.]svertrages war vereinbart, dass der kündigende [X.]er aus der [X.] ausscheidet und im Falle des Ausscheidens eines [X.]ers und Verbleibens nur eines Ge-sellschafters das Vermögen der Sozietät ohne Liquidation mit Aktiva und Passi-va auf den verbleibenden [X.]er im Verhältnis der bisherigen Anteile übergeht. Unstreitig ist die Beklagte spätestens zum 31. März 2007 aus der [X.] ausgeschieden. 1 - 3 - 2 Die von der Klägerin zu 1 am 13. Juni 2007 eingereichte Klage auf Rück-zahlung und Schadensersatz hat das [X.] als unbegründet abgewiesen. Gegen das erstinstanzliche [X.]eil hat die Klägerin zu 1 fristgerecht Berufung eingelegt und diese innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf Bedenken gegen die [X.]- und Pro-zessfähigkeit der Klägerin zu 1 haben mit Schriftsatz vom 20. Februar 2009 der Kläger zu 2 seinen Beitritt zum Rechtsstreit und die Klägerin zu 1 ihr Ausschei-den aus dem Prozess erklärt. Das Berufungsgericht hat die Berufungen beider Kläger durch [X.]uss als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger. [X.] Die nach § 522 Abs. 1 Satz 4, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert. Gegen die Zulässigkeit im Übrigen ergeben sich auch hinsichtlich der Klägerin zu 1 keine Bedenken, weil sie sich gegen die pro-zessualen Folgerungen wendet, welche das Berufungsgericht aus ihrer [X.] [X.]fähigkeit gezogen hat, und sie für diesen Streit als existent und partei-fähig zu behandeln ist. 3 II. [X.] hat Erfolg und führt unter Aufhebung des an-gefochtenen [X.]usses zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Ent-scheidung des Berufungsgerichts. 4 1. Das Berufungsgericht (ZIP 2009, 2123) hat ausgeführt, dass die Klä-gerin zu 1 aufgrund der liquidationslosen Vollbeendigung der [X.] und 5 - 4 - der Gesamtrechtsnachfolge des verbleibenden [X.]ers infolge des [X.] der Beklagten schon vor Anhängigkeit der Klage nicht mehr existent und damit parteiunfähig gewesen sei. [X.] sich die bereits bei Klageerhe-bung fehlende [X.]fähigkeit des in erster Instanz sachlich unterlegenen [X.] in der Berufungsinstanz, sei ausnahmsweise nicht die Klage als unzulässig abzuweisen, sondern die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn die feh-lende [X.]fähigkeit nicht wiederhergestellt werden könne. Das erstinstanzlich ergangene [X.]eil, mit welchem die Klage der nicht mehr existenten [X.] [X.] worden sei, gehe ins Leere, eine Schutzbedürftigkeit des betroffenen [X.] sei nicht ersichtlich. Die Berufung des [X.] zu 2 sei unzulässig, da sie nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgt und der später erklärte [X.]wechsel bereits wegen der Unzulässigkeit der Berufung der Klägerin zu 1 nicht wirksam geworden sei. 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. 6 a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die zum [X.] eines [X.]ers im [X.]svertrag vereinbarte Regelung zur Folge hatte, dass beim Ausscheiden der Beklagten das Vermögen der Klä-gerin zu 1 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den allein verbleibenden [X.]er überging, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedurfte ([X.].[X.]. v. 7. Juli 2008 - [X.], [X.], 1677 [X.]. 9; v. 12. Juli 1999 - [X.], [X.], 1526, 1527). Mit dem [X.] der Beklagten war die [X.] daher ohne Liquidation beendet, so dass ihr bereits zum Zeitpunkt der Klageerhebung die [X.]fähigkeit fehlte. 7 b) Die mangelnde [X.]fähigkeit der Klägerin zu 1 führt aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zur Unzulässigkeit der von ihr ein-gelegten Berufung gegen das landgerichtliche [X.]eil. 8 - 5 - 9 aa) In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Prozesspartei, deren [X.]fähigkeit in Streit steht, zur gerichtlichen Klärung dieser Frage als partei-fähig zu behandeln ist ([X.] 24, 91, 94; 74, 212, 215; [X.], [X.]. v. 29. Mai 2008 - [X.] 103/07, [X.], 2029 [X.]. 33; v. 13. Juli 1993 - [X.], [X.], 1939, 1940; [X.].[X.]. v. 21. Oktober 1985 - [X.], [X.], 145; [X.]. v. 29. September 1981 - [X.], [X.], 1387, 1388). Eine nicht existente oder aus anderen Gründen parteiunfähige [X.] kann [X.] einlegen, um ihre Nichtexistenz oder anderweitig fehlende [X.]fähigkeit geltend zu machen oder um zu rügen, dass ihre [X.]fähigkeit vorinstanzlich zu Unrecht verneint worden ist. Ob auch ein Rechtsmittel zulässig ist, mit welchem sich eine parteiunfähige [X.] gegen ein in der Vorinstanz ergangenes Sachur-teil mit dem Ziel wendet, ein anderes, ihrem Begehren entsprechendes Sachur-teil zu erreichen (verneinend [X.], 207, 208), hat der Bun-desgerichtshof - anders als für die Prozessvoraussetzung der Prozessfähigkeit ([X.] 143, 122, 126 ff.; [X.].[X.]. v. 28. Februar 2005 - [X.], [X.], 900, 901; a.A. [X.] 110, 294, 296) - bislang nicht ausdrücklich entschieden. In den [X.]eilen vom 4. Mai 2004 ([X.] 159, 94, 103) und vom 8. April 1976 ([X.], [X.], 686) ist er allerdings ohne weiteres von der [X.] eines auf eine andere Sachentscheidung abzielenden Rechtsmittels der parteiunfähigen Prozesspartei ausgegangen. Im Schrifttum wird bei der Frage der Zulässigkeit des Rechtsmittels einer möglicherweise parteiunfähigen [X.] überwiegend nicht danach differenziert, ob mit dem Rechtsmittel ein Prozessur-teil oder eine andere Sachentscheidung erstrebt wird ([X.]/[X.], ZPO 28. Aufl. § 56 Rdn. 14; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO 3. Aufl. § 50 Rdn. 83; [X.] in [X.], ZPO 22. Aufl. § 56 Rdn. 16; [X.]/ [X.]. § 50 Rdn. 60; [X.]/[X.]/[X.], Zivilprozess-recht, 17. Aufl. § 43 Rdn. 40; [X.], [X.]fähigkeit im Zivilprozess [X.] ff.; a.[X.] in Prütting/Gehrlein, ZPO § 50 Rdn. 9). - 6 - 10 bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht kein Grund, in der hier gegebenen Verfahrenskonstellation die Zulässigkeit der Berufung der Klägerin zu 1 ausnahmsweise zu verneinen. Die rechtliche Existenz und damit die [X.]fähigkeit jeder an einem Rechtsstreit beteiligten [X.] ist eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch in den [X.], von Amts wegen zu prüfen ist (§ 56 Abs. 1 ZPO) und ohne die ein Sachurteil nicht ergehen darf ([X.] 159, 94, 98; 134, 116, 118). Legt eine parteiunfähige [X.] gegen ein vorinstanzlich ergangenes Sachurteil Rechtsmittel ein, stellt sich für das [X.]gericht die Frage der [X.]fähigkeit gleichviel, ob der Rechtsmittelführer seine [X.]unfähigkeit geltend macht oder eine andere für ihn günstigere Sachentscheidung erstrebt. Dem mit dem Rechtsmittel verfolgten [X.] kommt insoweit keine Bedeutung zu, weil die [X.]fähigkeit als Pro-zessvoraussetzung der [X.]disposition entzogen ist, die rechtsmittelführende [X.] mithin den Erlass eines [X.] nicht mit rechtlicher Bindungswirkung hinnehmen kann (a.[X.] aaO). [X.]n sich in der Rechtsmittelinstanz Zweifel an der [X.]fähigkeit, ist die [X.] nach den allgemein anerkannten Grundsätzen für die Klärung der Zweifel als parteifähig zu behandeln, was die Zulässigkeit des Rechtsmittels zur Folge hat. Die Zuordnung der Entscheidung über die [X.]fähigkeit zur Begründetheit des Rechtsmittels trägt dem Charak-ter der [X.]fähigkeit als für den gesamten Rechtsstreit bedeutsamen Sachur-teilsvoraussetzung Rechnung (vgl. [X.] aaO S. 137; [X.], [X.] 1972, 246) und eröffnet einen prozessual einfachen Weg zur Korrektur des in der Vorinstanz fehlerhaft ergangenen [X.]. Hierfür besteht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch dann ein Bedürfnis, wenn das Sachur-teil für und gegen eine nicht existente [X.] ergeht und deshalb keine Rechts-wirkungen entfaltet (vgl. [X.] aaO vor § 50 Rdn. 24 m.w.Nachw.). Aus diesem Grund ist anerkannt, dass auch solche wirkungslosen [X.]eile durch 11 - 7 - Rechtsmittel beseitigt werden können ([X.], [X.]. v. 24. März 1994 - [X.], [X.], 1212, 1213; [X.]. v. 13. Juli 1993 aaO; [X.] 1976, 845; [X.]/[X.] aaO vor § 50 Rdn. 11 m.w.Nachw.). Auf Erwägungen zur Schutzbedürftigkeit der parteiunfähigen [X.] im Einzelfall kann es, anders als es das Berufungsgericht meint, demgegenüber nicht entscheidend ankommen. c) Die Verwerfung der Berufung des [X.] zu 2 kann ebenfalls keinen Bestand haben. Für eine Berufungsverwerfung ist schon deshalb kein Raum, weil es an einem eigenständigen Rechtsmittel des [X.] zu 2 fehlt. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auf die Wirksamkeit des erklärten [X.] und in diesem Zusammenhang auf die [X.] der Berufung der Klägerin zu 1 nicht an. Erweist sich die Berufung der [X.] Klägerin zu 1 als unzulässig, scheidet ein [X.] von vornherein aus. Denn ein [X.]wechsel in der Berufungsinstanz setzt das [X.] einer zulässigen, die Instanz überhaupt eröffnenden Berufung voraus ([X.] 155, 21, 24 f.; [X.], [X.]. v. 21. September 1994 - [X.], NJW 1994, 3358). In diesem Fall geht die Erklärung des [X.] ins Leere, ohne dass es hierzu einer gesonderten gerichtlichen Entscheidung [X.]. Bei Zulässigkeit der von der ursprünglichen Klägerin zu 1 eingelegten und begründeten Berufung hängt die Wirksamkeit des [X.] bei fehlender Zustimmung der Beklagten von der Sachdienlichkeit des [X.]wechsels ab ([X.] 155, 21, 25; 65, 264, 268; [X.], [X.]. v. 27. Juni 1996 - [X.], NJW 1996, 2799). Hierüber ist im Berufungsverfahren durch Zwischenurteil 12 - 8 - ([X.], [X.]. v. 28. Juni 1994 - [X.], [X.], 865; [X.].[X.]. v. 10. November 1980 - [X.], NJW 1981, 989 zum [X.]) oder in der Endentscheidung über die Berufung zu befinden. [X.]Strohn Reichart

Drescher

[X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 15.11.2007 - 14 O 255/07 - KG, Entscheidung vom 02.04.2009 - 4 U 184/07 -

Meta

II ZB 9/09

31.05.2010

Bundesgerichtshof II. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 31.05.2010, Az. II ZB 9/09 (REWIS RS 2010, 6250)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6250

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