Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.06.2018, Az. V ZB 252/17

5. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 8123

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Gegenstand

(Zulässigkeit einer Berufung einer GbR auch bei Verlust der Parteifähigkeit)


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten zu 1 wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des [X.] vom 8. November 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 9.363,76 €.

Gründe

I.

1

Die Klägerin machte als (ehemalige) Verwalterin einer Wohnungseigentümergemeinschaft in [X.]    ursprünglich gegen alle [X.] als Gesamtschuldner rückständige Hausgeldforderungen geltend. Die [X.] zu 1, eine aus den [X.] zu 2 und 3 bestehende [X.] bürgerlichen Rechts, war [X.] von zu dieser [X.] gehörenden Gewerbeeinheiten.

2

Das Amtsgericht hat die von den [X.] zu 2 und 3 jeweils gegen [X.] eingelegten Einsprüche durch (zweites) Versäumnisurteil verworfen und der Klage gegenüber der [X.] zu 1 mit [X.] vom 21. Oktober 2016 stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Prozessbevollmächtigte der [X.], Rechtsanwalt B.    , für die [X.] zu 1 Berufung eingelegt und in der Berufungsbegründung mitgeteilt, dass die [X.] zu 3 mit notarieller Vereinbarung vom 31. März 2016 ihren [X.]santeil an der [X.] zu 1 einschließlich der Miteigentumsanteile an dem betreffenden Grundstück an den [X.] zu 2 übertragen habe. Zugleich hat er beantragt, das Rubrum auf Seiten der [X.] und Berufungsklägerin dahin zu berichtigen, dass [X.] des Rechtsstreits nunmehr der [X.] zu 2 sei. Das [X.] hat die Berufung durch Beschluss als unzulässig verworfen und die Kosten des Berufungsverfahrens Rechtsanwalt B.    auferlegt. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die [X.] zu 1 die Aufhebung dieses Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das [X.] erreichen.

II.

3

Das Berufungsgericht meint, die von Rechtsanwalt B.    für die [X.] zu 1 eingelegte Berufung sei unzulässig, weil dessen [X.] mit der Anteilsübertragung von der [X.] zu 3 auf den [X.] zu 2 erloschen sei. Diese Abtretung habe zur Vollbeendigung der [X.] zu 1 geführt, da sich alle [X.]santeile in einer Hand vereinigt hätten. Die [X.] zu 1 habe daher zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung nicht mehr existiert. Zwar erlösche eine erteilte Vollmacht nach § 672 BGB nicht automatisch mit dem Tod bzw. der Vollbeendigung des Vollmachtgebers. Diese [X.] gelte aber nicht, wenn die Besorgung des Geschäfts nur für den lebenden bzw. noch existenten Auftraggeber Bedeutung habe. So liege es hier, weil die anwaltliche Vertretung in dem Rechtsstreit sich für die [X.] zu 1 mit deren Vollbeendigung erledigt habe. Es stehe fest, dass weitere haftende [X.]er nicht hinzutreten würden; gegenüber den [X.] zu 2 und 3 lägen rechtskräftige [X.] über die gesamte Schuld vor.

4

Selbst wenn der [X.] zu 2 durch die [X.] der [X.] zu 1 geworden sein sollte, ändere dies an der Unzulässigkeit des Rechtsmittels nichts, da dieses ausdrücklich für letztere und nicht für den [X.] zu 2 eingelegt worden sei.

5

Die Kosten der Berufung seien dem [X.] handelnden Rechtsanwalt B.    aufzuerlegen. Ob dieser Regressansprüche gegen die [X.] zu 2 und 3 geltend machen könne, etwa weil er zu spät über die Vollbeendigung der [X.] zu 1 informiert worden sein sollte, könne offen bleiben.

III.

6

1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert. Gegen die Zulässigkeit im Übrigen ergeben sich keine Bedenken, weil sich die [X.] zu 1 gegen die prozessualen Folgerungen wendet, welche das Berufungsgericht aus ihrer fehlenden [X.]fähigkeit gezogen hat, und sie für diesen Streit als existent und parteifähig zu behandeln ist (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Mai 2010 - [X.], [X.], 1719 Rn. 3).

7

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet, weil die angegriffene Entscheidung von höchstrichterlicher Rechtsprechung abweicht.

8

a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass die [X.] zu 1 mit der Abtretung sämtlicher [X.]santeile der [X.] zu 3 an den [X.] zu 2 als einzigen weiteren [X.]er beendet wurde. Nach der Rechtsprechung des [X.] kann ein [X.]er einer Personenhandelsgesellschaft entsprechend § 142 HGB das [X.]sunternehmen ohne Liquidation mit Aktiven und Passiven übernehmen und wird hierdurch zum [X.] der mit der Übernahme aufgelösten [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 1967 - [X.], [X.]Z 48, 203, 206; Senat, Urteil vom 9. Juli 1968 - [X.], [X.]Z 50, 307, 308). Ebenso erlischt eine [X.] bürgerlichen Rechts, wenn einer von zwei [X.]ern aus der [X.] ausscheidet und sein [X.]santeil dem einzigen verbleibenden [X.]er anwächst, der hierdurch zum Rechtsnachfolger der [X.] wird (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207 unter 1.; [X.], Beschluss vom 31. Mai 2010 - [X.], [X.], 1719 Rn. 7). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn die [X.] - wie hier - Eigentümerin eines Grundstücks ist; zur Umschreibung des Eigentums auf den [X.] bedarf es in diesem Fall nicht der Auflassung an diesen, sondern nur der Berichtigung des Grundbuchs (vgl. Senat, Beschluss vom 24. November 1978 - [X.], [X.], 249).

9

b) Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, durch die Beendigung der [X.] zu 1 sei die Vollmacht ihres Prozessbevollmächtigten erloschen. Auf den Übergang des Vermögens einer [X.] bürgerlichen Rechts oder einer offenen Handelsgesellschaft ohne Liquidation auf den letzten verbliebenen [X.]er sind die Regeln der §§ 239 ff., 246 ZPO und des § 86 Halbsatz 1 ZPO sinngemäß anzuwenden (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Februar 2002 - II ZR 331/00, NJW 2002, 1207 unter 1. mwN). Danach ist die Rechtsanwalt B.    von der [X.] zu 1 erteilte [X.] ungeachtet des zwischenzeitlichen Erlöschens der [X.] zu 1 und der Rechtsnachfolge des [X.] zu 2 in ihr Aktiv- und Passivvermögen als fortbestehend anzusehen. Rechtsanwalt B.     war damit berechtigt, für die [X.] zu 1 Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts einzulegen.

3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Insbesondere war die Berufung der [X.] zu 1 nicht deshalb unzulässig, weil diese zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung erloschen war und hierdurch ihre [X.]fähigkeit verloren hatte. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Prozesspartei, deren [X.]fähigkeit in Streit steht, zur gerichtlichen Klärung dieser Frage als parteifähig zu behandeln ist. Eine nicht existente oder aus anderen Gründen parteiunfähige [X.] kann Rechtsmittel einlegen, um ihre Nichtexistenz oder anderweitig fehlende [X.]fähigkeit geltend zu machen oder um zu rügen, dass ihre [X.]fähigkeit vorinstanzlich zu Unrecht verneint worden ist ([X.], Beschluss vom 31. Mai 2010 - [X.], [X.], 1719 Rn. 9 mwN). Ebenso kann sie das Rechtsmittel - wie hier - mit dem Ziel einlegen, ein anderes, ihrem Begehren entsprechendes [X.] zu erreichen (vgl. [X.], Beschluss vom 31. Mai 2010 - [X.], aaO Rn. 11).

IV.

Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dieses wird nunmehr die von Rechtsanwalt B.    beantragte Rubrumsberichtigung (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 1. Dezember 2003 - [X.], [X.]Z 157, 151, 155; [X.]/[X.], ZPO, 32. Aufl., § 246 Rn. 2b) vorzunehmen und sodann in der Sache über die von dem [X.] zu 2 als Rechtsnachfolger der [X.] zu 1 fortgeführte Berufung zu entscheiden haben.

Stresemann     

        

Brückner     

        

Weinland

        

Kazele     

        

[X.]     

        

Meta

V ZB 252/17

07.06.2018

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Koblenz, 8. November 2017, Az: 2 S 70/16 WEG

§ 672 BGB, § 142 HGB, § 86 ZPO, § 239 ZPO, § 240 ZPO, § 246 ZPO, § 574 Abs 1 S 1 Nr 1 ZPO, § 522 Abs 1 S 4 ZPO, § 574 Abs 2 Nr 2 Alt 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.06.2018, Az. V ZB 252/17 (REWIS RS 2018, 8123)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 8123

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