Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.07.2015, Az. 4 StR 265/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8044

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Gegenstand

Absehen von Verfallsanordnung: Prüfungsreihenfolge; Vorliegen einer unbilligen Härte


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 30. März 2015 im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und den Verfall von [X.] in Höhe von 27.700 € angeordnet. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Nach den Feststellungen baute der Angeklagte seit „September/Oktober 2012 bis Mitte April 2014" in einem Nebengebäude auf dem Anwesen seiner Mutter in [X.]      Cannabispflanzen an. Er gewann aus sieben gesonderten Anbauvorgängen insgesamt 10,786 kg Marihuana (mindestens 400,22 g THC), das er - abgesehen von der letzten, sichergestellten Aufzucht - für insgesamt mindestens 27.700 € gewinnbringend veräußerte.

3

2. Der Schuld- und Strafausspruch des angefochtenen Urteils weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das angefochtene Urteil ist jedoch rechtsfehlerhaft, soweit die [X.] im Rahmen des angeordneten [X.]verfalls die Anwendung der Härtevorschrift des § 73c StGB abgelehnt hat.

4

a) Bedenken begegnet bereits die vom Tatrichter beobachtete [X.] innerhalb des § 73c Abs. 1 StGB.

5

Nach der Rechtsprechung des [X.] ergibt sich aus dem systematischen Verhältnis zwischen der bei „unbilliger Härte" zwingend zum Ausschluss der Verfallsanordnung führenden Regelung in § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB einerseits und der [X.] in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB andererseits, dass regelmäßig zunächst auf der Grundlage letztgenannter Vorschrift zu prüfen ist, ob von einer Anordnung des Verfalls oder [X.]verfalls abgesehen werden kann ([X.], Beschlüsse vom 21. März 2013 - 3 StR 52/13, [X.], 630 f., und vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13).

6

Das [X.] hätte also nicht in umgekehrter Reihenfolge zunächst die Frage einer unbilligen Härte prüfen dürfen.

7

b) Den im Rahmen des § 73c Abs. 1 StGB anzulegenden Maßstäben ist das [X.] aber auch inhaltlich weder bei der Anwendung der [X.] in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB noch bei der Härteklausel aus § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB in ausreichendem Maße gerecht geworden.

8

aa) Zu der [X.] in § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB hat die [X.] lediglich mitgeteilt, dass eine Gefährdung der Resozialisierung mit der Anordnung des [X.]verfalls nicht verbunden sei. Jedoch scheidet eine Ermessensentscheidung nach § 73c Abs. 1 Satz 2 1. Alt. StGB aus, soweit der Angeklagte über Vermögen verfügt, das wertmäßig nicht hinter dem anzuordnenden Verfallsbetrag zurückbleibt (vgl. [X.], Urteile vom 10. Oktober 2002 - 4 [X.], [X.]R StGB § 73c Wert 3 und vom 27. Oktober 2011 - 5 StR 14/11, [X.], 267; Beschluss vom 2. Dezember 2004 - 3 [X.], [X.], 104, 105). Hierzu hat das [X.] keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Den Urteilsgründen lässt sich entnehmen, dass dem Angeklagten insgesamt aus dem Verkauf des [X.] (mindestens) 27.700 € zugeflossen sind. Feststellungen dazu, ob „der Angeklagte über besondere Vermögenswerte verfügte oder einen teuren Lebensstil pflegte" ([X.]), vermochte das [X.] nicht zu treffen. Damit ist dem angefochtenen Urteil, auch in seinem Gesamtzusammenhang, nicht zu entnehmen, in welchem Umfang noch wertmäßig aus den Taten des Angeklagten [X.] in seinem Vermögen vorhanden und somit die Ausübung tatrichterlichen Ermessens überhaupt erst eröffnet ist (zu den hierbei [X.] [X.], StGB, 62. Aufl., § 73c Rn. 5 mwN).

9

bb) In Bezug auf eine „unbillige Härte" im Sinne von § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB erschöpft sich das Urteil in der Behauptung des Fehlens einer solchen „auch unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Angeklagten" ([X.]). Das genügt nicht, um die Anwendung der Vorschrift auszuschließen. Freilich ist eine „unbillige Härte" erst dann gegeben, wenn die Anordnung des Verfalls schlechthin ungerecht wäre und das Übermaßverbot verletzen würde. Die Auswirkungen des Verfalls müssten mithin im konkreten Einzelfall außer Verhältnis zu dem vom Gesetzgeber mit der Maßnahme angestrebten Zweck stehen (st. Rspr.; s. nur [X.], Beschluss vom 13. Februar 2014 - 1 StR 336/13). Das Nichtvorhandensein des [X.] bzw. eines Gegenwertes im Vermögen des von der Verfallsanordnung Betroffenen kann nach der aufgezeigten Systematik des § 73c Abs. 1 StGB für sich genommen regelmäßig noch keine unbillige Härte begründen ([X.], Urteil vom 26. März 2009 - 3 [X.], [X.], 86 f.; Beschluss vom 13. Februar 2014, aaO). Maßgeblich für das Vorliegen einer „unbilligen Härte" gemäß § 73c Abs. 1 Satz 1 StGB ist vielmehr, wie sich die Verfallsanordnung auf das davon betroffene Vermögen auswirken würde ([X.], Urteil vom 13. Juni 2001 - 3 [X.], [X.], 388, 389). Da sich das angefochtene Urteil nicht näher zu der „unbilligen Härte"verhält, ist dem Senat die Überprüfung nicht möglich, ob das Tatgericht das genannte Merkmal rechtsfehlerfrei ausgelegt hat.

VRin[X.] Sost-Scheible
befindet sich im Urlaub und
ist daher gehindert zu
unterschreiben.

Cierniak     

Ri[X.] Dr. Franke befindet
sich im Urlaub und ist daher
gehindert zu unterschreiben.

Cierniak

Cierniak

     Bender     

Quentin     

Meta

4 StR 265/15

16.07.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kaiserslautern, 30. März 2015, Az: 5 KLs 6014 Js 16721/14

§ 73c Abs 1 S 1 StGB, § 73c Abs 1 S 2 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.07.2015, Az. 4 StR 265/15 (REWIS RS 2015, 8044)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8044

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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