Bundessozialgericht, Urteil vom 07.05.2013, Az. B 1 KR 8/12 R

1. Senat | REWIS RS 2013, 6057

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Gegenstand

Krankenversicherung - Richtlinien über künstliche Befruchtung - IVF - ICSI - Rechtmäßigkeit der Indikation für einen Methodenwechsel nach dem ersten IVF-Zyklus bei totalem Fertilisationsversagen


Leitsatz

Die Richtlinien über künstliche Befruchtung haben im November 2009 die Indikation für einen Methodenwechsel von IVF zu ICSI bei totalem Fertilisationsversagen nach dem ersten IVF-Zyklus rechtmäßig festgelegt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 17. November 2011 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. August 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Erstattung von (hälftigen) Kosten für eine Maßnahme zur künstlichen Befruchtung mittels Intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) in Höhe von 1416,99 Euro.

2

Die 1974 geborene, bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherte Klägerin leidet an primärer Sterilität, einem polycystischen Ovarialsyndrom sowie [X.]. Bei ihrem 1974 geborenen und bei der B[X.] Mobil Oil versicherten Ehemann besteht ua eine primäre Sterilität und eine reduzierte Progressivmotilität der Spermien. Die Beklagte genehmigte der Klägerin auf der Grundlage eines Behandlungsplans vom 25.9.2008 Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung durch In-Vitro-Fertilisation ([X.]) für drei Versuche (Bescheid vom 1.10.2008). Zu diesem Zeitpunkt war eine Indikation für eine ICSI-Behandlung nicht gegeben. Bei der Klägerin wurden bei der ersten [X.]-Behandlung im Februar 2009 18 Follikel punktiert und 11 Eizellen gewonnen. 10 Eizellen blieben unbefruchtet. Bei einer Eizelle trat eine verzögerte Befruchtung ein. Bei der zweiten [X.]-Therapie im Mai 2009 wurden 12 Follikel punktiert und 8 Eizellen gewonnen, die alle unbefruchtet blieben. Den Antrag der Klägerin, ihr nun einen dritten Versuch mittels ICSI anstelle von [X.] zu gewähren (Schreiben vom [X.]), lehnte die Beklagte ab: Ein Wechsel der Behandlungsmethode von [X.] zu ICSI sei nur nach dem ersten Versuch einer [X.] bei einem totalen Fertilisationsversagen möglich (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Die Klägerin unterzog sich im November 2009 auf eigene Kosten einer ICSI-Behandlung. Das [X.] hat ihre Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]). Das L[X.] hat die Beklagte zur Erstattung der (hälftigen) Kosten verurteilt: Die Voraussetzungen für eine ICSI-Behandlung seien zwar nach dem Wortlaut der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses ([X.]) über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung ([X.] über künstliche Befruchtung <[X.]>) nicht erfüllt. Die [X.] seien jedoch mit § 27a [X.]B V nicht vereinbar (Urteil vom 17.11.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 27a [X.]B V. Der [X.] habe den Leistungsanspruch der Versicherten in den [X.] über künstliche Befruchtung rechtmäßig konkretisiert.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 17. November 2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 26. August 2010 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Zu Unrecht hat das [X.] das SG-Urteil und die Bescheide der Beklagten aufgehoben und die Beklagte dazu verurteilt, 1416,99 Euro zu zahlen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Hälfte der in Betracht kommenden Kosten für die Maßnahme der künstlichen Befruchtung mittels [X.] im November 2009 unter Aufhebung des Bescheides vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2009.

8

1.Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist allein § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 [X.] (hier anzuwenden in der seit 1.7.2001 geltenden Fassung des Art 5 [X.] Buchst b SGB IX vom 19.6.2001, [X.] 1046). Hat die [X.] danach eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der [X.] in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Dieser Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die [X.]n allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB [X.], 125, 126 f = [X.] 3-2500 § 13 [X.] f mwN; [X.], 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.], Rd[X.] 11 mwN - [X.]; [X.] 100, 103 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.] 13 - [X.] Öl). Daran fehlt es.

9

Im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung im November 2009 hatte die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft mittels [X.] nach Maßgabe des § 27a [X.] (hier anzuwenden in der durch Art 2 [X.] 2 [X.] 1990 vom 26.6.1990, [X.] 1211 eingefügten und durch Art 1 [X.] 14 [X.] <[X.]> vom 14.11.2003, [X.] 2190 geänderten Fassung). Denn nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb verbindlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) lagen die Voraussetzungen für eine Behandlung mittels [X.] weder wegen einer Fertilitätsstörung des Ehemannes noch wegen totalen [X.]s aufgrund der Fertilitätsstörung der Klägerin vor.

a) § 27a Abs 1 [X.] gibt Versicherten nur dann Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung, wenn insgesamt sieben im Gesetz näher umschriebene Voraussetzungen erfüllt sind: Die Leistung muss erforderlich sein (Abs 1 [X.] 1), hinreichende Erfolgsaussicht haben (Abs 1 [X.] 2), miteinander verheiratete Eheleute (Abs 1 [X.] 3), die die Altersgrenzen erfüllen (Abs 3 S 1), und eine homologe Insemination betreffen (Abs 1 [X.] 4), darf erst nach erfolgter Beratung stattfinden (Abs 1 [X.] 5) und muss vor ihrem Beginn genehmigt sein (Abs 3 S 2). Während früher der [X.] und [X.]n hierfür zuständig war, bestimmt heute der [X.] in den [X.] nach § 92 [X.] die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der Maßnahmen nach § 27a Abs 1 [X.] (§ 27a Abs 4 [X.]; vgl auch § 92 Abs 1 S 2 [X.] 10 [X.]). Er hat zudem unter Achtung der Wertungen des § 27a [X.] über neue Behandlungsmethoden wie die [X.] abzugeben (vgl § 135 Abs 1 [X.]; [X.] 88, 62, 72 f = [X.] 3-2500 § 27a [X.] 3 S 33 f; zum Ganzen BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.]).

Dieser Pflicht ist der [X.] nachgekommen. Der [X.] und [X.]n empfahl [X.] und [X.] für den [X.]-Leistungskatalog und legte die Indikationen in [X.] über künstliche Befruchtung fest (vgl zu [X.] zunächst [X.] 11.5 [X.], Beschluss vom [X.], BAnz [X.]2 vom [X.], [X.], in [X.] getreten am [X.]; zu späteren Änderungen s unten). Als medizinische Indikation zur Durchführung von ärztlichen Maßnahmen der künstlichen Befruchtung gilt für die [X.] zunächst eine genau bestimmte männliche Fertilitätsstörung ([X.] 11.5 [X.]). Hiervon ist der Ehegatte der Klägerin nach den für den Senat verbindlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) nicht betroffen.

Eine zusätzliche Indikation für die [X.] besteht für die Fallkonstellation eines totalen [X.]s nach dem ersten Versuch einer [X.], die auch bei bestimmten weiblichen Fertilitätsstörungen in Betracht kommt ([X.] 11.3 [X.]). In diesem Fall kann in maximal zwei darauffolgenden Zyklen die [X.] zur Anwendung kommen, auch wenn die Voraussetzungen nach [X.] 11.5 nicht vorliegen (vgl insgesamt [X.] 8 S 6 und 7 [X.] idF des Beschlusses vom 15.11.2007, BAnz [X.] 19 vom [X.], [X.], in [X.] getreten am [X.]). [X.] und [X.] dürfen im Übrigen aufgrund der differenzierten Indikationsstellung nur alternativ angewandt werden (vgl [X.] 8 S 5 [X.] idF des Beschlusses vom 15.11.2005, BAnz [X.] 31 vom 14.2.2006, [X.], in [X.] getreten am 15.2.2006).

Die Klägerin erfüllte nach den für den Senat verbindlichen Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) nicht die Voraussetzungen gemäß [X.] 8 S 6 [X.] für den begehrten Wechsel von der [X.] zur [X.], da es im ersten [X.]-Zyklus zu keinem totalen [X.] gekommen war.

b) [X.] 8 S 6 und 7 [X.] über künstliche Befruchtung idF des Beschlusses vom 15.11.2007 ( BAnz [X.] 19 vom [X.], [X.]) ist entgegen der Auffassung der Klägerin wirksam. [X.] sind in der Rechtsprechung des [X.] als untergesetzliche Rechtsnormen mit Bindungswirkung gegenüber allen Systembeteiligten anerkannt (vgl § 91 Abs 9 [X.] idF des [X.], jetzt § 91 Abs 6 [X.]). Das BSG zieht die Verfassungsmäßigkeit dieser Art der Rechtsetzung nicht mehr grundlegend in Zweifel. Es behält sich aber vor, die vom [X.] erlassenen, im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden normativen Regelungen formell und auch inhaltlich in der Weise zu prüfen, wie wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm - etwa einer Rechtsverordnung - selbst erlassen hätte, wenn und soweit hierzu auf Grund hinreichend substantiierten [X.] konkreter Anlass besteht (stRspr; vgl grundlegend [X.], 190 = [X.] 4-2500 § 27 [X.], Rd[X.] 14 mwN - [X.]; siehe auch zB [X.] 107, 261 = [X.] 4-2500 § 35 [X.] 5, Rd[X.] 21 mwN; BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 17 mwN).

Hinsichtlich des Verfahrens und des sachlichen Gehalts ist die Rechtmäßigkeit der in den [X.] über künstliche Befruchtung festgelegten Indikationen für die [X.] insbesondere an den Regelungen des [X.] zu messen. Hierbei werden die bei sonstigen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen zu beachtenden Qualitätskriterien des § 135 Abs 1 S 1 [X.] für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durch § 27a [X.] modifiziert. Während grundsätzlich der Einsatz einer neuen Behandlungsmethode nicht dem anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse iS des § 2 Abs 1 S 3 [X.] entspricht, solange ihre Wirkungen und Risiken noch der Überprüfung bedürfen ([X.] 86, 54, 64 = [X.] 3-2500 § 135 [X.] 14 S 70 - aktiv-spezifische Immuntherapie; BSG [X.] 4-2500 § 27 [X.] 10 Rd[X.] 30 - neuropsychologische Therapie), kommt es im Rahmen der künstlichen Befruchtung auf diesen Standard nicht in gleicher Weise an ([X.] 88, 62, 69 f = [X.] 3-2500 § 27a [X.] 3 S 30 f, unter Hinweis auf BT-Drucks 11/6760 [X.]; vgl zum Ganzen BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 18 mwN).

Obwohl danach die in § 27a [X.] enthaltene Wertung auf die Entscheidung über die Anerkennung neuer Befruchtungstechniken durchschlagen muss ([X.] 88, 62, 72 = [X.] 3-2500 § 27a [X.] 3 S 33), entbindet dies doch nicht im Übrigen von der Beachtung der allgemeinen Vorgaben für die Leistungen der [X.], dem Wirtschaftlichkeits- (§ 12 Abs 1 [X.]) und dem [X.] (§ 2 Abs 1 S 3 [X.]). Der [X.] hat deshalb die Aufgabe, zu präzisieren, bei welchen Indikationen die [X.] auf Kosten der [X.] gerechtfertigt ist ([X.], [X.] 2009, 321 ff). Soweit der dargelegte gesetzliche Regelungsgehalt reicht, verbleibt dem [X.] kein Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom [X.] zu berücksichtigenden Studienlage (vgl [X.] 107, 287 = [X.] 4-2500 § 35 [X.] 4, Rd[X.] 37). Der [X.] entscheidet erst über die weitere Konkretisierung des Gesetzes als Normgeber. Insoweit darf die sozialgerichtliche Kontrolle ihre eigenen Wertungen nicht an die Stelle der vom [X.] getroffenen Wertungen setzen. Vielmehr beschränkt sich die gerichtliche Prüfung in diesen Segmenten darauf, ob die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen sowie die gesetzlichen Vorgaben nachvollziehbar und widerspruchsfrei Beachtung gefunden haben, um den Gestaltungsspielraum auszufüllen (vgl zum Ganzen BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 19 mwN). Nach diesem Maßstab hat der [X.] die Indikation für die [X.] bei totalem [X.] formell und inhaltlich rechtmäßig festgelegt.

c) Der [X.] hat die im Interesse der verfassungsrechtlichen Anforderungen der [X.] umfassend durch Gesetz und - inzwischen - Verfahrensordnung (vgl jetzt [X.] der [X.] des [X.]) ausgestalteten und abgesicherten Beteiligungsrechte ersichtlich gewahrt (vgl dazu [X.] 107, 287 = [X.] 4-2500 § 35 [X.] 4, Rd[X.] 34; [X.], [X.] 2010, 600, 604). Die "Tragenden Gründe zum Beschluss des Gemeinsamen [X.]es über Änderungen der Richtlinien über künstliche Befruchtung: [X.] und Risikoberatung" vom 15.11.2007 belegen, dass der [X.] der [X.] gemäß § 91 Abs 8a [X.] (jetzt § 91 Abs 5 [X.]) Gelegenheit zur Stellungnahme gab.

d) Der [X.] hat die Indikation für die [X.] auch inhaltlich rechtmäßig festgelegt. Er hat als Grundlage seiner Entscheidung die Studienlage vollständig berücksichtigt, denn er hat sich auf die verfügbaren Fachveröffentlichungen gestützt (vgl zu 11.5 [X.] bereits BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 21 mwN; zu [X.] 8 S 6 und 7 [X.] vgl Gutachten des [X.] "Qualitätssicherung/Qualitätsmanagement" der [X.] und der Spitzenverbände der [X.] beim [X.] von November 2005). Der Ausgangspunkt seiner Indikationsfestlegung ist rechtmäßig, nämlich dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nur durchgeführt werden dürfen, wenn hinreichende Aussicht besteht, dass durch die gewählte Behandlungsmethode eine Schwangerschaft herbeigeführt wird ([X.] über künstliche Befruchtung [X.] 8 S 1). Das stimmt mit den eingangs dargelegten gesetzlichen Anforderungen überein (§ 27a Abs 1 [X.] 2 [X.] und § 12 Abs 1 [X.]). Dieser Ausgangspunkt schließt zugleich die Möglichkeit ein, dass nicht alle Versicherten, die von ungewollter Kinderlosigkeit betroffen sind, in formal gleicher Weise Maßnahmen der künstlichen Befruchtung beanspruchen können, weil Methoden ohne hinreichende Erfolgsaussicht nicht in den Leistungskatalog fallen (vgl insgesamt BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 21 mwN).

Die Konkretisierung und Begrenzung der Leistungspflicht auf einen [X.] von [X.] zu [X.] bei totalem [X.] lediglich nach dem ersten [X.]-Zyklus ([X.] 8 S 6 und 7 [X.]) knüpft - wie die Indikationsstellung nach 11.5 [X.] - an die rechtlich geforderte Konzeptionswahrscheinlichkeit als Maßstab der hinreichenden Erfolgsaussicht an. Sie hält sich im Rahmen vertretbarer Schlussfolgerung aus dem begrenzten Aussagegehalt der ermittelten Studienlage zum [X.] von [X.] zu [X.]. Danach gab es 2005 lediglich Hinweise dafür, dass bei einem totalen [X.] in einem [X.]-Versuch der Wechsel zur [X.] in einem weiteren Zyklus von Nutzen sein könne. Es besteht nachvollziehbar eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg weiterer Befruchtungen mit Hilfe der gewählten Methode, wenn sie in einem ersten Versuch zu einem Fertilisationserfolg führte. Ist dies nicht der Fall, hält es sich im Rahmen der Plausibilität, auch die Wahrscheinlichkeit für weitere Befruchtungen innerhalb der Behandlungsmethode für umso geringer, den [X.] also für umso eher berechtigt zu halten.

Die an die Konzeptionswahrscheinlichkeit anknüpfende Grenzziehung der [X.] über künstliche Befruchtung bei [X.] ist selbst dann nicht zu beanstanden, wenn - wie hier - eine alternative Methode der künstlichen Befruchtung nicht indiziert ist. Es ist nicht Aufgabe der [X.], die Methode der [X.] lückenlos in allen Fällen zur Verfügung zu stellen, in denen sie medizinisch machbar ist und die Voraussetzungen für andere Methoden der künstlichen Befruchtung nicht gegeben sind (vgl BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 22). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz handelt es sich insoweit nicht um einen Wertungsfehler, den Leistungsanspruch zu begrenzen, selbst wenn nicht auszuschließen ist, dass bei einem [X.] nach einem zweiten [X.]-Versuch der Wechsel zu [X.] in einem dritten Versuch von Nutzen sein kann. Mit dieser Begrenzung verbleibt der [X.] innerhalb des ihm zukommenden Gestaltungsspielraums.

e) Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die geltende [X.]-Regelung der medizinischen Indikation für [X.] bei [X.] im November 2009 nicht mehr in Einklang mit dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse stand. Ohne abweichende, zwingende Hinweise kann der Senat davon ausgehen, dass der [X.] als Normgeber die sich ständig ändernde Entwicklung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse im Blickfeld hat (vgl BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 26 mwN). Für die Beachtung der Beobachtungspflicht des [X.] spricht im Übrigen, dass er inzwischen (16.8.2012) das [X.] im Gesundheitswesen damit beauftragt hat, nach Erscheinen der 5. Aufl des WHO-Laborhandbuchs die Studienlage zu den Spermiogrammparametern ([X.] 11.5 [X.]; hierzu B SG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 13 f, 25) neu zu bewerten, und sich mit der Fallkonstellation eines totalen [X.]s im zweiten [X.]-Behandlungsversuch auseinanderzusetzen (Auftrag abrufbar unter www.g-ba.de).

f) Die angegriffene Regelung der medizinischen Indikationen für [X.] verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Nach der Rechtsprechung des [X.] und des erkennenden Senats reichen hinreichende sachliche Gründe aus, um eine unterschiedliche Behandlung Betroffener zu rechtfertigen, wenn ein gesetzliches Regelungskonzept - wie das, welches § 27a [X.] zugrunde liegt (vgl [X.]E 117, 316, 326 = [X.] 4-2500 § 27a [X.] 3, Rd[X.] 35), - verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist ([X.] ozR 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 27). Solche hinreichenden Sachgründe liegen - wie dargelegt - auch der Grenzziehung zum [X.] von [X.] zu [X.] in den [X.] über künstliche Befruchtung zugrunde. Die Indikation für den [X.] führt zwar dazu, dass Versicherte mit totalem [X.] erst im zweiten [X.]-Versuch gegenüber Versicherten mit totalem [X.] bereits im ersten [X.]-Versuch von einer Behandlung mit [X.] zu Lasten der [X.] ausgeschlossen und dementsprechend benachteiligt werden. Die Grenzziehung beruht indessen auf den medizinischen Erkenntnissen über die Konzeptionswahrscheinlichkeit und hieran anknüpfenden nachvollziehbaren Schlussfolgerungen für den Nutzen einer Methode. Bei ihrer Bewertung ist zu berücksichtigen, dass gerade kein Kernbereich der [X.]-Leistungen betroffen ist. Der [X.]-Geber muss nicht auf eine unbeschränkte Öffnungsklausel ausweichen, um jedem Versicherten zu Lasten der [X.] gleitend den [X.] von der [X.] zur [X.] zu ermöglichen (vgl zum Ganzen auch BSG [X.] 4-2500 § 27a [X.] 13 Rd[X.] 28 mwN). Entgegen der Auffassung des [X.] sieht demgegenüber auch der Entwurf eines Kinderwunschförderungsgesetzes vom 18.4.2012 keine Neuausrichtung im Sinne einer unbegrenzten Gleichstellung vor, sondern lediglich eine anteilige Kostenübernahme des [X.] (vgl zu den Entwürfen eines Kinderwunschförderungsgesetzes - KiwunschG - Gesetzesantrag des [X.] BR-Drucks 478/11 und Gesetzentwurf des Bundesrates BT-Drucks 17/9344).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Meta

B 1 KR 8/12 R

07.05.2013

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Osnabrück, 26. August 2010, Az: S 3 KR 260/09

§ 2 Abs 1 S 3 SGB 5, § 12 Abs 1 SGB 5, § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB 5 vom 19.06.2001, § 27a Abs 1 SGB 5 vom 14.11.2003, § 27a Abs 3 SGB 5 vom 14.11.2003, § 27a Abs 4 SGB 5 vom 14.11.2003, § 92 Abs 1 S 2 Nr 10 SGB 5, § 135 Abs 1 S 1 SGB 5, Art 3 Abs 1 GG, Nr 8 S 1 KBRL, Nr 8 S 5 KBRL vom 15.11.2005, Nr 8 S 6 KBRL vom 15.11.2007, Nr 8 S 7 KBRL vom 15.11.2007, Nr 11.3 KBRL, Nr 11.5 KBRL vom 26.02.2002

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.05.2013, Az. B 1 KR 8/12 R (REWIS RS 2013, 6057)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 6057

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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