Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2006, Az. IX ZR 141/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 647

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.]/04 Verkündet am: 23. November 2006 [X.] als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 522, 559, § 580 Nr. 6 Zur Berücksichtigung eines [X.]es im Revisionsverfahren, wenn das Schlussurteil des Berufungsgerichts auf einem [X.] auf-baut, der nach Erlass des Urteils teilweise vom [X.] worden ist. [X.], Urteil vom 23. November 2006 - [X.]/04 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2006 durch [X.] [X.], [X.] Ganter und [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Schlussurteil des 2. Zivilsenats des [X.] vom 9. Juni 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als - die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist, soweit diese vom [X.] zur Zahlung von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 7.248.079,94 • für die [X.] vom 15. Juni 2001 bis 12. März 2004 verurteilt worden ist; - festgestellt worden ist, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, soweit der Kläger von der Beklagten die Zahlung von 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 7.248.079,94 • für die [X.] ab dem 13. März 2004 beansprucht hat. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die weitergehende Revision der Beklagten wird zurückgewiesen. Von Rechts wegen - 3 - Tatbestand: Die Beklagte erbringt Dienstleistungen auf dem Gebiet der Telekommu-nikation. Die AG (im Folgenden: Schuldnerin) bot ebenfalls die Mög-lichkeit an, Telefongespräche zu führen. Zwischen beiden bestand seit 1998 ein Fakturierungs- und Inkassovertrag, der die Beklagte verpflichtete, die ihr von der Schuldnerin gemeldeten [X.] den Kunden der Schuldnerin in Rechnung zu stellen, das Entgelt zu kassieren und den Erlös an die Schuld-nerin abzuführen. Aus dem Abrechnungszeitraum vom 13. Februar bis 31. Mai 2001 stehen insoweit unstreitig Forderungen der Schuldnerin gegen die [X.] von 17.516.283,96 • aus Telefongesprächen im "Call-by-Call Verfahren" of-fen. 1 Am 2. April 2001 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des [X.] über ihr Vermögen; dies ist der Beklagten noch am selben Tag bekannt geworden. Der Kläger wurde als (zunächst: vorläufiger) [X.] bestellt. In der Folgezeit rechnete die Beklagte gegen die Ansprüche der Schuldnerin mit Gegenforderungen auf, die ihr gegen die Schuldnerin wegen Nutzung ihres Telefonnetzes zustanden. Die Beklagte bezifferte ihre Ansprüche auf knapp 100 Mio. DM und meldete davon gut 71 Mio. DM zur Tabelle an. 2 Der Kläger hält die Aufrechnung für unzulässig und verlangt mit der [X.] Auszahlung der Erlöse von ca. 17,5 Mio. •uro. 3 Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger den genann-ten Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Der Erlösanspruch sei nicht erloschen, weil die Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3, § 130 [X.] unzulässig sei. Die hier-gegen eingelegte Berufung hat das Berufungsgericht durch einstimmigen Teil-beschluss vom 3. März 2004 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO hinsichtlich der [X.] - 4 - sache zurückgewiesen. Die Beklagte hat daraufhin veranlasst, dass dem Kläger die Hauptsache bezahlt wird. Der Betrag wurde auf dem Konto der Beklagten am 12. März 2004 belastet und auf dem Konto des [X.] am 15. März 2004 gutgeschrieben. Das Berufungsgericht hat sodann über Zinsen und Kosten mündlich verhandelt. Der Kläger hat den Zinsanspruch in der Hauptsache ein-seitig für erledigt erklärt, soweit er von der Beklagten Verzinsung der [X.] über den 14. März 2004 hinaus beansprucht hatte. Durch Schlussurteil vom 9. Juni 2004 hat das Berufungsgericht dem Zinsanspruch weitgehend und dem [X.] für die [X.] ab 13. März 2004 stattgegeben sowie die Kosten des Berufungsverfahrens der Beklagten auferlegt. Auf Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesverfassungs-gericht den Teilbeschluss des Berufungsgerichts vom 3. März 2004 mit [X.] vom 1. Oktober 2004 (NJW 2005, 657) insoweit aufgehoben und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückverwiesen, als die Verurteilung die der Beklagten vor dem 2. April 2001 zugegangenen Rechnungen der Schuldne-rin betrifft. Dabei handelt es sich um die Rechnungen vom 28. Februar 2001 über 6.483.492,30 DM, zugegangen am 12. März 2001, und die Rechnung vom 21. März 2001 über 7.692.519,88 DM, zugegangen am 23. März 2001, zusam-men 7.248.079,94 •. 5 Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag hinsichtlich der Zinsen und des Erledigungsfeststel-lungsbegehrens in vollem Umfang weiter. 6 - 5 - Entscheidungsgründe: Die Revision hat zum Teil Erfolg; sie führt hinsichtlich der Kostenent-scheidung in vollem Umfang und hinsichtlich der Zinsentscheidung und der Feststellung des in der Hauptsache erledigten Zinsanspruches zur Aufhebung in dem ausgesprochenen Umfang. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 7 [X.] Das Schlussurteil hält einer rechtlichen Prüfung in dem ausgesproche-nen Umfang nicht stand. 8 1. Die Revision ist allerdings unbegründet, soweit das Schlussurteil hin-sichtlich der Zinsentscheidung auf dem rechtskräftigen Teil des [X.] vom 3. März 2004 beruht. Entgegen der Auffassung der Revision ist es für die Frage, ob das Schlussurteil auf einer Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 545 ZPO), nicht erheblich, ob das Berufungsgericht über die Hauptsache durch Teilbeschluss nach § 522 ZPO entscheiden durfte. Der Teilbeschluss war mit Rechtsmitteln der ZPO nicht anfechtbar, § 522 Abs. 3 ZPO (vgl. [X.], [X.]. v. 6. Juli 2005 - [X.], [X.], 1555; v. 6. Juli 2006 - [X.] ZB 261/04, [X.]Report 2006, 1260). Diese Regelung ist verfassungsrechtlich unbedenklich ([X.] NJW 2005, 659). Der [X.]uss war mit Erlass (zunächst) rechtskräf-tig. Auch wenn der [X.]uss gegen § 522 ZPO verstoßen hat, durfte ihn das Berufungsgericht nicht mehr ändern, weil dem [X.]uss innerprozessuale Bin-dungswirkung zukam (vgl. [X.], [X.]. v. 12. Dezember 1990 - [X.], [X.], 882, 883; v. 18. Januar 1995 - [X.], NJW-RR 1995, 765). 9 - 6 - Allenfalls auf eine Anhörungsrüge hin hätte der Teilbeschluss gemäß § 321a ZPO vom Berufungsgericht abgeändert werden können (vgl. [X.]/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 321a Rn. 5). Diese hat das Berufungsgericht jedoch als unzu-lässig verworfen. Entgegen der Auffassung der Revisionsklägerin in der mündlichen Ver-handlung vor dem Senat war der Teilbeschluss nicht nichtig. Als in dem dafür vorgesehenen Verfahren zu Stande gekommener hoheitlicher Akt beansprucht er aus Gründen der Rechtssicherheit Geltung gegenüber jedermann, sofern ihm nicht ein offenkundiger, schwerer Fehler anhaftet, der ausnahmsweise zur [X.] führt (vgl. [X.], Urt. v. 9. Januar 2003 - [X.] ZR 85/02, [X.], 356, 357; [X.]. v. 27. Juni 2003 - [X.]a ZB 72/03, [X.], 1782, 1783). Nichtigkeit wird vor allem dann angenommen, wenn die Unterschrift des Richters als für jede gerichtliche Entscheidung schlechthin konstitutiver Akt fehlt und deshalb ein bloßer Entwurf gegeben ist ([X.] 137, 49, 51; [X.], [X.]. v. 27. Juni 2003, aaO). 10 Ein solcher offenkundiger schwerer Rechtsmangel liegt in der Teilzu-rückweisung der Berufung nicht vor. Ob § 522 Abs. 2 ZPO Teilbeschlüsse zu-lässt, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Nach der Gesetzesbegründung ist eine teilweise Zurückweisung der Berufung durch [X.]uss nicht möglich (BT-Drucks. 14/4722 S. 97). Im Gesetzeswortlaut findet dies aber keinen Aus-druck. In Teilen der Rechtsprechung und Literatur wird deshalb ein Teilbe-schluss unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erachtet (vgl. etwa OLG [X.] MDR 2003, 711; [X.] OLGR 2003, 460; [X.], 2754; [X.]/[X.]/[X.], aaO § 522 Rn. 41; [X.]/ [X.]/[X.], ZPO, 27. Aufl. § 522 Rn. 21; Musielak/Ball, ZPO 5. Aufl. § 522 11 - 7 - Rn. 28a; [X.][X.], § 522 Rn. 16). Unter diesen Umständen kann eine Nichtigkeit des [X.] nicht angenommen werden. Über den offenen Rest des Verfahrens konnte und musste daher - unabhängig von der Richtigkeit des ergangenen [X.] - nach münd-licher Verhandlung durch Schlussurteil entschieden werden. Dabei hatte das Berufungsgericht - solange das [X.] nicht anders ent-schieden hatte - von der Rechtskraft des [X.] auszugehen. 12 2. Im Revisionsverfahren ist jedoch zu berücksichtigen, dass das [X.] den Teilbeschluss des Berufungsgerichts teilweise auf-gehoben und insoweit den Rechtsstreit an das Berufungsgericht [X.] hat. Dies ist ein [X.] hinsichtlich des angefochtenen [X.] gemäß § 580 Nr. 6 ZPO. Im Umfang der Aufhebung zur Hauptsache kann deshalb auch die Zinsentscheidung und die Erledigungsfeststellung, ebenso wie die Kostenentscheidung, keinen Bestand haben. 13 a) Das Vorbringen eines [X.]es ist trotz § 559 ZPO (§ 561 ZPO a.F.) in der Revisionsinstanz zulässig, auch wenn es sich dabei um Tatsa-chen handelt, die noch nicht Gegenstand des Berufungsurteils sein konnten. Diese Ausnahme ist gerechtfertigt durch die Erwägung, dass es im Sinne einer vernünftigen Prozessökonomie liegt, Wiederaufnahmegründe noch in einem anhängigen Rechtsstreit zu erledigen, anstatt die [X.], die sie geltend macht, damit auf ein nach rechtskräftigem Abschluss des anhängigen Rechtsstreits einzuleitendes Wiederaufnahmeverfahren zu verweisen ([X.] 3, 65, 67 f). Damit wird verhindert, dass in der Revisionsinstanz ein ohne Berücksichtigung des neuen Vorbringens ergehendes Urteil sich mit dem Inhalt eines rechtskräf-tigen Erkenntnisses des [X.]s in Widerspruch setzen o-14 - 8 - der doch diese Erkenntnis unbeachtet lassen würde. Daraus ergäben sich für die Einheitlichkeit und das Ansehen der Rechtsprechung in hohem Maße ab-trägliche Folgen. Dies hat der [X.] schon bislang für die Fälle angenommen, in denen der [X.] einer strafbaren Handlung nach § 580 Nrn. 1 bis 5 ZPO vorliegt, wenn deswegen eine rechtskräftige Verurtei-lung erfolgt ist, § 581 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. [X.] 3, 65, 67 f; 5, 240, 247; [X.], [X.]. v. 13. Januar 2000 - [X.] ZB 3/99, [X.] Nr. 1). Für den [X.] des § 580 Nr. 6 ZPO, der stets ein rechtskräftiges aufhebendes Urteil voraussetzt, kann nichts anderes gelten. b) Ein [X.] gemäß § 580 Nr. 6 ZPO liegt bezüglich des Schlussurteils vor. Dieses beruht hinsichtlich der Entscheidung über die Zinsen, die Erledigungsfeststellung und der Kosten maßgebend auf dem Teilbeschluss des Berufungsgerichts, mit dem die Berufung in der [X.] wurde (zur Notwendigkeit des Ursachenzusammenhangs vgl. [X.], Urt. v. 21. Januar 1988 - [X.], [X.], 1914, 1915). Dieser Teilbeschluss ist einem Urteil im Sinne des § 580 Nr. 6 ZPO gleichzustellen, weil er urteilsver-tretenden Charakter hat (vgl. [X.], Urt. v. 21. Januar 1988 aaO; [X.]. v. 18. Januar 1995 aaO; [X.]/[X.], aaO § 580 Rn. 13; Musielak, aaO § 580 Rn. 12). Er ist durch den [X.]uss des [X.]s vom 1. Oktober 2004 teilweise aufgehoben worden. In diesem Umfang ist über die Berufung der Beklagten in der Hauptsache neu zu entscheiden. Der [X.]uss des [X.]s steht einem rechtskräftig aufhebenden Urteil im Sinne des § 580 Nr. 6 ZPO gleich, weil er alle Gerichte bindet, § 95 Abs. 2, § 31 Abs. 1 [X.]G. 15 c) Das [X.] hat den Teilbeschluss des Berufungs-gerichts insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zurückgewiesen 16 - 9 - worden ist hinsichtlich der der Beklagten vor dem 2. April 2001 zugegangenen Rechnungen der Schuldnerin. Dies betrifft die Rechnungen vom 28. Februar 2001 und 21. März 2001 über eine Gesamt-Hauptsachesumme von 7.248.079,94 •. Insoweit fehlt es derzeit für jede Zinsentscheidung an einer Grundlage. Ist die Klage insoweit in der Hauptsache unbegründet, trifft dies auch für den Zinsanspruch und den [X.] hinsichtlich der Zinsen ab 13. März 2004 zu. Den [X.] hinsichtlich der Zinsen aus dem ge-nannten Betrag für den 13. und 14. März 2004 wollte das Berufungsgericht ausweislich der Begründung seines Schlussurteils offenbar abweisen. Im Tenor ist jedoch über den [X.] hinaus entgegen § 308 Abs. 1, § 525 Satz 1, § 528 Satz 1 ZPO die Erledigung für die [X.] ab 13. März 2004 festgestellt worden. Die Aufhebung hat sich deshalb auch hierauf zu be-ziehen. 17 I[X.] Das angefochtene Schlussurteil ist danach im ausgesprochenen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird zunächst in dem vom Bundesverfassungsge- 18 - 10 - richt aufgehobenen Umfang über die Hauptsache sowie darauf aufbauend er-neut über die Zinsen, die Feststellung der Erledigung und die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben. Dr. [X.] [X.] [X.] [X.] Dr. [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 24.06.2003 - 11 O 151/01 - [X.], Entscheidung vom 09.06.2004 - 2 U 118/03 -

Meta

IX ZR 141/04

23.11.2006

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.11.2006, Az. IX ZR 141/04 (REWIS RS 2006, 647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 647

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2 U 118/03

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