Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2013, Az. I ZR 146/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8045

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Wettbewerbsverstoß durch irreführende Werbung: Hinweis eines Rechtsanwalts auf seine Postulationsfähigkeit vor den Oberlandesgerichten - auch zugelassen am OLG Frankfurt


Leitsatz

auch zugelassen am OLG Frankfurt

Solange der Umstand, dass es für die Postulationsfähigkeit vor den Oberlandesgerichten keiner gesonderten Zulassung bedarf, für die angesprochenen Verkehrskreise keine Selbstverständlichkeit darstellt, verstößt ein Rechtsanwalt, dem vor dem 1. Juni 2007 eine solche Zulassung erteilt worden ist und der hierauf in einem Zusatz zur Namensleiste seines Briefkopfs hinweist, nicht gegen das Irreführungsverbot nach § 5 Abs. 1 UWG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 22. Juni 2012 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 31. Zivilkammer des [X.] vom 8. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine aus zwei Rechtsanwältinnen bestehende Partnerschaftsgesellschaft mit Kanzleisitz in [X.]. Der Beklagte ist ebenfalls Rechtsanwalt und betreibt seine Kanzlei in [X.] im [X.]. Er ist vor dem 1. Juni 2007 - zu einer Zeit, als nur Rechtsanwälte, die an einem [X.] zugelassen waren, vor den [X.]en auftreten durften - beim [X.] Frankfurt am Main zugelassen worden.

2

Der Briefkopf des Beklagten enthält oben rechts unterhalb des Namens des Beklagten den deutlich kleiner geschriebenen Zusatz „Rechtsanwalt auch zugelassen am [X.]“. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, hat die Klägerin den Hinweis auf die „[X.] im Briefkopf“ als irreführend beanstandet und den Beklagten deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der Beklagte ist diesem Begehren entgegengetreten.

3

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (LG [X.], Urteil vom 8. Dezember 2011 - 31 O 377/11, juris). Auf die Berufung der Klägerin hat das [X.] ([X.] [X.], [X.], 1454) den Beklagten verurteilt,

es zu unterlassen, auf seinem zu anwaltlichen Zwecken genutzten Briefpapier die Bezeichnung „Rechtsanwalt auch zugelassen am [X.]“ zu verwenden.

4

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

5

I. Das Berufungsgericht hat den noch rechtshängigen Unterlassungsantrag aus §§ 3, 5, 8 Abs. 1 und 3 [X.] UWG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:

6

Die Klägerin sei als Mitbewerberin des [X.]n gemäß § 8 Abs. 3 [X.] UWG klagebefugt. Die Verwendung des beanstandeten Zusatzes stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 [X.] UWG dar, mit der der [X.] Werbung für seine Kanzlei betreibe.

7

Die Werbung sei irreführend, weil der [X.] es als etwas Besonderes herausstelle, dass er auch beim [X.] auftreten dürfe. Dies sei seit dem Inkrafttreten des [X.] der Rechtsanwaltschaft vom 26. März 2007 ([X.] I S. 358) am 1. Juni 2007 jedoch eine Selbstverständlichkeit, weil seit diesem Tag jeder bei einem [X.] Gericht zugelassene Rechtsanwalt zugleich bei allen [X.] postulationsfähig und damit zugelassen sei. Der beanstandeten Aussage komme auch wettbewerbsrechtliche Relevanz zu. Damit sei ohne weiteres davon auszugehen, dass die Spürbarkeitsschwelle gemäß § 3 Abs. 1 UWG ebenfalls überschritten sei.

8

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstinstanzlichen Urteils.

9

1. [X.], das Berufungsgericht hätte die Berufung der Klägerin mangels einer den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügenden Rechtsmittelbegründung als unzulässig verwerfen müssen, greift allerdings nicht durch.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 [X.] und 2 ZPO muss die Berufungsbegründung neben den Berufungsanträgen ([X.]) die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergibt (Nr. 2). Den in § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genannten Anforderungen wird genügt, wenn die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält und zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die Umstände mitteilt, die das Urteil aus seiner Sicht in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht verlangt. Für die Zulässigkeit der Berufung kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind ([X.], Beschluss vom 31. August 2010 - [X.], [X.], 48 Rn. 7; Beschluss vom 6. Dezember 2011 - [X.], [X.] 2012, 440 Rn. 7, jeweils mwN). Enthält die Berufungsbegründung zumindest zu einem Streitpunkt eine der Vorschrift des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO genügende Begründung, ist die Berufung insgesamt zulässig, wenn die bezeichneten Umstände geeignet sind, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen ([X.], Beschluss vom 1. März 2011 - [X.], juris Rn. 14; [X.], [X.] 2012, 440 Rn. 7).

b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin entgegen der Ansicht der Revision gerecht.

Nach Wiedergabe des [X.] werden in dem Schriftsatz vom 12. Januar 2012 materielle [X.] erhoben, die die Klägerin auch fallbezogen begründet hat. Sie hat dargelegt, dass sie schon die Verneinung einer Irreführung durch das [X.] für unzutreffend hält, weil der [X.] nach Inkrafttreten des [X.] der Rechtsanwaltschaft am 1. Juni 2007 nicht mehr berechtigt sei, den in Rede stehenden Zusatz auf seinem Kanzleibriefpapier zu verwenden. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, dass es seit dem 1. Juni 2007 jedem bei einem [X.] Gericht zugelassenen Rechtsanwalt erlaubt sei, (auch) vor den [X.] aufzutreten mit der Folge, dass die vor Inkrafttreten des bezeichneten Gesetzes erforderliche Zulassung nicht mehr verwendet werden dürfe und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig sei. Diese Darlegungen genügen den von § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO aufgestellten Anforderungen.

Die Klägerin hat sich auch mit einer für § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO ausreichenden Begründung gegen die vom [X.] verneinte Überschreitung der Spürbarkeitsschwelle gemäß § 3 Abs. 1 UWG gewandt. Sie hat insoweit vor allem geltend gemacht, dass die Verwendung des beanstandeten Zusatzes auf dem Briefpapier eines Rechtsanwalts zu einer spürbaren Beeinträchtigung (der Mitbewerber) führe, weil davon auszugehen sei, dass viele Personen mit dem Briefpapier in Kontakt kämen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Rechtsuchende als Empfänger von Schreiben des [X.]n von der beanstandeten - unzulässigen - Zusatzbezeichnung Kenntnis erlangten. Damit hat die Klägerin Umstände dargelegt, die mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass sie die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils aus der Sicht der Klägerin in Frage stellen sollen und welche Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit die Berufungsführerin bei der angefochtenen Entscheidung beanstandet (vgl. [X.], Beschluss vom 30. Oktober 2008 - [X.]/08, [X.], 442 Rn. 12; Beschluss vom 1. März 2011 - [X.], juris Rn. 14).

2. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Klägerin gemäß § 8 Abs. 3 [X.] UWG klagebefugt ist, weil sie Mitbewerberin des [X.]n ist. Die Parteien sind auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig und stehen damit in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander (vgl. [X.], Urteil vom 29. März 2007 - [X.], [X.], 1079 Rn. 18 = [X.], 1346 - Bundesdruckerei, mwN). Gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts wird von der Revision auch nichts erinnert.

3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts, der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 UWG begründet, weil der [X.] - wettbewerbsrechtlich unzulässig - mit Selbstverständlichkeiten werbe.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verwendung des in Rede stehenden Zusatzes im Briefkopf sei irreführend und daher gemäß § 5 Abs. 1 UWG zu verbieten, hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Es hat zu Unrecht angenommen, dass der [X.] mit einer Selbstverständlichkeit wirbt und dadurch beim angesprochenen Verkehr den unzutreffenden Eindruck hervorruft, es sei etwas Besonderes, nicht nur bei anderen Land und (Amts)Gerichten, sondern auch beim [X.] auftreten zu dürfen.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es den potentiellen Mandanten, die der [X.] mit den Angaben auf seinem Briefkopf anspricht, durchweg bekannt ist, dass heute jeder Rechtsanwalt an allen [X.], mithin auch am [X.], „zugelassen“ und damit postulationsfähig ist. Die Beschränkungen der Postulationsfähigkeit an den [X.] haben sich erst seit dem Jahre 2002 gelockert; erst im Jahre 2007 sind sie vollständig gefallen. Bis 2002 galt in [X.] die Singularzulassung mit der Folge, dass ein am [X.] zugelassener Rechtsanwalt an keinem anderen Gericht zugelassen sein konnte und auch ein etwa am [X.] Gießen zugelassener Rechtsanwalt nicht berechtigt war, vor dem [X.] aufzutreten (§§ 25, 226 Abs. 2 [X.] aF). Nachdem das [X.] die Bestimmung des § 25 [X.] aF, in der die Singularzulassung geregelt war, für verfassungswidrig erklärt hatte ([X.] 103, 1), galt in [X.] bis 2007 die Simultanzulassung; nunmehr konnten Rechtsanwälte, die seit mindestens fünf Jahren beim [X.] zugelassen waren, gleichzeitig beim [X.] zugelassen werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.] aF), wobei seit dem 1. August 2002 die Zulassung an einem [X.] die Postulationsfähigkeit an allen anderen [X.] eröffnete. Seit dem Inkrafttreten des [X.] der Rechtsanwaltschaft am 1. Juni 2007 ist auch die gesonderte Zulassung an einem [X.] entfallen; seitdem kann jeder zugelassene Rechtsanwalt vor allen [X.] auftreten.

Diese wechselvolle Geschichte wird - davon ist auszugehen - den wenigsten bekannt sein, die einen Rechtsanwalt mandatieren wollen. Gerade für die Teile des Verkehrs, die nicht ständig Rechtsstreitigkeiten führen, ist es deshalb keineswegs selbstverständlich, dass ein mit der landgerichtlichen Vertretung betrauter Rechtsanwalt die Sache auch vor dem [X.] vertreten kann. Dies gilt insbesondere in den Ländern, in denen bis 2002 die Singularzulassung galt und in denen zwischen den Instanzen daher stets ein Anwaltswechsel erforderlich war.

Der [X.] hat sich mit dem Hinweis auf die Zulassung am [X.] auch keine besondere Qualifikation angemaßt. Der Hinweis besagt vielmehr lediglich, dass der [X.] berechtigt ist, Mandanten vor dem [X.] zu vertreten. Diesem Hinweis kommt damit vor dem Hintergrund der verschiedenen Regelungen, die in der Vergangenheit gegolten haben, ein Informationswert zu, an dem sowohl ein potentieller Mandant als auch der [X.] ein berechtigtes Interesse haben.

Der Hinweis ist schließlich auch nicht unrichtig, da dem [X.] tatsächlich eine Zulassung beim [X.] erteilt worden ist, auch wenn diese Zulassung inzwischen gegenstandslos geworden ist.

III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des [X.]n aufzuheben. Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des [X.]s ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm                       Pokrant                       [X.]

                     Koch                         [X.]

Meta

I ZR 146/12

20.02.2013

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 22. Juni 2012, Az: I-6 U 4/12, Urteil

§ 3 Abs 1 UWG, § 5 Abs 1 UWG, SVRAStärkG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.02.2013, Az. I ZR 146/12 (REWIS RS 2013, 8045)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8045

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 146/12 (Bundesgerichtshof)


III ZB 56/05 (Bundesgerichtshof)


AnwZ (Brfg) 27/11 (Bundesgerichtshof)

Irreführende anwaltliche Werbung: Verwendung des Zusatzes "Rechtsanwalt bei dem Landgericht und bei dem Oberlandesgericht" auf …


VIII ZB 22/12 (Bundesgerichtshof)

Berufungsschrift: Unterzeichnung mit dem Vermerk i.A. durch ein Sozietätsmitglied; Identität des Unterzeichnenden


VIII ZB 22/12 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.