Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2013, Az. I ZR 146/12

I. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8058

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I
ZR
146/12
Verkündet am:
20. Februar 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

auch zugelassen am [X.] Frankfurt
UWG §
5 Abs. 1
Solange der Umstand, dass es für die Postulationsfähigkeit vor den [X.] keiner gesonderten Zulassung bedarf, für die angesprochenen Verkehrskreise keine Selbstverständlichkeit darstellt, verstößt ein Rechtsanwalt, dem vor dem 1.
Juni 2007 eine solche Zulassung erteilt worden ist und der [X.] in einem Zusatz zur Namensleiste seines Briefkopfs hinweist, nicht gegen das [X.] nach §
5 Abs.
1 UWG.
[X.], Urteil vom 20. Februar 2013 -
I ZR 146/12 -
[X.] [X.]

LG [X.]

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 20.
Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr.
Bornkamm und [X.], Dr.
Kirchhoff,
Dr.
Koch und Dr.
Löffler
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n
wird das Urteil des 6.
Zivilsenats des [X.] vom 22.
Juni 2012 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 31.
Zivilkammer des [X.] vom 8.
Dezember 2011 wird [X.].
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist eine aus zwei Rechtsanwältinnen bestehende Partner-schaftsgesellschaft mit Kanzleisitz in [X.]. Der [X.] ist ebenfalls Rechtsan-walt und betreibt seine Kanzlei in [X.] im [X.].
Er ist vor dem 1.
Juni 2007
-
zu einer Zeit, als nur Rechtsanwälte, die an einem [X.] zugelassen waren, vor den [X.]en auftreten durften -
beim [X.] Frankfurt am Main zugelassen worden.
Der Briefkopf des
[X.]n enthält oben rechts unterhalb des Namens des [X.]n den deutlich kleiner geschriebenen Zusatz Rechtsanwalt auch zugelassen am [X.] Frankfurt. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, hat die Klägerin den Hinweis auf die [X.]-Zulassung im Briefkopf

1
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-
3
-
als irreführend beanstandet und den [X.]n deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen. Der [X.] ist diesem Begehren entgegengetreten.
Das [X.] hat die Klage abgewiesen (LG [X.], Urteil vom 8.
De-zember 2011
-
31
O
377/11, juris). Auf die Berufung der Klägerin
hat das [X.] ([X.] [X.], [X.], 1454) den [X.]n verurteilt,
es zu unterlassen, auf seinem zu anwaltlichen Zwecken genutzten Briefpapier die Bezeichnung Rechtsanwalt auch zugelassen am [X.]

zu
verwenden.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der [X.] seinen Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
[X.] Das Berufungsgericht hat den noch rechtshängigen Unterlassungsan-trag aus §§
3, 5, 8 Abs.
1 und 3 Nr.
1 UWG für begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerin sei als Mitbewerberin des [X.]n gemäß §
8 Abs.
3 Nr.
1 UWG klagebefugt. Die Verwendung des beanstandeten Zusatzes stelle eine geschäftliche Handlung im Sinne von §
2 Abs.
1 Nr.
1 UWG dar, mit der der [X.] Werbung für seine Kanzlei betreibe.
Die Werbung sei irreführend, weil der [X.] es als etwas Besonderes herausstelle, dass er auch beim [X.] Frankfurt am Main auftreten dürfe. Dies sei seit dem Inkrafttreten des [X.] der Selbstver-waltung der Rechtsanwaltschaft vom 26.
März 2007 ([X.]
I S.
358) am 1.
Juni 2007 jedoch eine Selbstverständlichkeit, weil seit diesem Tag jeder bei einem 3
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-
4
-
[X.] Gericht zugelassene
Rechtsanwalt zugleich bei allen [X.] postulationsfähig und damit zugelassen sei. Der beanstandeten [X.] komme auch wettbewerbsrechtliche Relevanz zu. Damit sei ohne weiteres davon auszugehen, dass die
Spürbarkeitsschwelle gemäß §
3 Abs.
1 UWG ebenfalls überschritten sei.
I[X.] Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Sie führen zur Wiederherstellung des die Klage abweisenden erstin-stanzlichen Urteils.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte die Berufung der Klägerin mangels einer den Anforderungen des §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO genügenden Rechtsmittelbegründung als unzulässig verwerfen müssen, greift allerdings nicht durch.
a) Nach §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
1 und 2 ZPO muss die [X.] neben den Berufungsanträgen (Nr.
1) die Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsver-letzung und deren Erheblichkeit ergibt (Nr.
2). Den in §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO genannten Anforderungen wird genügt, wenn die Berufungsbegründung erkennen lässt, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Beru-fungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält und zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit die
Umstände mitteilt, die das Urteil aus seiner Sicht in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht verlangt. Für die Zu-lässigkeit der Berufung kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die [X.] in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind ([X.], Beschluss vom 31.
August 2010
-
VIII
ZB
13/10, [X.], 48 Rn.
7; Beschluss vom 6.
Dezember 2011
-
II
ZB
21/10, [X.] 2012, 440 Rn. 7,
jeweils mwN). [X.] die Berufungsbegründung zumindest zu einem Streitpunkt eine der Vor-8
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-
5
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schrift des §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO genügende Begründung, ist die Beru-fung insgesamt zulässig, wenn die bezeichneten Umstände geeignet sind, der angegriffenen Entscheidung insgesamt die Grundlage zu entziehen ([X.], [X.] vom 1.
März 2011
-
XI
ZB
26/08, juris Rn.
14; [X.], [X.]R 2012, 440 Rn.
7).
b) Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung der Klägerin entgegen der Ansicht der Revision gerecht.
Nach Wiedergabe des [X.] werden in dem Schriftsatz vom 12.
Januar 2012 materielle [X.] erhoben, die die Klägerin auch fallbezogen begründet hat. Sie hat dargelegt, dass sie schon die Verneinung einer Irrefüh-rung durch das [X.] für unzutreffend hält, weil der [X.] nach Inkraft-treten des [X.] der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft am 1.
Juni 2007 nicht mehr berechtigt sei, den in Rede stehenden Zusatz auf seinem Kanzleibriefpapier zu verwenden. Zur Begründung hat die Klägerin ausgeführt, dass es seit dem 1.
Juni 2007 jedem bei einem [X.] Gericht zugelassenen Rechtsanwalt erlaubt sei, (auch) vor den [X.]en aufzutreten mit der Folge, dass die vor Inkrafttreten des bezeichneten Gesetzes
erforderliche Zulassung nicht mehr verwendet werden dürfe und damit wettbe-werbsrechtlich unzulässig sei. Diese
Darlegungen genügen den von §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO aufgestellten Anforderungen.
Die Klägerin hat sich auch mit einer für §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
2 ZPO ausreichenden Begründung gegen die vom [X.] verneinte Überschrei-tung der Spürbarkeitsschwelle gemäß §
3 Abs.
1 UWG gewandt. Sie hat inso-weit vor allem geltend gemacht, dass die Verwendung des beanstandeten Zu-satzes auf dem Briefpapier eines Rechtsanwalts zu einer spürbaren Beeinträch-tigung (der Mitbewerber) führe, weil davon auszugehen sei, dass viele Perso-11
12
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6
-
nen mit dem Briefpapier in Kontakt kämen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass Rechtsuchende als Empfänger von Schreiben des [X.]n von der beanstandeten
-
unzulässigen
-
Zusatzbezeichnung Kenntnis erlangten. Damit hat die Klägerin Umstände
dargelegt, die mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen, dass sie die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Ur-teils aus der Sicht der Klägerin in Frage stellen sollen und welche Rechtsverlet-zung und deren Erheblichkeit die Berufungsführerin
bei der angefochtenen Ent-scheidung beanstandet (vgl. [X.], Beschluss vom 30.
Oktober 2008

III
ZB
41/08, [X.], 442 Rn.
12; Beschluss vom 1.
März 2011

XI
ZB
26/08, juris Rn.
14).
2. Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, dass die Klägerin gemäß §
8 Abs.
3 Nr.
1 UWG klagebefugt ist, weil sie Mitbewerberin des [X.]n ist. Die Parteien sind auf demselben sachlichen und räumlichen Markt tätig und stehen damit in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zuei-nander (vgl. [X.], Urteil vom 29.
März 2007
-
I
ZR
122/04, [X.], 1079 Rn.
18 = [X.], 1346
-
Bundesdruckerei, mwN).
Gegen diese Beurteilung des Berufungsgerichts wird von der Revision auch nichts erinnert.
3. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des [X.], der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei gemäß §
8 Abs.
1, §
3 Abs.
1, §
5 Abs.
1 UWG begründet, weil der [X.]
-
wettbewerbsrechtlich unzulässig
-
mit Selbstverständlichkeiten werbe.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Verwendung des in Rede stehenden Zusatzes im Briefkopf sei irreführend und daher gemäß §
5 Abs.
1 UWG zu verbieten,
hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Es hat zu Unrecht angenommen, dass der [X.] mit einer Selbstverständlich-keit wirbt
und dadurch beim angesprochenen Verkehr den unzutreffenden Ein-14
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-
7
-
druck hervorruft, es sei etwas Besonderes, nicht nur bei anderen Landund (AmGerichten, sondern auch beim [X.] Frankfurt am Main auftreten zu dürfen.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es den potentiellen Mandanten, die der [X.] mit den Angaben auf seinem Briefkopf anspricht, durchweg bekannt ist, dass heute jeder Rechtsanwalt an allen [X.], mithin auch am [X.] Frankfurt am Main,

damit postulationsfähig ist. Die Beschränkungen der Postulationsfähigkeit an den [X.]en haben sich erst seit dem Jahre 2002 gelockert; erst im Jahre 2007 sind sie vollständig gefallen. Bis 2002 galt in [X.] die Singu-larzulassung
mit der Folge, dass ein am [X.] Frankfurt zugelas-sener Rechtsanwalt
an keinem anderen Gericht zugelassen sein konnte und auch ein etwa am [X.] Gießen zugelassener Rechtsanwalt nicht be-rechtigt war, vor dem [X.] aufzutreten (§§
25, 226 Abs.
2 [X.] aF). Nachdem das [X.] die Bestimmung des §
25 [X.] aF, in der die Singularzulassung geregelt war, für verfassungswidrig erklärt [X.] ([X.] 103, 1), galt in [X.] bis 2007 die Simultanzulassung; nunmehr konnten Rechtsanwälte, die seit mindestens fünf Jahren beim [X.] zu-gelassen
waren, gleichzeitig beim [X.] zugelassen werden (§
20 Abs.
1 Nr.
2 [X.] aF), wobei seit dem 1.
August 2002 die Zulassung an einem [X.] die Postulationsfähigkeit an allen anderen [X.] eröffnete. Seit dem Inkrafttreten des [X.] der Selbst-verwaltung der Rechtsanwaltschaft am 1.
Juni 2007 ist auch die gesonderte Zu-lassung an einem [X.] entfallen; seitdem kann jeder zugelassene Rechtsanwalt vor allen [X.]en
auftreten.
Diese wechselvolle Geschichte wird -
davon ist auszugehen -
den we-nigsten bekannt sein, die einen Rechtsanwalt mandatieren wollen. Gerade für 17
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-
die Teile des Verkehrs, die nicht ständig Rechtsstreitigkeiten führen, ist es [X.] keineswegs selbstverständlich, dass ein mit der landgerichtlichen Vertre-tung betrauter Rechtsanwalt die Sache auch vor dem [X.] vertre-ten kann. Dies gilt insbesondere in den Ländern, in denen
bis 2002 die Singu-larzulassung galt und in denen zwischen den Instanzen daher stets ein [X.] erforderlich war.
Der [X.] hat sich mit dem Hinweis auf die Zulassung am [X.] Frankfurt auch keine besondere Qualifikation
angemaßt. Der Hinweis besagt vielmehr lediglich, dass der [X.] berechtigt ist, Mandanten vor dem [X.] Frankfurt zu vertreten. Diesem Hinweis kommt damit vor dem Hintergrund der verschiedenen Regelungen, die in der Vergangenheit gegolten haben, ein Informationswert zu, an dem sowohl ein potentieller Mandant als auch der [X.] ein berechtigtes Interesse haben.
Der Hinweis ist schließlich auch nicht unrichtig, da dem
[X.] tatsäch-lich eine Zulassung beim
[X.] Frankfurt erteilt worden ist, auch
wenn diese Zulassung inzwischen gegenstandslos geworden ist.
II[X.] Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision des [X.]n aufzu-heben. Die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des [X.]s ist zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §
91
Abs.
1, §
97 Abs.
1 ZPO.
Bornkamm
Pokrant
Kirchhoff

Koch
Löffler

Vorinstanzen:
LG [X.], Entscheidung vom 08.12.2011 -
31 O 377/11 -

[X.] [X.], Entscheidung vom 22.06.2012 -
6 U 4/12 -

22

Meta

I ZR 146/12

20.02.2013

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 20.02.2013, Az. I ZR 146/12 (REWIS RS 2013, 8058)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8058

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Berufungsschrift: Unterzeichnung mit dem Vermerk i.A. durch ein Sozietätsmitglied; Identität des Unterzeichnenden


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I ZR 146/12

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