Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2008, Az. VIII ZR 12/07

VIII. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 6258

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] ZR 12/07 Verkündet am: 9. Januar 2008 [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2007 durch den Vorsitzenden [X.], [X.] sowie die Richterinnen [X.], [X.] und [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.], Zivilkammer 7, vom 30. November 2006 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen
Tatbestand: Die Beklagte hatte von der Klägerin eine Wohnung in [X.]. Mit Schreiben vom 3. November 2004 erklärte die Klägerin die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges. 1 Die Klägerin begehrt Zahlung rückständiger Miete in Höhe von 5.609,24 • und Räumung der Mietwohnung. Das Amtsgericht hat der Klage durch Versäumnisurteil vom 8. März 2005 stattgegeben. Das Versäumnisurteil ist der Beklagten persönlich am 10. März 2005 zugestellt worden. 2 - 3 - Am 11. Juli 2005 ist Rechtsanwältin [X.]

zur Betreuerin der [X.] mit dem Aufgabenkreis —Vertretung im Rechtsleben und Vermögens-sorgefi bestellt worden. Die Betreuerin hat am 19. September 2005 Kenntnis von dem gegen die Beklagte ergangenen Versäumnisurteil erlangt und am 21. September 2005 Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt. Gleichzeitig hat sie unter Hinweis auf die mindestens seit Juni 2004 bestehende, durch eine Erkrankung und Persönlichkeitsstörung verursachte Geschäftsunfähigkeit der Beklagten vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäu-mung der Einspruchsfrist beantragt. 3 Das Amtsgericht hat das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage durch [X.] abgewiesen, das [X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. 4 Entscheidungsgründe: [X.] Das Berufungsgericht ([X.], [X.], 197) hat zur [X.] seiner Entscheidung ausgeführt: 5 Zu Recht habe das Amtsgericht das zuvor ergangene Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe die [X.] der Beklagten nicht weiter in Abrede gestellt. Mithin sei in der Berufungsin-stanz allein die Rechtsfrage zu entscheiden, ob die Zustellung eines Versäum-nisurteils an eine nicht erkennbar prozessunfähige Partei die Einspruchsfrist in Gang setze. Diese Frage sei zu verneinen. Der gegenteiligen Rechtsprechung des [X.] ([X.], 109 ff.) könne nach der Neufassung des 6 - 4 - § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht mehr gefolgt werden. Diese Vorschrift sei vom Wortlaut her eindeutig und diene auch nach den Gesetzesmaterialien der Klar-stellung, dass die Zustellung an eine nicht prozessfähige Person unwirksam sei. Eine teleologische Reduktion des § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO sei auch aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit nicht geboten. Die Einschränkung des [X.] auf rechtliches Gehör werde durch das Verfahren der Nichtigkeitsklage nicht ausreichend kompensiert. I[X.] Die - unbeschränkt zugelassene - Revision hat Erfolg. 7 Das Berufungsgericht hat verkannt, dass eine Abweisung der Klage durch [X.] nur in Betracht kommt, wenn die [X.] im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht [X.]. Die vom Berufungsgericht allein für entscheidungserheblich gehaltene Frage, ob die Zustellung des Versäumnisurteils an die geschäftsunfähige [X.] am 10. März 2005 die Einspruchsfrist in Gang gesetzt hat, betrifft nicht die Zulässigkeit der Klage, sondern die Zulässigkeit (Rechtzeitigkeit) des am 21. September 2005 eingelegten Einspruchs. 8 1. Ob die gemäß § 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO unwirksame Zustellung des Versäumnisurteils an die unerkannt geschäftsunfähige Beklagte die Einspruchs-frist in Gang gesetzt hat, so dass diese bei Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil bereits abgelaufen war, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn der Beklagten ist jedenfalls auf ihren schon in der Einspruchsschrift vor-sorglich gestellten Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist zu gewähren. Die Wiedereinsetzung kann auch das Revisionsgericht im Rahmen des bei ihm anhängigen Verfahrens aussprechen, wenn die Wiedereinsetzung nach dem [X.] ohne weiteres 9 - 5 - zu gewähren ist ([X.], Urteil vom 4. November 1981 - [X.], NJW 1982, 1873, unter [X.]; Beschluss vom 22. September 1992 - [X.], [X.], 500, unter 1). Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Die ge-schäftsunfähige Beklagte war ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Ein-spruchsfrist verhindert, denn ihre am 11. Juli 2005 bestellte Betreuerin hat erst durch die am 19. September 2005 erfolgte Akteneinsicht Kenntnis von dem Versäumnisurteil erlangt. Die Betreuerin hat innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung beantragt und die versäumte Prozess-handlung nachgeholt. 2. Zu Recht macht die Revision geltend, dass die mangelnde Prozess-fähigkeit der Beklagten der Zulässigkeit der gegen sie erhobenen Klage nicht entgegensteht. 10 a) Zwar führt die Klagezustellung an eine Partei, die im Zeitpunkt der Zu-stellung nicht prozessfähig oder deren Prozessfähigkeit für diesen Zeitpunkt nicht feststellbar ist, nicht zu einer wirksamen Erhebung der Klage. Fehlende Sachurteilsvoraussetzungen können jedoch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachgeholt werden. Das Gericht ist darüber hinaus auch verpflich-tet, den Parteien Gelegenheit zur Behebung von [X.] zu geben. Dies gilt auch dann, wenn der Mangel darauf beruht, dass die beklagte Partei prozessunfähig ist und deshalb der gesetzlichen Vertretung bedarf ([X.], Urteil vom 9. April 1986 - [X.], NJW-RR 1986, 1119, unter [X.]). Der in der fehlenden Prozessfähigkeit der Beklagten liegende Verfahrensmangel ist durch die am 11. Juli 2005 erfolgte Bestellung von Rechtsanwältin [X.] zur Betreuerin der Beklagten behoben worden. 11 b) Der Revision ist ferner darin beizupflichten, dass die fehlende Zustel-lung der Klageschrift an die gesetzliche Vertreterin der Beklagten einer Sach-12 - 6 - entscheidung des [X.] nicht entgegengestanden hat. Der Verfah-rensmangel der fehlenden Klagezustellung wird durch rügelose Einlassung ge-mäß § 295 ZPO geheilt ([X.]Z 25, 66, 72 ff., [X.], Beschluss vom [X.] 1983 - [X.], NJW 1984, 926, unter II 2; [X.], Urteil vom 8. Febru-ar 1996 - [X.], NJW 1996, 1351, unter 3 b). Die Beklagte ist hier be-reits in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 21. Dezember 2005 - ebenso wie in den folgenden Verhandlungsterminen und im [X.] - durch Rechtsanwältin [X.] als amtlich bestellte Betreuerin wirksam vertreten worden. Spätestens durch die am 21. Dezember 2005 erfolg-te rügelose Verhandlung der Betreuerin zur Sache sind auch etwaige Mängel der Klagezustellung nach § 295 ZPO geheilt worden. Das Berufungsgericht [X.] deshalb die Klage als zulässig behandeln und in der Sache entscheiden müssen. - 7 - II[X.] 13 Da die Revision Erfolg hat, ist das Urteil des [X.] aufzuhe-ben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist an das [X.] zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). [X.] [X.] [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 07.06.2006 - 509 C 36/05 - [X.], Entscheidung vom [X.] - 307 S 79/06 -

Meta

VIII ZR 12/07

09.01.2008

Bundesgerichtshof VIII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2008, Az. VIII ZR 12/07 (REWIS RS 2008, 6258)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 6258

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII ZR 68/07 (Bundesgerichtshof)


VIII ZR 100/13 (Bundesgerichtshof)

Mahnverfahren: Zustellung eines Vollstreckungsbescheids an prozessunfähige Partei; Subsidiarität der Nichtigkeitsklage


VI ZR 284/08 (Bundesgerichtshof)


VII ZR 112/14 (Bundesgerichtshof)

Klage gegen englische Limited in Deutschland: Verlust der Partei- und Prozessfähigkeit nach Löschung im Gründerstaat …


VII ZR 112/14 (Bundesgerichtshof)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.