Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.12.2012, Az. VI R 51/11

6. Senat | REWIS RS 2012, 298

STEUERRECHT STEUERN BUNDESFINANZHOF (BFH) EINKOMMENSTEUER DIENSTWAGEN

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Gegenstand

1 %-Regelung auf Grundlage der Bruttolistenneupreise


Leitsatz

Die 1 %-Regelung begegnet insbesondere im Hinblick auf die dem Steuerpflichtigen zur Wahl gestellte Möglichkeit, den vom Arbeitgeber zugewandten Nutzungsvorteil auch nach der so genannten Fahrtenbuchmethode zu ermitteln und zu bewerten, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob die Bewertung der privaten Nutzung eines vom Arbeitgeber dem Arbeitnehmer überlassenen Dienstwagens nach der 1 %-Regelung noch insoweit verfassungsgemäß ist, als der Nutzungswert nach dem inländischen Bruttolistenpreis bei der Erstzulassung bemessen wird.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute, erzielten im Streitjahr (2009) neben anderen Einkünften jeweils auch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger war als Geschäftsführer der Firma [X.] tätig. Er hatte einen von seinem Arbeitgeber überlassenen Dienstwagen zur Verfügung, den er auch für Privatfahrten und Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nutzen durfte. Der Arbeitgeber hatte den erstmals am 27. August 2004 zugelassenen Dienstwagen vom Typ [X.] als Gebrauchtfahrzeug mit einer Fahrleistung von 58 000 km ab 5. März 2008 für drei Jahre mit einer monatlichen Leasingrate von 722,57 € geleast. Zu Beginn des [X.] betrug der [X.] des Dienstwagens 31.990 €; im Zeitpunkt der Erstzulassung betrug dessen [X.] 81.400 €.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) setzte die private Nutzung des Dienstwagens, für den der Kläger kein Fahrtenbuch geführt hatte, mit der 1 %-Regelung auf Basis des Bruttolistenneupreises an (§ 8 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG); auf dieser Grundlage wurde im hier streitigen Einkommensteuerbescheid dem Kläger ein geldwerter zu versteuernder Vorteil in Höhe von 814 € monatlich zugerechnet und bei dessen Lohneinkünften angesetzt.

4

Dagegen machten die Kläger mit Einspruch im Ergebnis erfolglos geltend, dass bei der Berechnung des beim Kläger anzusetzenden geldwerten Vorteils nicht der [X.], sondern der [X.] zu Grunde zu legen sei.

5

Das Finanzgericht ([X.]) hat die dagegen erhobene Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 396 veröffentlichten Gründen abgewiesen und die Revision zugelassen.

6

Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung materiellen Verfassungsrechts.

7

Sie beantragen,
das angefochtene Urteil des Niedersächsischen [X.] vom 14. September 2011 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 29. Juli 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2010 dahingehend abzuändern, dass der geldwerte Vorteil für die Überlassung des dienstlichen PKW auf Grundlage eines Wertes von 31.990 € angesetzt und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.

8

Das [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Das [X.] hat den Beitritt zum Verfahren (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) erklärt.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der Vorteil des Klägers aus der Überlassung des Dienstwagens zu auch privaten Zwecken im Streitfall nach § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu bewerten ist. Gegen die 1 %-Regelung mit Ansatz des Bruttoneuwagenlistenpreises als Bemessungsgrundlage bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Eine Vorlage an das [X.] ([X.]) nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes kommt daher nicht in Betracht.

Es entspricht mittlerweile ständiger Senatsrechtsprechung, dass die Überlassung eines Dienstwagens durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zu Lohnzufluss führt (Urteil des [X.] --[X.]-- vom 6. Oktober 2011 VI R 56/10, [X.], 383, [X.], 362). Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder mit der 1 %-Regelung oder mit der Fahrtenbuchmethode zu bewerten. Wird ein Fahrtenbuch, wie im Streitfall, nicht geführt, ist der Vorteil mit der 1 %-Regelung zu bewerten.

a) Nach der 1 %-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) ist dieser [X.] für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Die 1 %-Regelung ist insoweit eine grundsätzlich zwingende, stark typisierende und pauschalierende Bewertungsregelung (ständige Rechtsprechung, [X.]-Urteile vom 13. Februar 2003 [X.], [X.], 499, [X.] 2003, 472; vom 7. November 2006 VI R 19/05, [X.], 256, [X.] 2007, 116; jeweils m.w.[X.]). Deshalb bleiben individuelle Besonderheiten hinsichtlich der Art und der Nutzung des Dienstwagens grundsätzlich ebenso unberücksichtigt wie nachträgliche Änderungen des [X.]. Dementsprechend erhöht etwa der nachträgliche Einbau von Zusatzausstattungen nicht die Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung ([X.]-Urteil vom 13. Oktober 2010 VI R 12/09, [X.], 540, [X.] 2011, 361). Weiter bleibt im Rahmen der Anwendung der 1 %-Regelung der inländische Listenpreis auch dann Bemessungsgrundlage, wenn der Arbeitgeber das Fahrzeug gebraucht angeschafft hatte (vgl. [X.]-Urteil vom 1. März 2001 IV R 27/00, [X.], 200, [X.] 2001, 403; [X.] vom 18. Dezember 2007 XI B 178/06, [X.], 562, m.w.[X.]) oder wenn schon ein Großteil der Anschaffungskosten des Fahrzeugs als Betriebsausgaben (AfA) geltend gemacht worden war ([X.]-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 59/98, [X.], 286, [X.] 2000, 273).

Im Ergebnis entspricht der Ansatz des Listenpreises statt der tatsächlichen Anschaffungskosten gerade dem Erfordernis, die Zuwendung des Arbeitgebers nach dem [X.] zu bemessen, der dem steuerpflichtigen Arbeitnehmer dadurch zukommt (so schon [X.]-Urteil vom 25. Mai 1992 VI R 146/88, [X.], 194, [X.] 1992, 700).

b) Die typisierende Erfassung des [X.] durch die 1 %-Regelung war im Hinblick auf ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit schon mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des [X.]; die Regelung wurde dabei im Ergebnis jeweils als verfassungsrechtlich unbedenklich beurteilt (Urteile in [X.], 286, [X.] 2000, 273; in [X.], 200, [X.] 2001, 403; in [X.], 499, [X.] 2003, 472; vom 19. März 2009 IV R 59/06, [X.]/NV 2009, 1617; Beschluss vom 16. September 2004 VI B 5/04, [X.]/NV 2005, 336; jeweils m.w.[X.]). Denn nach der insoweit übereinstimmenden Rechtsprechung der Senate des [X.] nutzt der Gesetzgeber mit der 1 %-Regelung den ihm insbesondere im Steuerrecht für Typisierungen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum, wenn er auf diese Weise die betriebliche und private [X.] typisierend und pauschalierend erfasst. Die [X.]-Rechtsprechung stützt sich insoweit auf die Rechtsprechung des [X.] zum [X.] und zu den Gestaltungsgrenzen der Typisierung und Pauschalierung im Steuerrecht durch den Gesetzgeber ([X.]-Beschluss vom 10. April 1997  2 BvL 77/92, [X.]E 96, 1, 6; [X.]-Urteil vom 7. Dezember 1999  2 BvR 301/98, [X.]E 101, 297, [X.] 2000, 162, m.w.[X.]).

c) Die Bewertung des Vorteils mittels der 1 %-Regelung ist mit dem Ansatz eines [X.] in Höhe von 1 % des [X.] je Monat zwar eine nur grob typisierende Regelung. Allerdings normiert die Regelung keine zwingende und unwiderlegbare Typisierung, sondern tritt nur alternativ zur Fahrtenbuchmethode hinzu; diese Fahrtenbuchmethode bewertet den vom Arbeitgeber zugewandten [X.] indessen nach Maßgabe der konkret entstandenen Kosten (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG). Insbesondere im Hinblick auf dieses Wahlrecht ("[X.]") beurteilt die bisherige Rechtsprechung des [X.] die Typisierungsregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als verfassungsrechtlich unbedenklich ([X.]-Urteil in [X.], 286, [X.] 2000, 273, m.w.[X.]).

Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung. Denn wenn der Steuerpflichtige statt der Anwendung einer typisierenden Regelung auch den Nachweis des tatsächlichen Sachverhalts und eine daran anknüpfende Besteuerung wählen kann, ist er durch eine ihm lediglich zusätzlich zur Wahl gestellte Typisierung in einer verfassungsrechtlich erheblichen Position auch dann nicht betroffen, wenn sie im Vergleich zur anderen Besteuerungsform im konkreten Fall nachteilig wirkt. Angesichts dessen können sich die Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kraftfahrzeughandel beim Neuwagenverkauf mittlerweile regelmäßig Rabatte einräume, also der [X.] nicht einmal mehr typisierend den Verkaufspreis für Neufahrzeuge darstelle. Denn der Gesetzgeber unterliegt entgegen der Auffassung der Kläger gegenwärtig diesbezüglich keinem Anpassungszwang.

aa) Die Kläger verkennen insoweit die Funktion, die der Gesetzgeber der Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung, dem [X.], einräumt. Die Anwendung der 1 %-Regelung i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG bezweckt, den beim Arbeitnehmer entstandenen Vorteil der Nutzungsüberlassung eines betriebsbereiten Kraftfahrzeugs zu bewerten. Dieser Vorteil umfasst mithin nicht nur das Zurverfügungstellen des Fahrzeugs selbst, sondern auch die Übernahme sämtlicher damit verbundener Kosten wie Steuern, Versicherungsprämien, Reparatur– und Wartungskosten sowie insbesondere der Treibstoffkosten; das alles sind Aufwendungen, die sich weder im [X.] noch in den tatsächlichen Neuanschaffungskosten mit einem festen Prozentsatz unmittelbar abbilden. Die vom Gesetzgeber zu Grunde gelegte Bemessungsgrundlage des [X.]es bezweckt also nicht, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden. Der [X.] erweist sich vielmehr als generalisierende Bemessungsgrundlage, die aus typisierten Neuanschaffungskosten den [X.] insgesamt zu gewinnen sucht, der indessen ungleich mehr umfasst als die Überlassung des genutzten Fahrzeugs selbst. Denn der tatsächliche geldwerte Vorteil entspricht dem Betrag, der von einem Arbeitnehmer für eine vergleichbare Nutzung aufgewandt werden müsste und den er durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (so schon Senatsurteile vom 10. Februar 1961 VI 89/60 U, [X.]E 72, 376, [X.]I 1961, 139; vom 21. Juni 1963 VI 306/61 U, [X.]E 77, 191, [X.]I 1963, 387).

Angesichts dieser alternativen und nur grob typisierenden Bemessungsgrundlage ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber dem Zweck, den [X.] insgesamt zu erfassen, verfassungskonform nur dadurch entspricht, dass er als Bemessungsgrundlage die tatsächlichen Neuanschaffungskosten statt des [X.]es wählt. Die Einschätzung der Kläger, dass der tatsächliche Kaufpreis aus der Buchführung jedenfalls genauso leicht zu ermitteln sei wie die unverbindliche Preisempfehlung des Herstellers, ändert daran nichts.

bb) Schließlich können sich die Kläger für ihre Auffassung auch nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des erkennenden Senats berufen, nach der die unverbindliche Preisempfehlung keine geeignete Grundlage zur Bemessung des lohnsteuerrechtlichen Vorteils eines Mitarbeiterrabatts im Rahmen von Jahreswagenkäufen darstellt (Senatsurteil vom 17. Juni 2009 VI R 18/07, [X.]E 225, 388, [X.] 2010, 67). Denn in diesen Fällen war der aus dem Mitarbeiterrabatt zufließende Vorteil nicht auf Grundlage einer grob typisierenden Regelung, sondern nach Maßgabe des tatsächlich verwirklichten Sachverhalts konkret zu ermitteln und zu besteuern. Diese Möglichkeit hat der Arbeitnehmer, wie dargelegt, auch im Rahmen der Nutzungsüberlassung eines Dienstwagens, wenn er den Vorteil nach der Fahrtenbuchmethode ermittelt. In diesem Fall gehen dann in die Bemessungsgrundlage neben sämtlichen übrigen Kraftfahrzeugkosten auch die konkreten Anschaffungskosten statt eines typisierenden [X.]es ein.

Meta

VI R 51/11

13.12.2012

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 14. September 2011, Az: 9 K 394/10, Urteil

§ 8 Abs 2 S 2 EStG 2009, § 8 Abs 2 S 4 EStG 2009, § 6 Abs 1 Nr 4 S 2 EStG 2009, § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, EStG VZ 2009

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.12.2012, Az. VI R 51/11 (REWIS RS 2012, 298)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 298

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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