Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2011, Az. 4 StR 345/11

4. Strafsenat | REWIS RS 2011, 4101

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 345/11

vom
10. August
2011
in der Strafsache
gegen

wegen Diebstahls

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Der 4. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 10. August 2011 gemäß §
349 Abs.
2 und 4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 23. Februar 2011 mit den [X.] aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklag-ten in einer Entziehungsanstalt abgelehnt worden ist.

2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-tels, an eine andere [X.] des [X.] zurück-verwiesen.

3.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Diebstahls in acht Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des [X.] vom 14. Juli 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei [X.] sowie wegen Diebstahls in drei Fällen und wegen versuchten Diebstahls
zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg,
im Übrigen ist es unbegründet.

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1. Die Ablehnung der [X.] nach §
64 StGB durch das [X.] begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach den Ausführungen der sachverständig beratenen [X.] fehlt es für eine Anordnung nach § 64 StGB allein an den Erfolgsaussichten, "da der Angeklagte keinen ausreichenden Therapiewillen zeigt" ([X.]). Das Fehlen von [X.] steht jedoch einer Anordnung nach §
64 StGB nicht ent-gegen. Sie kann lediglich ein gegen die Erfolgsaussicht sprechendes Indiz sein, das den Tatrichter zu der Prüfung verpflichtet, ob die konkrete Aussicht besteht, dass die [X.] für eine Erfolg versprechende Behandlung ge-weckt werden kann (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Juni 2009 -
2 [X.]; [X.], StGB, 58. Aufl., § 64 Rn. 20 jeweils mwN).

Zudem ist nach den von der [X.] getroffenen Feststellungen der nunmehr 29jährige Angeklagte "im Rahmen des § 35 BtMG möglicherweise zu einer stationären Betäubungsmitteltherapie bereit" ([X.]) und es ist ihm, ob-wohl ein Therapieversuch noch nie unternommen wurde, gelungen, den [X.] von Heroin über mehrere Jahre einzustellen. Auch nach der Entlassung aus der Strafhaft im April 2010 versuchte er, "ohne [X.] zu leben" und besorgte sich selbst ein Substitutionsmittel ([X.]). Vor diesem Hintergrund liegt es nicht fern, dass beim Angeklagten eine [X.] spätestens im Rahmen der Unterbringung geweckt und die Behandlung Erfolg verspre-chend im Sinne des § 64 Satz 2 StGB durchgeführt werden kann. Auch der Hinweis auf eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß §
35 BtMG ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn die Unterbringung nach §
64 StGB geht dieser dem Vollstreckungsverfahren vorbehaltenen Maßnahme vor; von der Anordnung der Unterbringung darf daher nicht abgesehen werden, weil eine 2
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Entscheidung nach §
35 BtMG ins Auge gefasst ist (vgl. [X.] aaO; [X.] aaO §
64 Rn. 24, 26).

Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§
358 Abs. 2 Satz 3 StPO; [X.], Urteil vom 10. April 1990 -
1 StR 9/90, [X.]St 37, 5). Er hat die Nichtanwendung des §
64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 7. Oktober 1992 -
2 StR
374/92, [X.]St 38, 362).

Der Senat hebt daher die Entscheidung über den unterbliebenen Maßre-gelausspruch auf. Er schließt aus, dass das [X.] bei Anordnung der Un-terbringung in einer Entziehungsanstalt niedrigere Einzel-
oder Gesamtstrafen verhängt hätte.

2. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs.
2 StPO. Insofern besteht Anlass nur zu folgenden Hinweisen:

a) In Zusammenhang mit einer Betäubungsmittelabhängigkeit ist eine Aufhebung der Schuldfähigkeit regelmäßig ausgeschlossen (Weber, BtMG, 3.
Aufl., Vor §§ 29 ff.
Rn. 421; [X.], StGB, 58. Aufl., § 20 Rn. 41 jeweils mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] begründet die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln für sich allein noch nicht einmal die erheb-liche Verminderung der Schuldfähigkeit im Sinne von §
21 StGB. Derartige Fol-gen sind bei einem Rauschgiftsüchtigen vielmehr nur ausnahmsweise gegeben, und zwar -
unter Umständen -
dann, wenn er das Delikt im Zustand eines akuten Rausches verübt oder wenn langjähriger [X.] zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen bzw. der Angst vor solchen leidet und dadurch 5
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dazu getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen ([X.], Beschluss vom 17. Juni 2010 -
4 [X.] mwN). Vor diesem Hintergrund und der dem Angeklagten vom [X.] zugebilligten Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB vermisst der Senat weitere Ausführungen zu dem von der [X.] erholten Schuldfähigkeitsgutachten nicht.

b) Hinsichtlich der abgeurteilten Tat 4 (Diebstahls eines Parfums der fehlt es im Hinblick auf die Konkretisierung und Individualisierung insbesondere durch den [X.] und das Tatobjekt trotz einer Tatzeitverschiebung gegenüber der Schilderung in der Anklage nicht an der "[X.]" von angeklagter und abgeurteilter Tat (vgl. [X.], Beschluss des [X.] vom 12. Januar 2011 -
GSSt 1/10, NJW 2011, 1687,
1688 [Rn. 19]; Urteile vom 22.
Juni 2006 -
3 [X.], [X.], 316, 317; vom 21. Januar 2010
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4 [X.], [X.], 346 f.).

Mutzbauer Roggenbuck Cierniak

Franke [X.]

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Meta

4 StR 345/11

10.08.2011

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2011, Az. 4 StR 345/11 (REWIS RS 2011, 4101)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4101

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4 StR 407/09

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