Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2004, Az. XI ZR 114/03

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2004, 3939

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[X.] DES VOLKESURTEILXI ZR 114/03Verkündet am:23. März 2004Herrwerth,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]: ja[X.]Z: nein_____________________[X.] §§ 138 ([X.]), 607Unterzeichnen Eheleute einen Kreditvertrag zur Finanzierung des Kaufs ei-nes ihren finanziellen Verhältnissen entsprechenden Pkw, der zur Gestal-tung und Bewältigung des täglichen Lebens benutzt werden soll, als "Kre-ditnehmer" und weisen die kreditgebende Bank gemeinsam zur Überwei-sung der Darlehensvaluta an den Fahrzeughändler an, so ist die [X.] und nicht als bloße Mithaftende anzusehen, [X.] der Kaufvertrag über den Pkw vom Ehemann allein abgeschlossenworden ist.[X.], Urteil vom 23. März 2004 - [X.] [X.] LG Dessau- 2 -Der XI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] vom 23. März 2004 durch [X.] unddie Richter [X.], [X.], [X.] und Dr. Applfür Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des [X.] des[X.]s [X.] vom 27. Februar 2003wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückzahlung eines wegenZahlungsverzuges gekündigten Ratenkredites in Anspruch.Am 9. März 1999 unterzeichneten die damals 46-jährige [X.] ihr Ehemann, nachdem sie sich im Jahre 1998 getrennt hatten, ineiner Phase der Wiederannäherung gemeinsam als "Kreditnehmer" einenRatenkreditvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im [X.]: Klägerin). Der Kreditbetrag von 37.172,72 DM einschließlich Zinsendiente der Anschaffung eines Pkw für 26.990 DM. Der Ehemann bezif-ferte sein monatliches Nettoeinkommen mit 3.000 DM, die arbeitsloseBeklagte gab an, monatlich 1.000 DM vom Arbeitsamt zu [X.] 3 -Mit Schreiben vom 1. April 1999 teilte die Beklagte der Klägerinmit, daß die monatlichen Raten nicht - wie vertraglich vereinbart - vondem Konto ihres Ehemannes, sondern von ihrem eigenen Konto abge-bucht werden sollten, was in der Folgezeit auch geschah. Während derZeit des Zusammenlebens wurde der Pkw - es handelte sich um das ein-zige [X.] - unter anderem für gemeinsame Einkaufsfahrten ge-nutzt, wobei der Ehemann das Fahrzeug führte, da die Beklagte überkeine Fahrerlaubnis verfügte.Nachdem sich die Eheleute im Juni 2000 erneut getrennt [X.] das Auto in alleinigen Besitz genommen hatte, stelltedie Beklagte die Ratenzahlungen ein. Die Klägerin kündigte daraufhinden Darlehensvertrag und nahm die Beklagte auf Zahlung von [X.] n-spruchnahme wegen krasser wirtschaftlicher Überforderung für sittenwid-rig.Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung derKlägerin hat das [X.] die Beklagte zur Zahlung von11.304,49 Mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des land-gerichtlichen Urteils.Entscheidungsgründe:Die Revision ist [X.] -I.Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung imwesentlichen ausgeführt:Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Darle-hensrückzahlung aus §§ 607 ff. [X.] i.V. mit §§ 11, 12 VerbrKrG sowieauf Zahlung von Verzugszinsen aus § 11 Abs. 1 VerbrKrG.1. Die Beklagte sei lediglich Mithaftende, nicht Darlehensnehmerin,geworden, weil sie kein eigenes Interesse an der zur Anschaffung desPkw bestimmten Kreditaufnahme gehabt habe. Nur der Ehemann sei zurselbständigen Nutzung des Autos in der Lage gewesen, da nur er eineFahrerlaubnis besessen habe. Die gelegentliche Mitnahme der [X.] der Umstand, daß diese einige Monate nach Vertragsschluß dar-um gebeten habe, die Darlehensraten nunmehr von ihrem Konto abzubu-chen, seien lediglich Anhaltspunkte von geringer Bedeutung. [X.] es auf die im Darlehensvertrag gewählte Bezeichnung der [X.] als Kreditnehmerin nicht an.2. Die Mithaftung der [X.] überfordere diese in krasser [X.], weil sie nicht einmal in der Lage sei, die laufenden Zinsen der Haupt-schuld in Höhe von 104 DM monatlich aufzubringen. Ihr monatliches Ein-kommen von 1.000 DM habe unterhalb der bei [X.] Pfändungsfreigrenze von ca. 1.200 DM gelegen. Die [X.] beruhe hier aber nicht auf einem sittlich anstößigen Ausnut-zen der emotionalen Verbundenheit zwischen Hauptschuldner und Mit-- 5 -haftender durch den Kreditgeber. Der Kredit sei nämlich zur [X.] aufgenommen worden und die Kredit-höhe habe sich im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse der [X.] gehalten. Der finanzierte Pkw habe nicht nur den individuellenZwecken des [X.], sondern dem Zusammenleben beiderEhegatten insgesamt gedient. Es habe sich um das einzige Familienfahr-zeug gehandelt, das auch für die Gestaltung und Bewältigung des tägli-chen Lebens der Eheleute eingesetzt worden sei. Die Mithaftungserklä-rung der [X.] sei deshalb nicht nur wegen ihrer emotionalen Ver-bundenheit zum Hauptschuldner, sondern aus rationalen Erwägungenerfolgt.[X.] Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis,nicht aber in allen Teilen der Begründung stand.1. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht nicht als [X.]in, sondern als bloß Mithaftende angesehen.a) Die Qualifizierung der von der [X.] mit [X.] übernommenen Verpflichtung als Darlehensschuld oderaber als Beitrittsschuld ist davon abhängig, ob die Beklagte als gleichbe-rechtigte Vertragspartnerin neben ihrem Ehemann einen Anspruch aufAuszahlung der Darlehensvaluta haben und deshalb gleichgründig [X.] des Darlehens verpflichtet sein sollte, oder aber ob sie ausdem Darlehensvertrag keine Rechte haben, sondern der Klägerin nur zu- 6 -Sicherungszwecken in Höhe des offenen Darlehensbetrages haften soll-te. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen der Verpflichtung als [X.] und der Haftung als Beitretender ist die von den [X.] tatsächlich gewollte Rechtsfolge ([X.], 1705,1706 f.). Die Privatautonomie schließt - in den Grenzen der §§ 134 und138 [X.] - die Freiheit der Wahl der Rechtsfolgen und damit des verein-barten Vertragstyps ein, umfaßt allerdings nicht die Freiheit zu dessenbeliebiger rechtlicher Qualifikation (Senatsurteil vom 13. Januar 2004- [X.], [X.], 426, 429 f.). Die kreditgebende Bank hat [X.] nicht in der Hand, durch eine im Darlehensvertrag gewählteFormulierung wie "Mitdarlehensnehmer", "Mitantragsteller", "Mitschuld-ner" oder dergleichen einen bloß Mithaftenden zu einem gleichberech-tigten Mitdarlehensnehmer zu machen und dadurch den Nichtigkeitsfol-gen des § 138 Abs. 1 [X.] zu entgehen (Senatsurteile vom 4. [X.] - [X.]/01, [X.], 223, 224 und vom 28. Mai 2002 - [X.], [X.], 1649, 1650). Maßgebend ist vielmehr der wirklicheParteiwille bei Abschluß des Vertrages.Dieser ist im Wege der Auslegung nach §§ 133, 157 [X.] zu er-mitteln. Zu den vom [X.] anerkannten Auslegungsgrund-sätzen gehören insbesondere die Maßgeblichkeit des [X.] Ausgangspunkt jeder Auslegung (st.Rspr., vgl. [X.]Z 121, 13, 16;[X.], Urteil vom 11. September 2000 - [X.], [X.], 2371,2372) sowie die Berücksichtigung der Interessenlage der Vertragspartner(st.Rspr., vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 1999 - [X.], [X.] 1998,1883, 1886; [X.], Urteil vom 27. Juni 2001 - [X.], [X.] 2001,1863, 1864). Dem trägt das Berufungsurteil nicht ausreichend Rechnung.- 7 -b) Das Berufungsgericht hat dem Wortlaut des Darlehensvertragesunter Hinweis auf das Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 ([X.]/01,[X.], 223, 224) keinerlei Bedeutung beigemessen. Der Hinweis gehtfehl. Mit dem Satz, die kreditgebende Bank habe es nicht in der Hand,einen bloß Mithaftenden durch die Bezeichnung als "[X.]" im Darlehensvertrag zum gleichberechtigten Kreditnehmer zu ma-chen, sollte in jener Entscheidung zum Ausdruck gebracht werden, daßdie rechtliche Einordnung des Vertrages nicht Sache der [X.] ist. Dies bedeutet indes nicht, daß es auf den Wortlaut nicht an-kommt. Er ist vielmehr, was das Berufungsgericht nicht beachtet hat,Ausgangspunkt der Auslegung.Der Wortlaut des Darlehensvertrages vom 9. März 1999 spricht [X.] echte Mitvertragspartnerschaft der [X.]. Sie ist in dem Vertragebenso wie ihr Ehemann als "Kreditnehmer" bezeichnet, hat darin im Zu-sammenwirken mit ihrem Ehemann die Klägerin angewiesen, die Kredit-valuta an den Fahrzeughändler auszuzahlen, und war nach den Ver-tragsbedingungen gegenüber der Klägerin verpflichtet, die für den [X.] Versicherungen zu unterhalten. Daß die Beklagte abwei-chend vom Vertragswortlaut nach dem Vertragswillen der Parteiengleichwohl nicht gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin, sondern bloßMithaftende sein sollte, ist nicht ersichtlich.c) Dagegen und für eine Qualifizierung der [X.] als echteMitdarlehensnehmerin spricht, daß sie, wie nach der [X.] erforderlich ([X.]Z 146, 37, 41; Senatsurteile vom4. Dezember 2001 - [X.]/01, [X.], 223, 224 und vom 28. Mai2002 - [X.], [X.], 1649, 1650), ein eigenes Interesse an- 8 -der Kreditaufnahme hatte. Der Kredit diente der Anschaffung eines Pkwder unteren Mittelklasse, der den finanziellen Verhältnissen der Eheleuteentsprach. Es handelte sich um das einzige Fahrzeug der Eheleute, daszur Gestaltung und Bewältigung des täglichen Lebens, z.B. für gemein-same Einkaufsfahrten, benutzt wurde. Daß der Pkw dabei nur vom [X.] gesteuert wurde, weil die Beklagte seinerzeit nicht über eine Fahr-erlaubnis verfügte, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ohneBelang. Gleiches gilt für den Umstand, daß der Kaufvertrag über denPkw nur vom Ehemann abgeschlossen worden ist. Auch bei der kreditfi-nanzierten Anschaffung größerer Hausratsgegenstände wird der [X.] - vor allem wegen besonderer Kenntnisse oder Erfahrungen ei-nes Ehepartners auf einem bestimmten Gebiet - vielfach nur von einemder Ehegatten abgeschlossen, ohne daß das Interesse auch des anderenEhepartners am Erwerb des [X.] und der Kreditauf-nahme zweifelhaft sein kann.d) Auch nachvertraglich hat sich die Beklagte wie eine echte Dar-lehensnehmerin verhalten, was Rückschlüsse auf ihren Vertragswillenbei Abschluß des Kreditvertrages zuläßt (vgl. [X.]Z 150, 32, 39; [X.],Urteil vom 24. Mai 2000 - [X.], [X.], 1648, 1652). [X.] mit der ersten am 15. April 1999 fälligen Kreditrate wurden die [X.] auf Veranlassung der [X.] von ihrem eigenen Konto abgebucht.Zwar enthält der Kreditvertrag vom 9. März 1999 nur eine Einzugser-mächtigung des Ehemannes zugunsten der Klägerin. Die Beklagte, dienach den Feststellungen des Berufungsgerichts über Erfahrungen auseiner früheren Kreditaufnahme verfügte, hat die Klägerin jedoch bereitsam 1. April 1999 - nicht, wie vom Berufungsgericht fälschlich ausgeführt,erst einige Monate nach Abschluß des Kreditvertrages - gebeten, die [X.] 9 -ligen Raten von ihrem Konto und nicht demjenigen ihres Ehemannes ab-zubuchen. So verhält sich nur eine echte Mitdarlehensnehmerin, der ander Erfüllung einer eigenen Darlehensschuld gelegen ist, nicht aber einebloß Mithaftende, die ihre Verpflichtung allein zur Absicherung des [X.] übernommen hat und dementsprechend hofft, der alleinigeDarlehensnehmer werde seinen Verpflichtungen nachkommen und sienicht in Anspruch genommen werden. Eine bloß Mithaftende wird [X.] an den Kreditgeber daher grundsätzlich erst nach Eintritt des [X.] leisten. Dies hat das Berufungsgericht bei der Ermittlungdes [X.] der Parteien nicht berücksichtigt und die [X.] zu Unrecht nicht als Mitdarlehensnehmerin, sondern nur als Mit-haftende angesehen.2. Ausgehend von der Qualifizierung der [X.] als Mitdarle-hensnehmerin kommt ein Verstoß des Darlehensvertrages gegen dieguten Sitten (§ 138 Abs. 1 [X.]) wegen krasser finanzieller Überforde-rung der [X.] von vornherein nicht in Betracht. Aufgrund der [X.] ist es grundsätzlich jedem Volljährigen unbenommen, in ei-gener Verantwortung Geschäfte abzuschließen und sich zu [X.] verpflichten, die ihn finanziell überfordern und von ihm notfalls nurunter dauernder Inanspruchnahme auch des pfändungsfreien [X.] erbracht werden können ([X.]Z 106, 269, 272; 120, 272, 274; 137,329, 335). Abgesehen davon liegt bei Darlehensnehmern, die ein ge-meinsames Interesse an der Kreditgewährung haben und sich als [X.] verpflichten, eine krasse finanzielle Überforderung nurvor, wenn die pfändbaren Einkommen aller Mitdarlehensnehmer zusam-men nicht ausreichen, die laufenden Zinsen des Kredits zu tragen (vgl.Senatsurteil vom 6. Oktober 1998 - [X.], [X.] 1998, 2366 f.).- 10 -Dazu waren die Beklagte und ihr Ehemann indes angesichts ihres mo-natlichen Nettoeinkommens von insgesamt 4.000 DM ohne weiteres inder Lage.[X.] Revision der [X.] war daher zurückzuweisen.[X.] Bungeroth Müller Wassermann Appl

Meta

XI ZR 114/03

23.03.2004

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.03.2004, Az. XI ZR 114/03 (REWIS RS 2004, 3939)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2004, 3939

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