Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.02.2021, Az. III R 67/18

3. Senat | REWIS RS 2021, 8359

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Gegenstand

Gewerbliche Einkünfte eines Pokerspielers


Leitsatz

1. NV: Überschreitet die nachhaltige Betätigung eines Pokerspielers die Grenze zur Gewerblichkeit, macht es keinen Unterschied, ob der Spieler die Gewinne bei Pokerturnieren oder bei Spielen in Casinos erzielt.

2. NV: Ein Gewerbesteuer-Messbetrag kann bei einem Berufspokerspieler nur dann festgesetzt werden, wenn er eine Betriebsstätte im Inland unterhält. Hierzu hat das FG Feststellungen zu treffen.

Tenor

Die Revision der Kläger wird insoweit als unbegründet zurückgewiesen, als das Urteil des [X.] vom 12.10.2018 - 14 K 799/11 E,[X.] die Festsetzung der Einkommensteuer für das [X.] betrifft.

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil aufgehoben, soweit es die Festsetzung des [X.]ewerbesteuer-Messbetrags für das [X.] betrifft.

Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

[X.]ie Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur [X.]inkommensteuer veranlagte [X.]heleute. [X.]em [X.]eklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--) wurde bekannt, dass der Kläger an Pokerturnieren teilnahm. [X.]araus resultierende [X.]innahmen hatten die Kläger nicht in den [X.]inkommensteuererklärungen angegeben. [X.]as [X.] führte beim Kläger im [X.] eine Außenprüfung für die Jahre 2004 bis 2006 durch. Im Verlauf der Prüfung gaben die Kläger die [X.]inkommensteuererklärung für das [X.] ab. [X.]arin gaben sie an, der Kläger habe [X.] erzielt, diese seien aber nicht steuerpflichtig. [X.]as [X.] folgte dem nicht. Mit Hilfe von Internetrecherchen schätzte es die Gewinne des [X.] aus seiner Tätigkeit als [X.]erufsspieler und kam auf [X.]eträge von [X.] (2004), [X.] (2005) und [X.] (2006). Für das [X.] (Streitjahr) setzte es einen [X.]etrag von [X.] als "[X.]" an, der auf Angaben des [X.] beruhte.

2

[X.]as [X.] erließ gegenüber den Klägern geänderte oder erstmalige [X.]inkommensteuerbescheide, in denen gewerbliche [X.]inkünfte des [X.] als Pokerspieler erfasst waren, u.a. einen [X.]inkommensteuerbescheid 2007 vom [X.] Außerdem erließ es gegenüber dem Kläger [X.], u.a. einen [X.]escheid für das [X.], der auf einen [X.]etrag von [X.] lautet. [X.]ie dagegen gerichteten [X.]insprüche der Kläger ([X.]inkommensteuer) und des [X.] (Gewerbesteuer-Messbetrag) hatten keinen [X.]rfolg ([X.]inspruchsentscheidungen vom 04.02.2011).

3

[X.]as Finanzgericht ([X.]) gab der anschließend erhobenen Klage, mit welcher die Kläger begehrten, die [X.]inkünfte aus den [X.] unberücksichtigt zu lassen, hinsichtlich der Jahre 2004 bis 2006 statt. [X.]s war der Ansicht, der Kläger habe in diesen Jahren noch keine steuerpflichtigen [X.]inkünfte als [X.]erufspokerspieler erzielt.

4

Im Übrigen (2007) wies das [X.] die Klage ab. Ab 2007 seien gewerbliche [X.]inkünfte angefallen. In diesem Jahr habe der Kläger das zuvor ruhende Arbeitsverhältnis endgültig beendet und damit deutlich gemacht, dass er seinen Lebensunterhalt künftig durch eine Spielertätigkeit bestreiten könne und wolle. [X.]er angeblich schlechte Gesundheitszustand der Klägerin habe den Kläger nicht davon abgehalten, der Spieltätigkeit intensiv nachzugehen und dafür eine Wohnung in [X.] (Spielcasino) anzumieten. Auch habe der Kläger aufgrund der Teilnahme an Pokerturnieren und an weiteren [X.] umfangreiche [X.] erlangt, sodass die Gewinne nicht mehr allein von guten Karten und glücklichen Spielverläufen abhängig gewesen seien. [X.]nde 2007/Anfang 2008 sei der Kläger von dem [X.] angesprochen, später "vermarktet" und durch die [X.]inräumung von "Gebührenvorteilen" finanziell gefördert worden. [X.]ie Höhe der vom [X.] für das [X.] geschätzten [X.]inkünfte des [X.] aus seiner Pokertätigkeit war nach Ansicht des [X.] nicht zu beanstanden.

5

Gegen das Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer Revision insoweit, als es das [X.] betrifft. Zur [X.]egründung tragen sie vor, das [X.] habe eine Überraschungsentscheidung getroffen. [X.]s habe angenommen, dass der Kläger ab dem [X.] aufgrund seiner [X.] und seiner gewonnenen Kenntnisse nicht mehr nur vom Spielglück abhängig gewesen sei. [X.]ei dieser Annahme hätte der Kläger in den Folgejahren immer erfolgreicher sein müssen. [X.]ies sei jedoch nicht der Fall gewesen, vielmehr habe der Kläger in den Jahren nach 2007 bei vergleichbarer Intensität Verluste erlitten. [X.]ass das [X.] den Vortrag der Kläger, es seien ab 2007 Verluste entstanden, als nicht glaubhaft ansehen wolle, sei erstmals den Urteilsgründen zu entnehmen gewesen. [X.]is dahin sei der Vortrag unstreitig gewesen.

6

[X.]ine Überraschungsentscheidung sei auch insofern anzunehmen, als das [X.] hinsichtlich der [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses den als [X.]egründung angeführten schlechten Gesundheitszustand der Klägerin als nicht glaubwürdig angesehen habe. Im Vorfeld sei der diesbezügliche Vortrag nicht angezweifelt worden. Hätte das Gericht einen entsprechenden Hinweis gegeben, wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, den Nachweis für die Richtigkeit des Vortrags zu erbringen. Soweit das [X.] angeführt habe, dass es angesichts des Gesundheitszustands der Klägerin nahegelegen hätte, dass der Kläger im Hinblick auf eine sichere [X.]inkommensquelle weiterhin seiner Arbeitstätigkeit nachgegangen wäre, habe es außer [X.] gelassen, dass die finanzielle Lebensgrundlage durch [X.] der Klägerin und durch die finanzielle Unterstützung der [X.]ltern abgesichert gewesen sei. Soweit das [X.] als Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit des [X.] den Umstand angeführt habe, dass der Kläger in der Nähe von [X.] eine Wohnung angemietet habe, sei darauf hinzuweisen, dass dies erst nach dem [X.] geschehen sei. Auch habe der Kläger die Wohnung nur aus Kostengründen angemietet, weil dies günstiger gewesen sei, als wenn er bei den Casinobesuchen in einem Hotel übernachtet hätte. [X.]in Verfahrensmangel liege darüber hinaus auch hinsichtlich der [X.]eurteilung der [X.]eziehungen zum Turnierveranstalter [X.] vor. [X.]as [X.] habe eine vertragliche Vereinbarung unterstellt. [X.]en Vortrag, wonach es eine derartige Vereinbarung nicht gegeben habe, habe das Gericht als nicht glaubhaft angesehen. Wenn der Kläger akzeptiert habe, als [X.] bezeichnet zu werden, dann habe dies daran gelegen, dass er nichts dagegen gehabt habe, mit einem der renommiertesten Anbieter in Verbindung gebracht zu werden. In den Jahren vor 2008 hätten die [X.]eziehungen zu [X.] ohnehin keine Rolle gespielt.

7

[X.]as angefochtene Urteil sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht unrichtig. [X.]as [X.] habe zu Recht angenommen, dass der Kläger in den Jahren 2004 bis 2006 nicht gewerblich tätig gewesen sei und Verluste erlitten habe. [X.]ie Teilnahme an drei Turnieren im [X.] habe das [X.] nicht als gewerblich angesehen, sodass die Teilnahme an nur einem Turnier im Streitjahr nicht ausreichen könne. [X.]ie bisherige Rechtsprechung des [X.]undesfinanzhofs ([X.]FH), in der Gewerblichkeit bejaht worden sei, könne auf [X.] nicht übertragen werden.

8

[X.]ie Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es die [X.]inkommensteuer für das [X.] betrifft und den [X.]inkommensteuerbescheid 2007 vom 30.11.2009 in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom 04.02.2011 dahin zu ändern, dass der Ansatz von [X.]inkünften aus Gewerbebetrieb unterbleibt.

9

[X.]er Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als es den Gewerbesteuer-Messbetrag für das [X.] betrifft, ebenso den [X.] 2007 vom [X.] sowie die dazu ergangene [X.]inspruchsentscheidung vom 04.02.2011.

[X.]as [X.] beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

[X.]as [X.] trägt vor, das [X.]-Urteil sei keine Überraschungsentscheidung. [X.]as [X.] habe lediglich den Vortrag der Kläger anders gewürdigt, als diese es sich erhofft hätten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet, soweit das angefochtene Urteil die gegenüber den Klägern festgesetzte Einkommensteuer für das [X.] betrifft. Insoweit wird sie zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Soweit das Urteil die Festsetzung des [X.] 2007 gegenüber dem Kläger betrifft, ist die Revision begründet, das Urteil ist insoweit aufzuheben. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]O).

1. Die Entscheidung des [X.], das die Tätigkeit des [X.] als die eines [X.]erufspokerspielers beurteilt hat, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Gewerbebetrieb ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine selbständige und nachhaltige [X.]etätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird, sich als Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und nicht als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft oder als selbständige Arbeit anzusehen ist; darüber hinaus darf es sich bei der Tätigkeit nicht um private Vermögensverwaltung handeln (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]eschluss des [X.] des [X.] - GrS 1/98, [X.], 240, [X.] 2002, 291).

b) [X.]ei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb einerseits und der nicht steuerbaren Sphäre sowie anderen Einkunftsarten andererseits ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie gewerblich sein, dem [X.]ild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist ([X.]eschlüsse des [X.] des [X.] vom 03.07.1995 - GrS 1/93, [X.]E 178, 86, [X.] 1995, 617, unter [X.], und in [X.], 240, [X.] 2002, 291, unter [X.].; [X.]-Urteile vom 06.03.1991 - X R 39/88, [X.]E 164, 53, [X.] 1991, 631, unter 3.a; vom 20.12.2000 - X R 1/97, [X.]E 194, 198, [X.] 2001, 706, unter [X.], und vom 09.07.2019 - X R 9/17, [X.]E 265, 354, [X.]/NV 2020, 124).

c) In der höchstrichterlichen Finanzrechtsprechung ist anerkannt, dass bei einem "reinen" Glücksspiel keine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliegt, da es an einer Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung fehlt (vgl. [X.]-Urteile vom 11.11.1993 - XI R 48/91, [X.]/NV 1994, 622; vom 16.09.2015 - X R 43/12, [X.]E 251, 37, [X.] 2016, 48, Rz 19, und vom 07.11.2018 - X R 34/16, [X.]/NV 2019, 686). Eine gewerbliche [X.]etätigung ist daher verneint worden bei [X.] (Urteil des [X.] --RFH-- vom 30.06.1927 - VI A 261/27, [X.] 21, 244; [X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 98, 494, [X.] 1970, 411) oder bei Lotteriespielen ([X.] vom 14.03.1928 - VI A 783/27, [X.] 1928, 181; [X.]-Urteil vom 16.09.1970 - I R 133/68, [X.]E 100, 199, [X.] 1970, 865). Derartige Spielgewinne sind vom Zufall abhängige Einnahmen, die zwar ohne [X.]eteiligung am Spiel nicht zu erzielen sind, jedoch nicht ein Entgelt für die Spieltätigkeit darstellen.

d) Dagegen handelt es sich beim Poker nicht um ein reines Glücksspiel, vielmehr ist es als eine Mischung aus Glücksspiel und Geschicklichkeitsspiel einzustufen ([X.]-Urteile in [X.]E 251, 37, [X.] 2016, 48, und in [X.]/NV 2019, 686). Insofern kann eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu bejahen sein (vgl. [X.], [X.], 1584). Ein erfahrener Pokerspieler kann durch Taktik, Menschenkenntnis, Nervenstärke, Mimik u.Ä. die Gewinnchancen bei [X.] erheblich steigern. Einnahmen aus [X.] können damit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen. Dies gilt sowohl für Pokerturniere, bei denen die Gewinne der Erstplatzierten aus den vom Veranstalter ausgelobten Prämien resultieren, als auch für sog. [X.], bei denen der [X.] eines Spielers unmittelbar auf den Verlusten der Mitspieler beruht. Ist die Tätigkeit eines Pokerspielers als gewerblich zu beurteilen, so macht es keinen Unterschied, ob er gewerbliche Einkünfte durch die Teilnahme an Pokerturnieren oder durch Pokerspiele in Spielcasinos erzielt.

e) Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger ist dem [X.]-Urteil in [X.]/NV 2019, 686 nichts anderes zu entnehmen. In dem Fall, der diesem Urteil zugrunde lag, waren die Gewinne aus sog. [X.], die aus Poker und dem Glücksspiel "[X.]" resultierten, zusammengefasst, obwohl die Gewinne aus "[X.]" auszuscheiden gewesen wären; die Sache wurde (u.a.) aus diesem Grund zurückverwiesen. Im Streitfall hat das [X.] jedoch von vornherein nur das von den Klägern angegebene "[X.]" herangezogen.

2. Das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die tatsächlichen Umstände des [X.] dahingehend gewürdigt, dass die [X.]etätigung des [X.] als Pokerspieler im Streitjahr 2007 die Grenze zur Gewerblichkeit überschritt. Das [X.] hat dies zunächst daraus abgeleitet, dass der Kläger vor dem Streitjahr bereits an neun Pokerturnieren sowie an zahlreichen weiteren [X.] teilgenommen hatte und im Streitjahr damit über [X.], Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte, die ihn nicht mehr nur von guten Karten und glücklichen Spielverläufen abhängig machten. Darüber hinaus hat es berücksichtigt, dass der Kläger Ende 2007/Anfang 2008 vom [X.] vermarktet und durch "[X.]" gefördert wurde. Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass das [X.] es als Indiz für ein Überschreiten der Grenze zur Gewerblichkeit gewertet hat, dass der Kläger das bisherige Arbeitsverhältnis, von dem er ohne [X.] beurlaubt gewesen war, im Streitjahr endgültig löste und damit erkennbar machte, dass er seinen Lebensunterhalt künftig durch eine Tätigkeit als Spieler bestreiten wollte. Diese Würdigung der tatsächlichen Umstände durch das [X.] ist möglich und damit für das Revisionsverfahren bindend (§ 118 Abs. 2 [X.]O).

3. Die von den Klägern erhobenen Verfahrensrügen (§ 118 Abs. 3 [X.]O) greifen nicht durch. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 [X.]O) liegt nicht vor. Das Urteil war für die Kläger keine Überraschungsentscheidung.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und --gegebenenfalls-- [X.]eweisergebnissen zu äußern, sowie in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Darüber hinaus gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör, für die Prozessbeteiligten überraschende Entscheidungen zu unterlassen. Eine Überraschungsentscheidung liegt vor, wenn das [X.] sein Urteil auf einen bis dahin nicht erörterten oder nicht bekannten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt stützt und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger [X.] selbst unter [X.]erücksichtigung der Vielzahl der vertretbaren Auffassungen nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlung nicht rechnen musste. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ein entscheidungserheblicher Umstand vom [X.] erst mit dem Urteil in das Verfahren eingebracht wird (ständige Rechtsprechung, z.[X.]. [X.]sbeschluss vom 03.04.2019 - III [X.] 80/18, [X.]/NV 2019, 841, m.w.N.).

b) Die Kläger tragen vor, sie seien davon überrascht worden, dass das [X.] ihrem Einwand, der Kläger habe in den Jahren nach 2008 Verluste erzielt, dadurch begegnet sei, dass es die Richtigkeit der [X.]ehauptung als nicht belegt angesehen habe. Die Kläger waren jedoch nicht davon überrascht oder konnten jedenfalls nicht davon überrascht sein, dass das [X.] von der Richtigkeit ihrer unbewiesenen [X.]ehauptung nicht überzeugt sein würde. Das [X.] musste etwaige in den Jahren nach 2008 entstandene [X.] auch dann nicht als wahr unterstellen, wenn das [X.] dem entsprechenden Tatsachenvortrag der Kläger im Verwaltungsverfahren nicht widersprochen haben sollte. Unabhängig hiervon hätten in späteren Jahren erzielte [X.] nicht zwingend einen Einfluss auf die [X.]eurteilung der Frage, ob die Schwelle zur Gewerblichkeit im Streitjahr 2007 überschritten war.

c) Ebenso wenig konnten die Kläger davon überrascht sein, dass das [X.] dem Vortrag der Kläger, das Arbeitsverhältnis sei wegen des schlechten Gesundheitszustands der Klägerin und nicht wegen der Tätigkeit des [X.] als Pokerspieler beendet worden, nicht folgte. Wenn es der Wahrheit entspräche, dass die behauptete Erkrankung der Klägerin die vermehrte Anwesenheit des [X.] zur Pflege und Wartung seiner Ehefrau erforderlich machte, dann wäre damit die mit der Teilnahme an Pokerturnieren verbundene Abwesenheit des [X.] nur schwerlich zu vereinbaren gewesen. Diese naheliegende Überlegung hätte sich auch den Klägern aufdrängen müssen.

d) Weiterhin ist auch keine Überraschungsentscheidung darin zu sehen, dass das [X.] den Umstand, dass der Kläger --nach seiner [X.]ehauptung erst nach dem [X.] in der Nähe von [X.] wegen seiner [X.]esuche im Spielcasino [X.] anmietete, als Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit wertete. Auch diese Überlegung des Gerichts war naheliegend. Dass das [X.] die Gewerblichkeit im Hinblick auf die [X.]eendigung des Arbeitsverhältnisses bereits für das Streitjahr bejahte, ändert hieran nichts. Darüber hinaus wird aus dem Vortrag der Kläger, [X.] sei nur aus Kostengründen angemietet worden, weil dies günstiger gewesen sei als die Übernachtung in Hotels, nicht ersichtlich, weshalb dies eine für die Kläger günstigere [X.]eurteilung zur Folge hätte haben können.

e) Schließlich konnten die Kläger auch nicht davon überrascht sein, dass das [X.] annahm, es habe zwischen dem Kläger und dem [X.] eine Vereinbarung existiert. Unstreitig hat der Veranstalter den Kläger vermarktet, unstreitig wurden dem Kläger "[X.]" eingeräumt. Das [X.] konnte daraus die --wenig überraschende-- Schlussfolgerung ziehen, dass hierzu eine entsprechende Abmachung existierte, die nicht notwendig schriftlich abgeschlossen zu sein brauchte.

4. Auch die Rüge der Kläger, das Gericht habe die Pflicht zur Sachaufklärung verletzt (§ 76 Abs. 1 [X.]O), führt nicht zum Erfolg. Insoweit sieht der [X.] von einer [X.]egründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 [X.]O).

5. Das angefochtene Urteil verletzt somit insoweit, als es die Einkommensteuerfestsetzung betrifft, kein [X.]undesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Insoweit hat die Revision der Kläger keinen Erfolg.

6. Über die vom Kläger eingelegte Revision in Sachen Gewerbesteuer-Messbetrag 2007 kann der [X.] nicht abschließend entscheiden, insoweit liegt keine Spruchreife vor. Der Kläger hat zwar im Streitjahr aufgrund seiner Tätigkeit als Pokerspieler ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des EStG betrieben (§ 2 Abs. 1 Satz 2 des [X.]). Daraus folgt jedoch nicht zwangsläufig, dass der Kläger einen im Inland betriebenen stehenden Gewerbebetrieb unterhalten hat, denn hierfür müsste eine [X.]etriebsstätte im Inland vorgelegen haben (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Ob dies der Fall war, hat das [X.] nicht festgestellt. Entsprechende Feststellungen wären nötig gewesen, da eine [X.]etriebsstätte bei einem gewerblich tätigen Pokerspieler nicht zwingend erforderlich ist. Das [X.] wird die notwendigen Feststellungen im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

7. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das [X.] beruht auf § 143 Abs. 2 [X.]O. Das [X.] hat mit Rücksicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch über die Kosten des durch dieses Urteil rechtskräftig abgeschlossenen Teils des Verfahrens zu entscheiden ([X.]surteil vom 13.06.2013 - III R 10/11, [X.]E 241, 562, [X.] 2014, 706; [X.]-Urteil vom 06.06.2019 - IV R 11/19, IV R 27/14, [X.]/NV 2019, 1243).

Meta

III R 67/18

25.02.2021

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 12. Oktober 2018, Az: 14 K 799/11 E,G, Urteil

§ 15 Abs 2 S 1 EStG 2002, § 2 Abs 1 S 3 GewStG 2002, Art 103 Abs 1 GG, § 96 Abs 2 FGO, § 96 Abs 1 S 1 FGO, § 2 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, EStG VZ 2007, GewStG VZ 2007

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.02.2021, Az. III R 67/18 (REWIS RS 2021, 8359)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 8359

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