Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2022, Az. VII B 183/21

7. Senat | REWIS RS 2022, 5564

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Gegenstand

Einordnung als Betrieb der Fleischwirtschaft - zu den Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung


Leitsatz

NV: Hat die Zollverwaltung bereits konkrete Prüfungsmaßnahmen durchgeführt, um festzustellen, ob ein Unternehmen ein Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. von § 6 Abs. 9 AEntG ist, kann sich daraus ein Rechtsverhältnis i.S. von § 41 Abs. 1 FGO und ein berechtigtes Interesse ergeben, das zur Zulässigkeit eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 114 FGO führt.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des [X.] vom 02.11.2021 - 2 V 360/21 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Unternehmensgegenstand der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) liegt in der Herstellung und dem Vertrieb von Fleischerzeugnissen aller Art, insbesondere von Fleisch- und Wurstspezialitäten. Die Antragstellerin unterhält in [[[[[X.].].].].] und in [[[[[X.].].].].] selbständige Betriebsstätten. Nach der gemäß § 18i [[[[[X.].].].].] zur Teilnahme an den Meldeverfahren zur Sozialversicherung erforderlichen Betriebsnummer zählt die wirtschaftliche Tätigkeit der Antragstellerin in den beiden Betriebsstätten zur [[[[[X.].].].].] 10130 "Fleischverarbeitung".

2

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (Hauptzollamt --H[[[[[X.].].].].]A--) führte am 16.03.2021 in der Betriebsstätte in [[[[[X.].].].].] eine Prüfung der Geschäftsunterlagen zu sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten des Arbeitgebers und der Arbeitsbedingungen nach dem Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns ([[[[X.].].].]) sowie eine stichprobenweise Prüfung der in der Fleischwirtschaft einzuhaltenden Hinweispflichten durch.

3

Daraufhin stellte die Antragstellerin beim Finanzgericht ([[[X.].].]) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem sie im Wesentlichen die vorläufige Feststellung begehrte, dass die streitgegenständliche Betriebsstätte [[[[[X.].].].].], hilfsweise einzelne Betriebsbereiche, nicht dem Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 des [[[X.].].] von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft ([[[X.].].] Fleisch) unterlägen und damit die in § 6a [[[X.].].] Fleisch enthaltenen Vorgaben und Verbote in Bezug auf den Einsatz von Fremdpersonal nicht auf sie anzuwenden seien. [[[[[X.].].].].]udem beantragte die Antragstellerin den Erlass eines Hängebeschlusses, mit dem dem H[[[[[X.].].].].]A bis zum Abschluss des Eilverfahrens untersagt werden sollte, von seiner Kontrollbefugnis gemäß § 6b [[[X.].].] Fleisch Gebrauch zu machen und innerhalb dieses [[[[[X.].].].].]eitraums eventuell begangene Verstöße gegen § 6a [[[X.].].] Fleisch zu ahnden.

4

Mit Beschluss vom 02.11.2021 - 2 V 360/21 entschied das [[[X.].].], der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zulässig. Die Antragstellerin begehre die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses, nämlich ob sie dem sachlichen Geltungsbereich des § 2 [[[X.].].] Fleisch unterfalle und damit u.a. das Verbot der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu beachten habe. Sie habe ein berechtigtes Feststellungsinteresse, weil Rechtsschutz nur nachträglich erlangt werden könnte und das H[[[[[X.].].].].]A zeitnah vor Erhebung der Feststellungsklage bei einer Geschäftsunterlagenprüfung die Feststellung getroffen habe, dass das Unternehmen der Antragstellerin der Fleischwirtschaft zuzuordnen sei. Dem Antrag fehle auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.

5

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hatte jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil nach Auffassung des [[[X.].].] durch die vorläufige Feststellung, die Antragstellerin sei kein Betrieb der [[[X.].].] 9 des Gesetzes über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ([[[X.].].] --[X.]--), bereits eine endgültige Entscheidung getroffen würde und nicht zu erkennen sei, dass eine Vorwegnahme der Hauptsache im Streitfall zur Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes zwingend geboten sei, um unzumutbare Nachteile von der Antragstellerin abzuwenden. Das [[[X.].].] hielt die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht in dem erforderlichen Umfang für gegeben, weil die Antragstellerin dem Geltungsbereich von § 2 Abs. 1 [[[X.].].] Fleisch unterfalle und die verschiedenen Produktionsbereiche ebenfalls der Fleischverarbeitung zuzuordnen seien. Da die Antragstellerin mit ihren Würsten typischerweise Fleischerzeugnisse herstelle, zähle sie zur Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung" i.S. von § 4 Abs. 1 Nr. 9 [X.]. Die Betriebsstätte in [[[[[X.].].].].] sei daher ein Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 [[[X.].].] Fleisch. Jedenfalls verarbeite die Antragstellerin überwiegend Fleisch. Alle Tätigkeiten im Unternehmen der Antragstellerin, die zur Erfüllung des Geschäftszwecks erforderlich und in den streitgegenständlichen Betrieb eingegliedert seien, gehörten begrifflich zur Fleischverarbeitung. Somit unterfielen sämtliche Tätigkeiten, die bei der Herstellung der von der Antragstellerin in [[[[[X.].].].].] produzierten Wurstspezialitäten auch nur mittelbar erforderlich seien, sowie die anschließende Verpackung usw. dem Begriff der Fleischverarbeitung. Diese Auslegung gebiete zudem die mit § 6 Abs. 10 [X.] a.F. (Abs. 9 der aktuellen Fassung) verbundene Geltung des Überwiegensprinzips. Ein Grundrechtsverstoß könne nicht festgestellt werden.

6

Dagegen hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt, die am [X.] beim [[[X.].].] und beim [X.] ([X.]) eingegangen ist. Auf Nachfrage des [X.] hat der Prozessbevollmächtigte das Übersendungsschreiben des [[[X.].].] vom 11.11.2021 in Kopie vorgelegt, das mit einem Eingangsstempel seiner Kanzlei mit dem Datum 16.11.2021 versehen ist. Außerdem hat er einen Auszug aus seiner Fristenliste übersandt, in der der Beginn der Beschwerdefrist mit dem 16.11.2021 und der Fristablauf mit dem [X.] vermerkt ist.

7

[[[[[X.].].].].]ur Begründung ihrer Beschwerde verweist die Antragstellerin auf ihren Vortrag im Hauptsacheverfahren 2 K 175/21 und führt weiter aus, das [[[X.].].] Fleisch gelte nicht für die Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung", sondern für "Betriebe der Fleischwirtschaft" i.S. von § 6 Abs. 9 [X.]. Für diese sei das Überwiegensprinzip zwingend anwendbar. Die Auslegung des [[[X.].].] widerspreche dem Wortlaut, der Systematik sowie der Historie und dem [X.]. Das [[[X.].].] habe sich nicht damit beschäftigt, was Fleisch sei und ob Wurst Fleisch sei. Das aus Art. 103 Abs. 2, Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) und § 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten resultierende Bestimmtheits- und Normenklarheitsgebot gebiete es jedoch, dass im Ordnungswidrigkeitenrecht solche deskriptiven Tatbestandsmerkmale mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden erschlossen würden.

8

Die Fleischwirtschaft erfasse nur Betriebe i.S. von § 6 Abs. 9 [X.]. Die Auffassung des [[[X.].].], wonach von dieser Vorschrift noch weitere Betriebe erfasst würden, stehe im Widerspruch zum erklärten Willen des Gesetzgebers. Dass man nicht auf die für das [[[X.].].] Fleisch fremde Branche "Schlachten und Fleischverarbeitung" abstellen dürfe, ergebe sich auch aus der Struktur der Tarifverträge, die auf den Betrieb als [[[[[X.].].].].]uordnungsobjekt, d.h. den arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff, abstellten. Die vom [[[X.].].] vorgenommene Differenzierung zwischen den "gängigen" Betrieben der Fleischwirtschaft und denjenigen der Werkvertragsarbeit könne aus der Systematik und der Begründung der Gesetze nicht abgeleitet werden. Die Auffassung des [[[X.].].], wonach das Überwiegensprinzip in § 6 Abs. 9 Satz 1 [X.] nur bei Mischbetrieben anzuwenden sei, sei eine unzulässige Fortschreibung des Gesetzes. Denn das Überwiegensprinzip sei betriebsbezogen auf sämtliche schlachtenden oder fleischverarbeitenden Betriebe anzuwenden. Die Klassifikation der Wirtschaftsbereiche richte sich nach anderen Kriterien. [[[[[X.].].].].]udem sei von der Fleischverarbeitung als Wirtschaftszweig das Verpacken von Fleisch nicht umfasst. Jedenfalls sei für die [[[[[X.].].].].]uordnung der einzelnen Tätigkeiten bei Betrieben mit einer Mischtätigkeit auf die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 abzustellen.

9

Die Auffassung des [[[X.].].] zum Umfang des Bereichs der Fleischverarbeitung und zum Überwiegen dieses Bereichs im Betrieb der Antragstellerin widerspreche dem Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik und der Rechtsprechung des [[[X.].].] Hamburg und sei daher unzutreffend. Aus dem Gesetzeswortlaut sei nicht ersichtlich, dass alle Tätigkeiten, die auch mittelbar der Herstellung und dem Vertrieb von Fleischerzeugnissen dienten, begrifflich von der Fleischverarbeitung umfasst sein sollten. Dies werde auch durch die Gesetzesbegründung belegt, aus der sich ergebe, dass es betriebsbezogen nur darauf ankomme, ob insgesamt in dem Betrieb überwiegend Fleisch verarbeitet werde, wobei Verarbeitungsprozesse, bei denen ein Einbüßen des Fleischcharakters stattgefunden habe, nicht berücksichtigt würden. Auch die Verneinung eines Verstoßes gegen ihre Grundrechte sei zu beanstanden.

Abgesehen davon gehöre der Bereich der Unterhaltsreinigung nicht zur Fleischverarbeitung und unterfalle nicht dem [X.]. Das Bestehen des [X.] folge bereits daraus, dass die Regelungen des [[[X.].].] Fleisch in ihre Berufsfreiheit und in ihr Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eingriffen. Es sei ihr nicht zuzumuten, den Ausgang des [X.] in der Hauptsache abzuwarten. Denn bei Befolgung der Auffassung des [[[X.].].] verstoße sie derzeit gegen § 6a Abs. 2 [[[X.].].] Fleisch.

Das H[[[[[X.].].].].]A sei nach § 15 [[[[X.].].].] i.V.m. §§ 2, 22 des [X.] befugt, Prüfungsmaßnahmen als präventiv polizeiliche Maßnahmen und verdachtsunabhängige Kontrollen ohne vorherige Ankündigung oder [X.] zu treffen. Ihr gehe es nicht darum, durch die begehrte vorläufige Feststellung eine Prüfung durch das H[[[[[X.].].].].]A nach § 6b [[[X.].].] Fleisch zu verhindern, sondern Rechtsklarheit zu erlangen, ob sie den bußgeldbewerten Einschränkungen des Einsatzes von Fremdpersonal nach § 6a [[[X.].].] Fleisch unterliege.

Der angefochtene Beschluss stelle darüber hinaus eine Überraschungsentscheidung dar, weil das [[[X.].].] seine Hinweispflicht gemäß § 76 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([[[X.].].]O) und den Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt habe. Schließlich weist die Antragstellerin noch auf die Entscheidung des [X.] ([X.]) vom 29.12.2020 - 1 BvQ 165/20 (Neue [[[[[X.].].].].]eitschrift für Arbeitsrecht 2021, 124) hin und beantragt hilfsweise, die Verfassungsmäßigkeit des § 6a [[[X.].].] Fleisch im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle gemäß Art. 100 GG vorab prüfen zu lassen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung aufzuheben und ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in ihrem Hauptantrag zu 1., zumindest jedoch in ihrem Hilfsantrag zu 2. stattzugeben.

Das H[[[[[X.].].].].]A beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Das H[[[[[X.].].].].]A erwidert, bei der Frage, ob es sich bei der Antragstellerin um einen Betrieb der Fleischwirtschaft i.S. des § 6 Abs. 9 [X.] handele, habe das [[[X.].].] zutreffend auf den [X.] abgestellt. Die Anwendung des sog. Überwiegensprinzips setze einen Mischbetrieb voraus, der hier nicht vorliege. Doch selbst wenn man dies außer [X.] ließe, wäre der Betrieb der Antragstellerin aufgrund der arbeitszeitlich überwiegend der Fleischverarbeitung zuzuordnenden Tätigkeiten gleichwohl ein solcher der Fleischwirtschaft. Nach § 6 Abs. 9 Satz 3 [X.] zähle die Portionierung und Verpackung zur Fleischverarbeitung, es sei denn, sie erfolge direkt auf Anforderung des Endverbrauchers.

Entscheidungsgründe

II.

Die [[[X.].].]eschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die [[[X.].].]eschwerde ist zulässig; sie ist insbesondere innerhalb der [[[X.].].]eschwerdefrist des § 129 Abs. 1 [[[X.].].]O eingelegt worden.

Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat durch Vorlage eines Auszugs aus seiner Fristenliste und dem mit dem Eingangsstempel seiner Kanzlei versehenen Übersendungsschreiben des [[[X.].].] vom 11.11.2021 glaubhaft gemacht, dass er den mit einfachem [[[X.].].]rief versandten [[[X.].].]eschluss vom 02.11.2021 tatsächlich erst am 16.11.2021 erhalten hat. Die [[[X.].].]eschwerdefrist begann somit am [[[X.].].] und endete am 30.11.2021. [[[X.].].] ist die [[[X.].].]eschwerde sowohl beim [[[X.].].] als auch beim [[[X.].].] fristgerecht eingegangen.

2. Die [[[X.].].]eschwerde ist jedoch unbegründet.

a) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist hinsichtlich des [[[X.].].] zu 1. zulässig.

aa) Gemäß § 114 Abs. 1 Satz 1 [[[X.].].]O kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in [[[X.].].]ezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 [[[X.].].]O sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in [[[X.].].]ezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen (sog. Regelungsanordnung). Voraussetzung für einen erfolgreichen Antrag ist, dass der Antragsteller einen Grund für die zu treffende Regelung (sog. Anordnungsgrund) und den Anspruch, aus dem er sein [[[X.].].]egehren herleitet (sog. Anordnungsanspruch), schlüssig dargelegt und deren tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft macht. Fehlt es an einer der beiden Voraussetzungen, kann die einstweilige Anordnung nicht ergehen (§ 114 Abs. 3 [[[X.].].]O i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung; Senatsbeschluss vom 22.12.2006 - VII [[[X.].].] 121/06, [[[X.].].]E 216, 38, [[[X.].].], 839, m.w.N.).

Eine einstweilige Anordnung kann zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes auch in Gestalt einer vorläufigen Feststellung des in der Hauptsache sachlich [[[X.].].]egehrten getroffen werden (vgl. [[[X.].].]VerfG-[[[X.].].]eschluss vom 07.04.2003 - 1 [[[X.].].]vR 2129/02, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht --NVwZ-- 2003, 856, unter [[[X.].].]; [[[X.].].]eschluss des [[[X.].].] --OVG-- vom 29.10.2014 - 2 [[[X.].].]s 179/14, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - [[[X.].].] --NVwZ-RR-- 2015, 361; [[[X.].].]eschluss des [[[X.].].] vom 29.08.2018 - 6 [[[X.].].] 10774/18, NVwZ-RR 2019, 103). Nach ständiger Rechtsprechung des [[[X.].].]undesverwaltungsgerichts ([[[X.].].]VerwG) ist es einem [[[X.].].]etroffenen nicht zuzumuten, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen auf der Anklagebank erleben zu müssen. Der [[[X.].].]etroffene hat vielmehr ein als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse daran, den fachgerichtlichen Rechtsweg als "fachspezifischere" Rechtsschutzform einzuschlagen, insbesondere wenn dem [[[X.].].]etroffenen andernfalls ein Ordnungswidrigkeitenverfahren droht (vgl. [[[X.].].]VerwG-Urteile vom 13.01.1969 - I C 86.64, [[[X.].].]VerwGE 31, 177, und vom 17.01.1972 - I C 33.68, [[[X.].].]VerwGE 39, 247; [[[X.].].]VerfG-[[[X.].].]eschluss in NVwZ 2003, 856).

bb) Nach dieser Maßgabe ist der Hauptantrag zu 1. auf Erlass einer einstweiligen Anordnung statthaft.

Eine vorläufige Feststellung kann im Streitfall grundsätzlich beantragt werden, weil die [[[X.].].]eschäftigung von Personen außerhalb eines mit dem [[[X.].].]etriebsinhaber bestehenden Arbeitsverhältnisses unter bestimmten Voraussetzungen eine Ordnungswidrigkeit darstellt (vgl. z.[[[X.].].]. § 7 Abs. 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 2 Nrn. 4 und 5 [[[X.].].] Fleisch) und die Antragstellerin daher ein Interesse daran hat, die Frage, ob sie ein [[[X.].].]etrieb der Fleischwirtschaft i.S. von § 6 Abs. 9 [[[X.].].] ist bzw. ob einzelne [[[X.].].]etriebsbereiche nicht der Fleischverarbeitung gemäß § 6a Abs. 2 [[[X.].].] Fleisch unterfallen, bereits zu einem Zeitpunkt zu klären, zu dem ihr noch keine Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt wird.

Dem steht nicht entgegen, dass im [[[X.].].]esteuerungsverfahren eine vorbeugende Feststellungsklage ausgeschlossen ist (vgl. [[[X.].].]-Urteil vom 08.04.1981 - II R 47/79, [[[X.].].]E 133, 308, [[[X.].].]St[[[X.].].]l II 1981, 581, unter 4.). Denn die Antragstellerin begehrt keine Feststellung zu einem Steuerbescheid, dessen Rechtmäßigkeit im Rahmen einer Anfechtungsklage nach § 40 Abs. 1 Alternative 1 [[[X.].].]O rechtsschutzwahrend überprüft werden könnte. Vielmehr stehen vorliegend etwaige zukünftige Prüfungsmaßnahmen der Zollverwaltung und damit ein Verwaltungshandeln ohne [[[X.].].]ezug zu einem Steuerbescheid im Streit.

cc) Die Antragstellerin hat hinsichtlich ihres [[[X.].].] zu 1. auch ein Rechtsschutzbedürfnis.

(1) Nach summarischer Prüfung besteht zwischen den [[[X.].].]eteiligten ein Rechtsverhältnis, das Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 [[[X.].].]O vor den Finanzgerichten sein kann.

Rechtsverhältnis i.S. des § 41 Abs. 1 [[[X.].].]O ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche [[[X.].].]eziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.[[[X.].].]. Senatsurteil vom 29.07.2003 - VII R 39, 43/02, [[[X.].].]E 202, 411, [[[X.].].]St[[[X.].].]l II 2003, 828, unter 2.b, m.w.N.; [[[X.].].]-Urteil vom 30.03.2011 - [[X.].]I R 5/09, [[[X.].].]/NV 2011, 1724).

Das [[[X.].].] hat am 16.03.2021 in der [[[X.].].]etriebsstätte in [[X.].] eine Prüfung der Geschäftsunterlagen zu sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten des Arbeitgebers und Arbeitsbedingungen nach dem [[X.].] durchgeführt und stichprobenweise in der Fleischwirtschaft einzuhaltende Hinweispflichten geprüft. Die Antragstellerin ist daher nicht mehr nur potentielle Adressatin eines (abstrakt-generellen) Gesetzes (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 10.02.2022 - VII [[[X.].].] 85/21, [[[X.].].]/NV 2022, 514). Vielmehr liegt nach summarischer Prüfung aufgrund der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen im Streitfall ein konkretes Rechtsverhältnis vor.

(2) Nach summarischer Prüfung ist weiterhin davon auszugehen, dass die Klage im Hauptsacheverfahren ([[X.].]. 2 K 175/21) nicht unzulässig ist.

Nach § 41 Abs. 1 [[[X.].].]O kann durch Klage die Feststellung des [[[X.].].]estehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 Satz 1 [[[X.].].]O). Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird (§ 41 Abs. 2 Satz 2 [[[X.].].]O).

Soll ein künftiger nachteiliger Verwaltungsakt oder ein sonstiges nachteiliges Verwaltungshandeln mit Hilfe einer sog. vorbeugenden Feststellungsklage vermieden werden, ist dies nur dann zulässig, wenn mit dem nachträglichen Rechtsschutz im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage nicht mehr korrigierbare Rechtsverluste verbunden sind, wenn also die vorbeugende Feststellungsklage zur Erreichung eines effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist (vgl. Senatsurteil vom 11.12.2012 - VII R 69/11, [[[X.].].]/NV 2013, 739, Rz 15, m.w.N.; Senatsbeschluss vom 30.09.2020 - VII [[[X.].].] 96/19, [[[X.].].]/NV 2021, 781; s.a. [[X.].] in [[X.].]/[[X.].]/[[X.].], § 41 [[[X.].].]O Rz 157, m.w.N.; von [[[X.].].]eckerath in Gosch, [[[X.].].]O § 41 Rz 74, m.w.N.).

Das berechtigte Interesse an der beantragten Feststellung, dass die Antragstellerin kein [[[X.].].]etrieb der Fleischwirtschaft i.S. des § 6 Abs. 9 [[[X.].].] ist, ergibt sich aus den bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen und der bereits erfolgten Einordnung der Antragstellerin als [[[X.].].]etrieb der Fleischwirtschaft durch das [[[X.].].]. Insofern liegt der Fall anders als in dem Senatsbeschluss VII [[[X.].].] 85/21, weil die Feststellungsklage vor dem [[[X.].].] im vorliegenden Fall nicht nur auf eine rechtsgutachterliche Stellungnahme des [[[X.].].] hinausliefe (vgl. dazu Senatsbeschluss in [[[X.].].]/NV 2022, 514, Rz 43; Senatsurteil vom 28.11.2017 - VII R 30/15, [[[X.].].]/NV 2018, 405, Rz 14, m.w.N.).

b) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem begehrten Inhalt ist jedoch unbegründet, weil dadurch --wie das [[[X.].].] richtigerweise festgestellt hat-- die Hauptsache vorweggenommen würde.

aa) Grundsätzlich darf die einstweilige Anordnung die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht vorwegnehmen. Etwas anderes gilt jedoch im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) dann, wenn ohne vorläufigen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher [[[X.].].]eseitigung die Entscheidung der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre ([[[X.].].]VerfG-[[[X.].].]eschlüsse vom 19.10.1977 - 2 [[[X.].].]vR 42/76, [[[X.].].]VerfGE 46, 166, und vom 25.10.1988 - 2 [[[X.].].]vR 745/88, [[[X.].].]VerfGE 79, 69; Senatsbeschlüsse vom 27.01.2016 - VII [[[X.].].] 119/15, [[[X.].].]/NV 2016, 1586, Rz 39, und vom 09.07.2020 - VII S 23/20 (AdV), [[[X.].].]/NV 2020, 1104, Rz 36).

bb) Eine solche Ausnahmesituation liegt nach summarischer Prüfung im Streitfall allerdings nicht vor.

Die Antragstellerin hat lediglich bis zum 31.03.2021 Leiharbeiter eingesetzt und diese nach eigenem Vorbringen zum 01.04.2021 eingestellt ([[[X.].].]-[[[X.].].]eschluss, S. 9). Auch wenn dies im Hinblick auf die aus Sicht der Antragstellerin ungeklärten Rechtslage erfolgt ist, besteht dennoch derzeit nicht die Gefahr, gegen § 6a Abs. 2 [[[X.].].] Fleisch zu verstoßen.

cc) Abgesehen davon ist nach summarischer Prüfung ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache auch nicht deshalb mit hoher Gewissheit zu erwarten, weil die Rechtslage klar und eindeutig wäre und daher die Gefahr einer Fehlentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin nicht bestünde (vgl. [[[X.].].]-[[[X.].].]eschluss vom 13.11.2002 - I [[[X.].].] 147/02, [[[X.].].]E 201, 80, [[[X.].].]St[[[X.].].]l II 2003, 716, unter II.4.).

Gemäß § 2 Abs. 1 [[[X.].].] Fleisch gilt dieses Gesetz für die Fleischwirtschaft, zu der [[[X.].].]etriebe i.S. von § 6 Abs. 9 [[[X.].].] gehören. Demnach handelt es sich bei [[[X.].].]etrieben der Fleischwirtschaft um [[[X.].].]etriebe oder selbständige [[[X.].].]etriebsabteilungen, in denen überwiegend geschlachtet oder Fleisch verarbeitet wird. Außerdem werden damit [[[X.].].]etriebe und selbständige [[[X.].].]etriebsabteilungen angesprochen, die ihre Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen überwiegend in [[[X.].].]etrieben der Fleischwirtschaft einsetzen. Gemäß § 6 Abs. 9 Satz 2 [[[X.].].] umfasst das Schlachten alle Tätigkeiten des [[X.].] und Zerlegens von Tieren mit Ausnahme von Fischen. Nach § 6 Abs. 9 Satz 3 i.V.m. Satz 4 [[[X.].].] umfasst die Verarbeitung alle Tätigkeiten der Weiterverarbeitung von beim Schlachten gewonnenen Fleischprodukten zur Herstellung von Nahrungsmitteln sowie deren Portionierung und Verpackung, es sei denn, die [[[X.].].]ehandlung, Portionierung oder Verpackung erfolgt auf Anforderung des Endverbrauchers.

Unabhängig davon, ob das Überwiegensprinzip in § 6 Abs. 9 Satz 1 [[[X.].].] nur dann zur Anwendung gelangt, wenn es sich nicht um [[[X.].].]etriebe oder selbständige [[[X.].].]etriebsabteilungen, die zur [[[X.].].]ranche "Schlachten und Fleischverarbeitung" (§ 4 Abs. 1 Nr. 9 [[[X.].].]) gehören, sondern um Mischbetriebe handelt, ist ein Obsiegen der Antragstellerin in der Hauptsache zumindest nicht mit hoher Gewissheit zu erwarten. Denn die Antragstellerin produziert in ihrer [[[X.].].]etriebsstätte in [[X.].] unterschiedliche Wurstspezialitäten. Aufgrund dieser Tätigkeiten und ausgehend von dem oben dargestellten Prüfungsmaßstab geht der beschließende Senat davon aus, dass die Antragstellerin zumindest mit gewisser Wahrscheinlichkeit ein [[[X.].].]etrieb der Fleischverarbeitung ist.

3. Ob der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich des [X.] zu 2. zulässig ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil auch dieser Hilfsantrag aufgrund einer nicht gerechtfertigten Vorwegnahme der Hauptsache im Ergebnis jedenfalls unbegründet wäre.

4. Ob sich die Antragstellerin auch insoweit gegen die Vorentscheidung wendet, als das [[[X.].].] ihre Anträge zu 3. und 4., mit denen sie eventuelle weitere Prüfungsmaßnahmen des [[[X.].].] verhindern wollte, abgelehnt hat, ist ihrem Vorbringen nicht eindeutig zu entnehmen. Denn während die Antragstellerin vor dem [[[X.].].] ausdrücklich beantragt hat, dem [[[X.].].] bis zum Abschluss des Eilverfahrens zu untersagen, von seiner Kontrollbefugnis gemäß § 6b [[[X.].].] Fleisch Gebrauch zu machen und eventuelle Verstöße gegen § 6a [[[X.].].] Fleisch zu ahnden, bringt sie im [[[X.].].]eschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 04.04.2022, Seite 22, vor, sie wolle eine Prüfung des [[[X.].].] nach § 6b [[[X.].].] Fleisch durch die begehrte vorläufige Feststellung nicht verhindern. Gleichwohl hat sie ihre [[[X.].].]eschwerde gegen die Vorentscheidung nicht ausdrücklich auf die Anträge zu 1. und 2. beschränkt.

Letztlich kann jedoch auch dies dahinstehen, weil auch diesen Anträgen --unabhängig von ihrer Zulässigkeit-- jedenfalls die Vorwegnahme der Hauptsache entgegenstünde. Sie wären also im Ergebnis ebenfalls unbegründet.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 [[[X.].].]O.

Meta

VII B 183/21

22.09.2022

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Thüringer Finanzgericht, 2. November 2021, Az: 2 V 360/21, Beschluss

§ 114 Abs 1 S 1 FGO, § 41 Abs 1 FGO, § 6a Abs 2 SAFleischWiG, § 6b SAFleischWiG, § 6 Abs 9 S 2 AEntG, § 114 Abs 1 S 2 FGO, § 2 Abs 1 SAFleischWiG, Art 19 Abs 4 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.09.2022, Az. VII B 183/21 (REWIS RS 2022, 5564)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5564

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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