Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.05.2023, Az. VI R 12/21

6. Senat | REWIS RS 2023, 3775

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Gegenstand

Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen


Leitsatz

Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen im Sinne von § 34b EStG sind unter den Voraussetzungen des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO als Teil der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert festzustellen.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 12.05.2021 - 3 K 3169/20 E wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hat seinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --[X.]--). Im Streitjahr (2018) erzielte er unter anderem Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft aus einem in Bundesland [X.] belegenen Forstbetrieb. Das für die gesonderte Feststellung dieser Einkünfte zuständige [X.] Y erließ diesbezüglich am 24.07.2020 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2018 und stellte laufende Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 118.226 € fest.

2

Das [X.] übernahm diese Besteuerungsgrundlagen in den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Die von ihm in der Einkommensteuererklärung geltend gemachten besonderen Steuersätze für die Kalamitätsnutzung gemäß § 34b des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien nicht angewendet worden. Von den Einkünften aus Forstwirtschaft seien 111.733,76 € aus windbruchbedingten [X.] entstanden. Davon unterlägen 73,31 % der Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes und 26,69 % dem Viertel-Steuersatz.

3

Das [X.] wies den Einspruch des [X.] als unbegründet zurück.

4

Die hiergegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht ([X.]) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1518 veröffentlichten Gründen ab.

5

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

6

Er beantragt,
das Urteil des [X.] sowie die Einspruchsentscheidung vom 03.12.2020 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 18.09.2020 dahingehend zu ändern, dass die erklärten besonderen Steuersätze gemäß § 34b EStG bei der Ermittlung der festzusetzenden Steuerbeträge angewendet werden.

7

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

8

Die Revision des [X.] ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass eine Anwendung der besonderen Steuersätze des § 34b EStG durch das [X.] im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des [X.] mangels gesonderter Feststellung von außerordentlichen (tarifbegünstigten) Einkünften aus Holznutzungen durch das [X.] Y nicht in Betracht kommt.

9

1. Über die Frage, ob und --falls [X.] in welchem Umfang die von einem Steuerpflichtigen als Einzelunternehmer erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft als solche aus außerordentlichen Holznutzungen im Sinne des § 34b EStG angesehen werden können, muss im Verfahren der gesonderten [X.] (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b der Abgabenordnung --[X.]--) entschieden werden.

a) Abweichend von § 157 Abs. 2 [X.] werden die Besteuerungsgrundlagen durch Feststellungsbescheid gesondert festgestellt, soweit dies in diesem Gesetz oder sonst in den Steuergesetzen bestimmt ist (§ 179 Abs. 1 [X.]). Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 [X.] sind Feststellungsbescheide, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für [X.], für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen ([X.]) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese [X.] von Bedeutung sind.

b) Nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] werden gesondert festgestellt die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder einer freiberuflichen Tätigkeit, wenn nach den Verhältnissen zum Schluss des [X.] das für die gesonderte Feststellung zuständige Finanzamt nicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist.

Dass diese Voraussetzungen für eine gesonderte Feststellung der Einkünfte des [X.] aus Land- und Forstwirtschaft infolge des Auseinanderfallens der örtlichen Zuständigkeit für die gesonderte [X.] (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 [X.] - [X.] Y als Lage-[X.]) und für die Steuern vom Einkommen (§ 19 Abs. 1 Satz 1 [X.] - [X.] als Wohnsitz-[X.]) für das Streitjahr dem Grunde nach vorliegen, ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Der erkennende Senat sieht deshalb insoweit von einer weiteren Begründung ab.

2. Wie das [X.] zutreffend entschieden hat, sind die Einkünfte des [X.] aus außerordentlichen Holznutzungen im Sinne von § 34b EStG in diese gesonderte Feststellung einzubeziehen.

a) Die Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen gehören im Streitfall zu den Einkünften des [X.] aus Land- und Forstwirtschaft. Sie sind dementsprechend im Rahmen dieser Einkünfte gemäß § 34b EStG zu ermitteln und folglich auch mit den Einkünften des [X.] aus Land- und Forstwirtschaft gesondert festzustellen. Dies ergibt sich bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes. Denn § 34b Abs. 2 EStG regelt die "Ermittlung der Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen". Handelt es sich bei den fraglichen Einkünften aus außerordentlichen Holznutzungen --wie im [X.] um solche aus Land- und Forstwirtschaft, betrifft § 34b EStG demzufolge unmittelbar (auch) die Einkünfteermittlung. Insbesondere handelt es sich bei den außerordentlichen Einkünften im Sinne des § 34b EStG nicht um eine eigene, --der gesonderten Feststellung nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] nicht unterfallende-- weitere Einkunftsart.

Eine andere Frage ist es, wie sich im Falle des Vorliegens von Einkünften aus außerordentlichen Holznutzungen die Einkommensteuer nach § 34b Abs. 3 EStG bemisst. Die Gewährung der Tarifermäßigung selbst --das heißt die konkrete Höhe der Einkommensteuer für die Einkünfte aus außerordentlichen [X.] kann nicht im gesonderten Feststellungsverfahren, sondern nur im Veranlagungsverfahren durch das für die Einkommensbesteuerung zuständige [X.] erfolgen.

Dies setzt allerdings voraus, dass überhaupt Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen vorliegen. Hierzu gehört nach den vorstehenden Ausführungen auch die Feststellung der begünstigten außerordentlichen Einkünfte im Wege der Verhältnisrechnung nach § 34b Abs. 2 EStG, auf die die Tarifermäßigung anzuwenden ist. Denn soweit in den Einkünften (hier aus Forstwirtschaft) solche aus ordentlichen Holznutzungen enthalten sind, handelt es sich um laufende, nicht tarifbegünstigte Einkünfte. Die hierfür erforderlichen Feststellungen trifft allein das Feststellungs-[X.]. Insoweit geht es --wie ausgeführt-- um die Einkünfteermittlung und nicht um die (nachgelagerte) Frage der Höhe der auf der Grundlage dieser Einkünfte (im Veranlagungsverfahren) festzusetzenden Einkommensteuer.

b) Für das Verfahren der gesonderten und einheitlichen [X.] nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] hat der [X.] ([X.]) bereits entschieden, dass in diesem Verfahren mit verbindlicher Wirkung für alle Beteiligten festgestellt werden muss, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung des § 34b EStG sämtlich erfüllt sind ([X.]-Urteil vom [X.] 262/59 S, [X.]E 71, 633, [X.]I 1960, 486).

Entgegen der Ansicht des [X.] gilt für das im Streitfall einschlägige Verfahren der gesonderten [X.] gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] nichts anderes (ebenso [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 34b EStG Rz 6; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], Kommentar, § 34b Rz 48; Bruckmeier in [X.][X.], EStG, § 34b Rz A 52 und [X.] EStG/[X.], 15 Ed. [01.03.2023], EStG § 34b Rz 92).

aa) Das gesonderte Feststellungsverfahren basiert darauf, dass es dem Feststellungs-[X.] besser möglich ist als dem Wohnsitz-[X.], den Gewinn zu ermitteln ([X.]/[X.] --[X.]--, § 180 [X.] Rz 396). Dem Wohnsitz-[X.] sollen --auch aus Gründen der Verfahrensvereinfachung-- durch diese Verfahrensweise Ermittlungen in dem ihm fremden Bezirk des Lage-[X.] erspart bleiben ([X.]-Urteil vom 29.10.1970 - IV R 247/69, [X.]E 101, 91, [X.] 1971, 151, am Ende; [X.] in [X.], § 180 [X.] Rz 391). Das Erfordernis der gesonderten Feststellung durch das Feststellungs-[X.] soll somit dem Umstand Rechnung tragen, dass jene Behörde "näher am Fall" und mit den Verhältnissen besser vertraut ist (vgl. z.B. [X.]-Urteile vom 15.04.1986 - VIII R 325/84, [X.]E 147, 101, [X.] 1987, 195, unter 4.b; vom 11.12.1987 - III R 228/84, [X.]E 152, 27, [X.] 1988, 230, unter 1. und vom 21.10.2014 - I R 71/13, Rz 19, m.w.N.). Insoweit gleichen sich die Zwecke des gesonderten Feststellungsverfahrens gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] und des einheitlichen und gesonderten Feststellungsverfahrens nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] (vgl. [X.]-Urteil vom 09.11.1978 - IV R 185/74, [X.]E 127, 96, [X.] 1979, 330).

Inhalt und Umfang der Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] entsprechen daher denen gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a [X.] ([X.] Nürnberg, Urteil vom 27.04.2020 - 6 K 143/20; [X.] in Tipke/[X.], § 180 [X.] Rz 73; [X.] in Gosch, [X.] § 180 Rz 66).

bb) An diesem Ergebnis ändert auch die Neufassung des § 34b EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 01.11.2011 ([X.], 2131) nichts.

(1) Die Änderung der Überschrift stellt lediglich klar, dass die Gewährung der Tarifermäßigung nicht auf Einkünfte aus Forstwirtschaft beschränkt ist, sondern auch bei gewerblichen Einkünften zum Tragen kommt (so bereits [X.]-Urteil in [X.]E 71, 633, [X.]I 1960, 486), wenn in diesen außerordentliche Holznutzungen enthalten sind und die Voraussetzungen des § 34b EStG im Übrigen erfüllt sind.

(2) Die Überprüfung der Meldung von Kalamitäten durch den Forstsachverständigen ist --anders als der Kläger meint-- keine Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und auch kein Verwaltungsakt (Leingärtner/[X.], Besteuerung der Landwirte, [X.]. 44 Rz 101). Eventuelle Einwände sind daher im [X.] oder --wie hier-- Feststellungsverfahren zu klären (s.a. [X.] in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 34b Rz 11, zum Nutzungssatz).

Entsprechend hat der Forstsachverständige der Finanzverwaltung des Bundeslandes X vorliegend auch keine Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen "festgestellt", sondern im Wege einer gutachtlichen Stellungnahme lediglich die Angaben des [X.] zur Schadholzmenge "dem Grund und der Höhe nach als zutreffend begutachtet und als … aufgearbeitetes Kalamitätsholz" anerkannt.

c) Da das Lage-[X.] Y vorliegend keine tarifbegünstigten Einkünfte aus außerordentlichen Holznutzungen, sondern nur laufende Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft festgestellt hat, kommt eine Gewährung der Tarifermäßigung des § 34b Abs. 3 EStG durch das [X.] nach §§ 182 Abs. 1 Satz 1, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b [X.] nicht in Betracht.

3. [X.] folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VI R 12/21

09.05.2023

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend FG Düsseldorf, 12. Mai 2021, Az: 3 K 3169/20 E, Urteil

§ 18 Abs 1 Nr 1 AO, § 19 Abs 1 S 1 AO, § 157 Abs 2 AO, § 179 Abs 1 AO, § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst a AO, § 180 Abs 1 S 1 Nr 2 Buchst b AO, § 182 Abs 1 S 1 AO, § 34b Abs 2 EStG 2009, § 34b Abs 3 EStG 2009, § 118 AO, EStG VZ 2018

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.05.2023, Az. VI R 12/21 (REWIS RS 2023, 3775)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2023, 3775

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