Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.09.2010, Az. IV R 31/08

4. Senat | REWIS RS 2010, 3500

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Gegenstand

Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens wegen fehlender Aussetzung des Klageverfahrens betreffend die Einkommensteuer bis zum Abschluss des Feststellungsverfahrens - Notwendigkeit der Feststellung der Einkünfte bei mehreren Beteiligten und streitiger Höhe eines Veräußerungsgewinns


Leitsatz

1. NV: Das FG muss das den Einkommensteuerbescheid betreffende Verfahren aussetzen, bis über die Feststellung der Einkünfte, an denen mehrere Personen beteiligt sind, im Feststellungsverfahren entschieden ist .

2. NV: Das gesonderte Feststellungsverfahren ist auch durchzuführen, wenn das für dieses Verfahren zuständige Finanzamt gleichzeitig für die Festsetzung der Einkommensteuer aller an den Einkünften beteiligter Steuerpflichtiger zuständig ist .

3. NV: Ein Fall von geringer Bedeutung liegt nicht vor, wenn die zutreffende Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts in Streit steht .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung einer Milchreferenzmenge (im Weiteren [X.]) dem Veräußerungserlös im Hinblick auf einen Teileinzug der [X.] zu Gunsten der Landesreserve gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 der Zusatzabgabenverordnung in der Fassung der [X.] zur Änderung der Zusatzabgabenverordnung vom 14. Januar 2004 ([X.], 89; Neubezeichnung mit der [X.] zur Änderung der Zusatzabgabenverordnung vom 26. März 2004, [X.], 462, ab dem 1. April 2004: [X.] --[X.]--, im Weiteren daher [X.]) ein anteilig (um 33 %) gekürzter Buchwert gegenüberzustellen ist.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine Ehefrau, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, erzielten im Streitjahr (2004) u.a. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Den Gewinn ermittelten sie für das vom 1. Mai 2004 bis 30. April 2005 laufende Wirtschaftsjahr gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und rechneten diesen jeweils hälftig zu.

3

Dem Kläger wurden im Jahr 1984  204 200 kg [X.] zugeteilt, die nach Kürzungen nach der [X.] um 8,52 % noch 186 802 kg betrugen. Das gesamte Milchlieferrecht des Klägers bezog sich ausschließlich auf nach § 55 Abs. 1 EStG bewertete Flächen. Der von dem Buchwert für Grund und Boden hierfür abgespaltene Buchwert betrug (unstreitig) 169.183 DM. Mit Vereinbarung vom 20. Juli 1999 verpachtete der Kläger im Wege der flächenlosen Referenzmengenübertragung 50 000 kg der ihm zustehenden [X.]. Mit einvernehmlicher Pachtvertragsauflösung vom 13. April 2004 beendeten die Vertragsparteien den Pachtvertrag vorzeitig. Das [X.] … bescheinigte dem Kläger daraufhin u.a., dass die schriftliche Pachtvereinbarung mit Ablauf des 31. März 2004 geendet (Ziff. 3 der Verfügung) und die Referenzmenge des abgebenden Betriebes sich mit Ablauf des 31. März 2004 gemäß § 12 Abs. 2 [X.] um 50 000 kg vermindert habe (Ziff. 4 der Verfügung) sowie der Abzug zu Gunsten der Reserve des Landes 16 500 kg und die auf den Kläger übergehende Referenzmenge 33 500 kg betrage (Ziff. 5 und 6 der Verfügung).

4

Über die Verkaufsstelle für [X.] der [X.] (Milchbörse) veräußerte der Kläger sodann am 1. Juli 2004 die auf ihn übergegangenen [X.] (33 500 kg) zu einem Preis von 17.213,01 €.

5

In der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 2004/05 wiesen der Kläger und seine Ehefrau keinen Gewinn aus der Veräußerung der [X.] aus. Sie stellten dem um die Veräußerungskosten auf 17.188,01 € geminderten Veräußerungserlös den anteilig auf 50 000 kg entfallenden Buchwert der [X.] in Höhe von 23.154 € gegenüber. Einen Verlust berücksichtigten sie auf Grund der [X.] nach § 55 Abs. 6 EStG ebenfalls nicht.

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) veranlagte den Kläger und seine Ehefrau zunächst mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 12. Juli 2005 erklärungsgemäß. Dieser Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

7

Am 26. August 2005 erließ das [X.] einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ([X.]) geänderten Einkommensteuerbescheid für 2004. Nunmehr vertrat es die Auffassung, dass bei der Veräußerung der [X.] der Buchwert, soweit er auf die zu Gunsten der Landesreserve eingezogenen 16 500 kg entfalle, nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen sei. Diese [X.] seien vielmehr unter Beachtung der [X.] des § 55 Abs. 6 EStG gewinnneutral auszubuchen. Unter Zugrundelegung eines sodann anteilig auf die verkaufte Menge entfallenden Buchwerts in Höhe von 15.437,44 € und des von dem Kläger angesetzten Verkaufserlöses von 17.188,01 € ergäbe sich ein Gewinn aus der Veräußerung der streitgegenständlichen [X.] in Höhe von gerundet 1.750,00 €. Dieser wurde entsprechend anteilig für die in das [X.] fallenden Monate des Wirtschaftsjahres 2004/05 den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft des Klägers und seiner Ehefrau im Streitjahr hinzugerechnet.

8

Den Einspruch, der ausschließlich vom Kläger eingelegt worden ist, wies das [X.] als unbegründet zurück.

9

Dagegen hatten der Kläger und seine Ehefrau Klage erhoben. Auf einen Hinweis des Finanzgerichts ([X.]) hat die Ehefrau ihre Klage zurückgenommen. Das [X.] hat das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt.

Die vom Kläger erhobene Klage hatte in der Sache keinen Erfolg.

Die Urteilsgründe sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1715 abgedruckt.

Mit der dagegen eingelegten Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Vorentscheidung und den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 26. August 2005 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Oktober 2006 aufzuheben.

Das [X.] beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt es im Wesentlichen Bezug auf die Ausführungen der Vorentscheidung.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision des [X.] ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache an das [X.] zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. Es liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor, da das [X.] das Verfahren über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids nicht gemäß § 74 [X.]O ausgesetzt hat, bis über die Feststellung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich entschieden worden ist. Dieser Verfahrensfehler ist von Amts wegen zu berücksichtigen (Urteil des [X.] --BFH-- vom 14. Februar 2008 IV R 44/05, [X.], 1156, unter [X.] der Gründe, m.w.N.).

a) Einkommensteuerpflichtige Einkünfte sind grundsätzlich dann nach § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. [X.] gesondert und einheitlich festzustellen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Das [X.] muss in einem solchen Fall das Klageverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide aussetzen, bis das [X.] entweder eine gesonderte und einheitliche Feststellung durchgeführt oder, soweit es sich um einen Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 [X.]) handelt, einen negativen Feststellungsbescheid gemäß § 180 Abs. 3 Satz 2 [X.] erlassen hat (BFH-Urteil in [X.], 1156, unter [X.]a der Gründe).

b) Nach den Feststellungen des [X.] haben der Kläger und seine Ehefrau im Streitjahr gemeinschaftlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt. Die Einkünfte wurden ihnen ausweislich des angefochtenen Einkommensteuerbescheids jeweils zur Hälfte zugerechnet. Der Kläger und seine Ehefrau haben die Einkünfte deshalb ersichtlich im Rahmen einer zumindest konkludent vereinbarten Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 7 EStG erzielt. Die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft sind in diesem Fall gesondert und einheitlich festzustellen (vgl. BFH-Urteil in [X.], 1156, unter [X.]b der Gründe, m.w.N.). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn das für dieses Verfahren zuständige [X.] gleichzeitig auch für die Festsetzung der Einkommensteuer aller an den Einkünften beteiligten Steuerpflichtigen, hier der Eheleute, zuständig ist (BFH-Urteil in [X.], 1156, unter [X.]c der Gründe, m.w.N.).

c) Das [X.] muss das gegen die Einkommensteuerbescheide gerichtete Verfahren auch dann nach § 74 [X.]O bis zum Abschluss eines Feststellungsverfahrens aussetzen, wenn der Erlass eines Negativbescheides gemäß § 180 Abs. 3 Satz 2 [X.] wegen geringer Bedeutung des Falls möglich erscheint. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz für einen Fall von offensichtlich geringer Bedeutung kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil die Höhe der Einkünfte nicht feststeht; denn sie hängt von einer zwischen den Verfahrensbeteiligten streitigen Rechtsfrage, der zutreffenden Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung eines betrieblich genutzten Wirtschaftsguts, ab (vgl. BFH-Urteil in [X.], 1156, unter [X.]e der Gründe, m.w.N.).

2. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es der Vorgreiflichkeit des Feststellungsverfahrens nicht Rechnung trägt. Die Sache geht an das [X.] zurück, das das Verfahren nach § 74 [X.]O aussetzen und den Abschluss des Feststellungsverfahrens abwarten muss.

Meta

IV R 31/08

09.09.2010

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 7. Mai 2008, Az: 5 K 237/06, Urteil

§ 179 Abs 2 S 2 AO, § 180 Abs 1 Nr 2 Buchst a AO, § 180 Abs 3 S 2 AO, § 74 FGO, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002, § 13 Abs 7 EStG 2002, § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 09.09.2010, Az. IV R 31/08 (REWIS RS 2010, 3500)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3500

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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