Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2010, Az. 4 StR 165/10

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 4405

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Gegenstand

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige: Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. November 2009

a) im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in vier Fällen schuldig ist,

b) im Strafausspruch aufgehoben; jedoch werden die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen "unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren in vier Fällen, wobei der Angeklagte gewerbsmäßig handelte, und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, wobei der Angeklagte eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führte, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt waren" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der [X.] ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

2

1. Der Schuldspruch bedarf der Änderung.

3

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen betrieb der Angeklagte einen schwungvollen Handel mit Betäubungsmitteln, um sich dadurch eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen, wobei er in vier Fällen Marihuana bzw. Haschisch zum Preis von 10 Euro an Personen unter 18 Jahren veräußerte.

4

Das [X.] hat unberücksichtigt gelassen, dass sich der Angeklagte insoweit nicht nur der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige (§§ 29a Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG) schuldig gemacht hat, sondern tateinheitlich dazu auch des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG (vgl. [X.], Urteil vom 12. September 1996 - 4 [X.], [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 Überlassen 1; vgl. [X.] 3. Aufl. § 29a Rn. 34 m.w.[X.]). Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. Das Verschlechterungsverbot nach § 358 Abs. 2 StPO wird durch die Schuldspruchänderung nicht verletzt; dieses schließt das Risiko einer Verschärfung des Schuldspruchs nicht aus (vgl. [X.] 6. Aufl. § 358 Rn. 18 m.w.[X.]). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte gegen den weiteren Vorwurf nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.

5

2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand.

6

a) Hinsichtlich des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (gleichzeitige Aufbewahrung von zum Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln und eines griffbereiten, geladenen Gasrevolvers sowie eines Baseballschlägers) hat das [X.] bei der Strafzumessung im engeren Sinne zu Lasten des Angeklagten unter anderem die "besondere Gefährlichkeit des bewaffneten Handeltreibens" ([X.]) gewertet. Damit hat es einen Umstand in die Strafzumessung eingestellt, dessen Berücksichtigung gegen das [X.] nach § 46 Abs. 3 StGB verstößt, weil die Bewaffnung Tatbestandsmerkmal des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist (vgl. [X.], Beschluss vom 1. Juni 2005 - 2 [X.]; vgl. [X.]. 259).

7

Der Senat vermag nicht sicher auszuschließen, dass das [X.] ohne diese Erwägung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte.

8

b) Bei den vier Fällen der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige hat das [X.] sowohl bei der [X.] als auch bei der Strafzumessung im engeren Sinn zu Lasten des Angeklagten unter anderem gewertet, dass er "seine Drogengeschäfte ohne Rücksicht auf das Alter des Abnehmers mit nahezu [X.] abwickelte", dabei "vor allem seinen Profit im Auge hatte" und "das Gesamtbild eines regelmäßigen und planmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln neben dem Kioskbetrieb" bot ([X.] 20).

9

Diese Erwägungen begegnen im Hinblick auf das [X.] ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die unerlaubte Abgabe an eine minderjährige Person gehört zum Tatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG, die weiteren Erwägungen zum gewerbsmäßigen Handeln im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG (vgl. hierzu [X.] 29 Rn. 1701 m.w.[X.]).

Auch hier kann der Senat - vor allem angesichts der jeweils nur sehr geringen Rauschgiftmenge - nicht ausschließen, dass sich die fehlsamen Erwägungen zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben, und zwar sowohl bei der [X.] als auch bei der Bemessung der verhängten Einzelstrafen.

c) Da es sich bei den zur Aufhebung des Strafausspruchs führenden [X.] lediglich um [X.] handelt, können die zugehörigen Feststellungen bestehen bleiben. Im Rahmen der neuen Strafzumessung sind ergänzende Feststellungen möglich, sofern sie den bisher getroffenen nicht widersprechen.

[X.]                                Solin-Stojanović                             Roggenbuck

                       Cierniak                                             Bender

Meta

4 StR 165/10

27.07.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Bielefeld, 24. November 2009, Az: 2 KLs 13/09 - 36 Js 1327/08, Urteil

§ 46 Abs 3 StGB, § 29a Abs 1 Nr 1 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30a Abs 2 Nr 2 BtMG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 27.07.2010, Az. 4 StR 165/10 (REWIS RS 2010, 4405)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 4405

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

3 StR 47/23

2 StR 252/14

2 StR 252/14

4 StR 165/10

4 StR 519/19

6 StR 44/23

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