Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 338/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11084

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517B2STR338.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 338/15
vom
11. Mai
2017
in der Strafsache
gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

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2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat am 11. Mai
2017
gemäß §
406a Abs.
2 Satz
2 StPO beschlossen:

1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 26. März 2015 wird verworfen, auch soweit sie sich gegen die Adhäsionsentscheidung richtet.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Neben-
und Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten durch Urteil vom 26.
März 2015 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit Verge-waltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und zugleich zur Zahlung ei-nes
Schmerzensgeldes von 6.500

nebst Zinsen verurteilt. Mit Beschluss vom 13.
Januar 2016 hat der Senat die Revision des Angeklagten verworfen, soweit sie sich gegen den Schuldspruch und den Strafausspruch richtete. Zugleich hat er die Entscheidung über die
Revision gegen die im vorbezeichneten Urteil ge-troffene Adhäsionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014

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StR 137/14 u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim [X.] für Zivil-sachen eingeleitete Anfrageverfahren zur Frage der Bemessung eines Schmer-zensgeldes zurückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbe-halten. Nach der Entscheidung der Vereinigten [X.]e des [X.]
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richtshofs vom 16.
September 2016

[X.] ([X.], 179), bei dem der Senat mit Beschluss vom 14.
April 2016

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StR 137/14 u.a. die Frage vorge-legt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§
253 Abs.
2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschä-digten berücksichtigt werden dürfen und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu verwerfen.

I.
Die Vereinigten [X.]e haben entschieden, dass bei der [X.] einer billigen Entschädigung in Geld nach §
253 Abs.
2 BGB (§
847 BGB a.F.) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftli-chen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein ausgeschlossen werden können ([X.], Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]).
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige [X.], die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem [X.] für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtu-ungsfunktion, st. Rspr.;
grundlegend [X.], Großer Senat für Zivilsachen, Be-schluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.], 149, 154 ff.; [X.], VI.
Zivilsenat, Urteile vom 13.
Oktober 1992

[X.], [X.]Z 120, 1, 4 f.; vom 29.
November 1994

VI
ZR 93/94,
[X.]Z 128, 117, 120 f.).
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Dabei steht der Entschädigungs-
oder Ausgleichsgedanke im [X.]. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und [X.] die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen [X.]. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immate-rielle Schäden nicht wegzudenken ist, eine besondere Bedeutung.
Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den [X.] hervorgerufene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Ge-schädigtem zum Ausdruck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Berücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet ([X.], Großer Senat für Zivilsachen, Beschluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.], 149, 157; VI.
Zivilsenat, Urteil vom 16. Januar 1996

[X.], [X.], 382).
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. [X.] können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftli-chen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinig-te Große Senate, Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]

juris,
Rn.
55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung [X.] durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem [X.] "wirtschaftlichen Gefälle" sein ([X.], Be-schluss vom 16.
September 2016

[X.]

juris,
Rn.
57). Indem der
(Tat-)Richter
im ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet, dabei gegebenenfalls 4
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auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in Beziehung setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist ([X.], Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]

juris,
Rn.
56, 70).
Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägen-den einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Le-bensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein den einzelnen Fall
gerecht werdendes Schmerzensgeld festzuset-zen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten ([X.] Senate, Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]

juris,
Rn.
72).
Für die Überprüfung eines
Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Ange-klagten und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf-senate des [X.] regelmäßig keinen Rechtsfehler dar. [X.] ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Fall ein "besonderes Gepräge" geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftli-chen Verhältnisse dem Fall kein
besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.
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Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von [X.] oder
Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen [X.] im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbe-ziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des [X.] zu einer Erhö-hung des Schmerzensgeldes
geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.

II.
Nach
diesen Maßstäben begegnet die Adhäsionsentscheidung des an-gefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das [X.] hat sich ersichtlich an dem Ausmaß des begangenen Tatunrechts und den Folgen für das Opfer orien-tiert; die wirtschaftlichen Verhältnisse von [X.] und Geschädigter
hat es bei der Schmerzensgeldbemessung nicht berücksichtigt. Da sich in den [X.] zudem keine Anhaltspunkte dafür finden, dass etwa ein außerge-wöhnliches Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Täter 10
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und Opfer und damit ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche Situation der Sache ein besonderes Gepräge gibt, war die Außerachtlassung der wirtschaftli-chen Verhältnisse

entgegen bisheriger Rechtsprechung

nicht zu beanstan-den.
Appl

Krehl

Eschelbach

Zeng

Grube

Meta

2 StR 338/15

11.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 338/15 (REWIS RS 2017, 11084)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11084

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2 StR 137/14

2 StR 211/14

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