Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 401/15

2. Strafsenat | REWIS RS 2017, 11072

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:110517B2STR401.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 401/15
vom
11. Mai 2017
in der Strafsache
gegen

wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.

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2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat am 11.
Mai
2017
gemäß
§
406a Abs.
2 Satz
2
StPO beschlossen:

1.
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-richts Erfurt
vom 6. Mai 2015 wird verworfen, auch soweit sie sich gegen die Adhäsionsentscheidung richtet.
2.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der
Neben-
und Adhäsionsklägerin
im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:
Das [X.] hatte den Angeklagten durch Urteil vom 6.
Mai 2015 wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und anderen Delikten zu einer Freiheitsstrafe von sechs
Jahren sowie zur Zahlung eines [X.] von 12.000

. Mit Beschluss vom 3.
März 2016 hat der Senat die Revision des Angeklagten verworfen, soweit sie sich gegen den
Schuldspruch
und Strafausspruch richtete. Zugleich hat er die Entschei-dung über die Revision gegen die im vorbezeichneten Urteil getroffene Adhä-sionsentscheidung sowie über die Kosten des Rechtsmittels im Hinblick auf das mit Beschluss vom 8.
Oktober 2014

2
[X.] u.a. (NStZ-RR 2015, 382) bei den anderen Strafsenaten und beim [X.] für Zivilsachen eingelei-tete Anfrageverfahren zur Frage der Bemessung eines Schmerzensgeldes zu-rückgestellt und sie einer abschließenden Entscheidung vorbehalten. Nach der Entscheidung der Vereinigten [X.]e des [X.] vom 1
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3
-
16.
September 2016

[X.] ([X.], 179), bei dem der Senat mit Be-schluss vom 14.
April 2016

2 [X.] u.a. die Frage vorgelegt hatte, ob bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld (§
253 Abs.
2 BGB) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten berück-sichtigt werden dürfen und wenn ja, nach welchen Maßstäben, war nunmehr die gegen die Adhäsionsentscheidung gerichtete Revision des Angeklagten zu verwerfen.

I.
Die Vereinigten [X.]e haben entschieden, dass bei der [X.] einer billigen Entschädigung in Geld nach §
253 Abs.
2 BGB (§
847 BGB aF) alle Umstände des Falles berücksichtigt und dabei die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers und des Geschädigten nicht von vornherein aus-geschlossen werden können ([X.], Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]).
Das Schmerzensgeld hat nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs rechtlich eine doppelte Funktion. Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige [X.], die nicht vermögensrechtlicher Art sind (Ausgleichsfunktion). Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem [X.] für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet (Genugtu-ungsfunktion, [X.] Rspr.;
grundlegend
[X.], Großer Senat für Zivilsachen, Be-schluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.], 149, 154 ff.; [X.], VI.
Zivilsenat, Urteile vom 13. Oktober 1992

VI
ZR 201/91, [X.]Z 120, 1, 4 f.; vom 29.
November 1994

VI
ZR 93/94, [X.]Z 128, 117, 120
f.).
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4
-
Dabei steht der Entschädigungs-
oder Ausgleichsgedanke im [X.]. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung des Schmerzensgeldes bildet die Rücksicht auf Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und [X.] die wesentlichste Grundlage bei der Bemessung der billigen [X.]. Für bestimmte Gruppen von immateriellen Schäden hat aber auch die Genugtuungsfunktion, die aus der Regelung der Entschädigung für immate-rielle Schäden nicht hinwegzudenken ist, eine besondere Bedeutung. Sie bringt insbesondere bei vorsätzlichen Taten eine durch den Schadensfall hervorgeru-fene persönliche Beziehung zwischen Schädiger und Geschädigtem zum Aus-druck, die nach der Natur der Sache bei der Bestimmung der Leistung die Be-rücksichtigung aller Umstände des Falles gebietet ([X.], Großer Senat für Zi-vilsachen, Beschluss vom 6.
Juli 1955

[X.], [X.], 149, 157; VI.
Zivilsenat, Urteil vom 16.
Januar 1996

VI
ZR 109/95, [X.], 382).
Bei der Bemessung der billigen Entschädigung in Geld stehen deshalb die Höhe und das Maß der Lebensbeeinträchtigung ganz im Vordergrund. [X.] können aber auch alle anderen Umstände berücksichtigt werden, die dem einzelnen Schadensfall sein besonderes Gepräge geben, wie etwa der Grad des Verschuldens des Schädigers, im Einzelfall aber auch die wirtschaftli-chen Verhältnisse des Geschädigten oder diejenigen des Schädigers (Vereinig-te Große Senate, Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]

juris, Rn.
55). Ein mit zu berücksichtigender Umstand kann dabei die Verletzung ei-ner "armen"
Partei durch einen vermögenden Schädiger etwa bei einem [X.] "wirtschaftlichen Gefälle" sein ([X.], Be-schluss vom 16.
September 2016

[X.]

juris, Rn.
57). Indem der
(Tat-)Richter in einem ersten Schritt alle Umstände des Falles in den Blick nimmt, dann die prägenden Umstände auswählt und gewichtet, dabei gegebe-nenfalls auch die (wirtschaftlichen) Verhältnisse der Parteien zueinander in [X.] setzt, ergibt sich im Einzelfall, welche Entschädigung billig ist (Vereinig-4
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-
5
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te Große Senate, Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]

juris, Rn.
56, 70).

Zur Überprüfung seiner Entscheidung durch das Revisionsgericht ist der Tatrichter regelmäßig gehalten, die für die Schmerzensgeldbemessung prägen-den einzelnen Umstände, im Regelfall vor allem die Höhe und das Maß der Le-bensbeeinträchtigung, in seiner Entscheidung zu benennen, im Rahmen einer sich daran anschließenden Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen und daraus ein den
einzelnen Fall gerecht werdendes Schmerzensgeld festzuset-zen. Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen von Schädiger und Geschädigtem und Ausführungen zu deren Einfluss auf die Bemessung der billigen Entschädigung sind dabei nur geboten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Einzelfall ein besonderes Gepräge geben und deshalb bei der Entscheidung ausnahmsweise berücksichtigt werden mussten ([X.] Senate, Beschluss vom 16.
September 2016

[X.]

juris, Rn.
72).
Für die Überprüfung eines Ausspruchs über die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren gilt danach Folgendes:
Die Nichtberücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse von Ange-klagten
und Tatopfer stellt entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Straf-senate des [X.] regelmäßig
keinen Rechtsfehler dar. [X.] ist eine Berücksichtigung vonnöten, wenn die wirtschaftlichen [X.] dem Fall ein "besonderes Gepräge"
geben. Dies ist etwa bei einem wirtschaftlichen Gefälle anzunehmen. Ausführungen dazu, dass die wirtschaftli-chen Verhältnisse dem Fall kein
besonderes Gepräge geben, sind regelmäßig nicht erforderlich.

Hat der Tatrichter die wirtschaftlichen Verhältnisse von Angeklagtem oder
Tatopfer, ohne dass diese dem Fall ihr besonderes Gepräge geben, 6
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gleichwohl bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt, stellt dies regelmäßig einen Rechtsfehler dar, bei dem anhand der tatrichterlichen [X.] im Einzelfall zu prüfen ist, ob die angefochtene Adhäsionsentscheidung darauf zum Nachteil des Angeklagten beruhen kann. Die Berücksichtigung schlechter finanzieller Verhältnisse des Angeklagten wird sich regelmäßig nicht zu seinem Nachteil ausgewirkt haben, hingegen liegt es nahe, dass die Einbe-ziehung einer wirtschaftlich schlechten Situation des [X.] zu einer Erhö-hung des Schmerzensgeldes
geführt und sich nachteilig ausgewirkt hat.

II.
An diesen Maßstäben gemessen begegnet die Adhäsionsentscheidung des angefochtenen Urteils keinen Bedenken. Das [X.] hat sich ersicht-lich an dem Ausmaß des begangenen Tatunrechts und den Folgen für das Op-fer orientiert;
die wirtschaftlichen Verhältnisse
von Angeklagtem und Geschä-digter hat es bei der Schmerzensgeldbemessung nicht berücksichtigt. Da sich in den Urteilsgründen zudem keine Anhaltspunkte dafür finden, dass etwa ein außergewöhnliches Gefälle zwischen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit 10
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von Täter und Opfer und damit ein Fall vorliegt, in dem die wirtschaftliche [X.] ein besonderes Gepräge gibt, war die Außerachtlassung der wirtschaftlichen Verhältnisse

entgegen bisheriger Rechtsprechung

nicht zu beanstanden.
Appl

Krehl

Eschelbach

Bartel

Grube

Meta

2 StR 401/15

11.05.2017

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.05.2017, Az. 2 StR 401/15 (REWIS RS 2017, 11072)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 11072

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2 StR 137/14

2 StR 337/14

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